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  • 21.08.2018 · IWW-Abrufnummer 203063

    Finanzgericht Münster: Urteil vom 21.06.2018 – 3 K 621/16 Erb

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    Finanzgericht Münster


    Tenor:

    Die Klage wird abgewiesen.

    Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Kläger.

    Die Revision wird zugelassen.

    1

    Tatbestand

    2

    Streitig ist, ob die Verpflichtung zur Zahlung des Erbbauzinses im Rahmen einer unentgeltlichen Übertragung eines Erbbaurechts erwerbsmindernd berücksichtigt werden kann.

    3

    Die Eheleute A waren aufgrund des Erbbaurechtsvertrages vom 13.08.1980 je zur ideellen Hälfte Inhaber des Erbbaurechts A-Straße 1 in R mit einer Größe von 1.900 qm. Das Grundstück war zum Stichtag – räumlich gesehen – zur Hälfte bebaut. Eigentümerinnen des mit dem Erbbaurecht belasteten Grundstücks und Erbbauszinsberechtigte sind Frau E und Frau S.

    4

    Mit notarieller Vereinbarung vom 08.12.2014 übertrugen die Eheleute A einen 934 qm großen, unbebauten Teil des ihnen je zur Hälfte gehörenden Erbbaurechts an die Kläger, jeweils zur ideellen Hälfte. Die Klägerin und Frau A sind Schwestern. Laut § 2 des Übertragungsvertrages (vgl. Schenkungsteuerakte) erfolgte die Übertragung schenkweise. Mit dem Besitzübergang zum 01.01.2015 sind die Kläger zur Entrichtung des in Abteilung II des Grundbuchs abgesicherten Erbbauzinses in Höhe von X Euro jährlich verpflichtet (vgl. § 3 des Übertragungsvertrages). Das ist der Teil des Erbbauzinses, der auf den übertragenen Teil des Erbbaurechts entfällt. Die Restlaufzeit des Erbbaurechts betrug zum Übertragungszeitpunkt noch 63 Jahre.

    5

    Auf Anforderung des Beklagten gaben die Kläger jeweils eine Schenkungsteuererklärung ab, in der sie den jeweils übertragenen Erbbaurechtsteil als Erwerb und Erwerbsnebenkosten im Zusammenhang mit der notariellen Beurkundung und der Erstellung der Steuererklärung erklärten. Den Grundbesitzwert für den jeweils übertragenen Erbbaurechtsanteil stellte das dafür zuständige Lagefinanzamt R durch Bescheide vom 13.05.2015 auf jeweils X Euro fest.

    6

    Die Schenkungsteuer setzte der Beklagte unter Berücksichtigung der Steuererklärungen und der Grundbesitzwertfeststellungen durch Bescheide vom 26.05.2015 gegenüber dem Kläger auf X Euro und gegenüber der Klägerin auf X Euro fest. Zu den Einzelheiten wird auf die Bescheide in den Schenkungsteuerakten Bezug genommen.

    7

    Gegen die Schenkungsteuerbescheide legten die Kläger am 10.06.2015 Einspruch ein und vertraten unter Berufung auf den Beschluss des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 11.01.2002 II B 55/00 (BFH/NV 2002, 790) die Auffassung, der mit der Zuwendung des bestehenden Erbbaurechts verbundene Übergang der Erbbauzinsverpflichtung sei wie eine Gegenleistung oder Auflage zu behandeln.

    8

    Den Einspruch wies der Beklagte durch Einspruchsentscheidungen vom 04.02.2016 als unbegründet zurück. Nach § 148 Abs. 6 Bewertungsgesetz (BewG) sei der Erbbauzins weder als Bestandteil des Grundstücks noch als gesondertes Recht anzusetzen. Diese Vorschrift gelte erst seit dem 01.01.2007, so dass die von der Klägerseite angeführte Entscheidung des BFH nicht mehr einschlägig sei.

    9

    Mit der Klage vom 01.03.2016 verfolgen die Kläger ihr Begehren auf erwerbsmindernde Berücksichtigung der Erbbauzinsverpflichtung weiter. Ein schenkungsteuerrechtlicher Zuwendungstatbestand setze voraus, dass der Überlassende entreichert und der Berechtigte bereichert sei. Bei der Zuwendung eines Nutzungsrechts könne dies nur der Fall sein, wenn die Einräumung des Nutzungsrechts auch eine entreichernde Vermögenshingabe des Übertragenden bedeute. Daran fehle es vorliegend, da die Verpflichtung zur vollständigen Zahlung des Erbpachtzinses nicht bei den übertragenden Eheleuten A verblieben, sondern bezogen auf den übertragenen Erbbaurechtsteil auf die Kläger übergegangen sei.

    10

    Die Kläger beantragen sinngemäß,

    11

    die angefochtenen Schenkungsteuerbescheide vom 26.05.2015 in der Gestalt der Einspruchsentscheidungen vom 04.02.2016 zu ändern und die auf die Restlaufzeit des Erbbaurechts kapitalisierte Erbbauzinsverpflichtung erwerbsmindernd zu berücksichtigen,

    12

    hilfsweise, für den Fall des Unterliegens die Revision zuzulassen.

