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  • · Fachbeitrag · Wiedereinsetzung in den vorigen Stand

    Dauerbrenner Fristversäumnis: Wiedereinsetzung wird häufig nicht gewährt

    von RAin und FAStR Ulrike Fuldner, Aschaffenburg

    | Die umfassende Rechtsprechung des BGH und des BFH allein in den letzten zwölf Monaten zeigt, dass Steuerberater immer wieder die gleichen Fehler machen und mit ihren Anträgen auf Wiedereinsetzung nur selten Erfolg haben. Grund genug, einige wichtige Aspekte aus den Entscheidungen der Gerichte im Überblick darzustellen. |

    Voraussetzung für Wiedereinsetzung in den vorigen Stand

    Die Gewährung von Wiedereinsetzung in den vorigen Stand setzt voraus, dass der Beteiligte ohne Verschulden verhindert war, die versäumte Frist einzuhalten. Jedes Verschulden - also auch einfache Fahrlässigkeit - schließt die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand aus. Ein Verschulden des Prozessbevollmächtigten wird dem Mandanten zugerechnet.

     

    In den folgenden Fällen wird keine Wiedereinsetzung gewährt.

    Tod einer nahestehenden Person

    Beim plötzlichen Tod eines nahen Angehörigen stellt die Rechtsprechung darauf ab, ob die Fristwahrung den Umständen nach zumutbar war.

     

    Der plötzliche Tod einer Tante der Steuerberaterin am 23.8.12 und deren Beisetzung am 30.8.12 sind keine entschuldbaren Gründe, die Frist zur Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde, die am 5.9.12 ablief, nicht einzuhalten. Unabhängig von einer möglichen psychischen und physischen Überbelastung aufgrund der Besuchsfahrten zur erkrankten Tante und anderer Aufgaben in der Kanzlei sowie Prüfungsleistungen an einer Hochschule muss einer Steuerberaterin die besondere Bedeutung gesetzlicher Fristen ebenso bekannt sein wie die Möglichkeit, die Frist zur Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde auf Antrag um einen Monat verlängern zu lassen (§ 116 Abs. 3 S. 4 FGO). War die Steuerberaterin tatsächlich nicht in der Lage, die Nichtzulassungsbeschwerde fristgerecht selbst zu begründen, hätte sie auch die Vertretung durch einen Berufskollegen in Erwägung ziehen müssen (BFH 13.6.13, VIII B 99/12, Urteil unter www.dejure.org).

    Nichterfassung einer Frist im elektronischen Fristenkalender

    Angehörige der rechts- und steuerberatenden Berufe müssen für eine zuverlässige Fristenkontrolle sorgen und die Organisation des Bürobetriebs so gestalten, dass Fristversäumnisse vermieden werden. Ein die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ausschließendes Organisationsverschulden liegt vor, wenn ein Steuerberater einen EDV-gestützten Fristenkalender verwendet und die dortigen Eintragungen nicht - zumindest stichprobenhaft - durch Ausgabe der eingegebenen Einzelvorgänge über den Drucker oder durch Ausgabe eines Fehlerprotokolls durch das Programm kontrolliert. Die Kontrolle ist erforderlich, um Datenverarbeitungsfehler des EDV-Programms sowie Eingabefehler oder -versäumnisse mit geringem Aufwand zu erkennen und zu beseitigen. Im konkreten Fall hatte der Berater die von der Rechtsprechung geforderte Kontrolle der Eingaben in das EDV-Programm in seinem organisatorischen Ablauf weder vorgesehen noch ist eine solche offenbar tatsächlich durchgeführt worden (BFH 9.1.14, X R 14/13; s. zur Fehleingabe in einen elektronischen Fristenkalender auch BFH 30.4.13, IV R 38/11; Urteile unter www.dejure.org).

    Fehlende Büroorganisation zur Fristenkontrolle

    Unterläuft einer Fachkraft bei der Notierung oder Überwachung von Fristen ein Versehen, braucht der Berater dieses nicht als eigenes Verschulden zu vertreten. Voraussetzung ist jedoch, dass der Berater alle Vorkehrungen getroffen hat, die nach vernünftigem Ermessen geeignet sind, eine Fristversäumnis auszuschließen, und dass er durch regelmäßige Belehrung und Überwachung seiner Bürokräfte für das Befolgen seiner Anordnungen Sorge trägt. Dabei ist zu beachten, dass die Begründungsfristen für Revisionen und Nichtzulassungsbeschwerden nicht zu den üblichen, häufig vorkommenden und einfach zu berechnenden Fristen gehören, sodass der Berater in diesen Fällen bei der Prüfung und Überwachung des Personals zu besonderer Sorgfalt verpflichtet ist.

