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  • 26.02.2014 · IWW-Abrufnummer 140583

    Finanzgericht Münster: Urteil vom 19.04.2013 – 14 K 3020/10 E

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    Finanzgericht Münster

    14 K 3020/10 E

    Tenor:

    Der Einkommensteuerbescheid für 2005 vom 01.02.2010 und die Einspruchsentscheidung vom 15.07.2010 werden aufgehoben, soweit sie an den Kläger bekanntgegeben wurden.

    Die Kosten des Verfahrens werden dem Beklagten auferlegt.

    Das Urteil ist wegen der Kosten in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs des Klägers vorläufig vollstreckbar.

    Tatbestand

    Zu entscheiden ist, ob ein an den Kläger „als Rechtsnachfolger“ eines verstorbenen Steuerpflichtigen bekanntgegebener Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr 2005 wegen inhaltlicher, auf einem Adressierungsmangel beruhender Unbestimmtheit nichtig ist und – wenn nein – ob es der Beklagte zu Recht abgelehnt hat, gegenüber den Mitgliedern einer Erbengemeinschaft, der unter anderem auch der Kläger angehört, die Einkommensteuer auf der Grundlage einer von dem Kläger eingereichten Einkommensteuererklärung festzusetzen.

    Der Kläger ist Steuerberater. In dieser Eigenschaft hatte ihm unter anderem auch sein Onkel, Herr J.H., den er auch schon früher steuerlich vertreten hatte, am 30.08.2004 schriftlich Vollmacht „zur Vertretung vor allen Finanzbehörden“ erteilt.

    Am 06.04.2006 verstarb Herr J.H., der vor seinem Tod in der N-straße in H gewohnt hatte, und wurde ausweislich des Erbscheins des Amtsgerichts H vom 21.03.2007 von Frau G.P., Frau B.S. und Herrn N.P. zu jeweils 1/9 sowie von Frau F.T. und dem Kläger zu jeweils 1/3 beerbt.

    Am 27.03.2007 erließ der Beklagte für das Streitjahr einen Einkommensteuerbescheid, in dem er – auf der Grundlage einer Schätzung der von dem verstorbenen Herrn J.H. erzielten Einkünfte und unter dem Vorbehalt der Nachprüfung – eine Einkommensteuer in Höhe 96.469,00 Euro festsetzte. Den Bescheid gab der Beklagte an „Herrn RA C. ... als Nachlasspfleger für Herrn J.H.“ bekannt.

    Gegen diesen Bescheid legte Herr RA C., der nach Angaben von Frau F.T. in einem Schreiben an den Beklagten vom 29.01.2009 ursprünglich zum Betreuer des Herrn J.H. und nach dessen Tod für den Zeitraum 20.10.2006 bis 02.04.2007 als Nachlasspfleger bestellt worden war, mit Schreiben vom 04.04.2007 mit dem Bemerken, zwar sei seines Wissens nach die Nachlasspflegschaft bislang nicht aufgehoben, allerdings stünde zwischenzeitlich fest, wer Herrn J.H. beerbt habe und es sei auch bereits ein Erbschein erteilt worden, Einspruch ein, den der Beklagte mit an Herrn RA C. „als gesetzlicher Vertreter (Nachlasspfleger) für die Erben des verstorbenen J.H.“ gerichteter und zugleich auch an diesen persönlich bekanntgegebener Einspruchsentscheidung vom 04.06.2007 als unbegründet zurückwies.

    Mit Schreiben der Wirtschaftsprüfer- und Steuerberatersozietät K GbR (in Folgendem: Sozietät K) vom 27.10.2008 wurde unter anderem auch für das Streitjahr eine Steuererklärung eingereicht, in der die von dem verstorbenen Herrn J.H. in dem Streitjahr erzielten Einkünfte erklärt wurden. Die Erklärung ist mit einer Unterschrift versehen, die augenscheinlich von Frau F.T. stammt, die ihrerseits dem Beklagten bereits mit Schreiben vom 07.10.2008 mitgeteilt hatte, dass „die Erben“ die Sozietät K unter anderem auch mit der Erstellung der Steuererklärung für das Streitjahr beauftragt hätten. Die eingereichte Erklärung enthält darüber hinaus auch die ausdrückliche Anweisung, den zu erlassenen Steuerbescheid der Sozietät K zuzusenden.

