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  • · Fachbeitrag · Kapitalgesellschaften

    Die inkongruente Gewinnausschüttung: Nach wie vor ein zugkräftiges Gestaltungsmodell?

    von Georg Harle, Hauptsachgebietsleiter Betriebsprüfung, Frankfurt a.M.

    | Das Institut der inkongruenten Gewinnausschüttung und seine steuerliche Anerkennung ist in den vergangenen Jahren immer wieder heiß zwischen Verwaltung und Rechtsprechung diskutiert worden. Nun hat die Finanzverwaltung mit einem neuen Erlass für Klarheit gesorgt. Als Fazit kann man festhalten: Die inkongruente Gewinnausschüttung ist und bleibt ein attraktives Gestaltungsmodell in der Praxis; allerdings nur für die GmbH, nicht für Aktiengesellschaften ( BMF 17.12.13, IV C 2 - S 2750-a/11/10001 , BStBl I 14, 63). |

    1. Rechtsgrundlagen

    Gemäß § 29 Abs. 3 S. 1 GmbHG erfolgt die Verteilung des in der GmbH erzielten Gewinns an die Gesellschafter nach dem Verhältnis der von den Gesellschaftern gehaltenen Anteilen. Abweichend hiervon ist eine sog. inkongruente Gewinnausschüttung nach Satz 2 dieser Vorschrift handelsrechtlich zulässig, wenn dies im Gesellschaftsvertrag ausdrücklich festgelegt ist. So kann auf das Verhältnis tatsächlich geleisteter Einlagen abgestellt werden, oder es wird bereits für bestimmte Anteilseigner eine Vorzugsdividende vereinbart.

     

    Beachten Sie |Um die unterschiedlichen Interessen der einzelnen Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft abzudecken, stellt die inkongruente Gewinnausschüttung eine durchaus sinnvolle Gestaltungsmöglichkeit zur Optimierung der steuerlichen Effekte dar. Zur Nutzung von laufenden Verlusten auf der Ebene des Anteilseigners kann eine inkongruente Gewinnausschüttung und deren anschließende Wiedereinlage durchaus sinnvoll sein.

     

    • Beispiel

    Die nicht miteinander verwandten Gesellschafter A und B sind zu jeweils 50 % an der AB-GmbH beteiligt. Der Jahresüberschuss von 500.000 EUR soll ausgeschüttet werden. Der Gesellschafter A verfügt über einen steuerlichen Verlustvortrag von 600.000 EUR, der Gesellschafter B hat ein zu versteuerndes Einkommen vor dem Ansatz der Kapitaleinkünfte von 300.000 EUR.

     

    A
    B

    zvE vor Ausschüttung

    - 600.000

    + 300.000

    Kongruente Ausschüttung

    + 250.000

    + 250.000

    zvE nach kongruenter Ausschüttung

     

    - 350.000

     

    + 550.000

     

     

    In diesem Fall wird der Gesellschafter B die Abgeltungsteuerregelung in Anspruch nehmen, sodass sein Dividendenanteil mit 25 % versteuert würde (aus Vereinfachungsgründen ohne KiSt, SolZ). Die Steuerlast beträgt dann rund 62.500 EUR.

    Deshalb vereinbaren A und B, die Ausschüttung inkongruent zu 100 % dem A zukommen zu lassen. Nach der Ausschüttung soll A den Betrag wieder inkongruent in die GmbH einlegen.

    A

    B

    zvE vor Ausschüttung

    - 600.000

    + 300.000

    inkongruente Ausschüttung

    + 500.000

    + 0

    zvE nach kongruenter Ausschüttung

    - 100.000

    + 300.000

     

    Hinweis | Durch Ausschüttung an den A entsteht bei entsprechender Abgeltungsteueroption keine Steuer auf die Dividende, der GmbH wird das Geld durch eine inkongruente Einlage durch den A wieder zugeführt.

