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  • 13.01.2010 · IWW-Abrufnummer 100121

    Oberlandesgericht Stuttgart: Urteil vom 15.12.2009 – 12 U 110/09

    1. Ein Steuerberater ist nicht verpflichtet, eine Entscheidung eines Finanzgerichts zur Kenntnis zu nehmen, die ein Steuertatbestand wegen Europarechtswidrigkeit nicht anwendet, wenn diese Frage bislang in Rechtsprechung und Literatur nicht diskutiert worden war.



    2. Soweit eine Pflicht besteht, eine obergerichtliche Entscheidung zur Kenntnis zu nehmen, ist dem Steuerberater grundsätzich eine längere Karenzzeit zuzubilligen als im Falle einer höchstrichterlichen Entscheidung.


    OLG Stuttgart
    Urteil vom 15.12.2009
    12 U 110/09
    Tenor
    1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteils des Landgerichts Ellwangen vom 27.05.2009 - 5 O 56/08 - wird
    z u r ü c k g e w i e s e n .
    2. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
    3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
    Der Kläger kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 115% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 115% des jeweils zu vollstreckendes Betrages leistet.
    Streitwert des Berufungsverfahrens: 54.889,69 EUR
    Gründe
    I.
    Der Kläger nimmt die Beklagte, ihre frühere Steuerberaterin, wegen nicht erteilter steuerlicher Hinweise auf Schadensersatz in Anspruch.
    Der Kläger betrieb Spielhallen und/oder Aufstellplätze für Spielautomaten mit Gewinnmöglichkeiten, wobei er für die erzielten Umsätze in den Jahren 1995 bis 2000 zur Umsatzsteuer veranlagt wurde.
    Die Beklagte war in dieser Zeit Steuerberaterin des Klägers und hat für diesen die Umsatzsteuererklärungen erstellt sowie die entsprechenden Bescheide geprüft. Das Mandatsverhältnis endete aufgrund einer Kündigung des Klägers vom August 2002, die die Beklagte mit Schreiben vom 21.08.2002 bestätigte.
    Der Umsatzsteuerbescheid für das Jahr 1998 datiert vom 20.06.2001 (Anlage K 6), die Abrechnung des Finanzamts hinsichtlich der Umsatzsteuer für das Jahr 1999 vom 20.03.2001 (Anlage K 8) und die Umsatzsteuererklärung für das Jahr 2000 wurde von der Beklagten am 25.03.2002 (Anlage K 9) eingereicht. Die jeweiligen Steuerbescheide sind bestandskräftig geworden.
    Gemäß § 4 Nr. 9 UStG a. F. waren in dieser Zeit nur Erlöse aus Geldspielautomaten in öffentlichen Spielbanken von der Umsatzsteuer befreit.
    Mit Urteil vom 17.02.2005 hat der EuGH (EuZW 2005, 210 - Linneweber) entschieden, dass diese Regelung gegen Art. 13 Teil B Lit. F 6 Rl. 77/388/EWG verstößt und dass aufgrund der unmittelbaren Anwendung der Richtlinie Umsatzsteuer für derartige Glückspiele nicht hätte erhoben werden dürfen.
    Bereits im Jahr 1998 hatte der EuGH (veröffentlicht in DStRE 98, 490) entschieden, dass eine Differenzierung zwischen unerlaubtem und erlaubtem Glückspiel nicht zulässig sei, weshalb Umsatzsteuer bei verbotenen und strafbaren Glückspielen nicht erhoben werden dürfe.
    Konsequenzen aus dieser Entscheidung hat der deutsche Gesetzgeber nicht gezogen.
    Mit Entscheidung vom 30.11.2000 hat der BFH in einem vorläufigen Rechtsschutzverfahren Zweifel an der Europarechtskonformität der Umsatzsteuerpflicht von Erlösen aus in Gaststätten oder Spielhallen aufgestellten Geldspielautomaten geäußert und deshalb die sofortige Vollziehung der Umsatzsteuerbescheide ausgesetzt. Diese Entscheidung wurde nicht amtlich veröffentlicht, sondern nur bspw. in BFH/NV 2001, 657 (vgl. die übrigen Fundstellen, teilweise nur mit dem Leitsatz, in Juris).