    Nachdem der Kläger von der Einreichung der Steuererklärungen erfahren hatte, wandte er sich mit Schreiben vom 17.11.2008 unter Hinweis darauf, dass er erst nachträglich erfahren habe, dass ohne sein Wissen und ohne seine Unterschrift Einkommensteuer-erklärungen eingereicht worden seien, die seines Erachtens mangels Unterschrift nichtig und auch nicht vollständig seien, an den Beklagten und forderte diesen auf, „die gesamten Vorgänge zwecks Vervollständigung an den steuerlichen Berater zurückzusenden“.

    Auf der Grundlage der eingereichten Erklärungen sowie des Ergebnisses zwischenzeitlicher Ermittlungen erließ der Beklagte am 06.04.2009 unter anderem auch für das Streitjahr einen Einkommensteuerbescheid, in dem er unter Hinweis darauf, dass durch diesen Bescheid gemäß § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) der Bescheid vom 27.03.2007 geändert werde, eine Einkommensteuer in Höhe von 64.011,00 Euro festsetzte. Zugleich hob er den in dem geänderten Bescheid angeordneten Vorbehalt der Nachprüfung auf.

    Den Bescheid vom 06.04.2009 gab der Beklagte zum einen an die Sozietät K und zum anderen an den Kläger bekannt, allerdings in unterschiedlichen Versionen.

    Während es in der Version, die er an die Sozietät K bekannt gab, heißt „als Zustellungsvertreter für die Rechtsnachfolger des J.H., N-straße in H“, heißt es in der an den Kläger bekannt gegebenen Version „als Rechtsnachfolger für Herrn J.H.,N-straße in H“. In keiner der bekannt gegebenen Versionen werden die einzelnen Mitglieder der Erbengemeinschaft namentlich bezeichnet. Auch enthält keine der bekanntgegebenen Versionen einen Hinweis auf die Gesamtschuldnerschaft der Miterben sowie darauf, dass ein Bescheid gleichen Inhalts auch noch anderen Personen bzw. einer anderen Person zugesandt wurde.

    In der Folge ging am 11.05.2009 beim Beklagten ein Schreiben vom selben Tage ein, mit dem die Sozietät K „namens und im Auftrag der Rechtsnachfolger des verstorbenen Herrn J.H.“ unter anderem auch gegen den für das Streitjahr ergangenen Einkommensteuerbescheid Einspruch einlegte.

    Mit Schreiben vom 07.07.2009 – beim Beklagten eingegangen am 09.07.2009 – wandte sich der Kläger ebenfalls an den Beklagten und beanstandete, dass er bis heute keine Antwort auf sein Schreiben vom 17.11.2008 erhalten habe. Weiter heißt es in diesem Schreiben:

    „Die Steuerberater der übrigen Erben schicken mir nunmehr zum 29.06.2009 Bescheidfotokopien und auch Fotokopien von Schriftverkehr. Dies ist alles ohne mein Wissen hinter meinem Rücken gelaufen.

    Aufgrund der nicht nachvollziehbaren Vorgehensweise, sehe ich mich nun gezwungen, ebenfalls Steuererklärungen für meinen Bereich zu erstellen, die auch von mir unterschrieben sind. ...

    Vor Ergehen der Bescheide bitte ich mir gem. § 91 AO aber auf jeden Fall rechtliches Gehör zu gewähren, falls von meinen Erklärungen abgewichen werden soll.“

    Dem Schreiben des Klägers vom 07.07.2009 war unter anderem auch eine von dem Kläger unterzeichnete Steuererklärung für das Streitjahr beigefügt.

