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  • 18.10.2006 · IWW-Abrufnummer 062978

    Amtsgericht Hamburg-Altona: Urteil vom 03.05.2006 – 319C C 337/05

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    03. Mai 2006
    Amtsgericht Hamburg-Altona

    URTEIL

    Im Namen des Volkes

    Geschäfts-Nr.: 319C C 337/05

    In dem Rechtsstreit XXX

    erkennt das Amtsgericht Hamburg-AItona, Abteilung 319C, durch den Richter am Amtsgericht Dr. Nevermann im schriftlichen Verfahren nach § 495a ZPO für Recht:

    1. Die Klage wird -unter Aufhebung des Beschlusses vom 20.3.2006 abgewiesen.

    2. Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin zu tragen.

    3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Klägerseite bleibt nachgelassen, eine Vollstreckung durch die Beklagtenseite gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des für diese vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagtenseite zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

    4. Die Berufung gegen dieses Urteil wird zugelassen.

    Tatbestand:

    Die Klägerin ist eine Steuerberatungsgesellschaft, welche für den beklagten Verein die in der Klage bezeichneten Leistungen erbracht hat. Die Klägerin erstellte über ihre verschiedenen Leistungen unter dem 19.10.2005 vier mit ihrem Stempel versehene Rechnungen, welche durch ihren Geschäftsführer unterschrieben waren. Der Gesamtbetrag der Forderung der Klägerin belief sich auf ? 1.413,82. Als Zahlungsziel wurde der 27.10.2005 angegeben. Diese nach Grund und Höhe nicht beanstandeten Rechnungen (Anlagenkonvolut K 1, Blatt 7 ff der Akten} übersandte die Klägerin als Bildanlage (jpg.-Datei) per e-mail dem Beklagten und dessen Vorstandsvorsitzenden.

    Nachdem ein Ausgleich nicht erfolgt war, ließ die Klägerin den Beklagten durch anwaltliches Mahnschreiben vom 8.11.2005 auffordern, die Rechnungen bis zum 9.11.2005 zu begleichen. Dafür entstanden Kosten in Höhe von ? 156,50, welche in diesem Schreiben zusätzlich verlangt wurden.

    Der Beklagte ließ die Forderung der Klägerin durch Anwaltsschreiben vom 8.11.2005 mit der Begründung zurückweisen, dem Beklagten läge eine Rechnung nicht vor und es werde angeregt, eine Rechnung dem Bevollmächtigten des Beklagten erneut formgerecht zu übersenden.

    Daraufhin erhob die Klägerin Klage mit dem Antrag, den Beklagten zur Zahlung der Rechnungssumme von ? 1.412,76 nebst Zinsen von 8% über dem Basiszinssatz zu zahlen sowie außergerichtlicher Kosten in Höhe von ? 68,25.

    Die Beklagte beantragte, die Klage abzuweisen und berief sich darauf, dass die übermittelten Rechnungen nicht das Schriftformerfordernis nach § 9 StGebV erfüllten.

    Die Klägerin übersandte den Bevollmächtigten des Beklagten daraufhin die Rechnungen mit der Originalunterschrift ihres Geschäftsführers. Mit Schriftsatz ihres Bevollmächtigten vom 13.2.2006 erkannte der Beklagte die Hauptforderung an und beantragte, die Kosten der Klägerin aufzuerlegen. Die Hauptforderung wurde am 28.2.2006 ausgeglichen. Die Klägerin erklärte den Rechtsstreit hinsichtlich der Hauptforderung für erledigt. Dem schloss sich der Beklagte an.

    Am 20. März 2006 beschloss das Gericht unter Hinweis auf § 91a ZPO, dass der Beklagte die Kosten des Rechtsstreits zu tragen haben. In der Begründung wird ausgeführt, dass den Anforderungen des § 9 StGebV, insbesondere dem Unterschriftserfordernis, auch durch die Übermittlung einer Jpg.-Datei genügt werde.

    Die Klägerin beantragte daraufhin mit Schriftsatz vom 23.3.2006 (Blatt 39 der Akten), über die nicht erledigten Nebenforderungen (Zinsanspruch und außergerichtliche Kosten} zu entscheiden.

    Der Beklagte legte gegen den seinem Bevollmächtigten am 23.3.2006 zugestellten Beschluss am 6. April 2006 sofortige Beschwerde ein. Darin wird ausgeführt, dass der nach § 9 StGebV geforderten Schriftform durch die Übersendung von email-Anhängen nicht genügt werde.

