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  • 18.07.2000 · IWW-Abrufnummer 000727

    Bundesfinanzhof: Urteil vom 08.02.2000 – II R 9/98

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.



    Gründe

    I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) und Frau A schlossen am 30. März 1995 eine als "Übertragungsvertrag" bezeichnete, notariell beurkundete Vereinbarung über einen hälftigen Miteigentumsanteil an einem bebauten Grundstück, in der es u.a. heißt:

    "§ 1

    ...

    Die Erschienene zu 1) (= A) überträgt hiermit die ideelle Hälfte an dem vorbezeichneten Grundbesitz mit allen Baulichkeiten auf den Erschienenen zu 2) (= Kläger).

    Der Erschienene zu 2) nimmt die Übertragung hiermit an.

    Die Übertragung erfolgt unentgeltlich.

    § 2

    Die Übertragung erfolgt am 01.07.1995. Die anteiligen Rechte und Nutzungen, die Gefahr des zufälligen Unterganges des Grundbesitzes und die öffentlichen Lasten und Nutzungen gehen vom Tage der Übertragung an auf den Erschienenen zu 2) über.

    Die Übertragung erfolgt in dem bestehenden Zustand ohne Gewährleistung der Erschienenen zu 1) für Größe, Güte und Beschaffenheit.

    ..."

    Die Beteiligten erklärten darüber hinaus die Auflassung, bewilligten und beantragten die Eintragung der Eigentumsänderung im Grundbuch und beauftragten unter Verzicht auf ein eigenes Antragsrecht den Notar mit der Durchführung des Vertrages.

    Durch notariell beurkundeten Aufhebungsvertrag vom 21. April 1995 hoben der Kläger und A den Vertrag vom 30. März 1995 "rückwirkend" auf.

    Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) sah mit dem Abschluss des Übertragungsvertrages vom 30. März 1995 eine Schenkung des Miteigentumsanteils als ausgeführt an und setzte gegen den Kläger Schenkungsteuer fest. Der Einspruch blieb erfolglos.

    Mit der Klage machte der Kläger u.a. geltend, die Vertragsbeteiligten hätten eine Übertragung des Miteigentumsanteils an dem Grundstück erst nach einer "Bedenkzeit" beabsichtigt. Der Vollzug des Schenkungsversprechens vom 30. März 1995 habe erst am 1. Juli 1995 erfolgen sollen.

    Das Finanzgericht (FG) wies die Klage mit dem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1998, 674 veröffentlichten Urteil als unbegründet ab.

    Mit der vom FG zugelassenen Revision rügt der Kläger Verletzung materiellen Rechts.

    Der Kläger beantragt, das Urteil und den Schenkungsteuerbescheid in der Gestalt des Einspruchsbescheides aufzuheben.

    Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

    II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung, des Schenkungsteuerbescheids und der Einspruchsentscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

    1. Die Vorentscheidung ist aufzuheben, weil das FG zu Unrecht angenommen hat, die von A beabsichtigte Zuwendung des hälftigen Grundstücksmiteigentumsanteils sei bereits mit der Abgabe der im Übertragungsvertrag vom 30. März 1995 enthaltenen Erklärungen ausgeführt worden.

    Bei Schenkungen unter Lebenden entsteht die Steuer gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 2 des Erbschaftsteuergesetzes (ErbStG) mit dem Zeitpunkt der Ausführung der Zuwendung. Die freigebige Zuwendung (Schenkung) eines Grundstücks oder eines Miteigentumsanteils an einem Grundstück ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs --BFH-- (vgl. Urteil vom 26. September 1990 II R 150/88, BFHE 163, 214, BStBl II 1991, 320, m.w.N.) ausgeführt, wenn die Vertragspartner die für die Eintragung der Rechtsänderung in das Grundbuch erforderlichen Erklärungen in gehöriger Form abgegeben haben und der Beschenkte auf Grund dieser Erklärungen in der Lage ist, beim Grundbuchamt die Eintragung der Rechtsänderung zu bewirken. Dies ist der Fall, wenn von den Vertragsparteien die Auflassung erklärt (§ 925 Abs. 1 Satz 1, § 873 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs --BGB--) und die Eintragung der Rechtsänderung in das Grundbuch von dem Berechtigten, nämlich dem Schenker, bewilligt worden ist. Denn damit hat der Schenker alles zur Bewirkung der Leistung Erforderliche getan, während der Beschenkte jederzeit die Eintragung im Grundbuch als Eigentümer beantragen und damit den Eintritt der --dinglichen-- Rechtsänderung herbeiführen kann. Darüber hinaus kann er auf Grund der Auflassung über die durch die Rechtsgeschäfte für ihn begründeten Rechte verfügen, insbesondere das Grundstück an einen Dritten weiter auflassen.

    Nach diesen Grundsätzen, an denen der Senat festhält, war im Streitfall die Zuwendung des Miteigentumsanteils mit dem Abschluss des Übertragungsvertrags vom 30. März 1995 noch nicht ausgeführt. Denn die Vereinbarungen im Vertrag vom 30. März 1995 haben den Kläger (noch) nicht in die Lage versetzt, den Eintritt der Rechtsänderung durch einen entsprechenden Antrag beim Grundbuchamt herbeizuführen. Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 des Vertrages sollte nämlich die "Übertragung" aufschiebend befristet erst am 1. Juli 1995 erfolgen.