    Mit Schreiben vom 12.10.2009 teilte der Beklagte dem Kläger daraufhin mit, dass am 06.04.2009 unter anderem auch für das Streitjahr ein Einkommensteuerbescheid an ihn bekannt gegeben worden sei.

    Mit Schreiben vom 03.11.2009 trat der Kläger den Ausführungen des Beklagten in dessen Schreiben vom 12.10.2009 entgegen. Unter anderem führte er aus:

    „Mit Schreiben vom 17.11.2008 hatte ich Sie darauf hingewiesen, dass die Erklärungen noch vervollständigt werden müssen. Dadurch wurden Sie gezwungen, Untersuchungen vorzunehmen, zumindest Rückfragen zu stellen, bevor Sie veranlagten. Da Sie dies ebenfalls unterließen, begingen Sie eine weitere Amtspflichtverletzung. ...

    Nicht durch das Finanzamt, sondern durch den Steuerberater der übrigen Erben erhielt ich am 29.06.2009 Bescheidfotokopien, die an diesen gerichtet waren. Vom Finanzamt liegt mir lediglich eine Umbuchungsmitteilung vom 27.05.2009 vor.

    Aufgrund der, von mir eingereichten Einkommensteuererklärungen der Jahre 2004 bis 2006, erbitte ich daher Bescheide, die auch für mich rechtsbehelfsfähig sind. Ich bitte mir diese Bescheide förmlich zuzustellen, um nicht weitere Überraschungen erleben zu müssen. ...“

    Seinem Schreiben vom 03.11.2009 hatte der Kläger unter anderem auch ein an Frau F.T. gerichtetes Schreiben vom 14.04.2008 beigefügt, das mit „Beauftragung eines Steuerberaters“ überschrieben ist und in dem es einleitend heißt, „falls ein Steuerberater gefunden wird, der dieses Mandat annimmt, halte ich es für das Beste, wenn dieser in H ansässig wäre.“

    Ebenfalls beigefügt hatte der Kläger ein an die Sozietät K gerichtetes Schreiben vom 03.11.2008, das mit „Erstellung der Einkommensteuererklärungen 2004 bis 2006 meines verstorbenen Onkels, Herr J.H.“ überschrieben ist und in dem es einleitend heißt, „unter der Bedingung, dass obige Erklärungen nach Durchsicht von den Erben akzeptiert und unterzeichnet werden, hatten sie das Mandat übernommen“. Weiter heißt es in diesem Schreiben:

    „Da Ihnen bekannt ist, dass ich in den Vorjahren die ESt-Erklärungen meines Onkels erstellte und mich auch bereits umfangreich auf die Jahre ab 2004 vorbereitet hatte, wäre ich Ihnen dankbar, wenn Sie mir, der getroffenen Vereinbarung und der guten Ordnung halber, vor Einreichung zum Finanzamt Einsicht gewähren würden.“

    Nach dem Ergebnis weiterer Ermittlungen und nachdem ihm zuvor eine Mitteilung der Stadt H vom 11.11.2009 zugegangen war, wonach bei dem verstorbenen Herrn J.H. ab dem 16.07.2004 Demenz mit einem Grad der Behinderung von 100 sowie die Voraussetzungen für eine Zuerkennung der Merkmale H, G und B vorgelegen hätten, erließ der Beklagte am 01.02.2010 unter anderem auch für das Streitjahr erneut einen Änderungsbescheid, in dem er unter Berufung auf § 172 Abs. 1 Nr. 2 AO die Einkommensteuer für 2005 auf 39.507,00 Euro herabsetzte.

    Auch diesen Bescheid, in dem die einzelnen Mitglieder der Erbengemeinschaft erneut nicht mit Namen bezeichnet sind, gab der Beklagte wiederum jeweils in unterschiedlichen Versionen an die Sozietät K und den Kläger bekannt. Während es in der an die Sozietät K bekannt gegebenen Version dieses Mal heißt „als Empfangsbevollmächtigte für die Rechtsnachfolger des verstorbenen J.H., N-straße in H“, heißt es in der an den Kläger bekannt gegebenen Version „als Rechtnachfolger des verstorbenen J.H., N-straße in H“. Auch dieses Mal enthält keine der bekanntgegebenen Versionen einen Hinweis auf die gesamtschuldnerische Haftung der Erben des Herrn J.H. sowie darauf, dass ein Bescheid gleichen Inhalts auch noch anderen Personen bzw. einer anderen Person zugesandt wurde.

