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  • 08.01.2013

    Finanzgericht Berlin-Brandenburg: Urteil vom 17.10.2012 – 12 K 12095/09

    Befindet sich der als Arbeitszimmer genutzte Raum in einem sog. Zubehörraum (Keller, Speicher, Abstellraum), der auch bei räumlicher Trennung von der Wohnung – z. B. durch ein auch von fremden Dritten benutztes gemeinsames Treppenhaus – dieser zuzuordnen ist, liegt ein häusliches Arbeitszimmer i. S. d. § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 6b EStG vor.


    IM NAMEN DES VOLKES

    URTEIL

    In dem Rechtsstreit

    hat das Finanzgericht Berlin-Brandenburg – 12. Senat – aufgrund mündlicher Verhandlung vom 17. Oktober 2012 durch den Präsidenten des Finanzgerichts …, die Richterin am Finanzgericht …, den Richter am Finanzgericht … sowie die ehrenamtlichen Richterinnen Frau … und Frau …

    für Recht erkannt:

    Die Klage wird abgewiesen.

    Die Kosten des Verfahrens werden der Klägerin auferlegt.

    Tatbestand:

    Die Beteiligten streiten über die Berücksichtigung von Aufwendungen für ein Arbeitszimmer als Werbungskosten.

    Die Klägerin ist Lehrerin. Sie ist verheiratet und wird getrennt von ihrem Ehemann zur Einkommensteuer veranlagt. Die Eheleute sind Eigentümer eines Wohnhauses mit einer Gesamtwohnfläche von 234,80 m². Das Haus enthält im ersten und im zweiten Geschoss jeweils eine abgeschlossen Wohnung. Die Wohnung im ersten Stock wird von den Eheleuten genutzt. Die Wohnung im zweiten Stock war im Streitjahr an einen der beiden Söhne der Eheleute vermietet. Im Keller des Hauses befinden sich die Heizungsanlage, eine Waschküche mit zwei Waschmaschinen, eine Toilette, ein Abstellraum und zwei ausgebaute Zimmer mit einer Raumhöhe von 2,53 m, von denen das eine der Ehemann der Klägerin als Büro und das andere die Klägerin selbst als Arbeitszimmer nutzt. Diese beiden letztgenannten Zimmer sind durch eine Zwischentür miteinander verbunden. Der Ehemann der Klägerin beschäftigte in seinem Arbeitszimmer einen sozialversicherungspflichtigen Arbeitnehmer.

    Im Hausflur befanden sich jedenfalls zeitweise eine Schuhablage, zwei kleine Kommoden, eine Flurgarderobe und Grünpflanzen. Dabei führt die Treppe zum Keller in einen Vorraum, von dem vier Türen abgehen, nämlich jeweils eine zum Arbeitszimmer der Klägerin, eine zu dem von ihrem Ehemann beruflich genutzten Raum, eine zur Waschküche und eine zu dem vierten Raum, der von dem die Wohnung im zweiten Stock nutzenden Sohn der Eheleute als Kellerraum sowie zeitweise auch von dem zweiten Sohn der Kläger als Abstellraum genutzt wurde.

    Nach Ablauf des Streitjahres brachte der Ehemann der Klägerin auf den ansonsten weißen Wänden des Hausflures private Fotos an. Ebenfalls nach Ablauf des Streitjahres zog der Sohn der Klägerin aus seiner Wohnung aus. Diese steht seither leer, ebenso der von dem Sohn der Klägerin zuvor genutzte Kellerraum.

    Die Klägerin machte mit ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr Aufwendungen für ihr Arbeitszimmer in Höhe von EUR 1 913,98 als Werbungskosten geltend. Der Beklagte berücksichtigte jedoch nur EUR 1 250,00.

    Der Einspruch der Klägerin dagegen hatte keinen Erfolg (Teil-Einspruchsentscheidung vom 27. März 2009).

    Die Klägerin ist der Auffassung, dass der Werbungskostenabzug nicht nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b des Einkommensteuergesetzes (EStG) auf EUR 1 250,00 begrenzt werden dürfe, da es sich bei ihrem Arbeitszimmer um ein außerhäusliches Arbeitszimmer handele. Sie trägt vor, dass eine innere Verbindung zwischen der von ihr und ihrem Ehemann genutzten Wohnung und dem Arbeitszimmer fehle. Das Arbeitszimmer liege insbesondere nicht auf derselben Etage wie die Wohnung. Es sei nur über einen für alle Nutzer des Hauses zugänglichen Flur zugänglich. Es handele sich auch nicht um einen Keller im herkömmlichen Sinne, weil die Räume über oberirdische Fenster verfügten. Schließlich sei das Abstellen von Straßenschuhen im Treppenhaus nicht unüblich und gerade in C… häufig zu beobachten.