    Die Klägerin ist der Auffassung, ihre Forderung sei nach der Übersendung der Rechnungen per e-mail-Anhang fällig geworden. Die Rechnungen genügten den Erfordernissen des § 9 StGebV. Die in § 12 6 BGB aufgestellten Regeln für die Schriftform seien nicht anwendbar, weil die Rechnungserstellung nicht als Willenserklärung zu betrachten sei, sondern lediglich als geschäftsähnliche Handlung.

    Die Klägerin beantragt noch
    den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin Zinsen in Höhe von 8% über dem Basiszinssatz seit dem 28.10.2005 sowie die
    außergerichtlichen Kosten inHöhe von ? 68,25 zu zahlen.

    Der Beklagte beantragt,
    die verbleibende Klage abzuweisen.

    Der Beklagte ist der Auffassung, er sei zu keiner Zeit in Verzug gewesen. Die Fälligkeit der Hauptforderung sei durch die Übermittlung der Rechnungen als Bilddatei nicht ausgelöst worden.

    Für das weitere Vorbringen der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und das Protokoll der mündlichen Verhandlung verwiesen.

    Entscheidungsgründe:

    Die Voraussetzungen für eine Entscheidung im schriftlichen Verfahren nach § 495a ZPO über die noch anhängige Teilforderung liegen vor, weil deren Wert die Grenze von ? 600,00 unterschreitet.

    Die verbleibende Klage ist abzuweisen. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Ersatz ihrer außergerichtlichen Anwaltsgebühren und der geforderten Zinsen, weil die geltend gemachte Forderung zur Zeit des Anwaltsschreibens noch nicht fällig war. Denn die per-mail übermittelten Gebührenrechnungen genügten nicht, um die Fälligkeit auszulösen. Gemäß § 9 StGebV setzt die Fälligkeit die Übermittlung des Originals einer unterschriebenen Rechnung voraus.

    Die Gegenauffassung, welche das Gericht in dem Beschluss vom 20. März 2006 vertreten hat, lässt sich bei weiterer Überlegung nicht halten. Nach dieser Auffassung wird den Formerfordernissen des § 9 StGebV genügt, wenn eindeutig erkennbar wird, dass der Steuerberater in jeder Hinsicht die Verantwortung für die Richtigkeit der Berechnung übernimmt. Dies sei auch dann der Fall, wenn dem Mandanten eine Bilddatei übermittelt werde, auf welcher die mit Unterschrift versehene Rechnung abgebildet sei. Hierbei hat das Gericht nicht erkannt, dass nach § 9 StGebV gerade die unterschriebene Berechnung übermittelt werden muss und dass es nicht genügt, wenn der Steuerberater eine Berechnung unterschreibt, diese aber ohne seine Original-Unterschrift, mit dem bloßen Abbild der Unterschrift, übermittelt. In Bezug auf formbedürftige Willenserklärungen wird in Müko-Einsele; BGB, 4. Auflage 2001, § 126, RN 21 überzeugend ausgeführt, dass es für ihre Wirksamkeit nicht ausreicht, wenn sie formgerecht erstellt werden, sie müssen dem Empfänger auch in dieser Form zugehen. Soweit die Klägerseite dagegen ausführt, dass eine Rechnung keine Willenserklärung sei, sondern lediglich eine geschäftsähnliche Handlung, auf die § 126 BGB nicht analog angewandt werden könne, greift das nicht durch. Denn auch wenn die Rechnung des Steuerberaters lediglich eine geschäftsähnliche Handlung sein sollte, so ist das für sie geltende Unterschriftserfordernis ausdrücklich gesetzlich bestimmt. Die Rechnung muss dem Empfänger in der für sie geltenden Form zugehen, auch wenn § 12 6 BGB nicht darauf anwendbar ist.

