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  • · Fachbeitrag · Betriebsprüfung

    Warum die digitale Betriebsprüfung die Steuerberatung vor eine Herausforderung stellen wird

    von Dr. Stephan Peters, Haltern am See

    | Schon heute gehören Aktenberge mit Papierbelegen und das manuelle Heraussuchen von Einzelbelegen mehr oder weniger der Vergangenheit an. So aber wie eine PDF noch keine digitale Kanzlei macht, so macht ein elektronischer Datenträger noch keine digitale Betriebsprüfung. Mit der Digitalisierung verschiebt sich auch der Fokus ‒ bei der Betriebsprüfung sind das die Vorsysteme. Zudem steht ein ganzes Set an neuen Prüfungshandlungen zur Verfügung. Mit diesem Beitrag möchte ich die Leserinnen und Leser dazu anregen, diesen Fokuswechsel rechtzeitig nachzuvollziehen. |

    Vorsysteme im Fokus der Finanzverwaltung

    Während die digitalisierte Prüfung der originären Buchführung schon lange über einen Zugriff gemäß § 147 Abs. 6 AO durchgeführt wird, wird künftig die digital unterstützte Prüfung von Vorsystemdaten in den Fokus der Betriebsführung rücken. Interessant sind diese Daten deshalb, weil sich aus den Daten häufig Rückschlüsse auf die Arbeitsprozesse in einem Betrieb ergeben. Dies ist z. B. der Fall, wenn ein Handwerksunternehmen seine Angebote und Rechnungen aus einem einheitlichen Programm heraus generiert.

     

    • Beispiel

    Malermeister M erstellt seine Angebote, indem er die auf der Baustelle genommenen Aufmaße automatisch in ein Programm zur Erstellung eines Angebots transferiert. Aus dem Angebot sind die Leistungen, die Kosten für Material und die zu bearbeitenden Flächen ersichtlich. Erstellt wird ein Angebot für Malerarbeiten in einer offenen Lagerhalle für 1.500 qm Wandflächen. In Rechnung gestellt werden Malerarbeiten für 750 qm Wandflächen. Weil die Daten für das Angebot und für die Rechnung im Vorsystem gespeichert sind, wird sich der Betriebsprüfer diese Daten gezielt ansehen. Denn hier stellt sich die Frage, warum Angebot und abgerechnete Leistungen auseinanderfallen.

     

    Aus dem Vorsystem kann aber auch ersichtlich sein, warum es im Rahmen der Analyse der Buchführungsdaten Rechnungsnummernlücken gibt. Die Betrachtung der Vorsystemdaten dient aus Sicht der Betriebsprüfung zunächst dem Abgleich der in der Buchführung erfassten Daten und den vorgelegten Einzeldaten aus den Vorsystemen.

    Stichprobenverfahren und Visualisierung

    Um große Datenmengen greifbar zu machen, setzt die Finanzverwaltung auch Methoden ein, die bereits aus der Wirtschaftsprüfung bekannt sind. Da eine „Vollprüfung“ (also die Durchsicht jedes Einzelbelegs) nicht möglich ist, werden große Datenbestände nach Stichprobenverfahren (z. B. Monetary Unit Sampling) untersucht.

     

    • Monetary Unit Sampling (MUS)

    Bei dieser mathematisch-statistischen Prüfmethode werden Zufallsstichproben aus einer Datenmenge gezogen, z. B. die Menge der zu prüfenden Kreditoren. Die Auswahl berücksichtigt dabei die wirtschaftliche Bedeutung des Kreditors, sodass Kreditoren, gegenüber denen hohe Verbindlichkeiten bestehen, tendenziell häufiger in der Stichprobe vorkommen. Die ausgewählte Stichprobe wird nun überprüft, um zu entscheiden, ob die vorgelegte Buchführung der Besteuerung zugrunde gelegt werden kann (§ 158 AO). Entscheidend ist, ob das Prüfungsergebnis eine vorher festgelegte Fehlerschwelle überschreitet. Das Gewicht der bei der Prüfung der Einzelbelege vorgefundenen Auffälligkeiten entscheidet also darüber, ob die gesamte Buchführung verworfen werden muss oder ob nur eine punktuelle Korrektur erforderlich ist.