    13

    Der Beklagte beantragt,

    14

    die Klage abzuweisen.

    15

    Mit der Bewertung des Erbbaurechts sei die Verpflichtung zur Zahlung des Erbbauzinses abgegolten (§§ 192, 148 Abs. 6 BewG).

    16

    Die Berichterstatterin hat den Sach- und Streitstand mit den Beteiligten am 23.03.2018 erörtert. Zu den Einzelheiten wird auf das Protokoll über den Erörterungstermin (Blatt 36/37 der Gerichtsakte) Bezug genommen.

    17

    Die Beteiligten gehen übereinstimmend davon aus, dass der jeweils festgestellte Bedarfswert dem Verkehrswert entspricht.

    18

    Der Senat entscheidet im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (§ 90 Abs. 2 Finanzgerichtsordnung – FGO).

    19

    Entscheidungsgründe

    20

    Die zulässige Klage ist nicht begründet. Die angefochtenen Schenkungsteuerbescheide in der Gestalt der jeweiligen Einspruchsentscheidung sind rechtmäßig und verletzen die Kläger nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO).

    21

    Der Schenkungsteuer unterliegt gemäß § 7 Abs. 1 Nr. 1 Erbschaftsteuergesetz (ErbStG) jede freigebige Zuwendung unter Lebenden, soweit der Bedachte durch sie auf Kosten des Zuwendenden bereichert wird. Gegenstand der Zuwendung kann dabei auch – wie vorliegend – ein Erbbaurecht i. S. d. § 1 Erbbaurechtsgesetz sein. Der Inhaber eines Erbbaurechts ist danach gegenüber dem Eigentümer eines Grundstücks berechtigt, auf oder unter der Oberfläche des Grundstücks ein Bauwerk zu haben. Das Recht ist veräußerbar und vererblich.

    22

    Freigebig ist die Zuwendung, wenn die Leistung objektiv unentgeltlich, also weder synallagmatisch, konditional oder kausal mit einer Gegenleistung des Zuwendungsempfängers verknüpft ist, und der Zuwendende in dem Bewusstsein handelt, zur Leistung weder rechtlich verpflichtet zu sein noch diese im Zusammenhang mit einer Gegenleistung zu erbringen (vgl. BFH, Urteil vom 02.03.1994 II R 59/92, BStBl. II 1994, 366).

    23

    Im vorliegenden Fall handelt es sich nach § 2 des Übertragungsvertrages ausdrücklich um eine unentgeltliche Zuwendung der Eheleute A an die Kläger.

    24

    Nach Auffassung des Senats handelt es sich auch nicht deshalb um eine zumindest gemischt freigebige Zuwendung, weil die Kläger als nunmehrige Inhaber des Erbbaurechtsanteils gegenüber den Grundstückseigentümerinnen zur Zahlung des entsprechenden Erbbauzinses verpflichtet sind.

    25

    Bei gemischten Schenkungen ist nur der die Gegenleistung übersteigende Wert der freigebigen Zuwendung schenkungsteuerlich gemäß § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG relevant; dabei sind nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (vgl. Urteil vom 17.10.2001 II R 72/99, BStBl. II 2002, 25; Beschluss vom 11.01.2002 II B 55/00, BFH/NV 2002, 790) den gemischten Schenkungen Schenkungen unter Leistungsauflagen gleichgestellt. Durch Leistungsauflagen werden dem Bedachten Aufwendungen im Sinne von Geld- oder Sachleistungen auferlegt. Sie verpflichten den Empfänger der Schenkung zu Leistungen, die er unabhängig vom Innehaben des auf ihn übergegangenen Gegenstandes auch aus seinem persönlichen Vermögen erbringen kann, oder zur Befreiung des Zuwendenden von diesem obliegenden Leistungspflichten.

    26

    Zu den im Rahmen einer gemischten Schenkung wie eine Leistungsauflage zu berücksichtigenden Verpflichtungen gehört dabei nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs auch die Verpflichtung zur Zahlung eines Erbbauzinses (vgl. BFH, Beschluss vom 11.01.2002 II B 55/00, BFH/NV 2002, 790, ebenso die Vorinstanz FG Münster, Urteil vom 16.03.2000 3 K 3133/96 Erb; davon ausgehend auch FG München, Urteil vom 29.03.2006 4 K 306/06, EFG 2006, 1082), der auch Halaczinsky folgt (vgl. Halaczinsky, Erbbaurecht und Erbbauverpflichtung im Erbschaft- und Grunderwerbsteuerrecht, UVR 2017, 303 (311); ders. in Rössler/Troll Bewertungsgesetz Kommentar, Rz. 8 zu § 192 BewG). Demgegenüber sieht Gebel die Zinsverpflichtung bei der Übertragung eines bestehenden Erbbaurechts zumindest dann, wenn sie – wie hier – als Reallast eingetragen ist, nicht als Gegenleistung; vielmehr gehe mit dem Erbbaurecht – ähnlich einem Gesellschaftsanteil an einer Personengesellschaft – ein Rechts- und Pflichtenbündel über, das die Erbbauzinsverpflichtung als untrennbaren Bestandteil mit umfasse (vgl. Gebel, Zuwendung von Erbbaurechten, BB 2002, 2365; ders. in Troll/Gebel/Jülicher Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz Kommentar, Rz. 158 zu § 7 ErbStG).