    Die Befristungsregelung in § 2 Abs. 1 Satz 1 betrifft nicht nur die unmittelbar anschließende Vereinbarung über den Zeitpunkt des Übergangs der anteiligen Rechte und Nutzungen, der Gefahr und der Lasten (§ 2 Abs. 1 Satz 2). Wäre dies gewollt gewesen, hätte es der Anknüpfung an "den Tag der Übertragung" nicht bedurft. Ausreichend wäre insoweit gewesen zu vereinbaren, dass die anteiligen Rechte und Nutzungen, die Gefahr und die Lasten am 1. Juli 1995 übergehen sollen. Vielmehr kommt der Regelung in § 2 Abs. 1 Satz 1 des Vertrages erkennbar eine eigenständige, über den Übergang der anteiligen Rechte und Nutzungen, der Gefahr und der Lasten (§ 2 Abs. 1 Satz 2) hinausreichende Bedeutung zu. Aus der Verwendung des von § 2 Abs. 1 Satz 2 lediglich in Bezug genommenen weiterreichenden Begriffs der "Übertragung" ergibt sich, dass die vollen (schuldrechtlichen oder dinglichen) Wirkungen des Rechtsgeschäfts erst am 1. Juli 1995 eintreten sollten bzw. zumindest der Vollzug des Zuwendungsvorgangs nicht vor dem 1. Juli 1995 vorgenommen werden durfte. Die Befristungsregelung hat deshalb jedenfalls dazu geführt, dass der Kläger die Rechtsänderung nicht vor dem 1. Juli 1995 herbeiführen konnte bzw. durfte.

    Die Regelung in § 2 Abs. 1 Satz 1 des Vertrages ist sprachlich insoweit unscharf, als sich aus der Verwendung des Begriffs "Übertragung" nicht ohne weiteres ergibt, welches Rechtsgeschäft, das schuldrechtliche oder das dingliche Geschäft, aufschiebend bedingt erst am 1. Juli 1995 wirksam werden sollte oder ob nur der Vollzug des Rechtsgeschäfts, d.h. die Berechtigung, von Auflassung und Eintragungsbewilligung Gebrauch machen zu dürfen, zeitlich bis zum 1. Juli 1995 hinausgeschoben werden sollte. Denn der eigentlich das dingliche Geschäft umschreibende Begriff "Übertragung" (vgl. § 925 Abs. 1 BGB) wird im Vertrag mehrdeutig auch als Ersatzbegriff für das schuldrechtliche Geschäft (Schenkung) verwendet, soweit die "Übertragung" unentgeltlich (§ 1 Abs. 3 des Vertrages) und ohne Gewährleistung (§ 2 Abs. 2 des Vertrages) erfolgen sollte.

    Diesen Auslegungsfragen braucht indes im Einzelnen nicht nachgegangen zu werden. Denn handelte es sich dabei um eine die Auflassung selbst betreffende Befristung, wäre diese nach § 925 Abs. 2 BGB unzulässig und damit nichtig. In diesem Fall hätte die (nichtige) Auflassung zu keinem Zeitpunkt zur Rechtsänderung im Grundbuch führen können.

    Beträfe die Befristungsregelung das schuldrechtliche Geschäft, wäre der Rechtsgrund für die Grundstücksübertragung nicht vor dem 1. Juli 1995 entstanden. Vor diesem Zeitpunkt hätte der Kläger gegenüber A keinen Anspruch auf den Miteigentumsanteil gehabt und hätte deswegen unabhängig von der bereits erklärten Auflassung und der von A abgegebenen Eintragungsbewilligung im Verhältnis zur A vor dem 1. Juli 1995 von diesen Erklärungen und Anträgen der A keinen Gebrauch machen dürfen.

    Selbst wenn eine Vertragsauslegung ergäbe, dass die Regelung in § 2 Abs. 1 Satz 1 des Vertrages weder das schuldrechtliche noch das dingliche Geschäft als solches beträfe, läge hierin zumindest die Vereinbarung einer Vollzugshemmung des Inhalts, dass der Kläger von der mit der Auflassung und der Eintragungsbewilligung grundsätzlich verbundenen Möglichkeit, als Nichtberechtigter über das Grundstück zu verfügen (§ 185 Abs. 1 BGB) bzw. die Eigentumsänderung herbeizuführen, nicht schon unmittelbar nach Erklärung der Auflassung Gebrauch machen durfte, sondern erst zu einem späteren Zeitpunkt (vgl. zur Zulässigkeit einer solchen Regelung: Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 1. Dezember 1988 V ZR 10/88, BGHZ 106, 108, m.w.N.; Medicus, Deutsche Notar-Zeitschrift 1990, 275, 279; Kanzleiter in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, § 925 Rdnr. 27).

    Nachdem die Vertragsparteien den Vertrag vom 30. März 1995 am 21. April 1995 und damit vor dem 1. Juli 1995 wieder aufgehoben haben, war der Kläger zu keinem Zeitpunkt berechtigt, die Rechtsänderung herbeizuführen.

    2. Die Sache ist spruchreif. Da der Kläger bis zum 1. Juli 1995 bzw. bis zur Aufhebung des Vertrages am 21. April 1995 gehindert war, von der Rechtsstellung, die er durch die Auflassung und die Bewilligung, die Rechtsänderung im Grundbuch einzutragen, erlangt hatte, Gebrauch zu machen, war die Zuwendung noch nicht ausgeführt. Der angefochtene Schenkungsteuerbescheid und die Einspruchsentscheidung sind daher rechtswidrig und aufzuheben.

    RechtsgebieteFGO, ErbStG, BGBVorschriftenFGO § 126 Abs. 3 Nr. 1 ErbStG § 9 Abs. 1 Nr. 2 BGB § 925 Abs. 1 Satz 1 BGB § 925 Abs. 1 BGB § 925 Abs. 2 BGB § 873 Abs. 1

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