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  • · Fachbeitrag · Ausschlagung

    Wirksam ausgeschlagen, wirksam angefochten

    von RA Notar StB Dipl.-Kfm. Gerhard Slabon, FA ErbR, Paderborn

    | Das OLG Düsseldorf hatte sich mit Urteil vom 21.9.17 mit einer missglückten Ausschlagung zu beschäftigen. Konkret ging es um die Frage, ob eine Ausschlagung zugunsten der Mutter angefochten werden kann, wenn sich später herausstellt, dass neben der Mutter auch eine Schwester des Erblassers zur gesetzlichen Erbfolge berufen ist. |

     

    Sachverhalt

    Der Erblasser verstarb, ohne eine letztwillige Verfügung zu hinterlassen. Der einzige Sohn S des Erblassers schlug die Erbschaft aus und dachte, dass damit seine Mutter EF zur Alleinerbin berufen sein würde. Die EF stellte einen Antrag auf Erteilung eines Erbscheins, der sie als Alleinerbin ausweist. Das Nachlassgericht teilte der EF daraufhin mit, dass der überlebende Ehegatte in der gesetzlichen Erbfolge nur dann Alleinerbe werde, wenn keine Erben 1. oder 2. Ordnung oder Großeltern vorhanden sind, und bat sie um Darstellung der Erbfolge.

     

    Daraufhin erklärte der S die Anfechtung seiner Erbausschlagung wegen Irrtums. Er sei davon ausgegangen, dass seiner Mutter durch die Ausschlagung das Erbe nach seinem Vater zu 100 % zufallen werde. Von der Existenz der Schwester seines Vaters habe er erst nach Rückkehr von einer Auslandsreise, also lange nach der Ausschlagung, von seiner Mutter erfahren.

     

    Anschließend beantragten die EF und S einen Erbschein zu je 1/2 kraft gesetzlicher Erbfolge. Dem trat die Schwester entgegen und stellte ihrerseits einen Erbscheinsantrag, wonach die EF zu 3/4 und sie selbst zu 1/4 gesetzliche Erben des Erblassers geworden seien.

     

     

    Entscheidungsgründe

    Die Ausschlagung wurde zunächst wirksam erklärt (OLG Düsseldorf 21.9.17, I-3 Wx 173/17, Abruf-Nr. 197813). Zwar ist die Ausschlagung in der Erwartung erklärt worden, dass der Nachlass in vollem Umfang an die EF fallen werde. Da sich diese Erwartung jedoch in keiner Weise in der Ausschlagungserklärung niedergeschlagen hat, liegt darin keine Bedingung im Rechtssinne, die gemäß § 1947 BGB die Unwirksamkeit der Ausschlagung zur Folge hätte.

     

    Die Ausschlagung ist jedoch infolge wirksamer Anfechtung als von Anfang an nichtig anzusehen (§ 142 Abs. 1 BGB). Die Anfechtung kann hier allein auf § 119 BGB gestützt werden. Hier kommt ein Irrtum über den Inhalt der Erklärung in Betracht. Ein solcher Inhaltsirrtum kann auch darin gesehen werden, dass der Erklärende über Rechtsfolgen seiner Willenserklärung irrt. Dies deshalb, weil das Rechtsgeschäft nicht nur die von ihm erstrebten Rechtswirkungen erzeugt, sondern solche, die sich davon unterscheiden.

     

    • Teilweise wird die Auffassung vertreten, dass es sich bei der falschen Vorstellung darüber, wem die Erbschaft infolge der Ausschlagung zugutekommt, lediglich um einen unbeachtlichen Motivirrtum handelt (z. B. OLG München 4.8.09, 31 Wx 060/09, 31 Wx 60/09, NJW 10, 687).

     

    • Demgegenüber wird vertreten, in aller Regel (miss-)verstehe der Ausschlagende die Ausschlagung als Weitergabe des Erbrechts und befinde sich daher regelmäßig in einem Irrtum über den Inhalt der Ausschlagung (Staudinger/Otte, BGB, § 1954 Rn. 6).

     

    • Eine weitere Auffassung nimmt an, es sprächen die besseren Gründe dafür, den Anfall der Erbschaft an eine andere Person zu den Hauptwirkungen der Ausschlagung zu rechnen. Diese Auffassung will daher die Anfechtung wegen Inhaltsirrtums stets zulassen, wenn der Ausschlagende insoweit ein bestimmtes Ergebnis erzielen wollte und sich dabei über die Rechtsfolgen der Ausschlagung geirrt hat (MüKo/Leipold, BGB, § 1954 Rn. 7).

     

    Das OLG Düsseldorf schließt sich letzterer Auffassung an: Jedenfalls wenn der Ausschlagende ‒ fälschlicherweise ‒ davon überzeugt war, dass es außer ihm keine anderen potenziellen gesetzlichen Erben gibt und dass die Erbschaft zwangsläufig der Mutter in voller Höhe anwachsen würde, liegt daher ein Irrtum über die unmittelbaren und wesentlichen Wirkungen der Ausschlagung vor.

     

    Relevanz für die Praxis

    Es kommt oft vor, dass der Ehemann verstirbt, kein Testament errichtet hat und nun von seiner Ehefrau und den Kindern beerbt wird. Oft versuchen die Parteien dann diesen Sachverhalt zu heilen, indem die Kinder ausschlagen, damit die Mutter Alleinerbin wird. Das gilt jedoch nur, wenn der verstorbene Ehegatte sonst keine Verwandten (Eltern, Geschwister) hatte. Missglückt die Ausschlagung, kann die Ausschlagung aber dann angefochten werden, wenn glaubhaft vorgetragen wird, man sei davon überzeugt gewesen, dass es ‒ außer der Mutter ‒ keine anderen gesetzlichen Erben gibt. Eine Schenkung der bei den Kindern angefallenen Erbschaft an die Mutter verbietet sich, weil die Mutter in diesen Fällen in der Steuerklasse II bei einem Freibetrag von lediglich 20.000 EUR erwerben würde.

    Quelle: Ausgabe 12 / 2017 | Seite 299 | ID 45002462

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