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  • Personen- und Kapitalgesellschaften
    Optimale Abfindungsklauseln in Gesellschaftsverträgen
    von Prof. Dr. jur. Annemarie Butz-Seidl, FH Aschaffenburg
    Der Beitrag beschäftigt sich mit Gestaltungsmöglichkeiten von Abfindungsklauseln in Gesellschaftsverträgen. Die Thematik ist von erheblicher Praxisrelevanz, da die auf § 738 Abs. 1 S. 2 BGB basierende Rechtsprechung dem ausscheidenden Gesellschafter grundsätzlich eine dem wirklichen Wert seiner Anteile entsprechende Abfindung (Verkehrswert) zubilligt, das heißt, ohne gesellschaftsvertragliche Regelung ist die Abfindung auf der Grundlage des "wirklichen Werts des Unternehmens einschließlich aller stillen Reserven und einschließlich des good will des Unternehmens" zu ermitteln (vgl. § 738 Abs. 1 S. 2 BGB; BGH 21.4.55, BGHZ 17, 130/136). Das ist aber regelmäßig nicht gewollt. Welche Alternativen bestehen, wird nachfolgend untersucht.
    1. Die Ermittlung des Anteils- bzw. Unternehmenswertes
    Bevor Inhalte und Gefahren typischer Abfindungsklauseln aufgezeigt werden, wird zunächst kurz dargestellt, nach welchen Methoden üblicherweise der tatsächliche Anteils- bzw. Unternehmenswert ermittelt wird. Eine allgemein anerkannte oder rechtlich vorgeschriebene Methode für die Ermittlung des tatsächlichen Anteils- bzw. Unternehmenswerts gibt es nicht. Nach der Rechtsprechung des BGH unterliegt es "dem pflichtgemäßen Urteil der mit der Bewertung befassten Fachleute, unter den in der Betriebswirtschaftslehre und der betriebswirtschaftlichen Praxis vertretenen Verfahren das im Einzelfall geeignet erscheinende auszuwählen" (vgl. BGH 13.3.78, NJW 78, 1316/1318 f.).
    Die Ertragswertberechnung wird in den meisten Fällen als die geeignete Methode zur Ermittlung des Unternehmenswerts angesehen (vgl. BGH 18.4.02, NJW 02, 2787/2791). Allerdings kann bei einem überdurchschnittlich hohen Anteil des nicht betriebsnotwendigen Vermögens am Gesamtvermögen des Unternehmens dem Substanzwert durchaus eine erhöhte Bedeutung zukommen (vgl. BGH 24.5.93, NJW 93, 2101/2103). Auch kann der Unternehmenswert aus dem Ertragswert des betriebsnotwendigen Vermögens zuzüglich des Substanzwertes des nicht betriebsnotwendigen Vermögens zu errechnen sein (vgl. OLG Köln 26.3.99, GmbHR 99, 712).
    In jüngerer Zeit kommt zudem das so genannte Discounted Cash Flow-Verfahren (DCF-Verfahren) immer häufiger zur Anwendung. Mit Verabschiedung der aktualisierten Grundsätze zur Durchführung von Unternehmensbewertungen des IDW (IDW Standard S 1 vom 28.6.00) ist das DCF-Verfahren in Deutschland gleichberechtigt neben dem Ertragswertverfahren für Unternehmensbewertungen durch Wirtschaftsprüfer anerkannt. Mit Hilfe des DCF-Verfahrens wird der Wert eines Unternehmens - wie es der Name verrät - durch Diskontierung von Cash Flows ermittelt (vgl. ausführlich Nestler/Kupke, Betriebswirtschaftliche Mandantenbetreuung 03, 163). Allen Arten der Unternehmens- bzw. Anteilsbewertung ist gemein, dass mit ihrer Hilfe der möglichst genaue Verkehrswert ermittelt werden soll. Da der - gesetzliche - Abfindungsanspruch in Höhe des Verkehrswerts des Anteils in der Praxis aber vielfach als zu weitgehend empfunden wird, soll dieser regelmäßig durch gesellschaftsvertragliche Klauseln in der Höhe beschränkt und in der Auszahlung zeitlich gestreckt werden.
    Grundsätzlich kann die gesetzliche Abfindungsregelung durch Satzungsbestimmungen ersetzt werden, jedoch darf der Abfindungsanspruch des ausscheidenden Gesellschafters nicht ausgehöhlt oder unangemessen eingeschränkt werden. In der Beratungspraxis stellt sich daher häufig die Frage, ob eine Abfindungsbeschränkung (noch) wirksam ist oder ob der ausscheidende Gesellschafter Anspruch auf eine höhere Abfindung hat.