    Die Klägerin beantragt,

    die Bescheide über Einkommensteuer 2005 vom 04. Dezember 2006 in Gestalt des Änderungsbescheides vom 09. März 2009 und der Teil-Einspruchsentscheidung vom 24. März 2009 dahingehend zu ändern, dass weitere Werbungskosten in Höhe von EUR 553,98 berücksichtigt werden.

    Der Beklagte beantragt,

    die Klage abzuweisen.

    Er ist der Auffassung, dass jedenfalls die privaten Fotos im Hausflur auf einen inneren Zusammenhang zwischen der Wohnung der Eheleute und dem Arbeitszimmer der Klägerin hindeute.

    Entscheidungsgründe:

    1. Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet. Der angefochtene Bescheid ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung [FGO]). Der Beklagte hat den von der Klägerin beruflich genutzten Raum zu Recht als häusliches Arbeitszimmer angesehen. Demzufolge war bei der Steuerfestsetzung die Abzugsbeschränkung auf EUR 1 250,00 anzuwenden.

    a) Nach § 9 Abs. 5 i.V.m. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 1 EStG in der im Streitjahr geltenden Fassung kann ein Steuerpflichtiger Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer nicht als Werbungskosten abziehen. Dies galt nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 2 EStG dann nicht, wenn entweder die betriebliche oder berufliche Nutzung des Arbeitszimmers mehr als 50 v.H. der gesamten betrieblichen und beruflichen Tätigkeit betrug oder wenn für die betriebliche oder berufliche Tätigkeit kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung stand. In diesen Fällen wurde nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 3 EStG in der für das Streitjahr geltenden Fassung die Höhe der abziehbaren Aufwendungen regelmäßig auf EUR 1 250 begrenzt.

    Der Begriff des häuslichen Arbeitszimmers ist im Gesetz nicht definiert. Es handelt sich um einen Begriff, der durch die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) geprägt worden ist. Der Gesetzgeber hat mit der Regelung des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG an den von der Rechtsprechung geprägten Typus angeknüpft. Er hat keinen neuen, von dieser Rechtsprechung losgelösten Begriff des häuslichen Arbeitszimmers schaffen wollen (BFH-Urteil vom 19. September 2002 – VI R 70/01, Bundessteuerblatt [BStBl] II 2003, 139, unter II.1.b), c)aa) der Gründe). Aus dem Wesen des Typus folgt, dass seine Grenzen fließend sind und es Übergangsformen gibt. Der jeweilige Sachverhalt muss dem Typus wertend zugeordnet werden. Entscheidend ist dabei das sich aus den konkreten Verhältnissen ergebende Gesamtbild (BFH-Beschluss vom 04. Mai 2010 – VIII B 63/09, Sammlung der Entscheidungen des Bundesfinanzhofes [BFH/NV] 2010, 1444; BFH in BStBl II 2003, 139, unter II.1.c)aa) der Gründe). Dieses Verständnis des Begriffs des häuslichen Arbeitszimmers entspricht Sinn und Zweck der in § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG getroffenen Regelung. Die Beschränkung des Werbungskostenabzugs für ein häusliches Arbeitszimmer dient der typisierenden Begrenzung von Aufwendungen, die eine Berührung mit dem privaten Lebensbereich des Steuerpflichtigen aufweisen und in einer Sphäre anfallen, die einer sicheren Nachprüfung durch Finanzverwaltung und Finanzgericht (FG) entzogen ist (BFH in BStBl II 2003, 139, unter II.1.c)cc) der Gründe).

    Ein Arbeitszimmer weist eine derartige Berührung mit dem privaten Lebensbereich des Steuerpflichtigen auf, wenn es in die häusliche Sphäre eingebunden ist. Das ist regelmäßig dann der Fall, wenn das Arbeitszimmer sich in einem Raum befindet, der zur privat genutzten Wohnung bzw. zum Wohnhaus des Steuerpflichtigen gehört. Dabei gehört ein Raum nicht nur dann zur Wohnung, wenn er Teil der eigentlichen Wohnräume ist; vielmehr kann er sich auch in den Zubehörräumen (Abstell-, Keller- und Speicherräumen) befinden (BFH-Urteile vom 20. Juni 2012 – IX R 56/10, juris, unter II.1.b) der Gründe; vom 10. Juni 2008 – VIII R 52/07, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung [HFR] 2009, 456, unter II.1.b) der Gründe; vom 26. Februar 2003 – VI R 160/99, BStBl II 2003, 515, unter II.2.b) der Gründe; VI R 124/01, BStBl II 2004, 69, unter II.2.b) der Gründe). Arbeitszimmer in auch vom Steuerpflichtigen genutzten Mehrfamilienhäusern, die nicht zu seinen Zubehörräumen zählten, sind als häusliche Arbeitszimmer angesehen worden, wenn sie unmittelbar an die von diesem genutzte Wohnung angrenzten (BFH in BStBl II 2004, 69) oder sich jedenfalls auf derselben Etage befanden (so BFH-Urteil vom 26. Februar 2003 – VI R 125/01, BStBl II 2004, 72); sie werden hingegen als außerhäusliche Arbeitszimmer qualifiziert, wenn eine solche innere Verbindung zur privat genutzten Wohnung fehlt (so für den Fall von einem Dritten angemietete Kellerräume BFH in BStBl II 2003, 515, für den Fall einer abgeschlossenen Dachgeschosswohnung BFH in HFR 2009, 456; für den Fall eines nicht von der Wohnung des Steuerpflichtigen erreichbaren Büroraumes im Keller BFH-Urteil vom 20. Juni 2012 – IX R 56/10, juris).