    2. Beurteilung des Modells durch den BFH

    Der BFH hat bereits im Jahr 1999 entschieden, dass das sog. Schütt-aus-Hol-zurück-Verfahren grundsätzlich keinen Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts darstellt (BFH 19.8.99, I R 77/96, BFH/NV 00, 112). Dies gelte auch dann, wenn sich die - einander als fremde Dritte gegenüberstehenden - Anteilseigner einer GmbH auf eine von den Beteiligungsverhältnissen abweichende Gewinnausschüttung verständigen, um dadurch einem der Anteilseigner einen Verlustabzug zu ermöglichen, und wenn anschließend der hierdurch begünstigte Anteilseigner die an ihn ausgeschütteten Gewinne seinerseits wieder inkongruent in die GmbH einlegt.

     

    MERKE | Als Begründung führt der BFH an, dass ein Missbrauch von rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten vorliegt, wenn eine rechtliche Gestaltung gewählt wird, die zur Erreichung des erstrebten wirtschaftlichen Ziels unangemessen ist, der Steuerminderung dienen soll und durch wirtschaftliche oder sonst beachtliche außersteuerliche Gründe nicht zu rechtfertigen ist. Unangemessen ist danach im allgemeinen eine rechtliche Gestaltung, die verständige Parteien in Anbetracht des wirtschaftlichen Sachverhalts, insbesondere des erstrebten wirtschaftlichen Ziels, als unpassend nicht wählen würden.

     

    Da es im Bestreben der Rechtsordnung liegt, für alle wirtschaftlichen Vorgänge möglichst einfache Rechtsgestaltungen zur Verfügung zu stellen, ist in der Regel der einfachste rechtliche Weg der angemessene. Unangemessene Rechtsgestaltungen sind hingegen umständlich, kompliziert, schwerfällig, gekünstelt u.ä. Legt man diese Maßstäbe an, kann nach Auffassung des BFH die oben gewählte Gestaltung weder in ihren einzelnen Etappen noch in ihrer Gesamtheit unangemessen sein.

     

    Wichtig | Der BFH bestätigt ausdrücklich, dass diese Gestaltung erkennbar nur darauf abzielt, dem A den an ihn inkongruent ausgeschütteten Mehrbetrag zugutekommen zu lassen und auf diese Weise einen bestehenden Verlustabzug auszunutzen. Gleichwohl besteht nach Ansicht des BFH kein Grund, die Gestaltung als unangemessen und steuermissbräuchlich zu verwerfen.

     

    Es sei steuerrechtlich nicht bedenklich, wenn durch eine derartige Ausschüttung erreicht werden soll, das Verlustausgleichspotenzial eines Anteilseigners möglichst umfassend auszunutzen. Es ist davon auszugehen, dass die Ausschöpfung von Verlusten dem Grundsatz der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit und damit einem Verfassungsgebot entspricht.

     

    PRAXISHINWEIS | Letztlich entspricht es der steuergesetzlichen Konzeption in § 10d EStG und ist deshalb nicht zu beanstanden, wenn durch Sachverhaltsgestaltung ein möglichst vollständiger Verlustausgleich im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben erreicht wird.

     

    Soweit der Verlustausgleich eingeschränkt wird, ergeben sich diese Einschränkungen unmittelbar und abschließend aus den einschlägigen Steuergesetzen; andere Einschränkungen bestehen nicht. Eine derartige Gestaltung ist deshalb für sich genommen von vornherein ungeeignet, die Anwendung von § 42 AO zu begründen. Weiterer, insbesondere außersteuerlicher Motive hierfür bedarf es grundsätzlich nicht.

     

    Weiterhin entschied der BFH in dem Urteil, dass die inkongruente Wiedereinlage zuvor inkongruent ausgeschütteter Gewinne regelmäßig im Eigeninteresse erfolge, auch wenn die Kapitalzuführung gleichzeitig eine Wertsteigerung der vom Mitgesellschafter gehaltenen Beteiligung mit sich bringt. Eine Zuwendung an den Mitgesellschafter mit anschließender Wiedereinlage durch diesen scheide unter solchen Umständen aus. Allerdings stammt die BFH-Entscheidung aus der Zeit vor dem Inkrafttreten des § 7 Abs. 8 ErbStG am 13.12.11 (BStBl I 11, 2592). Seither gilt für disquotale Einlagen die Fiktion einer Schenkung, was bei Gesellschaftern, die nicht miteinander verwandt sind, schnell zu hoher Schenkungsteuer führen kann.

