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  • 25.04.2013 · IWW-Abrufnummer 131361

    Oberlandesgericht Düsseldorf: Beschluss vom 21.02.2013 – 3 Wx 193/12

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    Tenor:
    Das Rechtsmittel wird auf Kosten der Beteiligten zu 2 zurückgewiesen.
    Wert: 150.000,- Euro.
    G r ü n d e:
    I.
    Der Beteiligte zu 1 ist der Sohn aus erster Ehe, die Beteiligte zu 2 die zweite Ehefrau des am 13. Januar 2012 verstorbenen Erblassers, mit der er seit dem 13. Mai 2011 verheiratet war.
    Der Beteiligte zu 1 hat am 11. April 2012 einen ihn als Alleinerben ausweisenden Erbschein beantragt.
    Er hat geltend gemacht, die Beteiligte zu 2 sei infolge des Ehe- und Erbverzichtsvertrages, den der Erblasser am 23. Februar 2011 zu UR-Nr. 81/2011 des Notars S. in Oberhausen mit ihr geschlossen habe, nicht mehr erbberechtigt.
    Hiergegen wendet sich die Beteiligte zu 2 und macht geltend, der Ehe- und Erbverzichtsvertrag sei nichtig, so dass der Erblasser von ihr, der Beteiligten zu 2, sowie dem Beteiligten zu 1 zu je 1/2 Anteil beerbt worden sei. Der Vertrag sei sittenwidrig (§ 138 BGB), durch Täuschung über die Höhe seines Vermögens herbeigeführt und zudem mit der Nichtigkeitsfolge des § 142 BGB gegenüber dem Beteiligten zu 1 am 20. März 2012 wirksam angefochten.
    Der Beteiligte zu 1 tritt dem entgegen.
    Das Amtsgericht – Rechtspflegerin - hat mit Beschluss vom 11. Juli 2012 die zur Erteilung des von dem Beteiligten zu 1 beantragten Erbscheins erforderlichen Tatsachen für festgestellt erachtet, die Erteilung eines entsprechenden Erbscheins angekündigt und seine Entscheidung wie folgt begründet:
    Der Antrag des Beteiligten zu 1 auf Erteilung eines Alleinerbscheins sei berechtigt. Der Ehe- und Erbverzichtsvertrag sei nicht nichtig.
    Eine Anfechtung eines Ehe- und Erbverzichtsvertrages (§§ 123, 142, 812, 2346 BGB) sei nach dem Erbfall nicht mehr möglich; sie könne den Erbverzicht nicht rückwirkend beseitigen.
    Die gegenüber dem Beteiligten zu 1 erklärte Anfechtung des Erbverzichtsvertrages sei daher unbeachtlich.
    Gründe für eine Sittenwidrigkeit des Ehe- und Erbverzichtsvertrages seien nicht ersichtlich. Der Abschluss eines notariellen Gütertrennungsvertrages sowie eines Ehe- und Erbverzichtsvertrag sei gesetzlich zulässig, wobei auch der Zugewinnausgleich, der Versorgungsausgleich und der nacheheliche Unterhalt ausgeschlossen werden könnten.
    Soweit die Beteiligte zu 2 sich zum Beleg der Sittenwidrigkeit des notariellen Erbverzichts- und Abfindungsvertrages auf die Entscheidung des OLG München vom 25.01.2006 berufe, sei diese auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar.
    Der Ehe- und Erbverzichtsvertrag sei auch nicht mit Täuschungsabsicht des Erblassers gegenüber der Beteiligten zu 2 herbeigeführt worden und damit nichtig/sittenwidrig. Schon aus der Präambel ergebe sich als Motivation der Vertragsbeteiligten zum Abschluss des notariellen Vertrages, dass beide künftige Ehegatten sich aus eigenem Einkommen unterhalten können und die Kinder der Vertragsschließenden aus deren früheren Ehen in ihren künftigen Erb-und Pflichtteilsansprüchen nicht beeinträchtigt werden sollen.
    Gerade dies spreche für die grundsätzliche Bedeutungslosigkeit der Höhe des Vermögensverzichts bei den künftigen Eheleuten. Damit sei es den Vertragsparteien in erster Linie nicht auf den Wert des Verzichts angekommen. Der Verzicht würde im Übrigen auch weitere denkbare Fälle von Vermögenszuwachsen ( z. B. Lottogewinn oder Vermögenszuwachs infolge einer Erbschaft eines Ehepartners ) erfasst haben.
