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  • 11.12.2013 · IWW-Abrufnummer 133980

    Finanzgericht Niedersachsen: Urteil vom 12.07.2013 – 3 K 436/12

    - Zu den Konsequenzen der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens nach § 18 Abs. 1 InsO.
    - Ist dem Schuldner während des Insolvenzverfahrens eine Erbschaft/Vermächtnis zugefallen, steht die Annahme oder Ausschlagung
    dem Schuldner selbst zu. Wird die Erbschaft angenommen, stellt die ErbSt eine Masseverbindlichkeit nach § 55 InsO dar.
    - Die Steuerschuld als Masseverbindlichkeit ist grds. mit Bescheid gegenüber dem Insolvenzverwalter geltend zu machen.
    - Eine Steuerforderung, die bis zur Beendigung des Insolvenzverfahrens den Rang einer Masseforderung eingenommen hat, kann
    nach Beendigung des Insolvenzverfahrens wieder durch Bescheid gegenüber dem Schuldner festgesetzt werden.


    Tatbestand
    Die Beteiligten streiten darüber, ob eine während des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Klägers entstandene Erbschaftsteuer
    nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens gegenüber dem Kläger festgesetzt werden durfte.
    Über das Vermögen des Klägers wurde durch Beschluss des Amtsgerichts H. aus dem Dezember 2004 das Insolvenzverfahren eröffnet.
    Im Dezember 2007 verstarb Frau S., die den Kläger in ihrem Testament als Miterben und Vermächtnisnehmer ihres Barvermögens
    zu ½ eingesetzt hatte. Die Erbschaft wurde vom Kläger ausgeschlagen, nicht jedoch das Vermächtnis.
    Durch Beschluss des Amtsgerichts H. aus dem November 2010 wurde das Insolvenzverfahren aufgehoben, da die Schlussverteilung
    vollzogen war. Im März 2011 wurde dem Kläger rechtskräftig die Restschuldbefreiung erteilt.
    Mit Bescheid vom 11. April 2011 setzte das beklagte Finanzamt für das genannte Vermächtnis eine Erbschaftsteuer i.H.v. 17.825
    € fest.
    Nach erfolglosem Vorverfahren hat der Kläger Klage erhoben.
    Er trägt vor, das gesamte Vermächtnis sei der Insolvenzmasse zugeflossen und im Rahmen des Insolvenzverfahrens verwertet worden.
    Er habe somit nichts aus dem Vermächtnis erhalten. Außerdem sei der Erbschaftsteuerbescheid erst 3 ½ Jahre nach dem Tod der
    Frau S. ergangen, obwohl das beklagte Finanzamt über das laufende Insolvenzverfahren unterrichtet gewesen sei. Da es sich
    um Masseverbindlichkeiten handele, seien diese aus der Insolvenzmasse zu zahlen und nicht von ihm.
    Der Kläger beantragt,
    den Bescheid über Erbschaftsteuer vom 11. April 2011 in Gestalt des Einspruchsbescheides vom 12. September 2009 aufzuheben.
    Der Beklagte beantragt,
    die Klage abzuweisen.
    Er ist der Auffassung, das Vermächtnis sei dem Kläger erst nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens zugeflossen. Im Zeitraum
    des Insolvenzverfahrens habe der Kläger nur keine Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über sein Vermögen gehabt. Die Annahme
    bzw. Ausschlagung von Vermächtnissen habe aber nur ihm als Insolvenzschuldner zugestanden. Irrelevant sei, dass das Vermächtnis
    im Rahmen des Insolvenzverfahrens verwertet worden sei. Masseverbindlichkeiten und sonstige neue Schulden, die erst nach Eröffnung
    des Insolvenzverfahrens begründet worden sind, - so wie die Erbschaftsteuerschuld im Streitfall - fielen nicht unter die Restschuldbefreiung.
    Da der Kläger im Zeitpunkt der Steuerfestsetzung aufgrund der Aufhebung der Insolvenz wieder die volle Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis
    über sein Vermögen zurück erlangt habe, sei der Steuerbescheid zurecht ihm gegenüber bekannt gegeben worden.
    Die Beteiligten haben einvernehmlich einer Entscheidung durch den Berichterstatter zugestimmt und auf die Durchführung einer
    mündlichen Verhandlung verzichtet.
    Gründe
