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  • Kanzleiorganisation

    Wie lange sind Mandanten- und sonstige in der Handakte befindliche Unterlagen aufzubewahren?

    von Rechtsanwalt Jürgen Gemmer, Fachanwalt für Steuerrecht, Braunschweig

    Frage:

    Nach unserer Kanzleiorganisation werden zwei Typen von Unterlagen geführt:

    1. Unsere Handakten Kopien der Bescheide und Erklärungen,gegebenenfalls Kopien anderer erforderlicher Unterlagen, Ausfertigungender Bilanzen und Vertragskopien.
    2. Unterlagen des MandantenBelege und Geschäftsbriefe, unter UmständenOriginalverträge und die von uns gefertigtenBuchhaltungsunterlagen.

    Folgende Fälle kommen vor:

    1. Der Mandant nimmt unsere Dienste nicht mehr in Anspruch, d.h.,er lässt über einen längeren Zeitraum nichts mehr vonsich hören und reagiert auf Anschreiben nicht. Wann kann man dieUnterlagen zu Nr. 1 vernichten?
    2. In Abwandlung zu Fall 1 sindauch noch Unterlagen zu Nr. 2 vorhanden. Welchen Nachweis müssenwir führen Einschreibebrief mit Rückschein oder einfacherBrief, auf den man keine Antwort erhält oder Sonstiges, bevor dieUnterlagen vernichtet werden können?
    3. Es sind Unterlagen zuNr. 1 und zu Nr. 2 vorhanden: Der Mandant ist in Konkurs Insolvenzgegangen, und auf unsere Anfragen erhalten wir keine Reaktion, was mitden Unterlagen geschehen soll. Weder der Konkursverwalter noch derdirekt Betroffene äußern sich dazu.

    Antwort:

    Die grundlegende Vorschrift ist hier § 66StBerG, der in Abs. 2 eine Legaldefinition des Begriffs der„Handakten“ enthält sowie Aufbewahrungspflichten undRegelungen zum Zurückbehaltungsrecht. Zum besserenVerständnis dieser Regelungen sollte man sich Folgendes merken:

    Unabhängig von der Kanzleiorganisationgehört grundsätzlich alles zu den Handakten, was aus Anlassder Tätigkeit des Steuerberaters in einer bestimmten Angelegenheitin seine Hände gelangt, gleichgültig, wer es gefertigt hatund auf welche Weise es in den Besitz des Beraters gelangt ist.

    Das Gesetz schränkt den Begriff der„Handakten“ in § 66 Abs. 2 StBerG im Vergleich zudieser Generaldefinition ein und umschreibt ihn im Kern mit deruntechnischen Bezeichnung „Mandantenunterlagen“. DieseEinschränkung gilt aber nur fürdie Aufbewahrungs- und Herausgabepflicht. Nach der Allgemeindefinitionder Handakte gehören sämtliche unter Nr. 1 und Nr. 2genannten Unterlagen zu den Handakten.

    Dauer der Aufbewahrungspflicht

    Nach § 66 Abs. 1 StBerG besteht dieAufbewahrungspflicht für sämtliche Unterlagen, die Handaktenim Sinne von § 66 Abs. 2 StBerG sind, auf die Dauer von 7 Jahrennach Beendigung des Auftrages. Nach Ablauf der Aufbewahrungsfrist kannder Berufsangehörige die Handakten entweder seinem Auftraggeberübersenden oder mangels bestehender Aufbewahrungspflicht dieHandakten auch vernichten.

    Für den Fristbeginn der Aufbewahrungspflicht stellt das Gesetz auf die Beendigung des Auftrags ab. Hierunter ist das tatsächliche oder rechtlicheEnde des Auftragsverhältnisses zu verstehen. Einetatsächliche Beendigung ist zum Beispiel anzunehmen, wenn derAuftraggeber über einen längeren Zeitraum seinen für dieTätigkeit des Berufsangehörigen unerlässlichenMitwirkungspflichten nicht nachkommt – zum BeispielBuchführungsunterlagen und dergleichen nicht zur Verfügungstellt, wiederholte Anfragen nicht beantwortet, Briefe mit demPostvermerk „unbekannt verzogen“ zurückkommen und demBerater auch nicht die neue Anschrift durch den Mandanten mitgeteiltwird, so dass der Berater letztlich für seinen Mandanten keineTätigkeiten mehr entfalten kann.

