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  • · Fachbeitrag · Umsatzsteuer

    500.000 EUR-Grenze bei der Istversteuerung bleibt: Diesen Vorteil sollten Sie nutzen!

    von StBin Dipl.-Fwin (FH) Jutta Liess, Traunreut

    | Ab dem 1.1.12 sollte die erhöhte Umsatzgrenze von 500.000 EUR für die Versteuerung nach vereinnahmten Entgelten wieder auf die ursprünglichen 250.000 EUR abgesenkt werden. Damit hätten viele Unternehmer nicht mehr von dieser liquiditätsschonenden Möglichkeit - die Umsatzsteuer erst nach Zahlungseingang abführen zu müssen - profitieren können. Seit dem 25.11.11 steht nun aber fest, dass die 500.000 EUR dauerhaft bleiben. Grund genug, die Istversteuerung mit ihren Vorteilen und Gestaltungsmöglichkeiten grundlegend darzustellen. |

    1. Grundsatz der Sollversteuerung

    Grundsätzlich ist bei der Umsatzsteuer - sowohl nach nationalem Recht als auch innerhalb der EU - die Versteuerung nach vereinbarten Entgelten die Regel. D.h., die Umsatzsteuer entsteht mit Ablauf des Monats bzw. Quartals, in dem ein Umsatz ausgeführt bzw. eine unentgeltliche Wertabgabe getätigt wurde (§ 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a S. 1 UStG; R 177 UStR). Es kommt weder auf die Rechnungsstellung noch auf den Zahlungseingang an, sondern allein auf den Zeitpunkt der Leistungsausführung:

     

    • Lieferungen - einschließlich Werklieferungen - sind in dem Zeitpunkt ausgeführt, in dem der Leistungsempfänger die Verfügungsmacht über den zu liefernden Gegenstand erhält (R 177 Abs. 2 UStR, für Bauleistungen R 178 S. 2 Nr. 1 UStR).

     

    • Sonstige Leistungen - einschließlich Werkleistungen - gelten im Zeitpunkt der Vollendung bzw. Abnahme als ausgeführt (R 177 Abs. 3 UStR, für Bauleistungen R 178 S. 2 Nr. 2 UStR).

     

    • Bei wirtschaftlich teilbaren Leistungen - wie z.B. bei Miet- oder Leasingverhältnissen -, entsteht die Steuer bei Ausführung der einzelnen Teilleistung (§ 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a S. 2, 3 UStG, R 177 Abs. 4 und 180 UStR).

     

    • Anzahlungen sind bereits im Zeitpunkt der Vereinnahmung zu versteuern, auch wenn die (Teil-)Leistung erst später als ausgeführt gilt (§ 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a S. 4 UStG, R 181 UStR).

    2. Möglichkeit der Istversteuerung

    Abweichend vom Grundsatz der Versteuerung nach vereinbarten Entgelten kann unter bestimmten Voraussetzungen die Umsatzsteuer nach vereinnahmten Entgelten, also erst bei Bezahlung durch den Leistungsempfänger, angemeldet und abgeführt werden (§ 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. 8, § 20 Abs. 1 UStG).

     

    2.1 Antrag

    Die Istversteuerung muss explizit beim zuständigen Finanzamt beantragt werden. Der Antrag ist weder an eine bestimmte Form noch Frist gebunden. Zu Beginn der unternehmerischen Tätigkeit kann er z.B. im Fragebogen zur Betriebseröffnung oder in Form eines Begleitschreibens zur ersten USt-Voranmeldung gestellt werden. Auf die Istversteuerung rechtswirksam berufen kann sich der Antragsteller allerdings erst, wenn das Finanzamt den Antrag ausdrücklich genehmigt, wozu es eines Verwaltungsaktes bedarf (BFH 28.8.02, V B 65/02). Dessen Bekanntgabe kann zwar formlos erfolgen, allerdings muss die Entscheidung des Finanzamts nach außen hin erkennbar sein; konkludentes Handeln reicht nicht.