    Gegen den ihm am 03.02.2010 zugestellten Bescheid vom 01.02.2010 legte der Kläger mit Schreiben vom 16.02.2010 Einspruch ein. Darüber hinaus wandte er sich mit einem weiteren Schreiben vom 09.02.2010 betreffend die Verzinsung des Einkommensteuer-erstattungsanspruchs für 2005 an den Beklagten, in dem es einleitend heißt, „am 06.04.2009 ist der ESt-Bescheid 2005 meines verstorbenen Onkels der K GbR zugestellt worden. Von dort wurde mir am 29.06.2009 eine Fotokopie zugeschickt.“

    Im weiteren Verlauf des Einspruchsverfahrens trug der Kläger mit Schreiben vom 01.03.2010 unter anderem zudem vor, dass „keinerlei Vollmachten“ erteilt worden seien und somit „keine Zustellungsvollmacht und keine Inkassovollmacht“ bestehe.

    Mit an sämtliche, namentlich genannte Mitglieder der Erbengemeinschaft „als Rechtsnachfolger für den verstorbenen J.H., N-straße in H“ gerichteter Einspruchentscheidung, deren Tenor lautet

    „Der Einspruch ist zulässig. Unter Änderung des Bescheids vom 01.02.2010 wird die Einkommensteuer 2005 auf 31.810,- € festgesetzt. Ansonsten ist der Einspruch unbegründet.“

    entschied der Beklagte am 15.07.2010 über den Einspruch vom „11.05.2009“ gegen die Einkommensteuerfestsetzung für 2005.

    In den „Gründen“ dieser Entscheidung, in denen zwar die Einlegung des Einspruchs durch die Sozietät K mit Schreiben vom 11.05.2009 sowie die Einreichung der Steuererklärung für 2005 durch den Kläger am 09.07.2009, nicht aber dessen mit Schreiben vom 16.02.2010 eingelegter Einspruch erwähnt wird, heißt es u. a.:

    „Die Einsprüche werden zu einer Entscheidung zusammengefasst.“

    Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Einspruchsentscheidung vom 15.07.2010 verwiesen.

    Mit Schriftsatz vom 10.08.2010 hat der Kläger daraufhin – „als Rechtsnachfolger seines verstorbenen Onkels, Herrn J.H.“ – im eigenen Namen Klage gegen „den“ Einkommensteuerbescheid für 2005 vom 01.02.2010 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 15.07.2010 erhoben, wobei er seiner Klage unter anderem auch eine Kopie des an ihn bekannt gegebenen Einkommensteuerbescheides vom 01.02.2010 beigefügt hatte.

    Die Klage, für deren Entscheidung ursprünglich der 15. Senat des Finanzgerichts Münster zuständig war, wurde bei Gericht zunächst unter dem Aktenzeichen 15 K 3020/10 E erfasst und wird, nachdem die Zuständigkeit für das Verfahren 15 K 3020/10 E mit Wirkung ab dem 01.01.2013 auf den 14. Senat des Finanzgerichts Münster übergegangen ist, unter dem Aktenzeichen 14 K 3020/10 E fortgeführt.

    Der Kläger, der in der mündlichen Verhandlung klargestellt hat, dass er sich mit seiner Klage (lediglich) gegen den an ihn bekanntgegebenen Bescheid vom 01.02.2010 und die an ihn bekanntgegebene Einspruchsentscheidung vom 15.07.2010 wendet, hatte zunächst die Auffassung vertreten, dass der ihm zugegangene Bescheid vom 01.02.2010 zwar inhaltlich zutreffend adressiert und damit nicht wegen inhaltlicher Unbestimmtheit bereits nichtig und unwirksam sei. Nach Erörterung der Sach- und Rechtslage in der mündlichen Verhandlung am 19.04.2013 hat er an dieser Auffassung jedoch nicht länger festgehalten, sondern Zweifel an der inhaltlichen Bestimmtheit des Bescheides vom 01.02.2010 geäußert.

