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  • 11.06.2014 · IWW-Abrufnummer 141713

    Finanzgericht Düsseldorf: Urteil vom 12.03.2014 – 7 K 2499/12 E

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    Finanzgericht Düsseldorf

    7 K 2499/12 E

    Tenor:

    Der Einkommensteuerbescheid 2001 vom 12.06.2012 wird dahingehend geändert, dass die Einkommensteuer unter Berücksichtigung von Einkünften aus § 18 EStG in Höhe von 62.771 DM festzusetzen ist.

    Die Berechnung wird dem Beklagten aufgegeben.

    Die Kosten des Rechtsstreits hat der Beklagte zu tragen.

    Die Revision wird zugelassen.

    Tatbestand:

    Die Kläger wenden sich gegen einen Änderungsbescheid zur Einkommensteuer 2001, der am 06.08.2008 nach § 174 Abs. 4 Abgabenordnung (AO) aufgrund Urteils des Finanzgerichts Düsseldorf vom 12.06.2008 (11 K 3445/06 E zur Einkommensteuer 2000) erlassen wurde.

    Für das Jahr 2001 wurden die Kläger nach Abgabe ihrer Einkommensteuererklärung 2001 durch Einkommensteuerbescheid vom 04.11.2002 unter Vorbehalt der Nachprüfung zur Einkommensteuer veranlagt. In der Gewinnermittlung des Klägers war als Betriebsausgabe unter Ziff. 8 „Säumniszuschläge, Verspätungszuschläge, Zinsen auf Steuern“ ein Betrag von 4.534 DM aufgeführt; der Betrag wurde laut Anlage zum ESt-Bescheid 2001 nicht berücksichtigt. Die Einkünfte des Klägers aus selbstständiger Arbeit wurden im Bescheid mit 104.543,00 DM angesetzt.

    Gegen den Bescheid legten die Kläger Einspruch ein, ohne diesen im Einzelnen zu begründen. In der Einspruchsentscheidung vom 06.06.2003 wurde der Vorbehalt der Nachprüfung aufgehoben; die Einkünfte aus § 18 Einkommensteuergesetz (EStG) wurden auf 62.771,00 DM herabgesetzt. Laut Blatt 5 der Einspruchsentscheidung wurden insoweit „Zuschläge/Zinsen auf Steuern/Umsatzsteuer“ in Höhe von 33.714,76 DM als Betriebsausgaben berücksichtigt, dem lag ein Kontoauszug des Finanzamtes vom 6. 5. 2003 zugrunde.

    Die Kläger wandten sich hiergegen mit einer Klage gegen das seinerzeit zuständige Finanzamt () vor dem Finanzgericht Düsseldorf Aktenzeichen 11 K 3755/03 E. Im Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 13. 01. 2006, bei der für die Kläger niemand, für das Finanzamt die Bearbeiterin "A" erschienen war, ist ausgeführt, dass der Betrag von 33.714,76 DM anhand des in der Akte des Finanzamtes abgehefteten Kontoauszuges vom 06.05.2003 erörtert wurde. Die Vertreterin des Finanzamtes überreichte in dem Verhandlungstermin zudem einen weiteren Kontoauszug vom 12.01.2006. Es wurde festgestellt, dass bisher nicht als Betriebsausgabe berücksichtigte Umsatzsteuer für 2001 in Höhe von 201,70 DM einen Abzugsposten im Jahr 2001 darstelle; zugleich aber ein Betrag von 340,00 DM (Säumniszuschlag Umsatzsteuer 1990) zu Unrecht im Jahr 2001 angesetzt worden war, da er im Veranlagungszeitraum 2000 zu berücksichtigen gewesen wäre. Laut Protokoll ergaben sich hieraus nach Saldierung keine Auswirkungen für den Gewinn des Klägers. Die Klage wurde aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 13.01.2006 abgewiesen. Laut Blatt 17 des Urteils vom 13.01.2006 hatte das Finanzamt zu Recht Umsatzsteuer von 33.714,76 DM als Betriebsausgaben berücksichtigt.