     

    Sachverhalt

    Ein Steuerberater begründete einen Wiedereinsetzungsantrag damit, seine bisher stets zuverlässige Fristsachbearbeiterin (F) habe den Tag des Ablaufs der verlängerten Frist zur Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde nicht als Frist, sondern als Termin in die Fristenüberwachung eingetragen. F hatte dazu in einer beigefügten Stellungnahme und eidesstattlichen Versicherung erklärt, sie habe das Datum des Fristablaufs als jederzeit verlängerbaren Termin angesehen, bei dessen Überschreiten keine unmittelbaren Rechtsnachteile zu erwarten waren. Zur Organisation des Fristenwesens in seiner Kanzlei hatte der Berater u.a. vorgetragen, alle fristauslösenden oder einen Termin enthaltenden Schreiben würden an ihrem Eingangstag in eine Tabelle eingetragen. Zusätzlich würden sie in einem eigenen Fristenordner gesammelt und dort im Fach des jeweiligen Sachbearbeiters abgelegt. Ab dem Tag des Eingangs würden die Fristen und Termine täglich anhand der Übersicht überwacht.

     

    Entscheidung

    Der BFH war der Auffassung, dass in der Kanzlei des Steuerberaters keine den gesetzlichen Anforderungen genügenden Anweisungen für den Umgang mit gerichtlichen Fristen bestanden haben. Es ist schlechterdings unvorstellbar, dass eine Bürokraft, die durch den Berater ordentlich in die ihr übertragene Frist- und Terminüberwachung eingewiesen worden ist und in ihrer Tätigkeit regelmäßig überwacht wird, annehmen könnte, ein von einem Gericht - aus ihrer Sicht - gesetzter Termin könne ohne Rechtsnachteile überschritten werden. Zudem hatte sich der Berater nicht dazu geäußert, in welcher Weise er seine Bürokräfte in Fragen der Fristüberwachung belehrt und überwacht hat. Dieser Organisationsmangel stellt ein eigenes Verschulden des Beraters dar, das der Mandantin zuzurechnen ist (BFH 13.3.13, X R 16/11, Abruf-Nr. 132103).

    Erkrankung des Prozessbevollmächtigten

    Lässt der BFH auf Beschwerde die Revision gegen das finanzgerichtliche Urteil zu, beginnt für den Beschwerdeführer mit der Zustellung der Entscheidung die einmonatige Revisionsbegründungsfrist (§ 116 Abs. 7 S. 2 FGO). Die Frist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden des zuständigen Senats des BFH verlängert werden.

     

    Sachverhalt

    Im konkreten Fall war der Zulassungsbeschluss dem Steuerberater am 20.2.13 zugestellt worden. Am 23.3.13 verwies der Steuerberater mittels Fax an den BFH auf seinen mit Schriftsatz vom 18.3.13 gestellten Antrag auf Verlängerung der Revisionsbegründungsfrist und beantragte vorsorglich Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Der auf 18.3.13 datierte (von der Sekretariatsmitarbeiterin [S] unterzeichnete) Fristverlängerungsantrag ging am 25.3.13, die Revisionsbegründung am 1.4.13 beim BFH ein. Am 5.4.13 beantragte der Steuerberater, den Antrag vom 23.3.13 zugleich als Antrag auf Verlängerung der Revisionsbegründungsfrist auszulegen. Zur Begründung der Wiedereinsetzung trug der Steuerberater unter Vorlage eines ärztlichen Attests vor, er sei vom 12. bis 22.3.13 bettlägerig krank gewesen.

     

    Entscheidung

    Bei Versäumung der Frist zur Begründung der Revision ist der Wiedereinsetzungsantrag binnen eines Monats nach Wegfall des Hindernisses zu stellen. Dabei erfordert ein schlüssiger Wiedereinsetzungsantrag die Darlegung einer geeigneten Notfall-Vorsorge, die auch bei einer unvorhersehbaren Verhinderung des Steuerberaters die Funktionsfähigkeit des Büros - insbesondere die Überwachung der Fristsachen - gewährleistet.