     

    WICHTIG | So gilt insbesondere das Nichtändern einer USt-Voranmeldung, in der die Umsätze nach vereinnahmten Entgelten erklärt wurden, nicht bereits als Genehmigung (BFH 11.5.11, V B 93/10).

     

    PRAXISHINWEIS | Reagiert das Finanzamt auf einen solchen Antrag nicht, sollte man die Genehmigung einfordern. Eine Aktennotiz über eine telefonische Genehmigung dürfte bereits genügen.

    Wurde zu Beginn der Tätigkeit ohne speziellen Antrag die Istversteuerung bei den USt-Voranmeldungen angewandt, empfiehlt es sich, den Antrag nachzuholen. Selbst auf zurückliegende Besteuerungszeiträume, in denen nach vereinnahmten Entgelten versteuert wurde, kann sich der Antrag noch beziehen, sofern noch keine bestandskräftigen Umsatzsteuerbescheide ergangen sind. Eine rückwirkende Genehmigung nach bereits erfolgter Sollversteuerung ist allerdings nicht mehr möglich (OFD Karlsruhe 28.1.09, S 7368).

     

    HINWEIS | Die Gültigkeit der Genehmigung wird in der Regel beschränkt, „solange die hierfür erforderlichen Voraussetzungen des § 20 UStG vorliegen“. Somit endet die Genehmigung ohne expliziten Widerruf durch Ablauf automatisch, wenn der Berechtigungsgrund nicht mehr vorliegt (FG Hamburg 1.8.05, II 128/05).

     

    Im Einzelfall kann das Finanzamt die Genehmigung im Rahmen seines bedingten Ermessensspielraums sogar trotz eines formellen Berechtigungsgrundes widerrufen, wenn eine Gefährdung des Steueraufkommens bzw. ein einseitiger Vorsteuerabzug ohne korrespondierende Umsatzsteuerschuld nachgewiesen wird, was insbesondere für den Fall des Hinausschiebens von Zahlungseingängen für Leistungen an nahestehende Personen bzw. Firmen angenommen wurde (OFD Karlsruhe 28.1.09, S 7368). Auch unlautere oder unvollständige Angaben können zu einem - sogar rückwirkenden - Widerruf der Genehmigung führen (§ 130 Abs. 2 Nr. 2 und 3 AO).

     

    HINWEIS | Anträge auf Wechsel der Besteuerungsart können grundsätzlich auch im laufenden Insolvenzverfahren genehmigt werden, allerdings nicht für zurückliegende Besteuerungszeiträume (FinMin Brandenburg 15.10.09, 31 - S 7340 - 3/04; vgl. zur Umsatzbesteuerung im Insolvenzverfahren auch BFH 9.12.10, V R 22/10; OFD Frankfurt/M. 4.11.09, S 7340 A - 85 - St 11).

     

    2.2 Berechtigte Unternehmen

    Folgende Unternehmer können von der Istversteuerung profitieren:

     

    • Freiberufler, die selbstständige Einkünfte i.S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG erzielen (§ 20 Abs. 1 Nr. 3 UStG) - unabhängig von der Höhe ihrer Umsätze.

     

    • Fraglich ist, ob die Istversteuerung unabhängig von der Gewinnermittlungsart möglich ist, wovon nach dem bisherigen Verständnis dieser Vorschrift ausgegangen wurde. Allerdings hat der BFH erst kürzlich entschieden, dass einer Freiberufler-GmbH die Istversteuerung nicht zusteht (BFH 22.7.10, V R 36/08 und BFH 22.7.10, V R 4/09). Im zweiten Urteil wird u.a. erwähnt (Tz. 30), dass die Istversteuerung auch bei Fehlen einer Buchführungspflicht dann nicht in Betracht kommt, wenn freiwillig Bücher geführt werden. Begründen lässt sich diese Auffassung damit, dass Unternehmer, die im Rahmen einer Einnahmen-Überschussrechnung nur ihre „Ist-Einnahmen“ aufzeichnen, nicht für Umsatzsteuerzwecke auch noch zur Aufzeichnung ihrer „Soll-Einnahmen“ gezwungen werden sollen; sind diese aber ohnehin aus einer (freiwilligen oder verpflichtenden) Bilanzierung ersichtlich, gibt es keinen Grund für eine umsatzsteuerliche Erleichterung.

