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  • · Fachbeitrag · Einhaltung der Berufspflichten

    „Weitere Beratungsstellen“: Ist das Leitererfordernis in § 34 Abs. 2 S. 2 StBerG noch zeitgemäß?

    von RA Dr. Dennis Franke, LL.M., Schuka Hammes und Partner, Rechtsanwälte Steuerberater, Düsseldorf

    | Bereits seit 1961 regelt das Steuerberatungsgesetz (StBerG) die Berufsausübung der Steuerberater. Veränderungen bzw. Anpassungen sind seit diesem Zeitpunkt nur in Teilbereichen und zumeist vor dem Hintergrund einer geänderten Rechtsprechung vorgenommen worden. Ein Großteil der Regelungen ist deshalb noch auf dem Stand von 1961. Ein reformbedürftiger Bereich ist die in § 34 Abs. 2 StBerG enthaltene Regelung zur Unterhaltung von sogenannten „weiteren Beratungsstellen“. KP gibt einen Überblick über die praktischen Probleme der Regelung sowie einen Reformvorschlag. |

    Hintergrund

    Das StBerG erlaubt Steuerberatern zwar die Unterhaltung von weiteren Beratungsstellen, knüpft dies jedoch an das Erfordernis, dass ein anderer Steuerberater deren (fachliche) Leitung übernimmt. Lediglich für die Leitung einer einzigen Beratungsstelle kann der Steuerberater im Ausnahmefall eine Ausnahmegenehmigung von diesem Erfordernis erhalten (vgl. § 34 Abs. 2 S. 4 StBerG). Die Gesetzesbegründung zum StBerG besagt, dass diese Regelung dazu dienen soll, dass die Berufspflichten auch in der weiteren Beratungsstelle eingehalten werden. Denn mit der Unterhaltung einer weiteren Beratungsstelle gehe eine zumindest abstrakte Gefährdung der Berufspflichten der Gewissenhaftigkeit und Eigenverantwortlichkeit der Berufsausübung einher. Diese resultiere aus der fehlenden Präsenz des Steuerberaters in der Beratungsstelle. Nur durch den Einsatz eines anderen Steuerberaters als Leiter der Beratungsstelle könne eine jederzeitige Erreichbarkeit und damit die Einhaltung der Berufspflichten sichergestellt werden.

     

    Diese Regelung ist bezogen auf den Stand der Technik von 1961 durchaus nachvollziehbar, erscheint aber aufgrund der eingetretenen technischen Veränderungen nicht mehr zeitgemäß. Durch den Gesetzgeber wurde außerdem in die Systematik des StBerG eingegriffen, indem Konstellationen zulässig sind, die der eigentlichen Intention des Leitererfordernisses entgegentreten bzw. dieses unterlaufen. Hierneben bestehen an der Regelung z.B. mit Blick auf das anwaltliche Berufsrecht verfassungsrechtliche Bedenken. Aber auch unter unionsrechtlichen Gesichtspunkten ist die Regelung bedenklich.

    Praktische Problempunkte

    Bei einer ersten Betrachtung erscheint die Regelung in § 34 Abs. 2 S. 2 StBerG schlüssig, da die Anwesenheit des Leiters den Mandanteninteressen zuträglich ist. Setzt man sich jedoch genauer mit den berufsrechtlichen Vorgaben auseinander, so ergeben sich Zweifel an der Notwendigkeit einer solchen Regelung. Zunächst muss darauf verwiesen werden, dass Mandanten nicht mehr erwarten, dass der Steuerberater jederzeit an nur einem bestimmten Ort persönlich zur Verfügung steht. In der Praxis ist die Möglichkeit der telefonischen Kontaktaufnahme sowie der Vereinbarung eines Gesprächstermins für den Mandanten ausreichend. Außerdem können kleinere Rückfragen des Mandanten vielfach durch den Einsatz fachlich geschulten Personals beantwortet und relevante Unterlagen dort abgegeben werden.

     

    Entwicklung der modernen Kommunikationsmittel

    Erheblichen Einfluss auf die Arbeitsabläufe in einer Steuerkanzlei und des Steuerberaters hat zudem die Entwicklung der modernen Kommunikationsmittel genommen. Viele Abläufe, die bislang händisch vorgenommen werden mussten, werden heute mithilfe von EDV erledigt oder von dieser vollständig übernommen. Bedingt durch die von der Finanzverwaltung gestellten Anforderungen an die elektronische Abgabe u.Ä., sind Steuerberater quasi von Berufs wegen gezwungen, moderne EDV einzusetzen. Werden moderne Telekommunikations- und Serversysteme eingesetzt, ist es unerheblich, wo sich der Steuerberater gerade befindet, da Telefonate weitergeleitet werden können und die Tätigkeit an fast jedem Standort ausgeübt werden kann. Auch wird eine Kontrolle der Mitarbeiter ermöglicht, sodass eine Anwesenheit in der Kanzlei nicht mehr zwingend notwendig ist.

     

    Systematische Brüche im StBerG

    Das StBerG enthält an vielen Stellen systematische Brüche, die die eingangs geschilderte Intention des Leitererfordernisses unterlaufen.

     

    • Beispiel 1

    Steuerberater A unterhält ca. 10 km von seinem Sitz entfernt eine weitere Beratungsstelle. Leiter der Beratungsstelle ist Steuerberater B, der selbst rund 45 km von der Beratungsstelle entfernt beruflich niedergelassen ist.