    Dem widerspricht auch nicht die von der Klägerseite angeführte Entscheidung des BAG vom 11.10.2000 (NJW 2001, 989,990). In der Entscheidung hat das BAG ausgesprochen, dass die Ausschlussfrist in einem Tarifvertrag auch dann gewahrt wird, wenn ein Anspruch, der ?schriftlich" erhoben werden muss, per Fax geltend gemacht wurde. Die dort maßgeblichen Überlegungen zum Schutzzweck der Ausschlussklausel lassen sich aber nicht auf die Formvorschrift des § 9 StGebV übertragen. Für die Zwecke der dem Tarifvertrag unterliegenden Vertragsparteien genügt es vollauf, wenn die entsprechenden Erklärungen per Fax eingehen. Dann weiß der Adressat, dass gegen ihn noch Forderungen gestellt werden und ist gewarnt. Der Adressat bedarf dazu keiner zusätzlichen formalen Sicherungen, während es für den Absender eine unvertretbare Härte wäre, wenn er mit seinem Anspruch trotz der wirksamen Warnung der anderen Seite wegen Fristablaufs endgültig ausgeschlossen wäre. Die Rechnung des Steuerberaters soll den Empfänger hingegen nicht nur warnen, sondern sie soll die Forderung verbindlich umschreiben und den Steuerberater für die von ihm vorgenommene Berechnung als in jeder Hinsicht voll verantwortlich kennzeichnen. Nun mag diesen Zwecken in vielen Fällen auch die per Fax oder Bilddatei übermittelte Rechnung genügen können. Aber anders als bei einer tariflichen Ausschlussfrist besteht hier kein schützenswertes Bedürfnis, von den gesetzlich vorgesehenen Formen anzuweichen. Sollte die Rechnung nicht wirksam erteilt sein, kann dies jederzeit (in den Grenzen der Verjährung) nachgeholt werden. Die Position des Steuerberaters ist damit nicht vergleichbar mit der Position eines Arbeitnehmers, der mit seinen nicht rechtzeitig erhobenen Ansprüchen ausgeschlossen zu werden droht. Auch Formerfordernisse sind nicht absolut und sie können mitunter dort durchbrochen werden, wenn sie niemanden dienen, aber große, nicht zu rechtfertigende Härten mit sich bringen. Bei einer Steuerberaterrechnung mögen die mit dem Unterschriftserfordernis verfolgten Zwecke oft auch erreicht werden, wenn die Anforderungen gesenkt werden, und die Rechnung beispielsweise lediglich per Fax übersandt wird, auf der anderen Seite fehlt die Begründung, warum die Rechnung nicht nach den im Gesetz ausdrücklich normierten Anforderungen erteilt werden kann. Die bloße Bequemlichkeit oder die Portoersparnis begründen kein schützenswertes Interesse.

    Entsprechendes gilt für die durch die Klägerseite angeführten Erleichterungen im Prozessrecht. In gerichtlichen Verfahren ist die Einreichung auch bestimmender Schriftsätze per Fax mittlerweile überall möglich, selbst bei eingescannter Unterschrift. Die gesetzlichen Voraussetzungen und die Schutzzwecke, zu denen auch eine schnelle und reibungslose Kommunikation gehört, sind aber ganz andere als im Fall der Steuerberaterrechnung. Dies hat das Gericht in dem Beschluss vom 20. März 2006 nicht ausreichend bedacht.

    Hinsichtlich der Kosten war der sofortigen Beschwerde des Beklagten gegen den Beschluss vom 20. März 2006 durch dieses Gericht gemäß § 572 I ZPO abzuhelfen, weil das Gericht die Beschwerde für begründet erachtete. Da die per e-mail erteilte Rechnung mangels Original-Unterschrift nicht den Anforderungen des § 9 StGebV entsprach, war die Forderung nicht fällig. Das nach Erteilung der formwirksamen Rechnung abgegebene Anerkenntnis war unverzüglich im Sinne des § 93 ZPO. Eine Klagveranlassung hat der Beklagte nicht gegeben. Dementsprechend werden die Kosten für die erledigte Hauptforderung nach § 91a ZPO der Klägerin auferlegt. Das gleiche gilt nach § 91 ZPO für die auf die verbleibende Forderung entfallenden Kosten.

    Soweit die Kostenentscheidung auf § 91a ZPO beruht, kann die Klägerin gegen die Entscheidung unabhängig von einer Berufung sofortige Beschwerde einlegen. Unabhängig davon lässt dieses Gericht die Berufung gegen diese Entscheidung zu. Zumindest im Hinblick auf einen Teil der Zinsen beruht diese Entscheidung auf der Grundsatzfrage, ob die Anforderungen des § 9 StGebV auch gewahrt sind, wenn die Berechnung unterschrieben wird, aber nicht im Original, sondern lediglich als Bilddatei übermittelt wird.

    Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit und Sicherheitsleistung beruht auf § 708 Nr. 11, 711 ZPO.

    RechtsgebietZPOVorschriften§ 495a Abs. 2 ZPO

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