     

    • GESTALTUNGSHINWEIS | Die Auffassung des BFH könnte dazu führen, dass künftig sowohl einzelne Freiberufler als auch Freiberufler-Personengesellschaften bei Verzicht auf die Einnahmen-Überschussrechnung und freiwilliger Bilanzierung nicht mehr von der Istversteuerung Gebrauch machen können. Der DStV hatte das BMF bereits am 8.2.11 zu einer Klärung aufgefordert, worauf dieses mit Schreiben vom 16.3.11 (IV D 2 - S 7500/0: 003) bekannt gab, dass die Einzelheiten über die zukünftige Auslegung derzeit mit den Ländern erörtert werden. Insofern sollten freiwillig bilanzierende Freiberufler bei Bedarf weiterhin einen entsprechenden Antrag stellen. Erst in der Zukunft könnte dieser negativ entschieden werden.

    • Unternehmer, die im Einzelfall nach § 148 AO wegen einer besonderen sachlichen Härte von der steuerlichen Buchführungspflicht befreit sind (§ 20 Abs. 1 Nr. 2 UStG).

     

    • Ein entsprechender Antrag kann insbesondere gestellt werden, wenn ein nicht bereits nach Handelsrecht buchführungspflichtiges Unternehmen wegen einmaliger oder außergewöhnlicher Geschäftsvorfälle einen der Grenzwerte für die Buchführungspflicht (Umsatz 500.000 EUR oder Gewinn 50.000 EUR) überschreitet. Ähnlich wie bei den Freiberuflern soll auch hier die Aufzeichnung von Forderungen nicht allein für Umsatzsteuerzwecke erforderlich werden.

     

    • HINWEIS | Als Antragsgrund für die Istversteuerung nach § 20 Abs. 1 Nr. 2 UStG kommt nur eine Befreiung von der steuerlichen Buchführungspflicht im Bewilligungsverfahren nach § 148 AO infrage. Andere nicht buchführungspflichtige Unternehmer können sich nicht darauf berufen. Insbesondere haben gewerbliche, optierende Vermieter keinen Anspruch auf Istversteuerung nach § 20 Abs. 1 Nr. 2 UStG (FG Nürnberg 22.5.07, II 264/2004; BFH 13.2.08, XI B 200/07). Für Vermieter kommt die Istversteuerung somit allenfalls in Betracht, wenn deren Umsätze unter dem Grenzwert des § 20 Abs. 1 Nr. 1 UStG liegen.

     

    • Alle anderen Unternehmer, insbesondere Gewerbetreibende, deren Gesamtumsatz im Vorjahr eine bestimmte Grenze nicht überschreitet (§ 20 Abs. 1 Nr. 1 UStG).

     

    • Der Grenzwert wurde in 2009 zur Abmilderung der Folgen der Wirtschafts- und Finanzkrise bundeseinheitlich von 250.000 EUR auf 500.000 EUR angehoben. Die ursprüngliche Befristung bis 31.12.11 sollte zunächst weiterhin befristet für ein Jahr verlängert werden. Inzwischen ist aber die unbefristete Beibehaltung der 500.000 EUR beschlossene Sache (BT-Drucksache 17/2070 vom 20.9.11 und 17/7378 vom 19.10.11 sowie BR-Drucksache 253/1/11 vom 3.6.11 und 673/11 vom 4.11.11 und Beschluss vom 25.11.11 zum Entwurf eines Dritten Gesetzes zur Änderung des UStG).

     

    PRAXISHINWEIS | Die dauerhafte Festschreibung der 500.000 EUR bringt Planungssicherheit und eine Vereinheitlichung mit dem Grenzwert, der für die Buchführungspflicht nach § 141 Abs. 1 Nr. 1 AO gilt. Bei Einnahmen-Überschussrechnern müssen damit sowohl die umsatz- als auch die ertragsteuerlichen Konsequenzen aus einem Umsatz erst bei Bezahlung gezogen werden.