    2. Inhalt und Gefahren typischer Vertragsklauseln
    Nachfolgend sollen die gebräuchlichsten Abfindungsklauseln vorgestellt und auf ihre Tauglichkeit hin untersucht werden.
    2.1 Buchwertklausel
    Insbesondere in älteren Gesellschaftsverträgen findet sich als Abfindungsklausel häufig die so genannte Buchwertklausel, nach der der Gesellschafter den auf der Grundlage der Handels- oder Steuerbilanz ermittelten buchmäßigen Kapitalanteil erhält, und zwar zuzüglich des anteiligen Gewinns des laufenden Geschäftsjahres sowie zuzüglich anteiliger offener Rücklagen und Gewinnvorträge sowie abzüglich eines anteiligen Verlustvortrags. Wertmäßig werden weder die stillen Reserven noch der "good will" berücksichtigt. Sonstige Forderungen und Schulden der Gesellschafter sind gesondert auszugleichen (vgl. BGH 23.2.78, NJW 78, 1053; BGH 29.5.78, NJW 79, 104). Dies entspricht auch der in Gesellschaftsverträgen häufig vorgenommen Differenzierung zwischen Kapitalkonten i.S. von echten Beteiligungs- und Darlehenskonten.
    Der Buchwert korrespondiert in aller Regel nicht mit dem tatsächlichen Anteilswert. Er kann zwar im Einzelfall höher sein oder mit dem wahren Anteilswert zufällig zusammenfallen, meist wird er aber niedriger sein (s.a. BGH 24.9.84, NJW 85, 192/193). Die Ermittlung der Abfindung nach einer Buchwertklausel ist damit für den abzufindenden Gesellschafter oft nachteilig. Handels- und Steuerbilanz dienen dazu, den verfügbaren bzw. den zu versteuernden Unternehmensgewinn zu ermitteln; sie sind somit nicht geeignet, den Unternehmenswert für den Abfindungsfall zu bestimmen.
    Der Nachteil der Buchwertklausel liegt darin, dass sich im Einzelfall eine erhebliche Diskrepanz zwischen der klauselmäßigen und der gesetzlichen Abfindung ergeben kann. Ursächlich dafür könnte eine mehrjährige erfolgreiche Geschäftstätigkeit sein oder die Entstehung erheblicher stiller Reserven im Anlagevermögen (z.B. bei Immobilien). Auf Grund der fortschreitenden positiven Unternehmensentwicklung erhöht sich auch der Ertragswert, an dem der ausscheidende Gesellschafter ebenfalls nicht partizipiert. Nach der Rechtsprechung des BGH muss in den Fällen, bei denen ein unzumutbares Missverhältnis zwischen der klauselmäßigen und der gesetzlichen Abfindung entstanden ist, im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung eine Anpassung der Abfindungsklausel vorgenommen werden (vgl. BGH 17.12.01, DStR 02, 461/462; BGH 16.12.91, NJW 92, 892/895; BGH 24.5.93, NJW 93, 2101/2102; BGH 20.9.93, NJW 93, 3193). Danach ist wie folgt vorzugehen:
    Die Buchwertklausel als Abfindungsklausel bleibt grundsätzlich wirksam. Nach §§ 133, 157, 242 BGB wird sie als Ausgangsgröße für die im Wege einer ergänzenden Vertragsauslegung nach den Grundsätzen von Treu und Glauben erfolgenden Ermittlung des neuen Abfindungsmaßstabs und die darauf aufbauende betragsmäßige Bezifferung des neuen Abfindungsbetrages herangezogen. Die ergänzende Vertragsauslegung erfolgt unter Berücksichtigung der beiderseitigen Interessen sowie sämtlicher Umstände des Einzelfalles und den seit dem Vertragsschluss eingetretenen Änderungen der wirtschaftlichen Verhältnisse (vgl. BGH 17.12.01, a.a.O.; BGH 13.6.94, NJW 94, 2536/2540; BGH 10.2.94, NJW 94, 1472/1474; BGH 20.9.93, a.a.O.). Relevant sind u.a. folgende Gesichtspunkte:
  • Ausmaß des Missverhältnisses zwischen dem in der Abfindungsklausel festgelegten und dem wirklichen Anteilswert,
  • Interesse der Gesellschafter an der Liquidität und dem Fortbestand des Unternehmens,
  • Dauer der Mitgliedschaft des ausscheidenden Gesellschafters in der Gesellschaft,
  • Anteil am Aufbau und Erfolg des Unternehmens und
  • Anlass des Ausscheidens des Gesellschafters.