    Mit Entscheidung vom 26.10.2001 hat das Finanzgericht Münster entschieden, dass die Umsätze aus dem Betrieb von Geldspielautomaten aus gemeinschaftlichen Gründen umsatzsteuerfrei zu belassen seien. Diese Entscheidung wurde am 07.06.2002 u.a. in DStRE 2002, 501 veröffentlicht (weitere Fundstellen vgl. Juris).
    In dem Revisionsverfahren gegen diese Entscheidung hat der BFH mit Beschluss vom 06.11.2002 (BFHE 200, 149) dem EuGH die Frage vorgelegt, ob auch Umsätze von nicht in öffentlichen Spielbanken aufgestellten Geldspielautomaten umsatzsteuerfrei seien und ob die o.g. Richtlinie unmittelbar Anwendung zugunsten des Steuerpflichtigen finde. Hierzu ist dann die erstgenannte Entscheidung des EuGH vom 17.2.2005 ergangen. Der BFH hat anschließend die Revision gegen das Urteil des FG Münster zurückgewiesen.
    Der Beklagten waren während der Dauer der Vertragsbeziehung der Parteien die Entscheidungen des BFH vom 30.11.2000 und des FG Münster vom 26.10.2001 nicht bekannt.
    Der Kläger hat im vorliegenden Verfahren einen Prozessfinanzierer eingeschaltet, diesem seine angebliche Schadensersatzforderung abgetreten und mit ihm Vereinbarungen über die Geltendmachung der streitgegenständlichen Forderungen getroffen. Für die Einzelheiten wird auf den Vertrag Bl. 152 verwiesen.
    Der Kläger hat vorgetragen,
    dass die Beklagte die Entscheidungen des BFH vom 30.11.2000 sowie des FG Münster hätte kennen und hieraus hätte entnehmen müssen, dass die Umsatzsteuerpflichtigkeit der von ihm betriebenen Glückspiele u.U. gemeinschaftswidrig sein könne. Deshalb hätte er durch Einspruch gegen die entsprechenden Umsatzsteuerbescheide verhindern müssen, dass diese bestandskräftig werden. Bei korrekter Vorgehensweise hätten die Bescheide nach der endgültigen Entscheidung des EuGH aus dem Jahr 2005 aufgehoben werden müssen und er hätte Erstattungsansprüche in Höhe von 145.786,50 EUR einschließlich Zinsen für die Jahre 1995 bis 2000 gehabt (vgl. die Berechnung Bl. 16 sowie die Anlage K 1); daneben mache er die Kosten der Schadensermittlung sowie vorgerichtliche Anwaltskosten geltend.
    Diese Erstattungsansprüche seien auch nicht verjährt.
    Der Kläger hat beantragt,
    1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger zu Händen des Notars R., ... ..., ..., auf sein Notaranderkonto bei der Bank AG, BLZ ..., Konto-Nr. ..., EUR 145.786,50 nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
    2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger zu Händen des Notars R., ..., ..., auf sein Notaranderkonto bei der Bank AG, BLZ ..., Konto-Nr. ... ..., EUR 8.552,00 nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
    3. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger zu Händen des Notars R., ..., ..., auf sein Notaranderkonto bei der Bank AG, BLZ ..., Konto-Nr. ..., EUR 2.080,50 nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
    Die Beklagte hat beantragt,
    die Klage abzuweisen.
    Die Beklagte hat vorgetragen,
    dass ihre Unkenntnis der genannten Entscheidungen nicht pflichtwidrig sei, im Übrigen seien etwaige Ansprüche des Klägers auch verjährt. Der Höhe nach werden die geltend gemachten Ansprüche bestritten, hilfsweise rechne er hiergegen mit Honorarforderungen in Höhe von 7.347,07 EUR auf.