    3. Ursprüngliche Reaktion der Finanzverwaltung

    Darauf reagierte das BMF mit einem Nichtanwendungserlass (BMF 7.12.00, IV A 2 - S 2810 - 4/00, BStBl I 01, 47). Der Grund: Inkongruente Gewinnausschüttungen seien nur dann steuerlich anzuerkennen, wenn für eine vom gesetzlichen Verteilungsschlüssel abweichende Gewinnverteilung besondere Leistungen eines Gesellschafters für die Kapitalgesellschaft ursächlich sind. Dies sei z.B. der Fall, wenn ein Gesellschafter der Kapitalgesellschaft wertvolle Grundstücke unentgeltlich zur Nutzung überlässt oder wenn er unentgeltlich die Geschäftsführung der Kapitalgesellschaft übernimmt.

     

    Dagegen läge z.B. keine wirtschaftlich beachtliche Gesellschafterleistung vor, wenn eine inkongruente Gewinnausschüttung mit einer inkongruenten Einlage verbunden wird. Gleichermaßen sei es auch zu werten, wenn eine GmbH sich in geringem Umfang an einer anderen GmbH mittels einer fremdfinanzierten Einlage beteiligt, in Höhe der Einlage eine Sonderausschüttung zur Realisierung von Körperschaftsteuerguthaben erhält und die Dividenden auf Grund des angefallenen Aufwands ohne steuerliche Belastung vereinnahmt.

     

    Die Konsequenz für das BMF: Liegen keine wirtschaftlich beachtlichen Gesellschafterleistungen für die vom gesetzlichen Verteilungsschlüssel abweichende Gewinnausschüttung vor, ist die Ausschüttung den Gesellschaftern im Verhältnis ihrer Beteiligung am Nennkapital zuzurechnen.

    4. Das Schreiben des BMF vom 17.12.2013

    Die Finanzverwaltung hat nunmehr nochmals zu der Thematik Stellung genommen. Danach muss die inkongruente Gewinnausschüttung zunächst zivilrechtlich wirksam geworden sein, um steuerlich anerkannt werden zu können. In dem Schreiben wird unterschieden nach den Rechtsformen GmbH und AG:

     

    4.1 Grundsätze für die GmbH

    Zivilrechtliche Wirksamkeit liegt dann vor, wenn im Gesellschaftsvertrag gemäß § 29 Abs. 3 S. 2 GmbHG ein anderer Maßstab der Verteilung als das Verhältnis der Geschäftsanteile festgesetzt wurde. Für eine nachträgliche Satzungsänderung zur Regelung einer ungleichen Gewinnverteilung ist gemäß § 53 Abs. 3 GmbHG die Zustimmung aller beteiligten Gesellschafter erforderlich.

     

    GESTALTUNGSHINWEIS | Alternativ kann aber auch die Satzung anstelle eines konkreten Verteilungsmaßstabs eine Klausel enthalten, nach der alljährlich mit Zustimmung der beeinträchtigten Gesellschafter oder einstimmig über eine von der satzungsmäßigen Regelung abweichende Gewinnverteilung beschlossen werden kann, und der Beschluss mit der in der Satzung bestimmten Mehrheit gefasst worden ist.

     

    4.2 Grundsätze für die AG

    Bei einer AG muss in der Satzung gemäß § 60 Abs. 3 AktG ein vom Verhältnis der Anteile am Grundkapital (§ 60 Abs. 1 AktG) abweichender Gewinnverteilungsschlüssel festgelegt worden sein. Für eine nachträgliche Satzungsänderung zur Änderung der Gewinnverteilung bedarf es gemäß § 179 Abs. 3 AktG der Zustimmung der benachteiligten Aktionäre. Enthält die Satzung lediglich eine Öffnungsklausel für eine von der gesetzlichen Gewinnverteilung abweichende Verteilung, ist diese für die Wirksamkeit einer inkongruenten Gewinnausschüttung nicht ausreichend.