    Die im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung vorzunehmende Vertragsanpassung wird in der Regel einen Abfindungsbetrag in Höhe eines Mittelwerts ergeben, der zwischen dem tatsächlichen Verkehrswert und dem ursprünglich satzungsmäßig vereinbarten Abfindungsbetrag liegt (vgl. BGH 17.12.01, a.a.O.).
    Praxishinweis: Abfindungsklauseln, bei denen die Gefahr des Entstehens eines unzumutbaren Missverhältnisses besteht, sollten daher von vornherein durch Anpassungsregeln ergänzt werden. Beispielsweise kann in den Gesellschaftsvertrag eine Schiedsgutachterklausel (siehe unten Musterformulierung "Buchwertklausel") aufgenommen werden.
    2.2 Vermögensteuerwertklausel
    In Vermögensteuerwertklauseln wird der Wert des Geschäftsanteils unter Berücksichtigung des Vermögens und der Ertragsaussichten der Gesellschaft nach dem so genannten "Stuttgarter Verfahren" geschätzt. Dieses wird im Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht angewandt, um für Besteuerungszwecke den gemeinen Wert von nicht notierten Anteilen an Kapitalgesellschaften unter Berücksichtigung des Vermögens und der Ertragsaussichten der Gesellschaft zu schätzen (§ 12 Abs. 1 u. 2 ErbStG, § 11 Abs. 2 BewG; R 96 bis 108 ErbStR). Ausgangsgröße ist das Vermögen der Gesellschaft. Zur Berechnung des Vermögenswerts ist das Vermögen der Gesellschaft auf den Besteuerungszeitpunkt (§ 9 ErbStG) zu ermitteln. Der Wert ergibt sich grundsätzlich aus der Steuerbilanz der Gesellschaft nach den gleichen Regelungen wie bei der Bewertung des Betriebsvermögens und ist gegebenenfalls um Veränderungen zwischen Bilanzstichtag und Besteuerungszeitpunkt zu korrigieren (R 98 Abs. 2 und 3 ErbStR). Ein bilanzierter Firmenwert oder die Werte von firmenwertähnlichen Wirtschaftsgütern sind nicht in die Ermittlung einzubeziehen (§ 12 Abs. 2 S. 3 ErbStG).
    Der Wert des Vermögens der Gesellschaft ist ins Verhältnis zu setzen zum Nennkapital (R 97 Abs. 2 ErbStR) der Gesellschaft im Besteuerungszeitpunkt. Als Prozentsatz ausgedrückt ergibt dies den maßgebenden Vermögenswert. Dieser Wert wird korrigiert unter Berücksichtigung der tatsächlichen Ertragsaussichten der Gesellschaft im Vergleich mit einer Normalverzinsung, das heißt dem üblicherweise erzielbaren Kapitalmarkzins für vergleichbare Vermögensanlagen. Maßgebend für den Ertragswert der Gesellschaft ist der künftige ausschüttbare Gewinn (Jahresertrag), der regelmäßig aus dem in der Vergangenheit tatsächlich erzielten Durchschnittsertrag abgeleitet wird. Hierfür wird das jeweilige Betriebsergebnis der letzten drei vor dem Besteuerungszeitpunkt abgelaufenen Wirtschaftsjahre benötigt (R 99 Abs. 1 S. 3 ErbStR). Diese werden je nach ihrer zeitlichen Nähe zum Besteuerungszeitpunkt gewichtet (R 99 Abs. 3 ErbStR). U.U. kann es geboten sein, an Stelle des aus Vergangenheitswerten ermittelten Durchschnittsertrags den Jahresertrag unter Berücksichtigung der künftigen unternehmerischen Planungen zu schätzen. Der Jahresertrag der Gesellschaft ist ins Verhältnis zu setzen zum Nennkapital (R 99 Abs. 4 ErbStR) der Gesellschaft im Besteuerungszeitpunkt. Als Prozentsatz ausgedrückt ergibt dies den maßgebenden Ertragshundertsatz.