    Ob ein Arbeitszimmer nach dem Gesamtbild der Verhältnisse als in die häusliche Sphäre eines Steuerpflichtigen eingebunden oder als von diesen losgelöst anzusehen ist, ist von dem Finanzgericht durch wertende Betrachtung der Umstände des Einzelfalles im Wege der Tatsachenfeststellung und -würdigung zu entscheiden (BFH in BFH/NV 2010, 1444).

    b) Das von der Klägerin genutzte Arbeitszimmer stellt bei wertender Betrachtung aller Umstände des Einzelfalles ein häusliches Arbeitszimmer dar, da die dafür genutzten Räumlichkeiten als Zubehörraum der von den Klägern genutzten Wohnung anzusehen sind.

    Wohnungen in Mehrfamilienhäusern, die unterkellert sind und deren Keller neben Räumen für Heizung, Waschküche etc. weiteren Raum bietet, wird in der Regel ein als Abstellraum nutzbarer Kellerraum zugewiesen. Solche der Wohnung zugewiesenen Keller sind – im Gegensatz zu darüber hinaus angemieteten Kellern anderer Nutzer des Hauses – Zubehörräume der Wohnung. Das gilt auch dann, wenn der Steuerpflichtige sie nicht als Abstellraum, sondern als Arbeitszimmer ausstattet und nutzt. So lag der Fall hier. Das im Eigentum stehende Haus der Eheleute verfügte über zwei Wohnungen. Der Keller wurde, wie dies nicht unüblich ist, teilweise für Heizung und Waschküche genutzt; die übrigen Räume waren den Nutzern der Wohnungen zur freien Verfügung zugewiesen. Diese nutzten sie in jeweils unterschiedlicher Weise, nämlich die Klägerin als Arbeitszimmer, der Ehemann der Klägerin für seine berufliche Tätigkeit und der Sohn der Klägerin als Lagerraum. Die Zuordnung einzelner Kellerräume zu einzelnen Wohnungen des Hauses zeigt sich auch daran, dass der zunächst von dem Sohn der Klägerin genutzte Kellerraum nach dessen Auszug aus der von ihm genutzten Wohnung ebenso wie diese Wohnung selbst leer steht. Da es sich bei dem als Arbeitszimmer genutzten Kellerraum um einen Zubehörraum der Wohnung der Klägerin handelt, ist ein besonderer innerer Zusammenhang des Raumes mit der übrigen Wohnung der Klägerin nicht erforderlich. Ein solcher muss nur dann festgestellt werden, wenn es sich nicht um die Wohnung selbst oder die Zubehörräume handelt.

    Unerheblich ist für die Entscheidung des Falles, dass die Kellerräume, wie die Klägerin vorträgt, nicht vollständig unterirdisch gelegen waren, sondern über Tageslicht verfügten. Die Art der Bauweise ändert nichts daran, dass es sich bei den Räumen um Zubehörräume der Wohnung der jeweiligen Nutzer des Hauses, im Falle des Arbeitszimmers der Klägerin also der von den Eheleuten genutzten Wohnung, handelte.

    Dem gefundenen Ergebnis steht auch nicht der Umstand entgegen, dass das Arbeitszimmer nur über ein auch von fremden Dritten benutztes gemeinsames Treppenhaus möglich ist. Zwar hat der BFH ausgesprochen, dass in einem solchen Fall die Möglichkeiten des Steuerpflichtigen, Kosten der privaten Lebensführung in den beruflichen oder betrieblichen Bereich zu verlagern, geringer sind als bei unmittelbar an die Privatwohnung angrenzenden Räumlichkeiten (BFH in HFR 2009, 456, unter II.1.c) der Gründe). Das gilt aber nur, wenn die als Arbeitszimmer genutzten Räume nicht, wie hier, als Zubehörräume anzusehen sind. Zubehörräume, insbesondere Kellerräume, zeichnen sich regelmäßig dadurch aus, dass sie nur über ein allgemein zugängliches Treppenhaus zu erreichen sind; gleichwohl hat dies die Rechtsprechung zu Recht nicht davon abgehalten, sie bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen als häusliches Arbeitszimmer anzusehen.

    2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

    VorschriftenEStG 2002 § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 6b, EStG 2002 § 9 Abs. 5

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