    Der Beklagte gehe zudem zu Unrecht davon aus, dass der von ihm (dem Beklagten) unter dem Datum 06.04.2009 erlassene und an ihn (den Kläger) versandte Einkommensteuerbescheid ihm (dem Kläger) auch zugegangen sei. Tatsächlich habe er erstmals dadurch, dass ihm der Steuerberater der übrigen Erben am 29.06.2009 eine Fotokopie des an diesen gerichteten Bescheides vom 06.04.2009 übermittelt habe, Kenntnis davon erlangt, dass am 06.04.2009 ein Einkommensteuerbescheid erlassen worden sei. Nach Einreichung der von ihm (dem Kläger) unterschriebenen Erklärung habe er somit erstmals mit Datum vom 01.02.2010 einen Einkommensteuerbescheid erhalten und gegen diesen mit Schreiben vom 16.02.2010 fristgerecht Einspruch eingelegt.

    Die Steuerfestsetzung für das Streitjahr sei auch sachlich unzutreffend. Der Beklagte habe weder die von Herrn J.H. im Streitjahr 2005 erzielten Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung noch die diesem (Herrn J.H.) in 2005 erwachsenen krankheitsbedingten Aufwendungen und Aufwendungen für eine Hausgehilfin in zutreffender Höhe berücksichtigt.

    Der Kläger beantragt,

    den an ihn bekanntgegebenen Einkommensteuerbescheid für 2005 und die Einspruchsentscheidung vom 15.07.2010 aufzuheben,

    hilfsweise,

    den Einkommensteuerbescheid für 2005 vom 01.02.2010 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 15.07.2010 aufzuheben und die bislang angesetzten Einkünfte des verstorbenen Herrn J.H. aus Vermietung und Verpachtung um 3.017,00 Euro zu vermindern sowie krankheitsbedingte Aufwendungen in Höhe von insgesamt 98.797,77 Euro und Aufwendungen für eine Hausgehilfin in Höhe von insgesamt 924,00 Euro als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen,

    hilfsweise,

    die Revision zuzulassen.

    Der Beklagte beantragt,

    die Klage abzuweisen.

    Er ist weiterhin der Auffassung, dass der Bescheid vom 01.02.2010 zutreffend adressiert und damit sowohl wirksam als auch wirksam bekannt gegeben sei.

    Auch habe er – so der Vertreter des Beklagten in der mündlichen Verhandlung – die Einreichung der Einkommensteuererklärung durch den Kläger am 09.07.2009 zu Recht als Einlegung eines Einspruchs durch den Kläger gegen den Bescheid vom 06.04.2009 gewertet.

    Der erhobenen Klage sei allerdings in der Sache ein Erfolg zu versagen. Sämtliche der Einkommensteuerfestsetzung für 2005 zugrunde gelegten Besteuerungsgrundlagen seien in zutreffender Höhe angesetzt worden.

    Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze, die Steuerakten des Beklagten sowie die beigezogenen Akten der Verfahren 15 K 3061/10 E und 14 K 518/10 E verwiesen.

    Der Senat hat am 19.04.2013 mündlich verhandelt. Auf die Sitzungsniederschrift wird Bezug genommen.

    Entscheidungsgründe

    Der Senat geht aufgrund der ausdrücklichen Klarstellung des Klägers in der mündlichen Verhandlung bei seiner Entscheidung davon aus, dass Gegenstand des vorliegenden Verfahrens (nur) der Einkommensteuerbescheid vom 01.02.2010 und die Einspruchsentscheidung vom 15.07.2010 sind, soweit diese an ihn (den Kläger) bekanntgegeben wurden.