     

    Große Datenmengen bedürfen der Bearbeitung und Ordnung, um sie prüfen zu können. Zu diesem Zweck greift die Finanzverwaltung auch auf Software zur Visualisierung von großen Datenmengen zurück. Neben den bekannten Excel-Tools wird es in Zukunft auch zum Einsatz der Software Power BI kommen. Im Mittelpunkt dieser Anwendung dürfte dabei zunächst die Visualisierung von Kasseneinzeldaten stehen. In Zeiten immer größer werdender Datenmengen stellt diese Möglichkeit der Darstellung und Zuordnung von Massendaten einen probaten Einstieg in die vertiefte Prüfung der Buchführung dar.

     

    • Power BI

    Die Anwendung Power Business Intelligence (Power BI) von Microsoft dient der visuellen Aufbereitung und Analyse von Geschäftsdaten. Die Anwender können die Daten anhand vorgegebener bzw. selbst erstellter Kriterien in vielfältiger Weise optisch darstellen und untersuchen. Die Ergebnisse können in Form von Berichten ausgegeben werden.

     

    Konsequenzen

    Die Konsequenzen der Datenprüfung können eine Hinzuschätzung, aber auch steuerstrafrechtlicher Natur sein.

     

    Befugnisse zur Hinzuschätzung

    Gegenstand dieser dargestellten Prüfungsansätze ist zunächst nur die Frage, ob die Beweiskraft der Buchführung (§ 158 AO) im Einzelfall aufgrund formeller oder materieller Mängel durchbrochen wird. Diese Feststellung ist Voraussetzung für die spätere Durchführung einer Schätzung der Höhe nach gemäß § 162 AO.

     

    • Schätzung dem Grunde und der Höhe nach
    • Zunächst ist von der Richtigkeit der Buchführung auszugehen (Vermutung).
    • Die Schätzungsbefugnis dem Grunde nach ergibt sich aus der Anzahl und Gewichtung der angetroffenen formellen Mängel.
    • Die Anzahl und Qualität der formellen Fehler wirkt sich sodann auch auf die Schätzungsbefugnis der Höhe nach aus.
    • Das Schätzungsergebnis muss insgesamt schlüssig, wirtschaftlich möglich und vernünftig sein.
     

    Damit die Vermutung des § 158 AO nicht greift, müssen die formellen Mängel „wesentlich“ sein, also ein sachliches Gewicht haben (BFH, 14.12.11, XI R 5/10). Es kommt nicht auf die formale Bedeutung des Mangels an, sondern auf dessen Gewicht! Die Finanzverwaltung muss darlegen, dass formelle Buchführungsmängel Anlass geben, die sachliche Richtigkeit des Buchführungsergebnisses anzuzweifeln. Ausgehend von dieser Überlegung kann die Finanzverwaltung zu dem Ergebnis gelangen, dass die Buchführung der Besteuerung ganz oder teilweise nicht zugrunde zu legen ist. In diesen Fällen ist grundsätzlich zu schätzen. Allerdings schränkt der BFH diese Schätzungsbefugnis wieder ein, „wenn die durch die Fehler der Buchführung verursachen Unklarheiten und Zweifel durch anderweitige zumutbare Ermittlungen beseitigt werden können“ (BFH, 14.12.11, XI R 5/10, Rn. 23). Erst wenn die Finanzverwaltung auch diese Hürde überwunden hat, darf die Hinzuschätzung der Höhe nach erfolgen. Dabei muss sich die Finanzverwaltung stets an den Verhältnissen des Einzelfalls orientieren. Das im Wege der Schätzung gefundene Ergebnis muss auch praktisch möglich sein.

     

    Steuerstrafrechtliche Aspekte

    Im Rahmen einer laufenden Betriebsprüfung kommt der Phase der Untersuchung der Buchführung auch unter strafrechtlichen Aspekten eine ganz entscheidende Bedeutung zu. Regelmäßig entscheidet sich schon in dieser sehr frühen Phase, ob der Anfangsverdacht einer Steuerhinterziehung gemäß § 370 AO gegeben und die Einleitung eines Steuerstrafverfahrens erforderlich ist. Durch die Einleitung eines Steuerstrafverfahrens kann die Finanzverwaltung regelmäßig auf zusätzliche Ermittlungsmöglichkeiten zurückgreifen (Durchsuchungsmaßnahmen etc. nach der StPO). Zudem ist die Einleitung und die damit einhergehende Belehrung des Steuerpflichtigen erforderlich, um die gewonnenen Erkenntnisse in einem späteren Steuerstrafverfahren sicher verwerten zu können.