    Für 2000 waren die Kläger zunächst durch Bescheid vom 26.02.2002 zur Einkommensteuer veranlagt worden. Auf den hiergegen gerichteten Einspruch änderte das Finanzamt in der Einspruchsentscheidung vom 19.09.2002 den Gewinn des Klägers auf 86.274,00 DM. Als Betriebsausgaben wurden unter anderem für „Zuschläge/Zinsen Steuern/Umsatzsteuer“ 6.209,31 DM angesetzt. Hiergegen erhoben die Kläger die Klage Aktenzeichen 11 K 5662/02, die das Finanzgericht Düsseldorf im ersten Rechtsgang durch Urteil vom 12.08.2004 als unzulässig abwies. Das Urteil wurde durch den Bundesfinanzhof am 26.05.2006 aufgehoben und die Sache an das Finanzgericht zurückverwiesen (neues Aktenzeichen: 11 K 3445/06 E). In diesem Verfahren teilte das Finanzamt am 06.09.2007 schriftsätzlich mit (Blatt 122 der Gerichtsakte), nach erneuter Überprüfung für 2000 sei festgestellt worden, dass in 2000 weitere Umsatzsteuer in Höhe von 33.720,12 DM durch den Kläger gezahlt worden sei. Insoweit übersandte das Finanzamt einen entsprechenden Kontoauszug vom 04.09.2007, in dem die Zahlungen beziehungsweise Umbuchungen auf Umsatzsteuer, Zinsen, Säumniszuschläge und Verspätungszuschläge zur Umsatzsteuer im Jahr 2000 gelb markiert waren; insgesamt handelte es sich um 33.720,12 DM (Blatt 134 der Akte). Darin enthalten war auch der Betrag von 340,00 DM, der laut Urteil für 2001 im Verfahren 11 K 3755/03 E in 2001 zu Unrecht berücksichtigt worden war.

    Am 22.02.2008 erging ein Änderungsbescheid zur Einkommensteuer 2000, in dem die Einkünfte aus § 18 EStG auf 55.408,00 DM herabgesetzt wurden. Es wurden Umsatzsteuern als Betriebsausgaben in Höhe von 33.720,00 DM abzüglich bereits in der Einspruchsentscheidung angesetzter 6.209,31 DM berücksichtigt. Laut Urteil vom 12.06.2008 im Verfahren 11 K 3445/06 E waren noch weitere Betriebsausgaben (Mobilfunkkosten) von brutto 900,00 DM anzusetzen, im Übrigen wurde die Klage abgewiesen. Laut Blatt 37 des Urteils hatte das Finanzamt zu Recht 33.720,12 DM Umsatzsteuer als Betriebsausgabe angesetzt.

    Am 06.08.2008 erließ das Finanzamt einen auf § 172 AO gestützten Änderungsbescheid für 2000, in dem in Umsetzung des Urteils vom 12.06.2008 weitere Betriebsausgaben von 900,00 DM berücksichtigt wurden.

    Durch Urteil des BFH vom 13.04.2010 wurde das Urteil des Finanzgerichts Düsseldorf vom 12.06.2008 aufgehoben und die Einkommensteuerfestsetzung 2000 unter Berücksichtigung weiterer Werbungskosten (Gerichtskosten) von 287,35 € (562,00 DM) herabgesetzt, im Übrigen wurde die Klage abgewiesen.

    Mit dem hier angefochtenen Bescheid vom 06.08.2008 änderte der Beklagte den Einkommensteuerbescheid 2001 nach § 174 Abs. 4 Abgabenordnung. Zur Begründung führte er aus, der Gewinn aus § 18 EStG werde erhöht, soweit die in 2000 gezahlte und bisher bei der Einkommensteuer 2001 als Betriebsausgabe angesetzte Umsatzsteuer nunmehr in 2000 berücksichtigt worden sei. Zudem sei die in 2001 gezahlte und bisher nicht angesetzte Umsatzsteuer von 201,70 DM zu berücksichtigen. Das Finanzamt berechnete den Gewinn nunmehr wie folgt:

    Bisher als Betriebsausgabe angesetzte Umsatzsteuer 33.714,76 DM

    Weitere Umsatzsteuerzahlung plus 201,70 DM

    In 2000 als Betriebsausgabe abgesetzt 27.510,84 DM

    (33.720,00 DM – 6.209 DM, siehe oben)

    Bleibt als Umsatzsteuer als Betriebsausgabe 2001 6.405,63 DM

    Der Gewinn von bisher 62.771,00 DM sei um 33.714,76 zu erhöhen und um 6.405,63 DM zu vermindern und betrage neu 90.080,00 DM.