    Die so verstandene Klage ist zulässig.

    Für sie besteht insbesondere auch ein – für ihre Zulässigkeit erforderliches – Rechtsschutzbedürfnis, da der von dem Kläger angefochtene Bescheid vom 01.02.2010 – jedenfalls in der dem Kläger bekanntgegebenen Version – ausdrücklich nur an ihn und auch die an den Kläger bekanntgegebene Einspruchsentscheidung vom 15.07.2010 unter anderem ausdrücklich auch an ihn gerichtet sind.

    Die Klage ist auch begründet, soweit der Kläger mit seinem Hauptantrag eine Aufhebung des an ihn „als Rechtsnachfolger des verstorbenen J.H.“ bekannt gegebenen Einkommensteuerbescheides für 2005 vom 01.02.2010 begehrt.

    Der genannte Bescheid ist nämlich gem. § 125 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO) nichtig und damit gem. § 124 Abs. 3 AO unwirksam.

    In diesem Zusammenhang kann dahingestellt bleiben, ob sich eine Nichtigkeit dieses Bescheides bereits daraus ergibt, dass der Beklagte unter dem Datum 01.02.2010 für das Streitjahr zwei Bescheide erlassen hat, die er zum einen an die Sozietät K „für die Rechtsnachfolger“ des verstorbenen Herrn J.H. und zum anderen an den Kläger „als Rechtsnachfolger“ des verstorbenen Herrn J.H. bekanntgegeben hat, mithin für das Jahre 2005 nunmehr zwei denselben Regelungssachverhalt betreffende Bescheide existieren, ohne dass in diesen Bescheiden ihr Verhältnis zueinander klargestellt wird (vgl. auch Urteil des BFH vom 23.08.2000 – X R 27/98, BStBl. II 2001, 662). Denn der an den Kläger bekanntgegebene und von ihm angefochtene Bescheid vom 01.02.2010 ist auch unabhängig davon als nichtig zu beurteilen.

    Gem. § 125 Abs. 1 AO ist ein Verwaltungsakt nichtig, soweit er an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet und dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offenkundig ist. Diese Voraussetzungen sind erfüllt, wenn der Verwaltungsakt inhaltlich nicht so bestimmt ist (§ 119 Abs. 1 AO), dass ihm hinreichend sicher entnommen werden kann, was von wem verlangt wird (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs – BFH – vom 19.08.1999 – IV R 34/98, BFH/NV 2001, 409).

    Für Steuerbescheide ist darüber hinaus in § 157 Abs. 1 Satz 2 AO ausdrücklich klar gestellt, dass sie angeben müssen, wer die Steuer schuldet. Fehler, die hinsichtlich der Bezeichnung des Steuerschuldners im Bescheid unterlaufen sind, können nicht durch Richtigstellung im weiteren Verfahren geheilt werden, auch nicht dadurch, dass sich derjenige, der einen solchen mangelhaften Bescheid erhalten hat, tatsächlich als Adressat ansieht (vgl. Urteil des BFH vom 17.06.1992 – X R 47/88, BStBl. II 1993, 174).

    Danach ist ein Einkommensteuerbescheid, der sich an Erben richten soll, diesen gegenüber nur wirksam, wenn diese namentlich als Inhaltsadressaten aufgeführt sind oder sich durch Auslegung des Bescheides ergibt, welche Personen als Erben angesprochen werden sollen (vgl. Urteil des BFH vom 17.11.2005 – III R 8/03, BStBl. II 2006, 287).