    Ist der Jahresertrag auf Grund von Verlusten negativ, ist der Ertragshundertsatz mit 0 Prozent anzusetzen (R 99 Abs. 4 S. 3 ErbStR). Ausgangsgröße ist das zu versteuernde Einkommen (§§ 7 und 8 KStG), das durch Hinzurechnungen und Kürzungen an den tatsächlichen Ertrag des Unternehmens herangeführt wird (R 99 Abs. 1 ErbStR). Hinzuzurechnen sind insbesondere Sonderabschreibungen oder erhöhte Abschreibungen, Absetzungen auf den Firmen-/Geschäftswert und firmenwertähnliche Wirtschaftsgüter, ein vorgenommener Verlustabzug, einmalige Veräußerungsverluste und steuerfreie Vermögensmehrungen. Abzuziehen sind insbesondere einmalige Veräußerungsgewinne und Gewinne aus der Auflösung steuerfreier Rücklagen, nichtabziehbare Ausgaben einschließlich des Solidaritätszuschlags, Aufsichtsratsvergütungen zur Hälfte und bei Erwerben, für die die Erbschaft- oder Schenkungsteuer nach dem 31.12.00 entsteht, die Körperschaftsteuer, die nach § 23 Abs. 1 KStG i.d.F. des Steuersenkungsgesetzes definitiv den Gewinn der Kapitalgesellschaft belastet (Einzelheiten bei Christoffel, Erbfolgebesteuerung 03, 74 ff.). Der in einem Prozentsatz ausgedrückte gemeine Wert eines Anteils berechnet sich nach folgender Formel:
    68 Prozent x (Vermögenswert + 5 x Ertragshundertsatz)
    Das "Stuttgarter Verfahren" in der aktuellen Version ist m.E. ungeeignet, eine objektive Unternehmens- bzw. Anteilsbewertung als Grundlage für die Berechnung der Abfindung zu ermöglichen. Insbesondere die Nichtberücksichtigung der immateriellen Vermögensgegenstände sowie die Anknüpfung an die (niedrigen) Steuerbilanzwerte führt dazu, dass die nach dem "Stuttgarter Verfahren" ermittelten Werte regelmäßig weit hinter dem jeweiligen Verkehrswert zurückbleiben. Unter Berücksichtigung des bis 1992 geltenden Verfahrens sollen aber wesentlich höhere - fast den vollen wirtschaftlichen Wert der Anteile erreichende Abfindungsbeträge ermittelt werden (vgl. Göllert/Ringling, DB 99, 516/519). Es kommt somit sehr häufig zu krassen Fehlbewertungen von Unternehmen und Unternehmensanteilen, die der ursprünglichen (gewollten) Abfindungsvereinbarung der beteiligten Gesellschafter nicht Rechnung tragen.
    Praxishinweis: Zu einer Abfindungsklausel auf Basis des "Stuttgarter Verfahrens" sollte nicht mehr geraten werden. Soweit Abfindungsklauseln in Form von Vermögensteuerwertklauseln vereinbart wurden, ist eine Überprüfung und gegebenenfalls inhaltliche Anpassung anzustreben.
    2.3 Ertragswertklausel
    Bei der Bewertung des Geschäftsanteils wird auf die jeweils aktuellen Grundsätze zur Durchführung von Unternehmensbewertungen des Instituts der Wirtschaftsprüfer (IDW) zurückgegriffen. Dieses hat am 28.6.00 neue Bewertungsgrundsätze (IDW Standard S 1) verabschiedet. Danach kann der Wert eines Unternehmens als Zukunftserfolgswert nach dem Ertragswert- oder dem DCF-Verfahren ermittelt werden. Bei der Ertragswertmethode bestimmt sich der Unternehmenswert durch den Barwert der Nettoeinnahmen der Unternehmenseigner. Grundlage der Bewertung eines Unternehmens sind die künftigen finanziellen Einnahmeüberschüsse. Nach dem Stichtagsprinzip sind sie auf den Bewertungszeitpunkt abzuzinsen. Die abgezinsten Einnahmeüberschüsse werden zu einem Barwert zusammengefasst. Zu dem ermittelten Barwert ist der Liquidationswert des nicht betriebsnotwendigen Vermögens hinzuzurechnen. Die Summe ergibt den Unternehmenswert. Der Liquidationswert bildet die Untergrenze dieses Fortführungswerts. Keine eigenständige Bedeutung hat der Substanzwert (Weber/Reinhardt, GmbH-StB 1/02, 22 f.). Ziel des DCF-Verfahrens ist die Ermittlung des Shareholder Value, das heißt die Ermittlung des Marktwertes des Eigenkapitals, indem zukünftig erwartete Cash Flows mittels eines geeigneten Kapitalkostensatzes diskontiert werden.
    Ertragswert- und DCF-Methode basieren auf der gleichen konzeptionellen Grundlage (zukunftorientiertes Kapitalwertkalkül). Bei gleichen Bewertungsannahmen bzw. -vereinfachungen - insbesondere hinsichtlich der Finanzierung - führen die Verfahren zu grundsätzlich vergleichbaren Werten. Soweit in der Praxis unterschiedliche Werte ermittelt werden, sind diese überwiegend auf unterschiedliche Annahmen hinsichtlich der Zielkapitalstruktur, des Risikozuschlags und sonstiger Plandaten zurückzuführen.