    Gegen den Bescheid legten die Kläger Einspruch ein. Die in 2000 gezahlte Umsatzsteuer sei vom Finanzamt bei der Einkommensteuer 2000 nicht vollständig berücksichtigt worden und Gegenstand des Prozesses gewesen. Auch sei in 2001 mehr an Umsatzsteuer gezahlt worden als vom Finanzamt bisher berücksichtigt. Sie hätten die Umsatzsteuer als durchlaufenden Posten behandelt, was das Finanzamt zunächst auch so gehandhabt habe. Circa 1989 habe das Finanzamt das Prinzip umgestellt und dabei falsche Beträge angesetzt. Steuerzahlungen seien vom Finanzamt nicht entsprechend dem angegebenen Verwendungszweck verbucht worden. Zudem sei die Festsetzungsfrist abgelaufen.

    Mit der Einspruchsentscheidung vom 12.06.2012 wurde die Steuer unter Berücksichtigung eines Gewinns von 90.080 DM auf 103.572 DM (52.955,52 €) festgesetzt. Bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit berücksichtigte der Beklagte weitere Werbungskosten (Prozesskosten) des Klägers von 852 DM nach § 177 Abs. 1 AO. Im Übrigen wies der Beklagte den Einspruch zurück.

    Hiergegen richtet sich die Klage vom 05.07.2012.

    Die Kläger tragen vor:

    Das frühere Wohnsitzfinanzamt habe für Einkommensteuer 2001 einen Bescheid vom 04.11.2002 erlassen, der bestandskräftig geworden sei. Das neue Wohnsitzfinanzamt, der Beklagte, habe sechs Jahre nach Bestandskraft den neuen Einkommensteuerbescheid 2001 vom 06.08.2008 erlassen mit der Begründung, in 2001 sei vom Finanzamt bei dem Kläger gezahlte Umsatzsteuer in Höhe von 27.510,84 DM als Betriebsausgabe gewinnmindernd angerechnet worden, obwohl sie nicht in 2001, sondern in 2000 gezahlt worden sei. Dies sei eine nicht belegte bloße Vermutung des Beklagten. Für 2001 sei die Festsetzungsfrist abgelaufen. Auch sei der Beklagte nicht zuständig für eine Änderung des Bescheides, da dieser vom Finanzamt erlassen worden sei. Das Finanzamt habe die Steuerzahlungen nicht entsprechend dem Verwendungszweck laut Überweisungen verbucht. Es gäbe zahlreiche teilweise falsche Umbuchungen aufgrund von Rechtsmitteln der Kläger. Einen von den Klägern beantragten Abrechnungsbescheid gäbe es bislang nicht. Hierzu habe das beklagte Finanzamt sich aber im Verfahren 12 K 3648/07 AO verpflichtet. Das Finanzamt müsse anhand von Kontoauszügen und Steuererklärungen der Kläger nachweisen, dass entgegen dem bestandskräftigen Einkommensteuerbescheid 2001 vom 04.11.2002 die vom Kläger in 2001 geleisteten Umsatzsteuerzahlungen tatsächlich um 27.510,00 DM niedriger gewesen seien. Eine Änderung nach § 174 Abs. 4 AO sei nicht zulässig. In dem Protokoll der mündlichen Verhandlung im Verfahren 11 K 3755/03 E vom 13.01.2006 habe der zuständige Richter () der im Termin erschienen Mitarbeiterin "A" des Finanzamtes wissen wollen, wie sich der Betrag von 33.714,76 DM zusammensetze. Ausweislich des Protokolls habe "A" dies anhand des in der Akte des Beklagten abgehefteten Kontoauszuges vom 06.05.2003 erläutert. Es habe eine Erörterung der einzelnen Beträge stattgefunden. Dem Richter sei ein weiterer Kontoauszug vom 12.01.2006 vorgelegt worden. In den Entscheidungsgründen des Urteils 11 K 3755/03 E habe das Finanzgericht den Betrag von 33.714,76 DM bestätigt. Damit sei dieser Betrag als Betriebsausgabe des Klägers festgestellt worden. Auch bezüglich der Einkommensteuer 2000 sei der Umfang der als Betriebsausgabe zu berücksichtigenden Umsatzsteuer rechtskräftig festgestellt worden. Das Finanzgericht habe im Urteil vom 12.06.2008 zum Aktenzeichen 11 K 3445/06 E auf Seite 37/38 die Berechnung des Beklagten, dass der Kläger 33.720,12 DM gezahlt habe, bestätigt. Der bei der Akteneinsicht durch den Kläger vorgefundene Kontoauszug vom 06.05.2003 sei nicht mit dem Kontoauszug vom 06.05.2003 identisch, von dem in dem Protokoll der Verhandlung am 13.01.2006 im Verfahren 11 K 3755/03 E die Rede gewesen sei. Der im Protokoll erwähnte Kontoauszug vom 06.05.2003 sei nicht zur Gerichtsakte übergeben worden. Er sei lediglich in der mündlichen Verhandlung gemeinsam durchgearbeitet worden. Die Bearbeiterin des Finanzamtes habe bestätigt, dass 33.714,76 DM im Steuerjahr 2001 abgeflossen seien, dies habe der zuständige Richter geprüft und für zutreffend befunden. Zusammen mit dem Protokoll vom 13.01.2006 hätten die Kläger vom Finanzgericht den Kontoauszug (Klartext) vom 12.01.2006 erhalten.