    27

    Der Senat hält den Ansatz von Gebel für vorzugswürdig, das Erbbaurecht zur Bestimmung des Erwerbsgegenstands und der Bereicherung nicht in einzelne Bestandteile, nämlich das Bebauungsrecht und die Verpflichtung zur Zahlung des Erbbauzinses, aufzuspalten, sondern als Ganzes anzusehen. Dafür spricht aus der Sicht des Senats einmal, dass eine Leistungsauflage dann nicht anzunehmen ist, wenn der Beschenkte bereits bestehende gesetzliche oder rechtsgeschäftliche Einschränkungen des Schenkungsgegenstandes weiterhin dulden oder übernehmen muss (vgl. J. Koch in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, Band 3, 7. Auflage 2016, Rz. 2 zu § 525 BGB). Im Streitfall haftet nämlich die – auch als Reallast eingetragene – Erbbauzinsverpflichtung dem auf die Kläger laut Vertrag vom 08.12.2014 schenkweise übertragenen Erbbaurecht untrennbar an. Es handelt sich nicht um eine Gegenleistung für den Erwerb des Erbbaurechts, sondern um ein reines Nutzungsentgelt, das den Grundstückseigentümerinnen zusteht (vgl. dazu auch BFH, Urteil vom 08.11.2017 IX R 25/15, BFH/NV 2018, 560 betreffend einen Anschaffungsvorgang i. S. d. § 23 Abs. 1 Nr. 1 Einkommensteuergesetz).

    28

    Darüber hinaus entspricht diese Sichtweise dem Grundgedanken der im Streitfall anzuwendenden Bewertungsregelung des § 192 Satz 2 BewG, wonach die Erbbauzinsverpflichtung mit der Bewertung des Erbbaurechts abgegolten ist. Dazu sieht § 193 Abs. 3 BewG vor, dass der Bodenwert des Erbbaurechts nach dem kapitalisierten Unterschiedsbetrag zwischen dem angemessenen Verzinsungsbetrag des Bodenwertes und dem vertraglich vereinbarten jährlichen Erbbauzins bemessen wird. Ein Bodenwertanteil ergibt sich danach dann, wenn der tatsächliche Erbbauzins unter der angemessenen Bodenwertverzinsung liegt. Insoweit wird durch den Bodenwertanteil – wie auch in den in H E 7.1 Erbschaftsteuerhandbuch 2013 angesprochenen Fällen – eine Bereicherung wertmäßig erfasst. Anhand der Bewertung (vgl. die Mitteilung über die gesonderte und einheitliche Feststellung des Grundbesitzwerts auf den 08.12.2014 für Zwecke der Schenkungsteuer in den Schenkungsteuerakten) wird im vorliegenden Fall deutlich, dass die Kläger ein Erbbaurecht erworben haben, für das sie an die Grundstückseigentümerinnen ein unterhalb der üblichen Bodenwertverzinsung liegendes Entgelt zu entrichten haben. Da es sich um ein – zum Stichtag noch – unbebautes Erbbaurecht handelt, liegt genau darin die Bereicherung und umgekehrt auch die Entreicherung der Übertragenden. Denn diese verlieren insoweit das Recht der Bebauung zu einem unterhalb der Bodenwertverzinsung liegenden Erbbauzins. Im Übrigen würde es, worauf der Beklagte zutreffend hinweist, zu einer Doppelberücksichtigung des Erbbauzinses kommen, würde er wie eine Gegenleistung und bei der Bewertung gemäß §§ 192, 193 BewG berücksichtigt.

    29

    Demgegenüber sind die Entscheidungen des Finanzgerichts Münster vom 16.03.2000 und des Bundesfinanzhofs vom 11.01.2002 auf der Basis im Streitfall nicht mehr anzuwendender gesetzlicher Regelungen ergangen, nach der die Verpflichtung zur Zahlung des Erbbauzinses und der Anspruch auf den Erbbauzins als gesonderte Vermögensgegenstände bzw. Schulden zu erfassen waren (vgl. § 92 Abs. 5 BewG in der bis zum 22.12.2001 gültigen Fassung), und deshalb für die Entscheidung des vorliegenden Falls nicht mehr fruchtbar zu machen.

    30

    Die Kostenentscheidung ergeht gemäß § 135 Abs. 1 FGO.

    31

    Die Revision wird zur Fortbildung des Rechts zugelassen, § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO.