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  • · Nachricht · Einkünftequalifizierung

    Freiberufler oder Gewerbebetrieb: Tätowierer als Künstler?

    | Die Abgrenzung zwischen den Einkünften aus Gewerbebetrieb und solchen als selbstständiger Arbeit führt wegen der Frage der Gewerbesteuerpflicht häufig zu Streitigkeiten mit dem Finanzamt. Das FG Düsseldorf (18.2.25, 4 K 1875/23 G, AO; Rev. zugelassen) hatte sich aktuell mit der Einordung der Tätigkeit eines Tätowierers zu befassen und kam zu der Überzeugung, dass der Tätowierer kein gewerbliches Unternehmen i. S. d. EStG betrieben hat. Der Kläger sei vielmehr künstlerisch tätig geworden (§ 18 Abs. 1 Nr. 1 S. 2 EStG). |

     

    Im Streitfall hatte der Kläger seinen Arbeitsprozess als kreative Tätigkeit beschrieben, bei der er keine Motive aus einem Katalog auswähle, sondern individuell entwickle und umsetze. Er schaffe jeweils Vorlagen, die nur ein einziges Mal zu einem Tattoo gestochen würden. Mit den von ihm erstellten Motiven nehme er auch an Ausstellungen und Wettbewerben teil. Das FA stufte die Tätigkeit trotz der kreativen Komponente als handwerklich ein, da der Schwerpunkt auf der manuell-technischen Umsetzung liege. Es handele sich um sog. Gebrauchskunst, die durch Auftrags- und Weisungsgebundenheit gekennzeichnet sei. Das sah das FG nun anders. Eine künstlerische Tätigkeit i. S. d. § 18 Abs. 1 Nr. 1 S. 2 EStG sei bereits deshalb zu bejahen, weil die Tätigkeit im konkreten Fall dem Bereich der zweckfreien Kunst zuzuordnen sei. Den erstellten Tätowierungen komme ‒ ähnlich wie bei Gemälden ‒ kein über den ästhetischen Genuss hinausgehender Gebrauchswert zu. Schließlich käme die Verneinung einer eigenschöpferischen Tätigkeit einer unzulässigen Differenzierung zwischen höherer und niederer Kunst gleich, was mit der grundgesetzlich verankerten Kunstfreiheit nicht vereinbar wäre.

     

    PRAXISTIPP | Die vorgebrachten Argumente dürften für die Abwehrberatung interessant sein, unabhängig davon, ob der BFH noch in einem Revisionsverfahren Gelegenheit zur Positionierung erhält. Prozessrechtlich ist darauf hinzuweisen, dass ggf. noch in der mündlichen Verhandlung ein Beweisantrag im Hinblick auf die künstliche Tätigkeit gestellt werden sollte oder ggf. gerügt werden sollte, dass das FG kein Sachverständigengutachten eingeholt hat. Denn ansonsten ist man im Rahmen einer Nichtzulassungsbeschwerde im etwaigen Beschwerdeverfahren nicht zur Rüge eines etwaigen Verstoßes des FG gegen seine Sachaufklärungspflicht berechtigt (BFH 11.2.21, VIII B 30/20, BFH/NV 21, 789).

     
    Quelle: Ausgabe 07 / 2025 | Seite 229 | ID 50373437