    Praxishinweis: Die aktuelle Entwicklung im Bereich der Gestaltung von Abfindungsklauseln in Gesellschaftsverträgen geht überwiegend zur Ertragswertklausel mit einem prozentualen Abschlag zum Unternehmensschutz über (siehe Musterformulierung "Ertragswertklausel"). Jedoch ist zu beobachten, dass das DCF-Verfahren in jüngster Zeit auch zunehmend in der gerichtlichen Praxis akzeptiert wird.
    3. Kriterien für die Unzulässigkeit einer abfindungsbeschränkenden bzw. einer Ratenzahlungs- und Stundungsklausel
    Nach der BGH-Rechtsprechung ist es grundsätzlich zulässig, die Höhe der Abfindung sowie die Modalitäten der Auszahlung abweichend von der gesetzlichen Regelung zum Nachteil des ausscheidenden Gesellschafters zu regeln (BGH 16.12.91, GmbHR 92, 257/260; BGH 24.9.84, GmbHR 85, 113 f.). Dies ergibt sich aus dem Grundsatz der Privatautonomie. Erforderlich ist, dass die Regelungen klar und deutlich in der Satzung vereinbart sind, so dass jeder Gesellschafter über ihren Inhalt unterrichtet ist und die Folgen eines Austritts oder eines Ausschlusses abschätzen kann. Die Rechtsprechung hat aber - neben den bereits erwähnten Grenzen - weitere inhaltliche Schranken für die betragsmäßige Begrenzung der Abfindung und für Ratenzahlungs- und Stundungsvereinbarungen erarbeitet.
    3.1 Gläubigerbenachteiligung
    Eine Regelung in der Satzung einer GmbH ist wegen Gläubigerdiskriminierung nichtig, wenn sie bei Pfändung eines Geschäftsanteils dessen Einziehung gegen ein unter dem Verkehrswert liegendes Entgelt zulässt und dieselbe Entschädigungsregelung nicht auch für den vergleichbaren Fall der Ausschließung eines Gesellschafters aus wichtigem Grund getroffen wird (BGH 19.6.00, NJW 00, 2819/2820 m.w.N.).
    Formulierungsbeispiel für eine nichtige Klausel
    "Sofern ein Geschäftsanteil gepfändet wird oder der Inhaber eines Geschäftsanteils in Konkurs/in Insolvenz oder in ein gerichtliches Vergleichsverfahren gerät, ist die Gesellschaft befugt, den Geschäftsanteil zum Steuerkurswert zwecks Einziehung zu erwerben."
    3.2 Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz
    Eine willkürliche, sachlich nicht gerechtfertigte unterschiedliche Behandlung der Gesellschafter bei der Bemessung der Abfindung ist unzulässig. Nach Ansicht des BGH ist der Zeitraum der Zugehörigkeit zur Gesellschaft aber ein Unterscheidungskriterium, das zu akzeptieren ist (BGH 16.12.91, NJW 92, 892, 895). Es ist nicht willkürlich, Gesellschaftern eine höhere Abfindung zu gewähren, deren Kapital der Gesellschaft über einen längeren Zeitraum zur Verfügung gestanden hat als denjenigen Gesellschaftern, die der Gesellschaft erst später beigetreten sind. Der Beitrag des ausscheidenden Gesellschafters am Aufbau und am wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens ist ebenso zu würdigen wie die Umstände und die Dauer seiner Mitgliedschaft (BGH 18.4.02, NJW 02, 2787/2789 m.w.N.).
    3.3 Unzulässige Kündigungserschwerung und Treu und Glauben
    Abfindungsbeschränkende Klauseln, die faktisch einem Ausschluss des Kündigungsrechts gleichkommen, sind unwirksam. Entscheidend ist, ob die Satzungsklausel typischerweise geeignet ist, einen kündigungswilligen Gesellschafter in seiner Entscheidung negativ zu beeinflussen (BGH 13.6.94, GmbHR 94, 871/872). In der Sache geht es darum, die Regelung des § 723 Abs. 3 BGB nicht zu unterlaufen. Danach ist eine Vereinbarung nichtig, durch die das Kündigungsrecht eines Gesellschafters ausgeschlossen oder entgegen den gesetzlichen Vorschriften unangemessen beschränkt wird.