    Mit Urteil vom 27.05.2009 hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung wurde darauf abgehoben, dass zwar eine Pflichtverletzung der Beklagten vorliege, weil diese die Entscheidung des Bundesfinanzhofes vom 30.11.2000 hätte kennen müssen, doch seien die Ansprüche des Klägers verjährt.
    Gegen dieses ihm am 08.06.2009 (Bl. 191) zugestellte Urteil hat der Kläger mit Schriftsatz vom 06.07.2009, eingegangen am selben Tag (Bl. 204), - beschränkt auf Ansprüche bzgl. der Umsatzsteuer 1998 bis 2000 - Berufung eingelegt und diese mit Schriftsatz vom 22.07.2009, eingegangen ebenfalls am selben Tag (Bl. 211), begründet.
    Der Kläger trägt vor,
    dass die Beklagte innerhalb offener Fristen für die Umsatzsteuerbescheide 1998 bis 2000 Abänderungsanträge hätte stellen müssen, weil sie jedenfalls auf das Urteil des Finanzgerichtes Münster hätte reagieren müssen. Die Kenntnisnahme dieser Entscheidung sei eine mandatsbezogene Pflicht, da sich bereits seit der ersten Entscheidung des EuGH zur Umsatzsteuerpflichtigkeit von Glückspielen im Jahr 1998, jedenfalls aber seit der Entscheidung des BFH vom 30.11.2000 die Umsatzsteuerpflichtigkeit derartiger Veranstaltungen als offenes Problem dargestellt habe, was die Beklagte hätte erkennen müssen. Eine Verjährung seiner Ansprüche sei nicht eingetreten.
    Der Kläger beantragt,
    1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger zu Händen des Notars R., ..., ..., auf sein Notaranderkonto bei der Bank AG, BLZ ..., Konto-Nr. ..., EUR 54.889,69 nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
    2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger zu Händen des Notars R., ..., ..., auf sein Notaranderkonto bei der Bank AG, BLZ ..., Konto-Nr. ..., EUR 3.876,00 nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtsheängigkeit zu zahlen.
    3. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger zu Händen des Notars R., ..., ..., auf sein Notaranderkonto bei der Bank AG, BLZ ..., Konto-Nr. ... ..., EUR 1.479,90 nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
    Die Beklagte beantragt,
    die Berufung zurückzuweisen.
    Die Beklagte trägt vor,
    dass eine Pflicht zur Kenntnisnahme der Entscheidung des FG Münster nicht bestanden habe, weil es sich hierbei nicht um höchstrichterliche Rechtsprechung gehandelt habe und die Frage der Umsatzsteuerpflichtigkeit von Glückspielen weder allgemein noch in der Rechtsprechung „im Fluss“ gewesen sei. Etwaige Ansprüche des Klägers, die weiterhin der Höhe nach bestritten werden, seien auch verjährt.
    Im Übrigen wird für den Parteivortrag auf die gewechselten Schriftsätze und die protokollierten Erklärungen der Parteien Bezug genommen.
    II.
    Die auf die Schadensersatzansprüche hinsichtlich der zuviel bezahlten Umsatzsteuer für die Jahre 1998 bis 2000 beschränkte Berufung des Klägers ist zulässig, jedoch unbegründet, da diesem mangels Pflichtverletzung des Geschäftsführers der Beklagten kein Anspruch aus positiver Forderungsverletzung des zwischen den Parteien bestehenden Geschäftsbesorgungsvertrages (§§ 611, 675, 31 BGB, Art. 229 § 5 EGBGB) zusteht:
    1.) Obwohl der Kläger seine Ansprüche an einen Prozessfinanzierer abgetreten hat, ist die Klage zulässig, denn die Voraussetzungen für eine gewillkürte Prozessstandschaft liegen vor, nachdem der Kläger vom Zessionar zur Prozessführung ermächtigt ist und er als Zedent ein schutzwürdiges Eigeninteresse hat (vgl. hierzu Zöller/Vollkommer, ZPO, 28. Aufl., Rz. 49 vor § 50 ZPO).