    Der von dem Beklagten jetzt als Kontoauszug vom 06.05.2003 überreichte Kontoauszug könne inhaltlich nicht der gleiche sein, der sich am 13.01.2006 in der Akte des Beklagte befunden und von dem Richter und der Bearbeiterin geprüft worden sei. In der Spalte „gezahlt“ dieses Kontoauszuges gäbe es nur einen einzigen Betrag mit einem Zahldatum 2001, nämlich einen Betrag von 201,70 DM mit dem Datum 21.12.2001. Alle anderen Zahl-/Verrechnungstermine lägen im Jahr 2000. Es sei ausgeschlossen, dass der am 13.01.2006 in der Akte des Beklagten abgeheftete Kontoauszug vom 06.05.2003 ausschließlich Zahl‑/Verrechnungstermine im Steuerjahr 2000 ausgewiesen habe und der Richter und die Bearbeiterin entgegen dem Text dieses Kontoauszuges die Beträge als im Jahr 2001 abgeflossen und bezahlt festgestellt hätten. Das Protokoll vom 13.01.2006 besage eindeutig, dass in diesem Kontoauszug sich nur der Betrag von DM 340 mit einem im Steuerjahr 2000 liegenden Datum befunden habe, der auch sofort vom Richter entdeckt worden sei. Alle anderen Positionen in diesem Kontoauszug hätten ein in diesem Steuerjahr 2001 liegendes Datum ausgewiesen. Der Einkommensteuerbescheid vom 06.08.2008 sei unrichtig und widerspreche dem Inhalt der beiden rechtskräftigen Urteile und dem damaligen eigenen Vortrag des Finanzamts.

    Die vom Beklagten hergestellten Kontoauszüge hätten keinen inhaltlichen Beweiswert. Die Mitarbeiter des Finanzamtes, die Zugang zu der Datenverarbeitung hätten, könnten sowohl die Beträge wie auch die Termine in den Kontoauszügen nach Belieben ändern und weglassen. Der Kontoauszug vom 12.01.2006, den das Finanzamt an das Gericht geschickt habe, sei nicht identisch mit dem Kontoauszug vom 12.01.2006, den die Bearbeiterin "A" am 13.01.2006 dem Richter überreicht habe. Es handele sich um zwei Kontoauszüge mit gleichem Datum und unterschiedlichen Inhalt und unterschiedlichen Beträgen. Aus dem Klartextkontoauszug vom 25.03.2013 des Beklagten ergäbe sich, dass zahlreiche Buchungen und Termine nicht mit dem Kontoauszug vom 06.05.2003 übereinstimmten.

    Der Kontoauszug vom 06.05.2003 sei ferner unrichtig, weil er Positionen mit hohen Beträgen enthalte, die nach einer Zahlung des jeweiligen Betrages durch den Kläger im Wege der Zubuchung sofort wieder mit einer Abbuchung neutralisiert würden, obwohl es eine entsprechende Auszahlung an die Kläger nicht gegeben habe. Unzutreffend sei auch die Kennzeichnung einer Abbuchung auf angebliche Steuerschulden der Kläger, da diese überhaupt nicht bestanden hätten. Das Finanzamt habe über die Jahre hinweg zahllose Umbuchungen vorgenommen, ohne den Klägern entsprechende Umbuchungsanzeigen zu machen und mitzuteilen, welcher Betrag aus welchem Grund und wegen welchen Bescheides auf was und wie umgebucht worden sei. Gesamtbeträge seien vom Finanzamt in zahllose kleine Teilbeträge aufgegliedert und verteilt worden. Die finanziellen Auswirkungen diverser Änderungsbescheide könnten nur teilweise nachgehalten werden. Das Finanzamt habe die Umbuchungen entgegen der Zahlungsbestimmungen der Kläger auf ihren Banküberweisungen verbucht. Wegen dieses von dem Beklagten verschuldeten Chaos in seiner Buchhaltung hätten die Kläger das Bedürfnis, von dem Beklagten nachvollziehbare und inhaltlich richtige Abrechnungsbescheide zu erhalten. Es seien noch Abrechnungsbescheide der Jahre 1999 bis 2009 offen, insoweit liefen teilweise Verfahren beim Finanzgericht. In dem Verfahren vor dem FG Düsseldorf 12 K 3648/07 AO sei laut Protokoll vom 21.08.2008 die Vorlage von Abrechnungsbescheiden vereinbart worden, die dem Muster des Abrechnungsbescheides des Finanzamtes zur Einkommensteuer 1999 vom 30.06.2005 entsprechen müssten (Anlage K 10). Diese Vereinbarung habe der Beklagte nicht eingehalten.

    Auf das schriftsätzliche Vorbringen der Kläger im Einzelnen wird im Übrigen Bezug genommen.

    Die Kläger beantragen,

    den geänderten Einkommensteuerbescheid 2001 vom 06.08.2008 und die Einspruchsentscheidung vom 12.06.2012 dahingehend zu ändern, dass Einkünfte aus § 18 EStG in Höhe von 62.771 DM angesetzt werden,

    hilfsweise, die mit Schriftsatz vom 24. 2. 2014 beantragten Beweise zu erheben,

    hilfsweise Revisionszulassung.

    Der Beklagte beantragt,

    die Klage abzuweisen,

    hilfsweise Revisionszulassung.

    Er trägt vor:

    Es seien Abrechnungsbescheide zur Umsatzsteuer 2000 und 2001 ergangen, sowie hierzu Klartextkontoauszüge an die Kläger übersandt worden. Das Finanzamt sei davon ausgegangen, dass Verfahren betreffend Abrechnung sei insoweit erledigt.

    Das Gericht hat die Akten der Klageverfahren 11 K 3755/03 E und 11 K 3445/06 E sowie die Steuerakten 2000 und 2001 zum Verfahren beigezogen.

    E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:

    Die Klage ist begründet. Der angefochtene Bescheid ist rechtswidrig und verletzt die Kläger in ihren Rechten, § 100 Abs. 1 FGO.