     

    Unter Berücksichtigung der Tatsache, dass die Betriebsprüfung bei dem Verdacht einer Steuerstraftat andere Stellen beteiligen muss (Finanzämter für Steuerstrafsachen (STRAFA-FA) in NRW, Staatsanwaltschaften), dürfte der Visualisierung von großen Zahlen- und Datenmengen für die Beschleunigung solcher Verfahren ebenfalls eine Bedeutung zukommen.

    Herausforderungen für die Beratung

    Die Finanzverwaltung konzentriert sich zunehmend auf die Analyse von großen Datenmengen. Hier gilt es auch im Rahmen der laufenden Beratung Schritt zu halten, auch um Mandanten über diese Entwicklungen zu informieren und anstehende Betriebsprüfungen auch vor dem Hintergrund dieser zunehmend technischen Herangehensweise vorzubereiten.

     

    • Die neue Herangehensweise
    • Welche Vorsysteme werden genutzt?
    • Welchen Einfluss haben die handelnden Personen auf diese Systeme?
    • Wie sind die Systeme miteinander verbunden?
    • In welchem Umfang findet ein automatischer Datentransfer zwischen Vorsystemen statt?
    • Entsprechen die Vorsysteme den GoBD?
    • Gibt es eine Verfahrensdokumentation und sind auch die Vorsysteme im Rahmen dieser Dokumentation skizziert?
    • Welche mathematisch-statistischen Verfahren setzt die Finanzverwaltung ein?
    • Welche Prämissen müssen erfüllt sein, damit die Analysemethoden im statistischen Sinne angewendet werden dürfen?
     

    Auch deswegen braucht es eine Verfahrensdokumentation

    Die Finanzverwaltung verfügt hinsichtlich der Prüfung von großen Datenmengen im Rahmen von Betriebsprüfungen über einen großen Erfahrungsschatz und setzt vermehrt auf neue Methoden, um diese großen Datenmengen durch Stichprobenmethoden und Visualisierungsansätze greifbar zu machen. Für die Begleitung von laufenden Betriebsprüfungen gilt es auch weiterhin, die Umstände und Besonderheiten des Einzelfalls herauszuarbeiten, aber auch im Vorfeld die Mandanten für diese neue Herangehensweise zu sensibilisieren und sich mit Art, Einsatz und Funktion der verwendeten Vorsysteme vertraut zu machen. Da diese Systeme im Rahmen einer Verfahrensdokumentation beschrieben werden müssten, wäre die Anfertigung einer solchen Verfahrensdokumentation auch eine gute Gelegenheit, die Systeme gemeinsam mit den Mandanten zu betrachten und Schwachstellen vor der nächsten Betriebsprüfung zu erkennen. Die Wahrscheinlichkeit, dass der Betriebsprüfer diese Schwachstellen findet und negative Schlüsse daraus zieht, ist nicht zuletzt aufgrund der technischen Möglichkeiten der Finanzverwaltung groß!

     

    Da es an gesetzlichen Vorgaben für die Anfertigung einer Verfahrensdokumentation fehlt, sollte man sich bei der Erstellung an den GoBD und dem Zweck der Dokumentation orientieren. Sie soll dem Betriebsprüfer einen Einblick in die tatsächlichen Abläufe liefern. Hilfreich sind folgende Aspekte:

     

    • Allgemeine Informationen zum Unternehmen (Unternehmenszweck, Organigramm, Struktur, Entscheidungsträger/-prozesse)
    • Wie sind die Abläufe (z. B. die Erstellung von Rechnungen, Anlage von Aufträgen) organisiert und wer ist daran wie im System beteiligt (praktischer Betrieb des Systems)?
    • Welche Befugnisse und Zugriffsrechte bestehen? Wer hat Zugang zu dem System und wie wird der Zugang kontrolliert? Wer hat welche Berechtigungen zur Vornahme von Änderungen im System (Technische Systembetrachtung)?
    • Wie werden Prozesse dokumentiert und archiviert?

     

    Inhalt und Umfang der Dokumentation hängen von den Umständen des Einzelfalls ab. Wurde eine Dokumentation erstellt, ist zu berücksichtigen, dass diese bei Veränderungen am System entsprechend angepasst und stets aktualisiert wird.

     

    Zum Autor | Dieser Beitrag wurde vom Autor nicht in dienstlicher Eigenschaft verfasst, sondern gibt ausschließlich seine persönliche Auffassung wieder.

    Quelle: Ausgabe 07 / 2022 | Seite 115 | ID 48114188

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