     

    4.3 Missbrauch rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten

    Gleichzeitig wird aber auch darauf hingewiesen, dass die Grundsätze des § 42 AO zu beachten sind. Von einem solchen Missbrauch sei bei Vereinbarung einer inkongruenten Gewinnausschüttung aber nicht auszugehen, wenn für die abweichende Gewinnverteilung beachtliche wirtschaftlich vernünftige außersteuerliche Gründe nachgewiesen werden. Am Vorliegen wirtschaftlich beachtlicher Gesellschafterleistungen wird somit nicht länger festgehalten.

     

    MERKE | Indiz für einen Missbrauch sei allerdings das häufige Wechseln des Gewinnverteilungsschlüssels.

     

     

    5. Beurteilung für die Praxis

    • Für die Rechtsform der AG erscheint mithin die inkongruente Gewinnausschüttung als Gestaltungsmodell wenig geeignet, da hier die geänderte Gewinnverteilung im Gesellschaftsvertrag festgelegt werden muss und somit kaum zeitnah reagiert werden kann.

     

    • Interessant ist die inkongruente Gewinnausschüttung aber weiterhin für die Rechtsform der GmbH. Dazu ist allerdings eine Klausel erforderlich, dass die Gewinnverteilung jederzeit geändert werden kann und ein dazu gehöriger Gesellschafterbeschluss.

     

    Daneben ist ein wirtschaftlicher, außersteuerlicher Grund für die geänderte Gewinnverteilung anzugeben. Hier äußert sich der BMF nicht, was unter dem Begriff „außersteuerlicher Grund“ genau zu verstehen ist. Meiner Ansicht nach muss hier doch wieder auf Leistungen des Gesellschafters abgestellt werden, die bisher unentgeltlich erfolgten und nun durch den höheren Anteil am Ausschüttungsvolumen abgegolten werden sollen.

     

    GESTALTUNGSHINWEIS | Denkbar ist auch, dass ein Gesellschafter der GmbH ein materielles oder immaterielles Wirtschaftsgut oder eine Geschäftsidee ohne Berechnung zur Verfügung stellt. Allerdings wird lediglich die unentgeltliche Nutzung gestattet, andernfalls handelt es sich um eine verdeckte Einlage.

     

    Beachten Sie | Das Ausnutzen eines Verlustabzugs fällt nach der Rechtsprechung des BFH, wie oben dargestellt wird, per se nicht in den Bereich des § 42 AO. Da gerade für diese Rechtsprechung der Nichtanwendungserlass aufgehoben wurde, müssen diese vom BFH entwickelten Grundsätze auch für die Finanzverwaltung gelten. Gerade in den Fällen des „Schütt-aus-hol-zurück-Verfahrens“ dürfte die Finanzverwaltung allerdings die Ansicht vertreten, dass keine außersteuerlichen, wirtschaftlichen Gründe vorliegen können, da die GmbH das Geld ja zurückerhält. Aber auch hier hat der BFH die Auffassung vertreten, dass die isolierte Betrachtungsweise anzuwenden und deshalb nicht von einem missbräuchlichen Gestaltungsmodell auszugehen sei.

     

    Wichtig | In jedem Fall ist aber darauf zu achten, den Gewinnverteilungsschlüssel noch zu häufig zu wechseln.

     

    FAZIT | Letztlich wird durch das neue BMF-Schreiben zwar der ursprüngliche Nichtanwendungserlass aufgehoben. Es wäre aber gefährlich, von einer generellen Sanktion der inkongruenten Gewinnausschüttung durch die Finanzverwaltung auszugehen. Von einer generellen steuerlichen Nichtanerkennung der inkongruenten Gewinnausschüttung ist aber jedenfalls nicht mehr auszugehen.

     

    Weiterführender Hinweis

    Zum Autor | Regierungsoberrat Dipl.-Finanzwirt Georg Harle ist Hauptsachgebietsleiter Betriebsprüfung in Frankfurt/M. und Mitkommentator des „ABC der Betriebsprüfung“ und „Verdeckte Gewinnausschüttungen/verdeckte Einlagen“ beim Stollfuß-Verlag, Bonn sowie Verfasser des Werkes „Die moderne Betriebsprüfung“ im Verlag NWB, Herne.

    Quelle: Ausgabe 10 / 2014 | Seite 353 | ID 42763695

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