    So kann der Steuerberater die Aufbewahrungspflicht verkürzen

    Der Berater kann die Aufbewahrungspflichtverkürzen, indem er den Auftraggeber auffordert, die Unterlagen =Handakten im Sinne von § 66 Abs. 2 StBerG in Empfang zu nehmenund der Auftraggeber dieser Aufforderung binnen sechs Monaten nach deren Erhaltnicht nachgekommen ist. Wenn der Berater diesen Weg geht, muss erallerdings   auch den Nachweis führen können, dassder Mandant die Aufforderung zur Abholung der Mandantenunterlagenerhalten hat. Dabei reicht es nicht aus, das Aufforderungsschreiben perEinschreiben oder per Einschreiben/Rückschein zu versenden, dennall diese Postversendungsarten bringen letztlich nicht den Nachweis,dass das konkrete Aufforderungsschreiben dem Mandanten zugegangen ist.Hier sollten Sie den sichersten Weg wählen: Das Ziel lässtsich nur mit Zustellung per Postzustellungsurkundeerreichen. Da man als Privatmann diese Art der Zustellung nicht alleinebewirken kann, müssen Sie den zuständigen Gerichtsvollziehermit der Zustellung des Aufforderungsschreibens beauftragen.

    Im Insolvenzfall sind die Befugnisse des Verwalters zu beachten

    Diese Ausführungen gelten auch im Falle derInsolvenz der Mandanten. Hier wäre dann das Aufforderungsschreibenan den Insolvenzverwalter zu richten. Befindet sich das Verfahren indem sogenannten Insolvenzeröffnungsverfahren gemäߧ§ 22, 23 InsO, ist im Einzelfall aber zunächstsorgfältig zu prüfen, in welchem Umfang dem VerwalterBefugnisse durch das Gericht eingeräumt worden sind. DiesesInsolvenzeröffnungsverfahren hat das nach der alten Konkursordnungvorgeschaltete Sequestrationsverfahren ersetzt.

    Praxishinweis

    Losgelöst von der im Gesetz eingeräumtenBefugnis, die Aufbewahrungspflicht zu verkürzen, stellt sichallerdings für die Praxis die Frage, ob es sinnvoll undzweckmäßig ist, Handakten im weitesten Sinne zu vernichten,gegebenenfalls nach Verkürzung der Aufbewahrungspflichten. Dennbedenken Sie, dass die Verjährungsfristen für eventuelleSchadenersatzansprüche des Mandanten gegen Sie gemäߧ 68 StBerG möglicherweise viel später ablaufen als nach7 Jahren. Diese Unsicherheit ist darin begründet, dass nach derRechtsprechung des BGH die Verjährungsfristen fürErsatzansprüche zu unterschiedlichen Zeitpunkten beginnen. Je nachLage des Falles kann durch sogenannte Sekundäransprüche aucheine Verlängerung der 3-jährigen Verjährungsfristeintreten.

    In einem Schadenersatzprozess ist es dann sehr hilfreich, wenn man aufseine Handakten zurückgreifen kann und anhand der dortigen Notizenin der Lage ist, sich erfolgreich zur Wehr zu setzen.

    Letztlich sei noch auf Folgendes hingewiesen: Die Pflicht zurHerausgabe der Unterlagen ist am Sitz Ihrer Kanzlei zu erfüllenvgl. OLG Hamm 6.10.98, GI 99, 241. Es reicht also aus, wenn Sie demMandanten die Übergabe der Unterlagen in Ihrer Praxis anbieten.Sie sind nicht verpflichtet, diese auf Ihre Kosten und Gefahr demAuftraggeber zuzusenden.

    Quelle: Kanzleiführung professionell - Ausgabe 06/2000, Seite 93

    Quelle: Ausgabe 06 / 2000 | Seite 93 | ID 104211

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