    Dieses Beispiel zeigt, dass die jederzeitige Erreichbarkeit eines Steuerberaters selbst bei Einsatz eines Leiters nicht zwingend sichergestellt ist. So steht der Leiter während der Beaufsichtigung der Beratungsstelle seinen eigenen Mandanten nicht zur Verfügung. Außerdem zeigt das Beispiel, dass der Praxisinhaber aufgrund der geringeren Distanz schneller vor Ort sein kann.

     

    • Beispiel 2

    Steuerberater A möchte im 30 km von seinem Sitz entfernten C eine weitere Beratungsstelle eröffnen. Die für ihn zuständige Steuerberaterkammer versagt ihm die Ausnahmegenehmigung zur Übernahme der Leitung. Ein anderer Steuerberater steht für die Leitung nicht zur Verfügung.

    Rein rechtlich betrachtet kann Steuerberater A keine Beratungsstelle eröffnen, da die Voraussetzungen des § 34 Abs. 2 StBerG nicht erfüllt sind. Gleichwohl steht es ihm frei, eine Steuerberatungsgesellschaft mit Sitz in C zu gründen, deren Leitung er selbst übernehmen kann. Der hier maßgebliche § 50 Abs. 1 S. 2 StBerG schreibt nur vor, dass ein Steuerberater, der Geschäftsführer der Gesellschaft ist, am Standort der Niederlassung oder in deren Nahbereich beruflich niedergelassen sein muss.

     

    Der Nahbereich ist von der Rechtsprechung auf ca. 50 km festgelegt worden, sodass die Übernahme der Leitung durch A möglich ist.

     

    MERKE | Steuerberatern steht die Gründung und eigenständige Leitung einer Steuerberatungsgesellschaft als Alternative zur weiteren Beratungsstelle offen.

    Noch deutlicher wird der systematische Widerspruch bei einer Betrachtung von § 34 Abs. 2 S. 3 StBerG. Hiernach hat das Leitererfordernis keine Geltung, soweit es sich um eine Beratungsstelle im EU-Ausland handelt. Bereits aufgrund der teils erheblichen Entfernung stellt sich die Frage, warum es hier nicht zu einer Beeinträchtigung der Berufspflichten, die über § 21 BOStB auch im Ausland Beachtung finden, kommen soll. Eine EU-Niederlassung darf somit geleitet werden, eine inländische nicht.

     

    Andere Berufsrechte

    Auch ein Blick in andere Berufsrechte lässt Zweifel an der rechtlichen Haltbarkeit der Regelung aufkommen. Beispielhaft soll das anwaltliche Berufsrecht genannt werden, da Rechtsanwälte ebenso zur unbeschränkten Steuerrechtshilfe befugt sind und damit eine vergleichbare Interessenlage besteht. Rechtsanwälte unterliegen berufsrechtlich keinen derart strengen Anforderungen bei der Unterhaltung von weiteren Niederlassungen, da die ursprüngliche Regelung zum Zweigstellenverbot 2007 aufgehoben wurde. Sie dürften deshalb in unbegrenzter Anzahl Zweigstellen unterhalten und selbst leiten, soweit sie die Einhaltung der Berufspflichten an jedem Standort sicherstellen können. Diese Regelung zeigt die unterschiedliche Behandlung eindrucksvoll und führt zu einem (Wettbewerbs-)Nachteil der Steuerberater. Aufgrund der unterschiedlichen Behandlung dieser beiden Berufsgruppen sind auch verfassungsrechtliche Zweifel im Hinblick auf den allgemeinen Gleichheitssatz aus Art. 3 GG angebracht.

     

    FAZIT | Die geänderten Rahmenbedingungen ermöglichen die eigenständige Leitung einer weiteren Beratungsstelle durch den Praxisinhaber, ohne dass es hierdurch zu einer Beeinträchtigung der Berufspflichten aus § 57 Abs. 1 StBerG kommt. Allerdings muss der Steuerberater durch geeignete Maßnahmen - wie den Einsatz von fachlich geschultem Personal, modernen Kommunikations- und Serversystemen - eine ausreichende Erreichbarkeit für die Mandanten und eine fachlich ordnungsgemäße Bearbeitung an jedem Standort sicherstellen. Nur dann wird den Berufspflichten Genüge getan. Die Kontrolle obliegt dabei den Steuerberaterkammern (vgl. § 76 StBerG), die bei Verstößen geeignete Maßnahmen - bis hin zu einem Verbot der Unterhaltung der Beratungsstelle - ergreifen müssen.

     

    Das Berufsrecht der Steuerberater ist im Hinblick auf die Unterhaltung von weiteren Beratungsstellen dringend reformbedürftig. Der Autor schlägt vor, die Unterhaltung von weiteren Beratungsstellen nur unter das Erfordernis der Einhaltung der Berufspflichten zu stellen und so vom Leitererfordernis Abstand zu nehmen.

     

    Weiterführender Hinweis

    • Dissertation: „Das Leitererfordernis des Steuerberatungsgesetzes aus § 34 Abs. 2 Satz 2 StBerG unter besonderer Berücksichtigung des Nahbereichserfordernisses“ unter www.iww.de/sl1662
    Quelle: Ausgabe 10 / 2015 | Seite 159 | ID 43527104

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