    Überdies sei davon auszugehen, dass der beurkundende Notar die künftigen Eheleute hinreichend und zutreffend über die Bedeutung und die Folgen des Vertrages belehrt hat. Im notariellen Vertrag selbst sei eine Wertangabe, über die man hätte irren können, nicht enthalten. Im Übrigen könne unter Berücksichtigung des Alters der Beteiligten zu 2 zur Zeit des Vertragsabschlusses, ihrer Berufstätigkeit, mehrerer Eheschließungen/Scheidung und der Geburt bzw. der Erziehung von Kindern auch nicht von einer Lebensunerfahrenheit und Geschäftsunerfahrenheit der Vertragsbeteiligten ausgegangen werden.
    Nach dem Vorbringen des Beteiligten zu 1 sei davon auszugehen, dass der Beteiligten zu 2 bei Vertragsschluss die Vermögensverhältnisse ihres künftigen Ehemannes auch wegen der räumlichen Nähe/ der gemeinsamen Wohnung (anders als in der zitierten Entscheidung des OLG München) bekannt gewesen sind.
    Der hiergegen gerichteten Beschwerde der Beteiligten zu 2 mit dem Begehren, das Amtsgericht anzuweisen, einen anderen Erbschein zu je 1/2 Anteil zu erteilen, hat das Amtsgericht durch Beschluss vom 16. August 2012 nicht abgeholfen und die Sache dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt.
    Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.
    II.
    Die statthafte (§§ 58 Abs. 1, 252 Abs. 3 FamFG) und auch im Übrigen zulässige Beschwerde – die Entscheidung über die Anweisung des Nachlassgerichts zur Erteilung eines anderen Erbscheins ist dem Senat im Beschwerdeverfahren nicht angefallen - hat in der Sache keinen Erfolg.
    1.
    Zu Recht ist das Nachlassgericht bei seiner Entscheidung davon ausgegangen, dass
    dem Beteiligten zu 1 mit Blick auf einen im Ehe- und Erbverzichtsvertrag vom 23. Februar 2011 zu UR-Nr. 81/2011 des Notars S. in Oberhausen wirksam erklärten Erbverzicht der Beteiligten zu 2 nach der in Ermangelung einer letztwilligen Verfügung geltenden gesetzlichen Erbfolge ein Alleinerbschein nach dem Erblasser zu erteilen sein wird und hat die hierfür erforderlichen Tatsachen für festgestellt erachtet.
    a)
    Gemäß § 2346 Abs. 1 Satz 1 BGB kann der Ehegatte des Erblassers durch Vertrag mit dem Erblasser auf sein gesetzliches Erbrecht verzichten mit der Folge, dass er von der Erbfolge ausgeschlossen ist, wie wenn er zur Zeit des Erbfalls nicht mehr lebte, § 2346 Abs. 1 Satz 2 BGB.
    Bei dem Erbverzicht, der überwiegend auf Grund einer dem Verzichtenden vom Erblasser gewährten oder versprochen Abfindung erklärt wird, aber auch unentgeltlich bzw. ohne Abfindung erklärt werden kann, handelt es sich um ein abstraktes erbrechtliches Verfügungsgeschäft, das unmittelbar den Verlust des gesetzlichen Erbrechts bewirkt (Palandt/Weidlich, BGB, 70. Auflage, § 2346 Rdnr. 4, 12).
    Auf den Erbverzicht als Rechtsgeschäft unter Lebenden finden grundsätzlich die allgemeinen Vorschriften über Verträge Anwendung (Palandt/Weidlich, a.a.O., Rdnr. 5; MünchKomm/Wegerhoff, BGB, 5. Aufl., § 2346 Rdnr. 4).
    2.
    Dies vorausgeschickt, ist das Nachlassgericht zu Recht von der Wirksamkeit des seitens der Beteiligten zu 2 im Ehe- und Erbverzichtsvertrag vom 23. Februar 2011 erklärte Erbverzichts ausgegangen.
    a)
    Zu Recht hat das Nachlassgericht ausgeführt, dass ein Erbverzichtsvertrag nach dem Eintritt des Erbfalles nicht mehr angefochten werden kann (OLG Koblenz NJW-RR 1993,708).
    b)
    Beanstandungsfrei hat das Nachlassgericht die von der Beteiligten zu 2 reklamierte Unwirksamkeit des Ehe- und Erbverzichtsvertrag aus dem Gesichtspunkt der Sittenwidrigkeit (§ 138 BGB) wegen einer Täuschung von Seiten des Erblassers über die wahren Vermögensverhältnisse (Bankguthaben in Luxemburg von etwa 300.000, - Euro) nicht angenommen. Das Beschwerdevorbringen gibt zu einer abweichenden Beurteilung keinen Anlass.
