· Fachbeitrag · Gewerbesteuer
Erweiterte Kürzung und Drei-Objekt-Grenze bei En-bloc-Veräußerung einer Kapitalgesellschaft
von Dipl.-Finw. (FH) Gerrit Uphues, LL. M., Köln
| Bereits mit Urteil vom 20.3.25 (III R 14/23) hatte der BFH zum Verhältnis von erweiterter Grundstückskürzung und Drei-Objekt-Grenze bei erstmaligen Grundstücksveräußerungen im sechsten Jahr entschieden (siehe Uphues, GStB 25, 360 ff.). Im aktuellen Streitfall stand nun die Frage im Mittelpunkt, ob die einmalige En-bloc-Veräußerung mehrerer Grundstücke den Rahmen bloßer Vermögensverwaltung überschreitet und zur Versagung der erweiterten Grundstückskürzung führt (BFH 3.6.25, III R 12/22). |
1. Sachverhalt
Die A-GmbH ist eine in einen Immobilienkonzern (X-Gruppe) eingegliederte GmbH. Eingetragener Geschäftsgegenstand der A-GmbH war u. a. die Verwaltung eigenen Vermögens, der Erwerb von Immobilien und die Übernahme von Beteiligungen an anderen Unternehmen.
Mit notariellem Vertrag vom 26.7.16 erwarb die A-GmbH fünf Grundstücke. Die Grundstücke waren jeweils mit mehrstöckigen Mehrfamilienhäusern bebaut und vermietet. Mit notariellem Vertrag vom 29.8.18 veräußerte die A-GmbH die fünf von ihr erworbenen Grundstücke an die Y-GmbH, eine Objektgesellschaft des Konzerns. Mit gleicher Urkunde veräußerten auch weitere Objektgesellschaften der X-Gruppe Grundbesitz an die Y-GmbH (insgesamt 29 Grundstücke).

Für das Streitjahr erklärte die A-GmbH einen Gewinn und beantragte gemäß § 9 Nr. 1 S. 2 GewStG die erweiterte Kürzung. Das Finanzamt (FA) versagte die Anwendung der erweiterten Kürzung. Die A-GmbH habe einen gewerblichen Grundstückshandel betrieben, der über den Rahmen der privaten Vermögensverwaltung hinausgegangen sei. Einspruch und Klage blieben erfolglos.
2. Die Entscheidung des BFH vom 3.6.25 ‒ III R 12/22
Der BFH sah die Revision als unbegründet an. Das FG habe zutreffend entschieden, dass der A-GmbH die erweiterte Kürzung im Streitjahr zu versagen ist.
Notwendige Voraussetzung für ein Grundstücksunternehmen i. S. d. § 9 Nr. 1 S. 2 GewStG ist, dass die Verwaltung und Nutzung des eigenen Grundbesitzes nicht den Rahmen bloßer Vermögensverwaltung überschreitet. Bloße Vermögensverwaltung ist (noch) gegeben, wenn es sich um eine grundsätzlich auf Fruchtziehung gerichtete Tätigkeit handelt, also kein gewerblicher Grundstückshandel vorliegt (vgl. BFH 18.5.99, I R 118/97, BStBl II 00, 28, unter II.2.b). Nach der typisierenden Drei-Objekt-Grenze kann hingegen von einem insoweit schädlichen gewerblichen Grundstückshandel ausgegangen werden, wenn innerhalb eines engen zeitlichen Zusammenhangs von in der Regel fünf Jahren mindestens vier Objekte veräußert werden. Solche Veräußerungen lassen typischerweise darauf schließen, dass es dem Steuerpflichtigen auf die Ausnutzung substanzieller Vermögenswerte durch Umschichtung ankommt (vgl. BFH 10.12.01, GrS 1/98, BStBl II 02, 291, unter C.III.2. m. w. N.).
Beachten Sie | Die Frage, ob eine Kapitalgesellschaft, die aufgrund ihrer Rechtsform gewerbesteuerpflichtig ist, durch den Verkauf von mehr als drei Objekten die Grenze der reinen Vermögensverwaltung überschreitet, ist noch nicht geklärt. Der BFH argumentiert, dass für Kapitalgesellschaften das Kriterium der „Nachhaltigkeit“, das bei Personengesellschaften für die Einstufung als Gewerbebetrieb entscheidend ist, nicht in gleicher Weise auf die erweiterte Kürzung nach § 9 GewStG angewandt werden muss. Somit ist für Kapitalgesellschaften die Nachhaltigkeit nicht entscheidend, um festzustellen, ob die Grenze der Vermögensverwaltung überschritten wurde. Die „En-bloc-Veräußerung“ eines gesamten Immobilienpaketes kann daher die Grenze der einfachen Verwaltung und Nutzung eigenen Grundbesitzes unabhängig davon überschreiten, ob diese Tätigkeit auch als nachhaltige gewerbliche Tätigkeit gemäß § 15 Abs. 2 EStG zu werten ist.