    In die Umsatzgrenze einzubeziehen, sind alle Brutto-Jahresumsätze (also inklusive enthaltener Umsatzsteuer, aber ohne19 Abs. 3 UStG; R 251 UStR)

    • bestimmte steuerfreie Umsätze (insbesondere aus Vermietung oder aus Heilbehandlungen, aus Krediten oder Grundstücksverkäufen nur, wenn es sich dabei um Hilfsgeschäfte handelt)
    • Umsätze aus der Veräußerung von Anlagevermögen.

     

    HINWEIS | Die beiden 500.000 EUR-Grenzwerte hinsichtlich Buchführungspflicht (§ 141 Abs. 1 Nr. 1 AO) und Gesamtumsatz (§ 20 Abs. 1 Nr. 1 UStG) stimmen nicht völlig überein. Insbesondere sind nicht steuerbare Auslandsumsätze in die Buchführungsgrenze mit einzubeziehen (AEAO zu § 141 AO Nr. 3; BFH 7.10.09, II R 23/08), in den Gesamtumsatz hingegen nur steuerbare Umsätze. Unterschiede ergeben sich auch bei der Berücksichtigung steuerfreier Umsätze (siehe Gesetzeswortlaute § 141 Abs. 1 Nr. 1 AO und § 19 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 und 2 UStG). Zudem gilt die Buchführungsgrenze jeweils für jeden einzelnen Betrieb, auch wenn der Unternehmer mehrere Betriebe der gleichen Einkunftsart hat. Der Gesamtumsatz hingegen umfasst alle Betriebsteile.

     

    Die 500.000 EUR sind ein Jahreswert, der sich grundsätzlich auf das vorangegangene Kalenderjahr bezieht (auch bei abweichendem Wirtschaftsjahr). Zu bestimmen ist der Vorjahresumsatz dabei nach der dann geltenden Besteuerungsart (Soll- oder Istversteuerung). Gab es noch kein Vorjahr, weil das Unternehmen unterjährig erst gegründet wurde, kommt es auf den voraussichtlichen Gesamtumsatz im Jahr der Betriebseröffnung an, wobei bei nicht ganzjähriger Tätigkeit auf einen Jahresumsatz hochzurechnen ist (A 20.1. Abs. 4 UStAE 2010, R 251 Abs. 3 UStR). Ergibt sich nach Ablauf des ersten Jahres, dass der tatsächliche Gesamtumsatz die Umsatzgrenzen überschritten hat, kann die Befugnis zur Istversteuerung nicht mehr rückwirkend, sondern nur noch für das Folgejahr widerrufen werden.

    • Beispiel

    Unternehmer A hat seinen Betrieb am 1.3.11 eröffnet und bis zum 31.12.11 400.000 EUR vereinnahmt.

    Der Umsatz vom 1.3. bis 31.12.11 über 400.000 EUR entspricht einem fiktivem Jahresumsatz von 480.000 EUR (400.000 EUR / 10 x 12). Damit steht A die Istversteuerung sowohl für 2011 als auch für 2012 zu.

    ABWANDLUNG | Hätte A die 400.000 EUR vorweg geschätzt, in Wirklichkeit aber im ersten Rumpfwirtschaftsjahr 500.000 EUR vereinnahmt und damit die Jahresgrenze überschritten (500.000 EUR / 10 x 12 = 600.000 EUR), bliebe die Istversteuerung für 2011; für 2012 müsste A zur Sollversteuerung übergehen.

    GESTALTUNGSHINWEIS | Auch bilanzierende Freiberufler, bei denen die Anwendung der Istversteuerung nach § 20 Abs. 1 Nr. 3 UStG zweifelhaft ist (siehe oben), können sich zumindest dann auf die Istversteuerung berufen, wenn ihre Umsätze die Grenze von 500.000 EUR nicht überschreiten (§ 20 Abs. 1 Nr. 1 UStG).