    Der Beklagte war nicht berechtigt, den bestandskräftigen Einkommensteuerbescheid 2001 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 6. 6. 2003 zu ändern.

    Zwar liegen die Voraussetzungen des § 174 Abs. 4 AO, auf den der Beklagte die Änderung stützt, im Streitfall vor.

    Ist auf Grund irriger Beurteilung eines bestimmten Sachverhalts ein Steuerbescheid ergangen, der auf Grund eines Rechtsbehelfs oder sonst auf Antrag des Steuerpflichtigen durch die Finanzbehörde zu seinen Gunsten geändert worden ist, können nach § 174 Abs. 4 Satz 1 AO aus dem Sachverhalt nachträglich durch Änderung eines (weiteren) Steuerbescheids die richtigen steuerlichen Folgerungen gezogen werden.

    Die Beurteilung eines bestimmten Sachverhalts ist "irrig", wenn sie sich nachträglich als unrichtig erweist (BFH Urteil vom 10. Mai 2012 IV R 34/09, BFHE 239, 485). Sachverhalt i.S. des § 174 Abs. 4 Satz 1 AO ist der einzelne Lebensvorgang, an den das Gesetz steuerliche Folgen knüpft (BFH Urteil vom 14. März 2012 XI R 2/10, BFHE 237, 391, BStBl II 2012, 653). Der Begriff des bestimmten Sachverhalts ist dabei nicht auf eine einzelne steuererhebliche Tatsache oder ein einzelnes Merkmal beschränkt, sondern erfasst den einheitlichen, für diese Besteuerung maßgeblichen Sachverhaltskomplex (BFH Urteil vom 5. Mai 2011 V R 45/09, BFH/NV 2011, 1655). Unerheblich ist, ob der für die rechtsirrige Beurteilung ursächliche Fehler im Tatsächlichen oder im Rechtlichen gelegen hat (BFH Urteil vom 14. November 2012 I R 53/11, BFH/NV 2013, 690).

    Bestimmter Sachverhalt ist hier die Berücksichtigung der im Jahr 2000 gezahlten Umsatzsteuer als Betriebsausgabe. Dieser Sachverhalt wurde von dem damals zuständigen Finanzamt bei der ursprünglichen Einkommensteuerfestsetzung 2000 zunächst fehlerhaft beurteilt und erst im Klageverfahren 11 K 3445/06 E für 2000 zu Gunsten des Klägers durch den Änderungsbescheid vom 22. 2. 2008 berücksichtigt. Nach erneuter Überprüfung im Klageverfahren wegen Einkommensteuer 2000 hatte das Finanzamt festgestellt, dass als Betriebsausgaben für das Jahr 2000 Zahlungen des Klägers auf Umsatzsteuer zuz. Zinsen, Säumnis- und Verspätungszuschlägen in Höhe von 33.720,14 DM bislang im Bescheid für 2000 nicht berücksichtigt worden waren. Insoweit erging der Änderungsbescheid vom 22. 2. 2008 zur Einkommensteuer 2000. Ausweislich der Klageakte für 2000 (Kontoauszug vom 4. 9. 2007, Bl. 134 der Gerichtsakte 11 K 3445/06 E) ist der Betrag, der in 2000 gezahlt wurde, richtig ermittelt.

    Aufgrund der Änderung können nach § 174 Abs. 4 Satz 1 AO aus dem Sachverhalt nachträglich durch Änderung eines (weiteren) Steuerbescheids die richtigen steuerlichen Folgerungen gezogen werden.

    Für 2001 waren laut Kontoauszug vom 6. 5. 2003 (ESt-Hefter 2001)18.244,00 + 340,00 + 1.260,00 als Betriebsausgaben des Klägers angesetzt worden; diese Beträge wurden aber nunmehr bei der Einkommensteuer 2000 berücksichtigt (Kontoauszug vom 4. 9. 2007 im dortigen Klageverfahren). Damit lag eine doppelte, widerstreitende Berücksichtigung sowohl in 2000 als auch in 2001 vor.