     

    Im Streitfall war nicht erkennbar, inwiefern die Erkrankung des Steuerberaters für die Fristversäumnis ursächlich war. Es fehlte an jeder Darlegung, dass die zur Bettlägerigkeit führende Erkrankung so plötzlich und schwer auftrat, dass jegliche Tätigkeit eingestellt werden musste. Nach der Begründung des Wiedereinsetzungsgesuchs ist eine solche krankheitsbedingte Einstellung jeglicher Tätigkeit ersichtlich nicht erfolgt, weil der Steuerberater der S am 18.3.13 - also noch während seiner Krankheit und vor Ablauf der Revisionsbegründungsfrist - telefonisch einen Fristverlängerungsantrag diktiert, H mit der persönlichen Aufgabe des Briefs zur Post noch am gleichen Tag beauftragt und H ferner über die Wichtigkeit des rechtzeitigen Zugangs des Antrags beim BFH belehrt hat. Der Wiedereinsetzungsantrag enthielt auch keine Ausführungen, ob und aus welchen Gründen dem Steuerberater die Bestellung eines Vertreters nicht möglich war und welche Vorkehrungen er zur Wahrung von Fristen für den Fall einer Erkrankung getroffen hatte (BFH 10.5.13, II R 5/13, Urteil unter www.dejure.org).

    Versäumung der Frist wegen Krankheit des Mandanten

    Ein Steuerberater hatte für seinen Mandanten zwar fristgerecht Nichtzulassungsbeschwerde erhoben, diese jedoch nicht begründet. Die Senatsvorsitzende hatte mit einem Schreiben auf den Ablauf der Frist zur Begründung der Beschwerde und auf die Regelung zur Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hingewiesen. Daraufhin hatte der Steuerberater mit Schriftsatz Wiedereinsetzung in die Frist zur Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde beantragt, da der Mandant ausweislich eines beigefügten ärztlichen Attests an einer schweren fieberhaften Bronchitis mit Übergang in eine Lungenentzündung erkrankt und über längere Zeit bettlägerig war. Überdies hielt sich der Mandant ständig im Ausland auf.

     

    Der Hinweis des Prozessbevollmächtigten auf die Erkrankung seines Mandanten ging fehl, da der Ablauf der Frist durch einen rechtzeitig gestellten Antrag auf Fristverlängerung verhindert hätte werden können. Dies gilt auch für den Umstand, dass sich der Mandant ständig im Ausland befindet. Anhaltspunkte dafür, dass das Unterlassen eines rechtzeitigen Antrags auf Verlängerung der Frist zur Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde auf entschuldbaren Hindernissen beruhte, hatte der Steuerberater weder dargelegt noch waren sie ersichtlich (BFH 6.5.13, VI B 167/12, Urteil unter www.dejure.org).

    Arbeitsüberlastung des Beraters

    Eine erhebliche Arbeitsüberlastung des Rechtsanwalts bzw. Steuerberaters kann eine Wiedereinsetzung nur dann ausnahmsweise rechtfertigen, wenn sie plötzlich und unvorhersehbar eingetreten ist und durch sie die Fähigkeit zu konzentrierter Arbeit erheblich eingeschränkt wird.

     

    Sachverhalt

    Nach einem Hinweis des OLG, dass in einer Familiensache noch keine Beschwerdebegründung eingegangen sei, hatte ein Anwalt (R) für die Mandantin Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und die Verlängerung der bereits abgelaufenen Beschwerdebegründungsfrist beantragt. Den Antrag begründete R damit, dass für ihn am letzten Tag der Frist aufgrund seines unmittelbar bevorstehenden Urlaubs eine erheblich verstärkte Arbeitsbelastung bestanden habe. Außerdem sei ihm an diesem Vormittag mitgeteilt worden, dass sein ehemaliger Sozius verstorben sei. Durch diese Nachricht sei er persönlich stark betroffen gewesen, weshalb ihm die Konzentration auf die Arbeit schwer gefallen sei. Zudem hätten aufgrund des Todesfalls in der Kanzlei eine Reihe organisatorischer Maßnahmen besprochen und geregelt werden müssen.

     

    Entscheidung

    Das OLG wies den Antrag auf Wiedereinsetzung zurück, weil es im vorliegenden Fall zur Fristwahrung ausgereicht hätte, beim Beschwerdegericht einen Antrag auf Verlängerung der Beschwerdebegründungsfrist einzureichen, der mit der Arbeitsüberlastung hätte begründet werden können. Von dieser Verpflichtung war R auch nicht deshalb entbunden, weil er an diesem Tag vom Tod seines ehemaligen Sozius erfahren hatte. Denn R hatte trotz dieser Nachricht bis 23 Uhr an diesem Tag gearbeitet und war daher auch nicht soweit in seiner Arbeitsfähigkeit beeinträchtigt, dass er keinen Fristverlängerungsantrag mehr stellen konnte. Der erhöhte Arbeitsanfall war nicht plötzlich und unvorhersehbar eingetreten. Am letzten Arbeitstag vor einem Urlaub ist es nicht ungewöhnlich, dass ein besonders großer Arbeitsanfall besteht (BGH 8.5.13, XII ZB 396/12, Urteil unter www.dejure.org).

    Quelle: Ausgabe 06 / 2014 | Seite 95 | ID 42593496

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