    aa)
    Ob und inwieweit der Erbverzicht als abstraktes Verfügungsgeschäft sittenwidrig sein kann bzw. bei gescheiterter Anfechtung wegen arglistiger Täuschung über den vermögensstand eine Sittenwidrigkeit des Kausalgeschäfts wegen des engen Zusammenhangs mit dem Verfügungsgeschäft dieses „infizieren“ kann, mag offen bleiben. Denn die Voraussetzungen einer Sittenwidrigkeit sind vorliegend in Bezug auf den Ehe- und Erbverzichtsvertrag jedenfalls nicht erfüllt.
    bb)
    Die Beurteilung der Sittenwidrigkeit im Sinne des § 138 BGB erfordert eine Gesamtbetrachtung. Sittenwidrig ist ein solches Rechtsgeschäft, wenn es nach seinem aus der Zusammenfassung von Inhalt, Beweggrund und Zweck zu entnehmenden Gesamtcharakter mit den guten Sitten nicht vereinbar ist, wobei weder das Bewusstsein der Sittenwidrigkeit noch eine Schädigungsabsicht erforderlich ist, es vielmehr genügt, wenn der Handelnde die Tatsachen kennt, aus denen die Sittenwidrigkeit folgt (BGH NJW 2000, 1127; OLG München, FamRZ 2007, 418).
    (cc)
    Dies ist hier nicht ersichtlich, ergibt sich insbesondere, anders als im Fall des OLG München, nicht maßgeblich daraus, dass eine am Vermögen des Erblassers orientierte Berechnung unterblieben ist, weil nichts dafür spricht, dass der Vermögensstand des Erblassers maßgeblichen Einfluss auf den Verzicht hatte.
    Schon die Präambel des notariellen Vertrages steht dagegen, dass überhaupt die Vermögensverhältnisse thematisiert worden sind. Die Ehegatten gingen hiernach davon aus, dass sie in der Lage sind, sich aus eigenem Einkommen selbst zu unterhalten. Die jeweiligen Kinder sollten in ihren künftigen Erb- und Pflichtteilsansprüchen nicht beeinträchtigt werden. Die Ehegatten wollten einander nicht beerben. Der notarielle Vertrag enthält keine Andeutung im Sinne einer Einbeziehung der Vermögensverhältnisse überhaupt, geschweige denn solcher eines bestimmten Standes.
    Mit Blick hierauf spricht nichts dafür, dass der Erblasser nach den gegebenen Umständen hätte verpflichtet gewesen sein können, ungefragt über den Stand seines Vermögens Auskunft geben, geschweige denn eine unterbliebene Auskunft einen Anhalt für eine Sittenwidrigkeit des Geschäfts darstellen könnte. Wenn die Beteiligte zu 2, der die Vermögensverhältnisse des Erblassers angeblich nicht nur hinsichtlich der Luxemburger Konten, sondern auch im Übrigen weitgehend unbekannt waren, gleichwohl nicht nach seinem Vermögensstand gefragt hat, hätte es sich angeboten, den Erblasser danach zu fragen. Dass die Beteiligte zu 2 indes die Vermögensverhältnisse des Erblassers zum Gegenstand einer Nachfrage gemacht habe, behauptet sie nicht einmal, was es nahe legt, dass sie entweder – so der Beteiligte zu 1 - Bescheid wusste oder es ihr nicht darauf ankam. Die nunmehr von ihr ins Feld geführte angebliche Basis „ähnlicher Einkommensverhältnisse und Rücklagen“ findet im Vertrag keine Stütze und ist von ihr bei den Verhandlungen nicht verlautbart worden (vgl. § 116 BGB).
    c)
    Ob und inwieweit ein sittenwidriger oder der Inhaltskontrolle unterliegender und ihr nicht stand haltender Ehevertrag (vgl. Münch, ZEV 2008, 571) geeignet sein kann, einen erbrechtlichen Verzicht zu „infizieren“, bedarf hier keiner Entscheidung, da entsprechende Merkmale dem hier in Rede stehenden Ehevertragsteil nicht anhaften. Ein Ehevertrag kann sich in einer Gesamtwürdigung nur dann als sittenwidrig und daher als insgesamt nichtig erweisen, wenn konkrete Feststellungen zu einer unterlegenen Verhandlungsposition des benachteiligten Ehegatten getroffen worden sind (BGH XII ZR 129/10 vom 31.10.2012 bei Juris). Hierfür bietet das Vorbringen der Beteiligten zu 2 keine greifbaren Anhaltspunkte
    Nach alledem besteht nicht der geringste Anhalt für eine aus Sittenwidrigkeit hergeleitete Nichtigkeit des Ehe- und Erbverzichtsvertrages.
    3.
    Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 FamFG.
    Die Wertfestsetzung beruht auf §§ 131 Abs. 4, 30 Abs. 1 KostO. Das wirtschaftliche Interesse der Beteiligten zu 2 bemisst sich auf die Erlangung der Hälfte eines von ihr mit mindestens 300.000,- Euro angenommenen Nachlasses.

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