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  • Kanzleimanagement

    Scheinselbständigkeit in der StB-Kanzlei:
    Die Auswirkungen der neuen Sozialgesetzgebung

    von Rechtsanwalt Dr. Helmut Graf und Rechtsanwältin Bettina Kastner,
    Kanzlei Eger/Dr. Graf, Augsburg

    Am 1. Januar 1999 ist das Gesetz zu Korrekturen in der Sozialversicherung und zur Sicherung der Arbeitnehmerrechte in Kraft getreten. Zentrale Vorschriften sind ein neuer Absatz 4 zu § 7 SGB IV, der eine gesetzliche Vermutung hinsichtlich der Arbeitnehmereigenschaft enthält, sowie § 2 Nr. 9 SGB VI, der eine zusätzliche Erweiterung der Rentenversicherungspflicht nach sich zieht.

    Von diesen Neuregelungen sind alle freien Mitarbeiter in einer StB-Kanzlei betroffen. Da das Gesetz bereits in Kraft getreten ist, besteht Handlungsbedarf: Überprüfen Sie umgehend die Verträge Ihrer freien Mitarbeiter und passen Sie diese ggf. an die neue Rechtslage an. Ein Ignorieren der Neuregelungen könnte für den Steuerberater als Auftraggeber bzw. Arbeitgeber gravierende Folgen haben. Als Arbeitgeber haftet er nämlich für die nachträgliche Abführung der Sozialversicherungsbeiträge.

    Welche Merkmale machen den scheinselbständigen Arbeitnehmer aus?

    Nach § 7 Absatz 4 SGB IV sind Erwerbstätige als Scheinselbständige und damit als Angestellte anzusehen, wenn sie zwei der folgenden vier Merkmale erfüllen:

    1.  Der Erwerbstätige ist regelmäßig nur für einen Auftraggeber tätig.

    2.  Er beschäftigt außer Familienangehörige keine versicherungspflichtigen Arbeitnehmer.

    3.  Er übt eine arbeitnehmertypische Beschäftigung aus.

    4.  Er tritt nicht unternehmerisch am Markt auf.

    Die Erwerbstätigen gelten dann als Angestellte. Damit tritt die Versicherungspflicht in allen Zweigen der Sozialversicherung ein.

    Was bedeutet dies für die StB-Kanzlei?

    Fast alle freien Mitarbeiter, die in einer Steuerberater-Kanzlei arbeiten, werden drei oder sogar vier Merkmale erfüllen und damit sozialversicherungspflichtig:

    zu 1.:
    Der freie Mitarbeiter arbeitet meistens fast ausschließlich nur für einen Auftraggeber, nämlich für die Kanzlei, in der er tätig ist. Wenn der Erwerbstätige z.B. zu Hause noch ein paar Lohn- oder Einkommensteuerfälle auf eigene Rechnung bearbeitet, ändert dies nichts daran.

    zu 2.:
    Der freie Mitarbeiter beschäftigt regelmäßig keinen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer.
    zu 3.:
    Der freie Mitarbeiter ist regelmäßig arbeitnehmertypisch beschäftigt:  
    Er bekommt nämlich Mandate zugewiesen und ist weisungsgebunden. Er arbeitet in den Räumen des Auftraggebers und ist in die Arbeitsorganisation der Kanzlei eingegliedert. Die Leistungen des freien Mitarbeiters stellt die Kanzlei den Mandanten in Rechnung. Bekommt der freie Mitarbeiter dann noch feste Gehaltszahlungen und gar eine sechswöchige Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, ist die arbeitnehmertypische Beschäftigung für jedermann offensichtlich.
    zu 4.:
    Viele freie Mitarbeiter treten unternehmerisch am Markt auf. Indizien hierfür sind unter anderem: Sie aquirieren neue Mandanten und sind auf dem Praxisschild sowie auf dem Briefkopf genannt.

    Der Erwerbstätige gilt als Scheinselbständiger, solange er nicht nachweist, daß er selbständig ist. Notfalls müssen die Gerichte entscheiden.

    Praxishinweis: Solange die gesetzliche Vermutung nicht widerlegt ist, treffen den Auftraggeber alle Pflichten eines Arbeitgebers. Es empfiehlt sich daher, die Frage der Arbeitnehmereigenschaft sofort zu klären und bis dahin vorsorglich den Arbeit-nehmeranteil zur Sozialversicherung sowie die Lohnsteuer einzubehalten und auf ein Sonderkonto zu stellen.

    Arbeitnehmerähnliche Selbständige

    Der Gesetzgeber hat neben den Scheinselbständigen noch die arbeitnehmerähnlichen Selbständigen geschaffen. Diese sind lediglich rentenversicherungspflichtig. Diese Figur paßt jedoch aufgrund der spezifischen Tätigkeit nicht für die freien Mitarbeiter in einer StB-Kanzlei, sie sind entweder Sozius und damit selbständig oder Arbeitnehmer.

    Lösungsmöglichkeiten

    In seinem Bestreben, zusätzliche Mittel für die Rentenversicherung zu schaffen, hat der Gesetzgeber der Selbständigkeit einen herben Schlag versetzt. Falls Sie mit freien Mitarbeitern zusammenarbeiten und diese als „Scheinselbständige“ anzusehen sind,  bleiben Ihnen als Kanzleiinhaber praktisch nur zwei Möglichkeiten: Sie ändern die Verträge in Angestelltenverhältnisse ab oder Sie machen die freien Mitarbeiter zu Sozien.

    Abzuwarten bleibt, wie die Finanzverwaltung auf die Neuregelung reagieren wird. Sie muß die Tätigkeiten der freien Mitarbeiter einkommensteuerlich selbst und unabhängig von der sozialrechtlichen Seite bewerten. Es ist daher nicht zwingend, daß „scheinselbständige Arbeitnehmer“ künftig steuerlich Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit nach § 19 EStG erzielen. Das gleiche gilt übrigens auch für die arbeitsrechtliche Beurteilung. Zu erwarten ist allerdings, daß sich die Finanz- und Arbeitsgerichte bei ihrer Beurteilung auf die in § 7 Abs. 4 SGB IV genannten vier Kriterien stützen werden.

    Quelle: Kanzleiführung professionell - Ausgabe 04/1999, Seite 56

    Quelle: Ausgabe 04 / 1999 | Seite 56 | ID 104097

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