    2.3 Mehrere Betriebe

    Der Grenzwert von 500.000 EUR bezieht sich grundsätzlich auf den Gesamtumsatz des Unternehmens, das auch aus mehreren Betrieben oder Betriebsteilen bestehen kann (§ 2 Abs. 1 S. 2 UStG).

    • Beispiel

    Unternehmer B erzielt aus einem Gewerbebetrieb im Jahr 2011 einen Gesamtumsatz von 350.000 EUR. Aus der Vermietung eines gewerblichen Grundstücks, wofür er zur Umsatzsteuer optiert hat, beträgt der Jahresumsatz 150.000 EUR. Daneben ist B als freiberuflicher Autor tätig, die Honorareinnahmen belaufen sich in 2011 auf 30.000 EUR.

    Der Gesamtumsatz des Unternehmens, das aus drei unterschiedlichen Betrieben besteht, beträgt im Jahr 2011 somit 530.000 EUR. Damit ist der Grenzwert des § 20 Abs. 1 Nr. 1 UStG überschritten. Für die gewerblichen Umsätze besteht damit kein Anspruch auf Istversteuerung, auch wenn deren Umsatzanteil nur 350.000 EUR beträgt.

    Für die Vermietungsumsätze besteht zwar keine steuerliche Buchführungspflicht, jedoch handelt es sich nicht um eine Buchführungserleichterung i.S.d. § 148 AO, sodass auch hier die Sollversteuerung anzuwenden ist, da der Grenzwert des § 20 Abs. 1 Nr. 1 UStG insgesamt überschritten wird und es sich nicht um einen Fall des § 20 Abs. 1 Nr. 2 UStG handelt.

    Nur für die Umsätze aus der freiberuflichen Autorentätigkeit ist eine gesonderte Istversteuerung nach § 20 Abs. 1 Nr. 3 UStG möglich, hier kommt es nicht auf den Gesamtumsatz an.

     

    WICHTIG | Geht ein Betrieb im Rahmen einer Gesamtrechtsnachfolge über, kann der übernehmende Unternehmer die Besteuerung im Jahr der Erbfolge so fortführen, wie sie ohne Berücksichtigung der Gesamtumsatzverhältnisse anzuwenden wäre (analog R 246 Abs. 5 UStR). Hat er beispielsweise für sein eigenes Unternehmen sollversteuert, der Erblasser aber für das nun erworbene Unternehmen bisher istversteuert, kann der Übernehmer im Erbjahr beide Besteuerungsformen fortführen. Für das kommende Jahr ist allerdings der zusammengerechnete Gesamtumsatz des Erbjahres ausschlaggebend.

     

    2.4 Wirkung der Istversteuerung

    Die Vorteile der Istversteuerung liegen auf der Hand:

     

    • Der Unternehmer muss nicht in Vorleistung treten, sondern kann die Umsatzsteuer aus dem vereinnahmten Entgelt begleichen. Damit lässt sich im Ernstfall auch das Volumen einer Fremdfinanzierung inklusive Schuldzinsen vermindern. Außerdem können sich Zinsvorteile ergeben, da die Umsatzsteuer nicht sofort nach Zahlungseingang, sondern erst am 10. nach Ende des Voranmeldungszeitraums abgeführt werden muss.

     

    • Insbesondere für kleine und mittelgroße Unternehmen ist dieser Liquiditätsvorteil von Bedeutung, da sie Umsatzschwankungen nur schwer ausgleichen können. Allein zwei Drittel der 1,1 Mio. deutschen Handwerksbetriebe fallen in diese Größenklasse unterhalb der 500.000 EUR-Grenze (Angaben des ZDH bei der Anhörung des Finanzausschusses im Bundestag am 17.10.11).