    Mit dem angefochtenen Bescheid für 2001 hat der Beklagte nachträglich die richtigen steuerlichen Folgerungen gezogen. Die Änderung ist materiell-rechtlich zutreffend.

    Im Änderungsbescheid für 2000 vom 22. 2. 2008 wurden zu Recht 33.720 DM als Betriebsausgaben angesetzt.

    Es handelte sich laut Kontoauszug zum Schriftsatz vom 6. 9. 2007 im dortigen Klageverfahren um folgende Beträge:

    USt 1998 18. 9. 2000 18.244,00 DM

    SZ USt 1998 12. 3. 2000 340,00 DM

    VZ USt 1998 12. 3. 2000 1.260,00 DM

    Zinsen USt 1998 12. 3. 2000 546,01 DM

    USt 1999 4. 2. 2000 491,11 DM

    31. 1. 2000 783,99 DM

    6. 6. 2000 672,00 DM

    SZ USt 1999 4. 2. 2000 8,00 DM

    8. 6. 2000 24,00 DM

    VZ USt 1999 4. 2. 2000 85,00 DM

    4. 2. 2000 75,01 DM

    6. 6. 2000 64,99 DM

    USt 2000 17. 7. 2000 2.320,01 DM

    23. 8. 2000 148,00 DM

    23. 8. 2000 389,99 DM

    23. 8. 2000 394,00 DM

    23. 8. 2000 48,00 DM

    23. 8. 2000 297,99 DM

    23. 8. 2000 11,19 DM

    23. 8. 2000 71,99 DM

    23. 8. 2000 48,00 DM

    12. 3. 2000 1.310,82 DM

    12. 3. 2000 5.040,00 DM

    SZ USt 2000 17. 7. 2000 23,00 DM

    23. 8. 2000 23,00 DM

    VZ 17. 7. 2000 230,01 DM

    12. 3. 2000 270,00 DM

    12. 3. 2000 500,01 DM.

    Für 2001 waren in der Einspruchsentscheidung laut Kontoauszug vom 6. 5. 2003 (ESt-Hefter 2001) aber bereits die ersten drei Beträge der obigen Liste, nämlich 18.244,00 + 340,00 + 1.260,00 zu Unrecht als Betriebsausgaben angesetzt worden. Die drei Beträge waren ausweislich des Kontoauszugs erst in 2000 gezahlt worden; dies hat das Finanzamt bei der Änderung des Bescheides 2001 durch die Einspruchsentscheidung vom 6. 6. 2003 verkannt. Diese Beträge wurden durch Änderungsbescheid vom 22. 2. 2008 bei der Einkommensteuer 2000 zu Recht, damit aber im Ergebnis doppelt, berücksichtigt.

    Entgegen der Ansicht des Klägers ergeben sich aus den Kontoauszügen vom 6. 5. 2003 keine unterschiedlichen Daten. Der Klartextkontoauszug (Anlage K 6 zum Schriftsatz des Klägers vom 24. 2. 2014) weist die Fälligkeitsdaten und die Zahlungsdaten aus (so war der Betrag von 18.244 DM erst am 2. 5. 2001 fällig, ist aber bereits am 18. 9. 2000 gezahlt worden).Der weitere Kontoauszug vom 6. 5. 2003 führt daneben sämtliche Umbuchungen auf, so dass hier auch für die Beträge von 18.244 DM, 340 DM und 1.260 DM Daten aus 2001 (rechte Spalte) aufgeführt sind. Die Zahlung und damit der für den Betriebsausgabenabzug relevante Abfluss lag aber in 2000. Dies ist sowohl in der Einspruchsentscheidung vom 6. 6. 2003 als auch im früheren Klageverfahren wegen Einkommensteuer 2001 verkannt worden.

    Einer Änderung nach § 174 Abs. 4 AO steht auch nicht der Ablauf der Festsetzungsfrist entgegen.