    Eine Abfindungsregelung kann nichtig sein, wenn "ein im Laufe der Zeit eingetretenes, im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses nicht abzusehendes, außergewöhnlich weitgehendes Auseinanderfallen von vereinbartem Abfindungs- und tatsächlichem Anteilswert ganz allgemein nach den Grundsätzen von Treu und Glauben, die im Gesellschaftsrecht durch die besondere Treupflicht des Gesellschafters verstärkt sind, dazu führen kann, dass dem von dieser tatsächlichen Entwicklung betroffenen Gesellschafter das Festhalten an der vertraglichen Regelung auch unter Berücksichtigung des berechtigten Interesses der Mitgesellschafter nicht mehr ohne weiteres zugemutet werden kann ..." (vgl. BGH 17.12.01, DStR 02, 461/462). Erforderlich ist im Einzelfall zusätzlich, dass im Zeitpunkt der Vereinbarung der Abfindungsklausel die spätere Unangemessenheit der Abfindung und auch ihre Unzumutbarkeit nicht ab-/vorhersehbar waren.
    Unzulässige Abfindungsvereinbarungen erfordern stets, dass die Abfindung nach der Satzung hinter dem tatsächlichen Wert des Anteils des ausscheidenden Gesellschafters zurückbleibt. Entscheidend ist letztlich der Grad der Diskrepanz. Die höchstrichterliche Rechtsprechung hat es bisher abgelehnt, eine starre Wertgrenze anzuerkennen, deren Unterschreitung die gesellschaftsvertragliche Abfindungsregelung automatisch unwirksam macht (BGH 24.5.93, NJW 93, 2101/2102). Die Auswertung der Rechtsprechung hat einige grundsätzliche Anhaltspunkte ergeben: Eine unzulässige Abfindungsregel ist jedenfalls dann anzunehmen, wenn die Abfindung
  • von vornherein völlig ausgeschlossen ist (BGH 2.6.97, GmbHR 97, 939),
  • auf die Hälfte des buchmäßigen Kapitalanteils beschränkt wird (BGH 9.1.89, NJW 89, 2685),
  • nur einen geringen Bruchteil in Höhe von 20 bis 30 Prozent des Verkehrswerts des Geschäftsanteils beträgt (BGH 20.9.93, NJW 93, 3193).
    Andererseits hat der BGH in seiner Entscheidung vom 18.4.02 (NJW 02, 2787/2789) dargelegt, dass eine Anpassung der gesellschaftsvertraglichen Abfindungsregel noch nicht allein dadurch erforderlich wird, dass der Abfindungsbetrag im Zeitpunkt der Ausschließung aus einer KG nur etwa ein Drittel des - geschätzten - wahren Werts des Kommanditanteils beträgt. Auch das Vorenthalten eines Ausgleichs für den Firmenwert oder für umfangreiche stille Reserven führt nicht automatisch zur Unwirksamkeit einer Buchwertklausel (vgl. BGH 24.9.84, NJW 85, 192, 193).
    3.4 Ratenzahlungs- und Stundungsvereinbarungen
    Gemäß § 271 Abs. 1 BGB ist die gesamte Abfindung unverzüglich mit dem Austritt des Gesellschafters aus der Gesellschaft fällig. Im Interesse der Liquiditätssicherung der Gesellschaft wird diese gesetzliche Regelung in vielen Fällen durch die Vereinbarung von Auszahlungsmodalitäten abbedungen. Nach der Rechtsprechung sind derartige Vereinbarungen wirksam, soweit sie sowohl den Interessen der Gesellschaft als auch den Interessen des ausscheidenden Gesellschafters angemessen Rechnung tragen. Die Gefahr der Sittenwidrigkeit und damit Nichtigkeit solcher Vereinbarungen ist gegeben, wenn
  • die Zahlung der ersten Abfindungsrate zu weit hinausgeschoben wird, zum Beispiel eine zehn Jahre übersteigende Abfindungszeit (BGH 9.1.89, NJW 89, 2685/2686) oder Auszahlung des Abfindungsguthabens in drei Raten nach fünf, acht und zehn Jahren nach der Kündigungserklärung (OLG Dresden 18.5.00, GmbHR 00, 718/719) oder
  • dem Gesellschafter das Risiko der Insolvenz der Gesellschaft auferlegt wird.
    Eine Verstärkung der belastenden Wirkungen von Auszahlungsvereinbarungen stellt das im Gesellschaftsvertrag enthaltene Abtretungsverbot für die Abfindungsansprüche (§ 399 BGB) dar. Die Liquiditätsverbesserung des Gesellschafters durch Kreditaufnahme scheitert daran, dass der Abfindungsanspruch nicht als Sicherheit herangezogen werden kann.
    Wichtig ist, dass dem Gesellschafter eine angemessene Verzinsung seines Abfindungsanspruchs gewährt wird, er darf also nicht schlechter gestellt werden, als wenn er im Zeitpunkt des Ausscheidens die Abfindung in verkehrsüblicher Weise anlegen würde (OLG Dresden 18.5.00, 21 U 3559/99, NZG 00, 1042). Dem ausscheidenden Gesellschafter kann nicht zugemutet werden, zinslos auf die Auszahlung seiner Abfindung zu warten.