    Falls eine Auslegung erforderlich ist, so war dabei – jedenfalls nach der früheren Rechtsprechung des BFH (vgl. u. a. Urteil vom 26.03.1991 – VIII R 210/85, BFH/NV 1992, 73) – allein auf den Inhalt des Bescheides selbst oder den Inhalt von dem Bescheid beigefügter Anlagen abzustellen. Demgegenüber müssen nach neuerer Rechtsprechung des BFH (vgl. Urteil vom 17.11.2005 – III R 8/03, a. a. O.) die Erben (= Inhaltsadressaten und Steuerschuldner) nicht mehr zwingend aus dem Bescheid selbst oder dem Bescheid beigefügter Unterlagen auch für einen Dritten erkennbar sein. Entscheidend sei vielmehr, ob die Personen, die als Erben angesprochen werden sollen, durch Auslegung anhand der den Betroffenen bekannten Umstände hinreichend sicher bestimmt werden können. Eine Bezugnahme auf einen lediglich den Betroffenen, nicht aber einem Dritten bekannten Betriebsprüfungsbericht könne daher ausreichen.

    Ob sich der erkennende Senat dieser neueren Rechtsprechung im Hinblick auf den seines Erachtens eindeutigen Wortlaut des § 157 Abs. 1 Satz 2 AO (Schriftliche Steuerbescheide müssen ... angeben, wer die Steuer schuldet.) sowie angesichts des Umstandes, dass Steuerbescheide zugleich Grundlage für eine etwaige Vollstreckung, mithin Vollstreckungstitel sind und zudem die Finanzverwaltung selbst in ihrem Anwendungserlass zu § 122 AO in Tz. 2.12.3 die Auffassung vertritt, dass die Ermittlung des Inhaltsadressaten durch Auslegung einen Mangel der fehlenden Bestimmtheit des Steuerschuldners nicht zu heilen vermag, anschließen könnte, kann im Streitfall letztlich offen bleiben. Denn auch nach der neueren Rechtsprechung des BFH kommt eine Ermittlung des Steuerschuldners bzw. des Inhaltsadressaten eines Bescheides im Wege der Auslegung nur dann in Betracht, wenn dessen Bezeichnung im Bescheid nicht eindeutig falsch, sondern mehrdeutig ist (vgl. Urteil vom 15.04.2010 – IV R 67/07, BFH/NV 2010, 1606).

    Danach kommt auch im Streitfall eine Auslegung nicht in Betracht. Denn die Bezeichnung des Klägers „als Rechtsnachfolger für den verstorbenen J.H.“ ist eindeutig falsch, da der Kläger weder Einzel- noch (alleiniger) Gesamtrechtsnachfolger des verstorbenen Herrn J.H. war bzw. ist. Er war bzw. ist vielmehr lediglich eine von insgesamt fünf Personen, die gemeinsam Gesamtrechtsnachfolger des Herrn J.H. geworden sind und an die daher der Bescheid vom 01.02.2010 – unabhängig von der Person des jeweiligen Bekanntgabeempfängers – hätte gerichtet werden müssen. Ebenfalls eindeutig falsch ist, dass der an den Kläger bekanntgegebene Bescheid vom 01.02.2010 keinerlei Hinweis darauf enthält, dass der Kläger für die jeweils festgesetzte Steuer lediglich als Gesamtschuldner haftet, mithin der Kläger in diesem Bescheid unrichtigerweise – sinngemäß – als alleiniger Schuldner der festgesetzten Steuer bezeichnet wird.

    Die von dem Kläger erhobene Klage ist darüber hinaus insoweit begründet, als er mit ihr zugleich auch eine Aufhebung der an ihn bekanntgegebenen Einspruchsentscheidung vom 15.07.2010 begehrt. Denn diese Entscheidung ist ihrerseits ebenfalls rechtsfehlerhaft.