    Ebenso kann der Kläger aufgrund entsprechender Ermächtigung des Zessionars die Zahlung auf ein Notaranderkonto verlangen (vgl. Ziff. 4 des Prozessfinanzierungsvertrages).
    2.) Allerdings liegt eine Pflichtverletzung des Geschäftsführers der Beklagten, für die Letztere nach § 31 BGB einzustehen hätte, nicht vor, denn dieser musste weder die Entscheidung des BFH vom 30.11.2000 noch die des Finanzgerichtes Münster vom 26.10.2001 kennen, so dass auch keine Verpflichtung bestand, durch entsprechende Maßnahmen zu verhindern, dass die streitgegenständlichen Umsatzsteuerbescheide bestandskräftig werden.
    a) Ein Steuerberater muss die für seine berufliche Tätigkeit erforderliche Kenntnis des Steuerrechtes besitzen, insbesondere über die mandatsbezogenen erheblichen Gesetzes- und Rechtskenntnisse verfügen (vgl. BGH NJW 2004, 3487). Er ist deshalb verpflichtet, sich durch die zur Verfügung stehenden Fachzeitschriften über den Stand der Gesetzgebung und der Rechtsprechung zu informieren (vgl. Gräfe/Lenzen/Schmeer, Steuerberaterhaftung, 4. Aufl., Rz. 434 ff.). Dies bedeutet allerdings nicht, dass von ihm Kenntnis jeglicher steuerrechtlichen Veröffentlichungen verlangt werden kann, vielmehr ist er nur verpflichtet, innerhalb angemessener Zeit die Entscheidungen des Bundesfinanzhofes zur Kenntnis zu nehmen, die in den gängigen bedeutsamen Fachzeitschriften veröffentlicht werden, wozu insbesondere das Bundessteuerblatt und die Zeitschrift „Deutsches Steuerrecht“ gehören. Weitergehende Pflichten des Steuerberaters bestehen nur dann, wenn konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass - bezogen auf den hier vorliegenden Fall - die Vereinbarkeit einer gesetzlichen Regelung mit höherrangigem Recht in Frage stehen kann. Dies kann dann angenommen werden, wenn dieses Problem in der üblicherweise verbreiteten Fachliteratur diskutiert wird, entsprechende Vorlagebeschlüsse bereits veröffentlicht sind oder aus sonstigem Grund offensichtliche Anhaltspunkte für die - hier - Europarechtswidrigkeit einer Norm vorliegen (vgl. hierzu BGH NJW 2009, 1563 für die Frage der Vereinbarkeit mit dem Grundgesetz).
    b) Ausgehend von diesen Grundsätzen scheidet eine Pflichtverletzung der Beklagten im vorliegenden Fall auch unter Berücksichtigung mandatsspezifisch erweiterter Pflichten aus.
    aa) Die Umsatzsteuerpflicht von Erlösen aus Geldspielautomaten außerhalb öffentlicher Spielbanken entsprach bis zum Zeitpunkt der Beendigung des Mandats am 21.08.2002 der nationalen Gesetzeslage, denn nach § 4 Nr. 9 UStG a. F. waren nur Erlöse aus Geldspielautomaten in öffentlichen Spielbanken von der Umsatzsteuer befreit. Ein Steuerberater darf sich grundsätzlich darauf verlassen, dass ein derartiges Steuergesetz nicht nur verfassungsgemäß ist, sondern auch nicht gegen Europarecht verstößt, wenn nicht offensichtliche gegenteilige Anhaltspunkte vorliegen.