    Praxishinweis: In den Stundungs- und Zahlungsvereinbarungen sollte für die Auszahlung des Abfindungsguthabens ein Zeitraum von nicht mehr als fünf Jahren festgelegt werden. Ferner ist eine angemessene Verzinsung der ausstehenden Raten zu vereinbaren. Unzumutbare Risiken für die spätere Durchsetzung der Ansprüche sind zu vermeiden. Allgemein ist zu sagen, dass Stundungs- und Zahlungsvereinbarungen dann weniger Risiken unterliegen, wenn die übrigen Abfindungsklauseln gesellschafterfreundlich ausgestaltet sind und die Abfindung zum vollen Anteilswert erfolgt (Baumbach/Hueck, GmbHG, § 34 Rn. 21 m.w.N.).
    Nicht vergessen werden darf auch, dass die durch das Ausscheiden aus der Gesellschaft entstehenden Steuerverpflichtungen vom Gesellschafter relativ zeitnah erfüllt werden müssen. Dies ist bei Stundungs- und Zahlungsvereinbarungen angemessen zu berücksichtigen; andernfalls kann der finanzielle Spielraum des Gesellschafters so stark eingeengt sein, dass im Ergebnis der Gesellschaftsaustritt finanziell unmöglich wird.
    4. Rechtsfolgen unzulässiger Abfindungsklauseln
    Soweit die Sittenwidrigkeit der vertraglichen Abfindungsklausel feststeht, tritt an ihre Stelle regelmäßig die gesetzliche Regelung. Eine ergänzende Vertragsauslegung oder eine Vertragsanpassung im Sinne einer geltungserhaltenden Reduktion kommt dann nicht mehr in Betracht. Im Ergebnis bedeutet dies, dass die Sittenwidrigkeit einer gesellschaftsvertraglichen Abfindungsregel dazu führt, dass der ausscheidende Gesellschafter zum vollen Anteilswert (Verkehrswert) abzufinden ist (vgl. BGH 16.12.91, BGHZ 116, 359/368).
    Ist die Abfindungsklausel zwar nicht sittenwidrig, besteht aber eine erhebliche Diskrepanz zwischen dem Abfindungsguthaben gemäß Satzungsklausel einerseits und dem tatsächlichen Anteilswert andererseits, so ist in der neueren BGH-Rechtsprechung (BGH 17.12.01, DStR 02, 461/462) die Tendenz erkennbar, dass der Weg der ergänzenden Vertragsauslegung nach den Grundsätzen von Treu und Glauben (§§ 133, 157, 242 BGB) beschritten wird. Das heißt, es erfolgt die Ermittlung eines neuen Abfindungsmaßstabs und die darauf aufbauende Bezifferung des neuen Abfindungsbetrages. Hierbei sind die beiderseitigen Interessen sowie sämtliche Umstände des Einzelfalles und die seit dem Vertragsschluss eingetretenen Änderungen der wirtschaftlichen Verhältnisse zu berücksichtigen (s.o. 2.1).
    5. Gerichtliche Durchsetzung einer höheren Abfindung
    Der ausgeschiedene Gesellschafter, der eine höhere als die vertraglich vereinbarte Abfindung gerichtlich erstreiten will, hat nach allgemeinen Grundsätzen darzulegen und zu beweisen, auf Grund welcher Umstände die auf der Basis der Satzung ermittelte Abfindung zu einer unangemessenen Beeinträchtigung seiner Entscheidungsfreiheit bzw. seiner Vermögensinteressen führt. Ihm steht ein Anspruch auf Einsicht in die für die Berechnung seines Abfindungsanspruchs maßgeblichen Bücher und Unterlagen der Gesellschaft aus der Zeit seiner Mitgliedschaft zu. Jedoch empfiehlt es sich aus rechtspraktischen Überlegungen, dass ein ausscheidungswilliger Gesellschafter bereits im Vorfeld seines Ausscheidens die notwendigen Unterlagen und Informationen zusammenträgt.