    Abgesehen davon, dass es nach der Rechtsprechung des BFH (vgl. Urteil vom 26.03.1991 – VIII R 210/85, a. a. O.) mit Sinn und Zweck eines Einspruchsverfahrens schlechthin unvereinbar ist, dass ein infolge inhaltlicher Unbestimmtheit nichtiger Verwaltungsakt erstmals mittels einer Einspruchsentscheidung wirksam erlassen wird und folglich die fehlerhafte Adressierung des Bescheides vom 01.02.2010 durch die Einspruchsentscheidung vom 15.07.2010 ohnehin nicht geheilt werden konnte – und zwar unabhängig davon, dass die an ihn bekanntgegebene Einspruchsentscheidung vom 15.07.2010 an sämtliche Personen gerichtet war, die (Mit-)Erben des verstorbenen Herrn J.H. geworden waren –, kommt im Streitfall aber auch hinzu, dass der Beklagte die Einreichung der Einkommensteuererklärung für das Streitjahr durch den Kläger am 09.07.2009 zu Unrecht als Einlegung eines Einspruchs gegen den am 06.04.2009 ergangenen Steuerbescheid gewertet und somit mit seiner Entscheidung vom 15.07.2010 über einen Einspruch des Klägers (mit)entschieden hat, den dieser überhaupt nicht eingelegt hat und – bei sachgerechter Auslegung – auch nicht einlegen wollte.

    In diesem Zusammenhang kann dahingestellt bleiben, ob der am 06.04.2009 für das Streitjahr ergangene Steuerbescheid überhaupt ordnungsgemäß an den Kläger persönlich bekanntgegeben wurde oder dieser – ggf. aufgrund rechtsgeschäftlich erteilter Vollmacht oder nach den Grundsätzen über die Anscheins- oder Duldungsvollmacht – dessen Bekanntgabe an die Sozietät K gegen sich gelten lassen müsste. Denn nach der Rechtsprechung des BFH (vgl. Urteil vom 14.01.1998 – X R 84/95, BStBl. II 1999, 203), der der Senat folgt, handelt es sich bei einer Steuererklärung lediglich um eine formalisierte, innerhalb einer bestimmten Frist von einem Steuerpflichtigen zu erteilende Auskunft, die dem Finanzamt die Festsetzung der Steuer oder die Feststellung von Besteuerungsgrundlagen ermöglichen soll. Sie ist daher – jedenfalls grundsätzlich – nicht einem Antrag auf Steuerfestsetzung gleich zu achten (vgl. Beschluss des BFH vom 08.09.2003 – VI B 87/03, BFH/NV 2004, 9). Etwas anderes soll im Hinblick auf das verfassungsrechtliche Gebot zur Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes – ausnahmsweise – „im Zweifel“ allerdings dann gelten, wenn „innerhalb“ einer durch den Erlass eines Bescheides in Gang gesetzten Einspruchsfrist eine Steuererklärung „ohne weitere Erklärung“ bei dem Finanzamt eingeht, das diesen Bescheid erlassen hat (vgl. Urteil des BFH vom 27.03.2003 – V R 87/01, BStBl. II 2003, 505). Im Streitfall liegen die Voraussetzungen für die Annahme eines derartigen Ausnahmefalles jedoch schon deshalb nicht vor, weil – selbst wenn man eine ordnungsgemäße Bekanntgabe und Adressierung des Bescheides vom 06.04.2009 und damit dessen Eignung zur Ingangsetzung einer Einspruchsfrist unterstellt – die von dem Kläger für das Streitjahr eingereichte Steuererklärung nicht (mehr) „innerhalb“ dieser Frist eingegangen wäre und zudem auch mit einer „weiteren Erklärung“ verbunden war. Danach konnte und durfte die Einreichung der Steuererklärungen für die Streitjahre nicht als – ohnehin wegen Versäumung der Einspruchsfrist unzulässiger – Einspruch gegen den Bescheid vom 06.04.2009 gewertet werden, sondern hätte in Anbetracht der Ausführungen des Klägers in seinem Begleitschreiben vom 07.07.2009 zwingend als Antrag auf erklärungsgemäße Veranlagung – ggf. im Wege der Änderung einer etwaigen bereits mit Wirkung gegen ihn erfolgten Steuerfestsetzung – verstanden werden müssen.

    Da danach bereits dem Hauptantrag des Klägers zu entsprechen ist, bedürfen seine hilfsweise gestellten Anträge keiner Entscheidung.

    Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO).

    Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i. V. m. § 709 der Zivilprozessordnung (ZPO).

    RechtsgebietFinanz- und Abgaberecht

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