     

    • Die Umsätze müssen (falls das zur besseren Überwachung des Zahlungseingangs nicht ohnehin geschieht) nicht extra als Forderung gebucht werden, sondern nur einmal beim Zahlungseingang. Das ist vor allem für Einnahmen-Überschussrechner interessant. Auch im Falle eines Zahlungsausfalls etwa bei (teilweiser) Uneinbringlichkeit einer Forderung ist die Istversteuerung von Vorteil: Während ein bereits sollversteuerter Umsatz hier eine Änderung nach § 17 UStG hervorruft, ist bei der Istversteuerung nichts zu veranlassen.

     

    Als Zeitpunkt der Vereinnahmung, der für die Ist-Versteuerung maßgeblich ist (A 13.6 UStAE), gilt bei

     

    • Barzahlungen die Entgegennahme des Geldes,
    • Überweisungen die Gutschrift auf dem Bankkonto,
    • Scheckzahlungen der Zeitpunkt der Entgegennahme des Schecks, nicht erst dessen Einlösung (zumindest wenn keine besonderen Absprachen und keine berechtigten Zweifel an der Deckung bestehen),
    • Abtretung einer Forderung der Zeitpunkt der Abtretung,
    • Entgegennahme eines Wechsels der Tag der Einlösung bzw. Wertstellung,
    • Aufrechnung der Zeitpunkt der Aufrechnungserklärung,
    • Kontokorrentverkehr die Anerkennung des Saldos am Ende des Abrechnungszeitraums.

     

    PRAXISHINWEIS | Der Vorsteuerabzug entsteht nach derzeitiger Rechtslage beim Leistungsempfänger selbst dann, wenn der Leistende istversteuert und die Zahlung noch nicht erfolgt ist, grundsätzlich mit dem Ende des Voranmeldungszeitraums, in dem die entsprechende Eingangsleistung bewirkt wurde und eine Rechnung mit Umsatzsteuerausweis vorliegt (§ 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 UStG; BFH 1.7.04, V R 33/01). Der Bundesrat hat in seiner Zustimmung zur dauerhaften Beibehaltung der 500.000 EUR-Grenze aber darauf hingewiesen, dass das Auseinanderfallen der Zeitpunkte zwischen Vorsteuerabzugsrecht und Umsatzsteuerentrichtungspflicht zu nicht mehr tragbaren Wettbewerbsverzerrungen zwischen Regelversteuerern und der immer größeren Anzahl von Istversteuerern führt; deshalb fordert der Bundesrat die Bundesregierung auf, eine Istversteuerung auch für den Vorsteuerabzug einzuführen. Insofern ist mit einer künftigen Änderung der Rechtslage in Form der Erweiterung des § 20 UStG auf den Vorsteuerabzug zu rechnen (BR-Beschluss 25.11.11, 673/11, Teil B).“

    3. Wechsel der Besteuerungsform

    Beim Wechsel zwischen Soll- und Istversteuerung ist v.a. zu beachten, dass Umsätze nicht doppelt oder gar nicht versteuert werden (§ 20 Abs. 1 S. 3 UStG).

     

    3.1 Wechsel zur Istversteuerung

    Wie bereits erläutert, muss die Istversteuerung beantragt und genehmigt werden (siehe 2.1). Wurde bisher sollversteuert und ist damit die Umsatzsteuer aller Umsätze bereits bei deren Ausführung erfasst worden, löst die spätere Vereinnahmung selbst bei dann geltender Istversteuerung keine Umsatzsteuer mehr aus (R 182 Abs. 3 S. 4 UStR).

     

    3.2 Wechsel zur Sollversteuerung

    Von der Möglichkeit der Istversteuerung muss man selbst bei entsprechender Genehmigung keinen Gebrauch machen und kann zu jedem beliebigen Kalenderjahresanfang ohne Antrag und ohne Genehmigung zur Sollversteuerung zurückwechseln, und zwar bis zur Bestandskraft des USt-Jahresbescheides. Dies gilt selbst dann noch, wenn in den Voranmeldungen die Istversteuerung angewandt wurde (BFH 10.12.08, XI R 1/08; 20.1 Abs. 3 S. 3 UStAE).