    6. Fazit
    Abfindungsklauseln dienen dazu, die gesetzliche Verkehrswertabfindung zu modifizieren und Streitigkeiten über die Höhe der Abfindung auszuschließen oder zumindest zu vermindern. Die Vereinfachungs- und Schlichtungsfunktion kann eine vertragliche Vereinbarung aber nur erfüllen, wenn sie rechtlich unangreifbar, für den Gesellschafter nachvollziehbar und wirtschaftlich vertretbar ist. Erforderlich ist damit ein klarer und praktikabler Maßstab für die Ermittlung der Abfindung. Zusammenfassend ist festzustellen, dass die sehr einzelfallbezogene Rechtsprechung unübersichtlich ist und deshalb allgemeingültige Gestaltungsempfehlungen nur sehr eingeschränkt gegeben werden können. Wer umfangreiche Ausführungen zum Thema "Fehlerhafte Abfindungsklauseln" sucht, dem sei der Aufsatz von Bacher/Spieth, GmbHR 03, 517 ans Herz gelegt. Abschließend werden nun zwei Musterformulierungen vorgestellt, die m.E. den Anforderungen der Rechtsprechung standhalten. Beachten Sie aber, dass es sich dabei selbstverständlich nur um Vorschläge handeln kann und die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts/Notars unerlässlich ist.
    Musterformulierung "Buchwertklausel"
    1.Scheidet ein Gesellschafter aus der Gesellschaft aus, steht ihm ein Abfindungsguthaben in Höhe seines Kapitalanteils zu. Erfolgt das Ausscheiden zum Ende eines Geschäftsjahres, ist der Kapitalanteil der Jahresbilanz für dieses Geschäftsjahr zu entnehmen. Andernfalls wird der Kapitalanteil des Ausscheidenden durch Erstellung einer Bilanz auf den Tag des Ausscheidens ermittelt. Diese Auseinandersetzungsbilanz ist nach den Grundsätzen für die Jahresbilanz zu erstellen; stille Reserven werden nicht aufgelöst, und ein Geschäftswert wird nicht angesetzt.
    2.Besteht zum Zeitpunkt des Ausscheidens ein Missverhältnis zwischen dem nach obigen Grundsätzen ermittelten Abfindungswert und dem wirklichen Wert der Beteiligung, das dem ausscheidenden Gesellschafter oder seinen Erben unzumutbar ist, kann eine Anpassung durch einen von der für die Gesellschaft zuständigen Industrie- und Handelskammer am Sitz der Gesellschaft zu bestimmenden Schiedsgutachter verlangt werden. Der Schiedsgutachter entscheidet, ob ein unzumutbares Missverhältnis vorliegt. Er hat bei der Anpassung von der obigen Bewertungsmethode auszugehen und deren Ergebnis nach den Grundsätzen von Treu und Glauben unter angemessener Abwägung der Interessen der Gesellschaft und des ausgeschiedenen Gesellschafters sowie unter Berücksichtigung der Einzelumstände den veränderten Verhältnissen seit Vereinbarung der Abfindungsregelung anzugleichen.
    3.Die Abfindung ist in fünf gleichen Jahresraten zu zahlen. Die erste Rate ist sechs Monate nach dem Ausscheiden fällig, die weiteren jeweils zum 31.12. der Folgejahre. Die Abfindung ist vom Tage des Ausscheidens an mit ... Prozent zu verzinsen. Die Zahlung der Zinsen erfolgt jeweils bei Fälligkeit der Jahresraten.
    Musterformulierung "Etragswertklausel"
    1.Scheidet ein Gesellschafter aus der Gesellschaft aus und kommt eine Einigung über die ihm bzw. seinen Rechtsnachfolgern zu zahlende Abfindung nicht zustande, entscheidet über die Höhe und Zahlungsweise der Abfindung ein Wirtschaftsprüfer oder eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft als Schiedsgutachter. Dieser Schiedsgutachter wird auf Antrag einer der Parteien von der für die Gesellschaft zuständigen Industrie- und Handelskammer am Sitz der Gesellschaft bestimmt.
    2.Die Anteilsbewertung erfolgt auf der Grundlage einer Unternehmensbewertung nach den dann geltenden Bewertungsgrundsätzen des Instituts der Wirtschaftsprüfer, derzeit IDW S 1 vom 28.6.00. Stehen derartige Bewertungsgrundsätze nicht mehr zur Verfügung, so bestimmt der Schiedsgutachter die Bewertungsmethode. Der Schiedsgutachter bestimmt auch die Einzelheiten der Bewertungsgrundsätze. Von dem ermittelten Unternehmens- bzw. Anteilswert ist ein Abschlag von 25 v.H. zum Unternehmensschutz zu machen.
    3.Der Schiedsgutachter kann bestimmen, dass der Abfindungsbetrag in zeitlich gestreckten Teilbeträgen bei angemessener Verzinsung zu zahlen ist.
    4.Die Kosten des Schiedsgutachters tragen die Gesellschaft und der ausscheidende Gesellschafter bzw. seine Rechtsnachfolger jeweils hälftig.
    Quelle: Gestaltende Steuerberatung - Ausgabe 04/2004, Seite 147
    Quelle: Ausgabe 04 / 2004 | Seite 147 | ID 103921

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