    I. Die zulässige Klage ist unbegründet. Die während des laufenden Insolvenzverfahrens entstandene Erbschaftsteuer konnte nach
    Aufhebung des Insolvenzverfahrens gegenüber dem Kläger durch Bescheid festgesetzt werden.
    1. Die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens hat nach § 80 Abs. 1 der Insolvenzordnung (im Folgenden: InsO) zur Folge, dass
    das Recht des Schuldners, das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen zu verwalten und über es zu verfügen, auf den Insolvenzverwalter
    übergeht. Ist dem Schuldner während des Insolvenzverfahrens eine Erbschaft oder ein Vermächtnis zugefallen, so steht die Annahme
    oder Ausschlagung nach § 83 Abs. 1 InsO dem Schuldner selbst zu. Wird die Erbschaft in diesem Fall angenommen, stellt die
    Erbschaftsteuer eine Masseverbindlichkeit nach § 55 InsO dar (Roth, Insolvenzsteuerrecht, Rn. 4.611; Frotscher in Gottwald,
    Insolvenzrechts-Handbuch, 4. Auflage 2010, § 125 Rz. 14). Die Steuerschuld als Masseverbindlichkeit ist grds. durch Bescheid
    gegenüber dem Insolvenzverwalter geltend zu machen (vgl. BFH-Urteil. v. 21. Juli 1994 – V R 114/91, BStBl. II 1994, 878).
    Sie ist dann regelmäßig in voller Höhe aus der Insolvenzmasse zu befriedigen (vgl. Roth, Insolvenzsteuerrecht, Rn. 3.371).
    Bleibt die während des Insolvenzverfahrens als Masseverbindlichkeit entstandene Steuerschuld unerfüllt, kann sie – nach herrschender
    Literaturmeinung beschränkt auf die in der Insolvenzmasse verbleibenden Mittel – gegenüber dem Schuldner geltend gemacht werden
    (vgl. u.a. Roth, Insolvenzsteuerrecht, Rn. 3.206; Kießner in Braun, InsO. Kommentar, 4. Auflage 2010, § 201 InsO Rz. 5, m.w.N.;
    Hintzen in Münchener Kommentar, InsO. 2. Auflage 2008, § 206 InsO Rz. 8; Uhlrenbrock Insolvenzordnung, 13. Auflage 2010, §
    206 InsO Rz. 5; a.A. wohl AEAO zu § 251 AO Tz. 14).
    Mit der Aufhebung des Insolvenzverfahrens erhält der Schuldner seine Verwaltungs- und Verfügungsmacht über die Massebestandteile
    zurück. Die Befugnisse des Insolvenzverwalters enden (Kießner in Braun, Insolvenzordnung. Kommentar, 4. Auflage 2010, § 200
    InsO Rz. 8). Eine Steuerforderung der Finanzverwaltung, die bis zur Beendigung des Insolvenzverfahrens den Rang einer Masseforderung
    eingenommen hatte, kann deshalb nach der Beendigung des Insolvenzverfahrens wieder durch Bescheid gegenüber dem Schuldner
    festgesetzt werden (Roth, Insolvenzsteuerrecht, Rn. 3.206; so auch AEAO zu § 251 AO Tz. 14).
    Die während des Insolvenzverfahrens entstandene Steuerschuld ist nicht durch eine Restschuldbefreiung erfasst, da eine solche
    nach § 301 Abs. 1 InsO nur gegenüber den Insolvenzgläubigern wirkt, also nach § 38 InsO nur den Gläubigern gegenüber, die
    einen zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründeten Vermögensanspruch gegen den Schuldner hatten. Keine Insolvenzgläubiger
    sind demnach auch die Massegläubiger (vgl. auch Niedersächsisches FG, Beschluss vom 18. August 2010 – 3 K 124/09, EFG 2010,
    2066, m.w.N.), so dass im Streitfall die Erbschaftsteuerschuld nicht betroffen ist.
    2. Im Streitfall durfte das beklagte Finanzamt daher die während des Insolvenzverfahrens entstandene Erbschaftsteuer nach
    Aufhebung des Insolvenzverfahrens gegenüber dem Kläger selbst festsetzen, so dass das Vorgehen des Beklagten insoweit rechtlich
    nicht zu beanstanden ist. Unabhängig davon – und in diesem Verfahren nicht zu klären – ist die genannte Frage, in welchem
    Umfang der Schuldner letztlich noch für die als Masseverbindlichkeit entstandene Steuer nachhaftet (vgl. hierzu noch einmal
    Roth, Insolvenzsteuerrecht, Rn. 3.206, m.w.N.).
    II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung.

    VorschriftenAO § 200, AO § 206, AO § 55

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