     

    Für vor dem Wechsel ausgeführte Umsätze bleibt es allerdings bei der im Zeitpunkt ihrer Ausführung maßgeblichen Besteuerungsart. Insofern ist ein während Geltung der Istversteuerung noch nicht vereinnahmter Umsatz auch nach dem Wechsel zur Sollversteuerung erst im Zahlungszeitpunkt zu versteuern; der Liquiditätsvorteil geht insoweit also nicht verloren (A 13.6 Abs. 3 UStAE).

     

    • Beispiel

    Das Finanzamt hat Unternehmer C die Istversteuerung genehmigt unter dem Widerrufsvorbehalt, dass die Genehmigung beim Wegfall der Voraussetzungen ohne förmliche Aufhebung erlischt. Insgesamt sollen die im Kalenderjahr 2011 istversteuerten Umsätze des C 650.000 EUR betragen.

    In der Voranmeldung für Dezember wird u.a. die Umsatzsteuer von 3.800 EUR aus einer Anzahlung (20.000 EUR) für einen Umsatz enthalten sein, der erst im Februar 2012 vollständig bewirkt und mit insgesamt 40.000 EUR abgerechnet wird. Ebenfalls im Dezember ist die USt (1.900 EUR) aus einer Teilzahlung (10.000 EUR) für einen im November ausgeführten Umsatz berücksichtigt, dessen zweite Rate (ebenfalls 10.000 EUR) im Januar 2012 eingehen wird. Im Januar 2012 werden insgesamt Leistungen für netto 60.000 EUR ausgeführt, im Februar 2012 für 80.000 EUR.

    C muss ab 2012 wegen Überschreitens der 500.000 EUR-Grenze im Vorjahr 2011 zur Sollversteuerung übergehen. In der USt-Voranmeldung für Januar 2012 sind zu berücksichtigen:

    11.400 EUR USt auf die ausgeführten Umsätze von 60.000 EUR zzgl. 1.900 EUR USt aus der vereinnahmten zweiten Rate des im November 2011 ausgeführten Umsatzes, bei dem noch die Istversteuerung galt und diese insofern weiter gilt.

    In der USt-Voranmeldung für Februar 2012 entsteht 15.200 USt auf die ausgeführten Leistungen (19 % auf 80.000 EUR) abzgl. der bereits im Dezember 2011 vereinnahmten 3.800 USt auf die Anzahlung.

     

    Um hier nicht den Überblick zu verlieren, sollte man organisatorisch vorsorgen:

    PRAXISHINWEIS | Forderungen von Rechnungen, die noch zum Zeitpunkt der Istversteuerung gestellt wurden, sollten auf einem gesonderten Konto erfasst werden, damit sichergestellt ist, dass die Umsatzsteuer dieser noch nicht versteuerten, da noch nicht bezahlten Umsätze auch bei der Sollversteuerung bei Zahlungseingang versteuert werden.

    4. Fazit

    Bei der Wahl der Besteuerungsform - Soll- oder Istversteuerung - spielt neben der umsatzsteuerlichen auch die buchhaltungstechnische Sicht eine Rolle:

     

    • Für Einnahmen-Überschussrechner hat die Istversteuerung deutliche Vorteile. Sie zeichnen ertragsteuerrechtlich in der Regel den Zahlungseingang nach dem Ist-Prinzip auf, bei der umsatzsteuerlichen Sollversteuerung müssten zwei unterschiedliche Aufzeichnungen geführt werden. Während Freiberufler mit 4/3-Rechnung immer von der Istversteuerung Gebrauch machen können, müssen alle anderen Unternehmer die 500.000 EUR-Grenze beachten.

     

    • Für Bilanzierer ist die Sache aufwendiger. Ihre Gewinnermittlung beruht auf dem Soll-Prinzip, sodass im Falle der Istversteuerung die ertrag- von den umsatzsteuerlichen Aufzeichnungen abweichen würden. Dennoch kann auch in diesen Fällen aus Gründen der Liquiditätssicherung eine Istversteuerung sinnvoll sein.
    Quelle: Ausgabe 12 / 2011 | Seite 429 | ID 30177000

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