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  • · Fachbeitrag · Testament

    Vermutung des Aufhebungswillens des Erblassers widerlegt

    von RA Notar StB Dipl.-Kfm. Gerhard Slabon, FA ErbR, Paderborn

    | Das OLG Düsseldorf hatte sich kürzlich mit der Frage beschäftigt, wie Streichungen in einem handschriftlichen Testament zu werten sind. Grundsätzlich gilt: Ist in einem handschriftlichen Testament die Passage über die Berufung zum einzigen eingesetzten Erben durchgestrichen, kann dem ein Aufhebungswille des Erblassers nicht entnommen werden, solange nicht feststeht, dass der Erblasser selbst die Veränderung vorgenommen hat. |

     

    Sachverhalt

    Der Erblasser hinterließ ein handschriftliches Testament von Anfang 2006, in dem es heißt: „Ich ... berufe zu meinem Erben die Eheleute Frau AA ... Herrn BB ... ersatzweise von dem Überlebenden den von Ihnen und für den Fall das beide vor mir verstorben sein sollten deren Tochter Frau CC ... gleichviel ob und welche Pflichtteilsberechtigten bei meinem Tode vorhanden sein werden. Meiner angeheirateten Cousine Frau DD ... vermache ich einen Betrag in Höhe von monatlich 500 EUR bis an ihr Lebensende. … Meine sämtlichen Verwandten väterlich und mütterlicherseits schließe ich von der Erfolge aus“.

     

    Der Text war mit schwarzem Kugelschreiber geschrieben worden. Die Textpassage „die Eheleute Frau AA ... Herrn BB ... ersatzweise von dem Überlebenden den von Ihnen und für den Fall das beide vor mir verstorben sein sollten deren Tochter Frau CC ... gleichviel ob und welche Pflichtteilsberechtigten bei meinem Tode vorhanden sein werden“ waren mit blauem Kugelschreiber durchgestrichen worden. Beigefügt war dem Testament ein ebenfalls den Eröffnungsvermerk tragender Zettel mit Namen, Geburtsdatum und Anschrift der Lebensgefährtin L des Sohnes der DD. Der Erblasser war mit den Eheleuten AA und BB befreundet.

     

    Die Eheleute AA und BB haben beantragt, ihnen einen gemeinschaftlichen Erbschein auszustellen. Es sei davon auszugehen, dass die Streichungen bezüglich der Erbeinsetzung nicht vom Erblasser stammen. Das Nachlassgericht hat den Antrag zurückgewiesen.

     

    Entscheidungsgründe

    Nach Auffassung des OLG waren die Eheleute AA und BB vom Erblasser als Erben bestimmt worden (OLG Düsseldorf 29.9.17, I-3 Wx 63/16, Abruf-Nr. 197812). Nach § 2255 S. 1 BGB kann ein Testament zwar grundsätzlich auch dadurch widerrufen werden, dass der Erblasser in Aufhebungsabsicht Veränderungen vornimmt, etwa indem er den Text durchstreicht. In diesem Fall ist ein entsprechender Aufhebungswille des Erblassers zu vermuten. Hier bestehen jedoch nach Auffassung des Gerichts bereits erhebliche Zweifel, dass der Erblasser selbst die Streichung vorgenommen hat. Der Erblasser hatte sein Testament offenbar nicht sicher verwahrt, sondern war ‒ zumindest über mehrere Tage ‒ für die angeheiratete Cousine frei zugänglich.

     

    Die Frage der Urheberschaft der Streichung war letztlich jedoch nicht entscheidend, da das Gericht Zweifel an dem entsprechenden Aufhebungswillen des Erblassers hatte: Grundsätzlich spricht in diesem Fall zwar eine Vermutung für einen entsprechenden Aufhebungswillen (§ 2255 S. 2 BGB). Diese Vermutung ist jedoch widerlegbar. Nicht jede äußerlich endgültige Handlung, also das Durchstreichen des Textes durch den Erblasser, muss auch eine unbedingte Widerrufsabsicht ausdrücken (BayObLG 1.12.04, 1Z BR 093/04, 1Z BR 93/04, NJW-RR 05, 525), vielmehr kann es auch dem Willen des Erblassers entsprechen, dass der durch diese Veränderung nahegelegte Widerruf der Verfügung erst mit der Errichtung eines neuen Testaments gelten soll (Palandt/Weidlich, BGB, § 2255, 2, 7).

     

    Hier ist die Vermutung des Aufhebungswillens des Erblassers widerlegt. Nach Zeugenaussagen wollte der Erblasser nicht nur die Eheleute AA und BB aus dem Testament streichen, sondern die L als neue Erbin einsetzen. Dafür mag auch sprechen, dass sich bei dem Testament der ‒ nach dem Schriftsachverständigengutachten ‒ wohl von dem Erblasser geschriebene Zettel mit den persönlichen Daten der L befunden hat. Zu einer wirksamen Erbeinsetzung der L durch den Erblasser ist es aber offenbar nicht mehr gekommen.

     

    Wäre die Durchstreichung von einem (endgültigen) Aufhebungswillen getragen, wäre der Nachlass dem Fiskus angefallen, weil der Erblasser sämtliche Verwandten von der Erbfolge ausgeschlossen hatte. Dass er dies beabsichtigte, liegt nicht nahe. Ihm ging es darum, den Nachlass jemandem zuzuwenden, der ihm zu Lebzeiten zur Seite gestanden hatte. Damit kann nicht angenommen werden, dass die Streichung im Testament auch schon dann gelten sollte, wenn der Erblasser noch keinen neuen Erben bestimmt hatte. Vielmehr diente das Durchstreichen nur der Vorbereitung einer neuen letztwilligen Verfügung, sodass bis zu deren Errichtung die alte weiter gelten sollte.

     

    Relevanz für die Praxis

    Das entscheidende Gericht differenziert bei Streichungen in einem Testament wohl zutreffend danach, welches Ergebnis die Streichung bewirkt:

     

    • Ist das Testament auch nach der Streichung noch schlüssig, wird beispielsweise einer von mehreren benannten Miterben gestrichen, bleibt das Testament im Übrigen schlüssig, was für einen Aufhebungswillen spricht.

     

    • Werden hingegen alle bisher benannten Erben gestrichen, ohne einen neuen Erben zu bestimmen, ist die Streichung bloße Vorbereitungshandlung für eine geplante Neutestierung. Der Aufhebungswille fehlt so lange, wie der Erblasser keinen neuen Erben bestimmt hat, mit der Folge, dass die ursprüngliche Benennung so lange gültig bleibt.

     

    Die Möglichkeit, ein Testament durch Streichung zu ändern, ist jedoch äußerst fälschungsanfällig, wenn das Testament nicht sicher verwahrt wird. Diese Schwierigkeiten können vermieden werden, wenn privatschriftliche Testamente in die amtliche Verwahrung beim Nachlassgericht gegeben werden. Die Kosten hierfür betragen einmalig pauschal 75 EUR.

    Quelle: Ausgabe 12 / 2017 | Seite 297 | ID 45002479

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