    Der Ablauf der Festsetzungsfrist ist nach § 174 Abs. 4 Satz 3 AO unbeachtlich, wenn die steuerlichen Folgerungen innerhalb eines Jahres nach Änderung des fehlerhaften Steuerbescheids gezogen werden. Der fehlerhafte Einkommensteuerbescheid 2000 ist am 22. 2. 2008 geändert worden, die Korrektur des Einkommensteuerbescheides 2001 erfolgte am 6. 8. 2008 und damit fristgerecht. § 174 Abs. 4 S. 4 AO greift vorliegend nicht ein. Denn die Festsetzungsfrist für den Bescheid 2001 war noch nicht abgelaufen, als der später auf den Rechtsbehelf der Kläger geänderte Bescheid für 2000 (vom 26.2.2002) erlassen wurde.

    Der Änderung steht aber die Rechtskraft der Urteile für 2000 und 2001 entgegen.

    Rechtskräftige Urteile binden nach § 110 Abs. 1 FGO die Beteiligten, soweit über den Streitgegenstand entschieden worden ist. Nach § 110 Abs. 2 FGO bleiben die Vorschriften der Abgabenordnung und anderer Steuergesetze über die Rücknahme, Widerruf, Aufhebung und Änderung von Verwaltungsakten unberührt, soweit sich aus Absatz 1 Satz 1 nichts anderes ergibt.

    Streitgegenstand i.S. von § 110 Abs. 1 FGO ist der Entscheidungsgegenstand des Urteils, das sind diejenigen Besteuerungsgrundlagen, zu denen das Gericht Feststellungen getroffen hat. Insoweit sind der vom Gericht in seiner Entscheidung zugrunde gelegte Sachverhalt und die dazu angestellten rechtlichen Erwägungen maßgebend (BFH vom 12. Januar 2012 IV R 3/11 BFH/NV 2012,779). Soweit über diesen Streitgegenstand entschieden worden ist, darf das Finanzamt nach einem rechtskräftigen Sachurteil nicht mehr korrigieren (BFH vom 13. Juni 2012 VI R 92/10 BFHE 237,302, BStBl II 2013,139).

    Im Streitfall ist in den zu 2000 und 2001 ergangenen Urteilen über die zeitliche Zuordnung und die Höhe der in dem jeweiligen Veranlagungszeitraum abzugsfähigen Umsatzsteuer nebst Zuschlägen als Betriebsausgaben entschieden worden. Beide Urteile befassen sich in ihren Entscheidungsgründen im Einzelnen mit dieser Frage; in beiden Urteilen sind die vom Finanzamt in den jeweiligen Bescheiden (für 2001: Einspruchsentscheidung vom 6. 6. 2003; für 2000: Änderungsbescheid vom 22. 2. 2008) berücksichtigten Beträge ausdrücklich für richtig befunden worden. Diese Feststellungen nehmen an der Rechtskraft der Urteile teil.

    Zwar hat der BFH mit Urteil vom 18. März 2004 (V R 23/02 BFHE 205,402, BStBl II 2004,763) § 174 Abs. 4 AO für anwendbar gehalten, wenn sich zwei Urteile in unvereinbarer Weise gegenüber stehen. Aus § 110 Abs. 2, 2. Halbsatz FGO ergibt sich indes ein Vorrang der Rechtskraft gegenüber den Änderungsvorschriften der Abgabenordnung. Liegen zwei rechtskräftige Urteile vor, die zu demselben Sachverhalt, aber zu verschiedenen Veranlagungszeiträumen ergangen sind, erzeugen diese unabhängig voneinander jeweils Rechtssicherheit dahingehend, wie der Sachverhalt in dem jeweiligen Veranlagungszeitraum steuerlich zu behandeln ist; dies schließt eine Durchbrechung der Rechtskraft eines der beiden Urteile aus (BFH vom 12. Januar 2012 aaO.). Auch durch die Bindungswirkung eines materiell falschen rechtskräftigen Urteils tritt für den unrichtig entschiedenen Sachverhalt Rechtsfrieden ein (BFH aaO.).

    Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 EStG.

    Die Zulassung der Revision beruht auf § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO.

    RechtsgebieteAO, EStGVorschriften§ 174 Abs. 4 AO; § 18 EStG

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