    Derartige Anhaltspunkte ergaben sich nicht bereits durch die Entscheidung des EuGH im Jahre 1998 (DStRE 1998, 490), in der die Umsatzsteuerfrage im Verhältnis zwischen erlaubtem und unerlaubtem Glückspiel entschieden wurde. Zwar hat der EuGH in dieser Entscheidung den Spielraum für eine nationale Regelung für Ausnahmen einer Steuerbefreiung von Glückspielen mit Geldeinsatz stark eingeengt. Danach muss der nationale Gesetzgeber den Grundsatz der steuerlichen Neutralität beachten, was bedeutet, dass er bei der Regelung der Umsatzsteuerpflicht nicht zwischen erlaubtem und unerlaubtem Glückspiel differenzieren darf. Vor dem Hintergrund dieser Entscheidung lag zwar die Annahme nicht fern, dass - wie der EuGH dann auch im Jahr 2005 entschieden hat - auch nicht danach differenziert werden darf, ob das Glückspiel in einer öffentlichen Spielbank oder - zulässigerweise - von einem privaten Unternehmen angeboten wird. Gleichwohl hat der Gesetzgeber die genannte Entscheidung des EuGH nicht zum Anlass genommen, die gesetzliche Regelung zu ändern. Auch der Bundesfinanzhof hat bei der Differenzierung der Besteuerung von Geldspielautomaten nach § 4 Nr. 9 UStG a. F. keinen evidenten Verstoß gegen die Richtlinie angenommen, sondern die Frage, weil sie aus Sicht des Gerichtes zweifelhaft war, dem EuGH zur Entscheidung vorgelegt (BFH DStRE 2003, 179 = BFHE 200,149).
    Deshalb kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Beklagte pflichtwidrig gehandelt hat, als sie aus der EuGH-Entscheidung des Jahres 1998 nicht den Schluss auf eine mögliche Europarechtswidrigkeit der nationalen Regelung gezogen hat, und ebenso wenig hatte sie Anlass, hierin ein offenes steuerliches Problem zu sehen, dessen künftige Entwicklung einer besonders sorgfältigen Beobachtung bedurfte.
    bb) Gleiches gilt im Ergebnis in Bezug auf die fehlende Kenntnis der Beklagten von den Entscheidungen des BFH vom 30.11.2000 bzw. des Finanzgerichtes Münster. Wenn auch der BFH in der erstgenannten Entscheidung Zweifel an der Europarechtskonformität der Umsatzsteuerpflicht von in privat betriebenen Gaststätten oder Spielhallen aufgestellten Geldspielautomaten geäußert hat und das Finanzgericht Münster in seiner Entscheidung vom Jahr 2001 (DStRE 2002, 704) zu dem Ergebnis gekommen ist, dass eine entsprechende Umsatzsteuerpflichtigkeit nicht besteht, kann hieraus keine Pflichtverletzung der Beklagten abgeleitet werden.
    Nach den oben dargelegten Grundsätzen ist ein Steuerberater im Normalfall nur verpflichtet, die Entscheidungen des Bundesfinanzhofes zur Kenntnis zu nehmen, soweit diese in den in einer Steuerberaterkanzlei üblicherweise zu erwartenden Zeitschriften veröffentlich werden (vgl. Gräfe/Lenzen/Schmeer a.a.O. Rz. 237). Es kann dagegen nicht verlangt werden, dass ein Steuerberater sämtliche steuerrechtlichen Zeitschriften führt und diese auch regelmäßig durcharbeitet, da dies angesichts des Umfangs der steuerrechtlichen Literatur bereits aus praktischen Gründen ausscheidet. Dies gilt entgegen der Auffassung des Klägers auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass die Beklagte sich mandatsbezogen informieren muss, also im konkreten Fall bezogen auf die Umsatzsteuerfragen. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass es sich bei der Erstellung und der Prüfung der Umsatzsteuererklärungen bzw. der Umsatzsteuerbescheide in der Regel um eine eher einfach gelagerte steuerliche Tätigkeit handelt, die nicht stets einer vertieften Überprüfung bedarf. Die nunmehr diskutierten Probleme sind damals gerade nicht allgemein bekannt gewesen und gaben deshalb keinen Anlass, eine über das Übliche hinausgehende Prüfung vorzunehmen. Die Frage der Vereinbarkeit der Umsatzsteuerpflicht von Geldspielautomaten in Gaststätten oder Spielhallen mit dem Gemeinschaftsrecht befand sich während der Dauer der Vertragsbeziehung der Parteien nicht offensichtlich in einer Entwicklung, die das grundsätzlich bestehende Vertrauen in die Vereinbarkeit von Gesetzen mit höherrangigem Recht erschüttern musste, vielmehr handelte es sich ausweislich der oben dargestellten bisherigen Veröffentlichungen um eine im Steuerrecht noch wenig beachtete Frage. Der Kläger selbst trägt nicht vor, dass die Übertragbarkeit der Grundsätze der ersten Entscheidung des EuGH vom Jahre 1998 auf die vom deutschen Gesetzgeber erfolgte Differenzierung bei Geldspielautomaten in dieser Zeit in der Literatur näher diskutiert worden sei, ebenso wenig behauptet der Kläger, dass die Frage einer Änderung der Vorschrift Gegenstand der steuerpolitischen Diskussion gewesen sei. Anhaltspunkte hierfür ergeben sich auch ansonsten nicht.
    Wollte man den Steuerberater dazu verpflichten, auch sämtliche nicht allgemein diskutierten Probleme ohne konkreten Anlass als solche zu erkennen und sich entsprechend zu informieren, so würde dies bedeuten, dass er verpflichtet wäre, ständig die gesamte steuerrechtliche Literatur zu berücksichtigen. Eine solche weitgehende Pflicht kann nach Auffassung des Senats jedoch nur dann bestehen, wenn ein konkreter Anlass hierfür besteht, was vorliegend nicht der Fall gewesen ist.
    Gleiches gilt in Bezug auf die Entscheidung des Finanzgerichtes Münster, auch wenn diese in einer der genannten Pflichtzeitschriften veröffentlicht wurde, da es sich hierbei nicht um eine höchstrichterliche Entscheidung handelt. Eine Verpflichtung, die gesamte veröffentlichte Instanzrechtsprechung - u. U. auch das Schrifttum - zur Kenntnis zur nehmen und zur Bearbeitung des konkreten Falles heranzuziehen, besteht ebenfalls grundsätzlich nur im oben beschriebenen Umfang. Strengere Anforderungen sind nur dann zu stellen, wenn ein Rechtsgebiet in der Entwicklung begriffen ist und eine Änderung der bisherigen Beurteilung zu erwarten ist (vgl. BGH NJW 2001, 675; OLG Köln WM 2007, 2338). Ein solcher Fall lag aus den oben genannten Gründen auch unter Berücksichtigung der erweiterten mandatsbezogenen Pflichten nicht vor.
    3.) Auch wenn man entgegen der dargelegten Auffassung des Senates davon ausgehen sollte, dass die Beklagte verpflichtet gewesen ist, die Entscheidung des FG Münster zur Kenntnis zu nehmen, begründet dies keine Pflichtverletzung der Beklagten. Die Pflicht zur Kenntnisnahme neuer Rechtsprechung besteht nur innerhalb angemessener Zeit (vgl. BGH NJW 2009, 1593). Im vorliegenden Fall lag zwischen der Veröffentlichung dieser Entscheidung am 07.06.2002 und dem Mandatsende am 21.08.2002 nur eine Zeit von 2,5 Monaten. Zwar wird ein Steuerberater regelmäßig verpflichtet sein, höchstrichterliche Entscheidungen innerhalb von 4-6 Wochen ab Veröffentlichung in einer Zeitschrift, die zur Standardausstattung einer Steuerberaterkanzlei gehört, zur Kenntnis zu nehmen (z. B. OLG Düsseldorf, GI 2000, 267), doch kann dies nach Auffassung des Senates nicht gleichermaßen für Entscheidungen der Finanzgerichte gelten. Angesichts der häufig unter Terminsdruck zu erledigenden Arbeiten des Steuerberaters und seiner Verpflichtung, sich daneben über aktuelle Gesetzesänderungen und neue höchstrichterliche Rechtsprechung zu informieren, kann nicht erwartet werden, dass er innerhalb der o. g. kurzen Frist auch jegliche sonstigen Beiträge zum Steuerrecht, seien es Fachaufsätze oder aber Entscheidungen der Finanzgerichte, gleichermaßen zügig beachtet. Der Senat ist der Auffassung, dass insoweit eine Karenzzeit von mindestens 3 Monaten anzusetzen wäre. Dies bedeutet, dass innerhalb des bestehenden Mandates eine Verpflichtung zur Kenntnisnahme der genannten Entscheidung nicht bestanden hat.