Dafür, dass das In-den-Vordergrund-Treten der von Anfang beabsichtigten Veräußerung genügt, um diese Grenze zu überschreiten, spreche auch der Wortlaut des § 9 Nr. 1 S. 2 GewStG („Unternehmen, die ausschließlich eigenen Grundbesitz oder neben eigenem Grundbesitz eigenes Kapitalvermögen verwalten und nutzen oder …“). Maßgeblich sei danach, ob der Rahmen der bloßen Vermögensverwaltung eingehalten ist. Bei der zeitnahen Veräußerung ein und derselben Anzahl von Objekten kann dieser Rahmen unabhängig von der Frage überschritten werden, ob die Objekte an einen oder mehrere Erwerber veräußert werden. Auf die Erwerberzahl oder die „Nachhaltigkeit der Veräußerung“ stellt der Wortlaut nicht ab.
Auch die Gesetzessystematik spricht nicht gegen dieses Wortlautverständnis. Zum einen verweist § 9 Nr. 1 S. 2 GewStG nicht auf § 15 EStG und insbesondere auch nicht auf die Legaldefinition des einkommensteuerlichen Begriffs des Gewerbebetriebs in § 15 Abs. 2 EStG. Zum anderen lässt sich auch aus § 9 Nr. 1 S. 3 ff. GewStG kein Argument dafür ableiten, dass hier das Kriterium der Nachhaltigkeit im Sinne eines wiederholten, also mindestens zweimaligen Verkaufs zu fordern wäre.
Auch der Normzweck und die Normhistorie des § 9 Nr. 1 S. 2 GewStG sprechen nicht dagegen, bei einer Kapitalgesellschaft das Kriterium der Nachhaltigkeit bei der Abgrenzung der Grundbesitzverwaltung/-nutzung von der nicht mehr bloßen Vermögensverwaltung/-nutzung für verzichtbar zu halten. Denn die Vorschrift bezweckt zwar eine Gleichstellung von Kapitalgesellschaften mit Personenunternehmen im Sinne einer gewerbesteuerrechtlichen Annäherung, nicht jedoch eine Gleichstellung im Sinne einer uneingeschränkten Gleichbehandlung.
Beachten Sie | Hieraus folgt, dass das vom Gesetzeswortlaut nicht erfasste und nicht der Ebene der erweiterten Kürzung zuzurechnende Nachhaltigkeitskriterium auch aus teleologischen Gründen nicht in § 9 Nr. 1 S. 2 GewStG hineinzulesen ist. Die teleologische Extension des sachlichen Anwendungsbereichs der erweiterten Kürzung über den Wortlaut des § 9 Nr. 1 S. 2 GewStG hinaus kommt insoweit nicht in Betracht.
Nach diesen Grundsätzen kann der A-GmbH die beantragte erweiterte Kürzung im Streitjahr nicht gewährt werden. Zwar stimmt der vom FG in seinem Urteil zugrunde gelegte Prüfungsmaßstab nicht in allen Teilbereichen mit der Rechtsauffassung des BFH überein. Das FG habe im Ergebnis aber zu Recht entschieden, dass die Tätigkeit der A-GmbH wegen der im Streitjahr erfolgten En-bloc-Veräußerung aller fünf im Jahr 2016 erworbenen Grundstücke den Rahmen bloßer Vermögensverwaltung überschritten hat. Das FG sei nach Maßgabe der Drei-Objekt-Grenze in zutreffender Weise von einem gewerblichen Grundstückshandel der A-GmbH ausgegangen. Ob eine Nachhaltigkeit i S. d. § 15 Abs. 2 EStG bei der En-bloc-Veräußerung aller fünf Grundstücke an nur eine Erwerberin zu bejahen ist, ist für die Einstufung als gewerblicher Grundstückshandel unerheblich.
FAZIT | Mit diesem Urteil bestätigt der BFH die Auffassung des FG, dass der A-GmbH im Streitjahr die erweiterte Kürzung gemäß § 9 Nr. 1 S. 2 GewStG zu versagen ist. Maßgeblich war, dass die A-GmbH alle fünf im Jahr 2016 erworbenen Grundstücke en bloc veräußert hat. Das Überschreiten der Drei-Objekt-Grenze indiziert einen gewerblichen Grundstückshandel, der den Rahmen bloßer Vermögensverwaltung überschreitet und damit die erweiterte Kürzung ausschließt.
Der BFH stellt fest, dass das Nachhaltigkeitskriterium nach § 15 Abs. 2 EStG bei Kapitalgesellschaften für die erweiterte Kürzung nicht maßgeblich ist. Eine entsprechende teleologische Extension des Gesetzeswortlauts lehnt der BFH ab. Entscheidend ist allein, ob der Rahmen bloßer Vermögensverwaltung durch die Veräußerung von Grundbesitz überschritten wird.
In der steuerlichen Beratungspraxis sollte diese Rechtsprechung die Beurteilung vergleichbarer Fälle vereinfachen. Die Überschreitung der Drei-Objekt-Grenze reicht aus, um den Rahmen bloßer Grundbesitzverwaltung bei Kapitalgesellschaften zu überschreiten und damit die erweiterte Grundstückskürzung zu versagen ‒ unabhängig von der Nachhaltigkeit der Tätigkeit oder der Anzahl der Erwerber. |
Zum Autor | Gerrit Uphues ist in der Finanzverwaltung NRW tätig. Der Aufsatz wurde nicht in dienstlicher Eigenschaft verfasst und gibt die persönliche Auffassung des Autors wieder.