    Da somit die Unkenntnis der Beklagten von den genannten Entscheidungen nicht pflichtwidrig ist, kann auch das Unterlassen der ansonsten gebotenen Beratung über mögliche Rechtsbehelfe gegen die ergangenen Umsatzsteuerbescheide nicht pflichtwidrig sein.
    4.) Die Vorlageentscheidung des Bundesfinanzhofes vom 06.11.2002 - DStRE 2003, 179 - erging erst nach Beendigung des Mandates und der fehlende Hinweis der Beklagten hierauf begründet daher keine Pflichtverletzung. Zwar können sich aus § 242 BGB auch nachwirkende Vertragspflichten zur Aufklärung und Belehrung ergeben (vgl. zur Rechtsanwaltshaftung Sieg in Zugehör/Fischer/Sieg /Schlee, Handbuch der Anwaltshaftung, 2. Aufl., Rz. 193 ff.), doch geht dies nicht so weit, dem Steuerberater die Verpflichtung aufzuerlegen, die Rechtsprechung nach Mandatsende weiter zu verfolgen und den ehemaligen Mandaten über Entwicklungen der Rechtsprechung, die für ihn bedeutsam sind, zu informieren. Dies gilt umso mehr, als die Beklagte davon ausgehen durfte, dass der frühere Mandant anderweitig beraten wird - was im konkreten Fall tatsächlich auch gegeben war - und insoweit nicht einer ergänzenden Beratung bedarf.
    5.) Darüber hinaus wären etwaige Schadenersatzansprüche hinsichtlich der Umsatzsteuer 1998 auch verjährt. Die Verjährung begann nach der Regelung des hier gemäß Art. 229 § 12 EGBGB noch anwendbaren § 68 StBG a. F. spätestens mit dem Ablauf der Frist, an dem eine Änderung der Umsatzsteuer noch hätte beantragt werden können, weil mit dem Fristablauf der Schaden eingetreten ist. Nachdem die Umsatzsteuer für das Jahr 1998 im Jahr 1999 angemeldet wurde, lief die Frist für einen Änderungsantrag nach §§ 168, 169, 170 AO - entsprechend der zutreffenden Auffassung des Klägers - am 31.12.2003 ab. Damit war ein etwaiger Anspruch des Klägers nach dem 31.12.2006 verjährt. Eine Sekundärhaftung kommt insoweit nicht Betracht, da das Mandat bereits im Jahr 2002 beendet war.
    III.
    Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711, 709 ZPO.
    Anlass für die Zulassung der Revision besteht nicht, da die Voraussetzungen von § 543 II ZPO nicht vorliegen.
    Soweit der Kläger behauptet, dass die Auffassung des Senates von einer Entscheidung des OLG Naumburg vom 27.11.2009 (1 U 42/09) abweiche, ist dies ausweislich des dem Senat vorliegenden Urteils unzutreffend, da dort die Frage der Pflichtverletzung ausdrücklich offen gelassen wird.

    RechtsgebietBGBVorschriftenBGB § 280 BGB § 611 BGB § 675

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