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  • 06.11.2015 · IWW-Abrufnummer 145718

    Finanzgericht Düsseldorf: Urteil vom 19.03.2015 – 8 K 1885/13 E, F

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    Finanzgericht Düsseldorf

    8 K 1885/13 E,F

    Tenor:

    Die Klage wird abgewiesen.

    Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.

    Die Revision wird zugelassen.

    Tatbestand

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    Streitig ist, ob Anteile an einer Kapitalgesellschaft mit der Folge eines Veräußerungsverlustes entgeltlich übertragen wurden.

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    Der Kläger war an zwei im Mai 2006 gegründeten GmbHs beteiligt, nämlich der

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    - A‑GmbH (…) und der

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    - B‑GmbH (…).

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    Gesellschafter der A-GmbH (A) waren, jeweils mit Anteilen im Nennwert von 5.000 €, neben dem Kläger seine drei Geschwister und seine Mutter, alleiniger Gesellschafter der B-GmbH (B) war der Kläger. Der Zweck beider Gesellschaften bestand in der Verwaltung eigenen Vermögens in Gestalt von Beteiligungen an der

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    - C‑GbR und der

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    - D‑GbR.

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    Die A hielt an der C‑GbR und an der D‑GbR jeweils Anteile in Höhe 75%, die B jeweils einen solchen von 25%. Das Vermögen dieser Gesellschaften bürgerlichen Rechts bestand wiederum aus Anteilen an geschlossenen Immobilienfonds der E-GmbH (…), die Beteiligungen an mit öffentlichen Mitteln geförderten und langfristig vermieteten Mehrfamilienhäusern in verschiedenen Bezirken F-Stadts vermittelten. Bezüglich der Fonds der E-GmbH bestand eine Nachschusspflicht der Eigentümer (d.h. der C‑GbR und der D‑GbR). Um diese erfüllen zu können, zahlte die Mutter des Klägers von April 2007 bis Mai 2009 aufgrund entsprechender Gesellschafterbeschlüsse insgesamt 2.920.000 € in die Kapitalrücklage der A ein. § 7a Abs. 2 des Gesellschaftsvertrages der A enthielt bezüglich der Kapitalrücklage unter anderem folgende Bestimmung:

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    Wenn und insoweit die Gesellschaft die entsprechende Kapitalrücklage nicht mehr benötigt, kann der Gesellschafter, der den Zuschuss geleistet hat, oder sein Rechtsnachfolger verlangen, dass die Kapitalrücklage aufgelöst wird und der Zuschuss an ihn zurückgezahlt wird. Haben mehrere Gesellschafter Zuschüsse in die Kapitalrücklage geleistet, können sie Auflösung der Rücklage und Rückzahlung nur im Verhältnis der Höhe ihrer Zuschüsse zueinander verlangen.

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    Nachdem die Mutter des Klägers im April 2010 verstorben war, wurde ihm deren als Geschäftsanteil Nr. 1 bezeichneter Anteil im Juni 2010 von der Erbengemeinschaft in Erfüllung eines testamentarischen Vorausvermächtnisses übertragen. Im Testament heißt es insoweit, der Geschäftsanteil werde dem Vermächtnisnehmer „mit allen aus der Gesellschaftsbeteiligung erwachsenen Rechten und Pflichten“ zugewendet. Ausweislich des hierüber geschlossenen notariellen Vertrages (…) hielt der Kläger nunmehr einen Anteil von 40% an der A. Nach dem Wortlaut des Testaments sollte durch das Vorausvermächtnis dem Umstand Rechnung getragen werden, dass sich der Kläger in den vergangenen Jahren maßgeblich um die Belange der Gesellschaft gekümmert hatte.

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    Mit notariellem Vertrag vom 22.12.2010 (…) übertrug der Kläger seinen Anteil an der B auf die A . Ferner (…) übertrug er den durch das Vermächtnis erlangten Geschäftsanteil Nr. 1 zu gleichen Teilen auf seine drei Geschwister. In beiden Fällen betrug die als Kaufpreis bezeichnete Gegenleistung unter Hinweis darauf, dass die Anteile wertlos seien, 0,- €.

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    In ihrer gemeinsamen Einkommensteuererklärung für das Jahr 2010 (Streitjahr) beantragten der Kläger und seine Ehefrau die steuerliche Berücksichtigung eines aus den beiden vorgenannten Geschäftsvorgängen resultierenden Veräußerungsverlustes des Klägers nach § 17 des Einkommensteuergesetzes (EStG) i.H.v. 2.950.000 €. Dieser setzt sich wie folgt zusammen:

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    - A: Verlust des Stammkapitals i.H. des früheren Anteilsder Mutter (Anschaffungskosten der Rechtsvorgängerin,§ 17 Abs. 2 Satz 6 EStG) 5.000 €

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    - A: Verlust der Kapitalrücklage 2.920.000 €

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    - B: Verlust des Stammkapitals 25.000 €

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    Das Finanzamt ließ diesen Verlust im Einkommensteuerbescheid für 2010 vom 20.6.2012 unberücksichtigt. Den hiergegen gerichteten Einspruch wies es nach Erlass eines aus anderen Gründen ergangenen Änderungsbescheides mit Einspruchsentscheidung vom 14.5.2013 als unbegründet zurück. Zur Begründung stellte es zum einen darauf ab, dass der Kläger seine Geschäftsanteile nicht gegen ein Entgelt von 0,- € veräußert, sondern verschenkt habe. Anders als es vom Kläger dargestellt worden sei, seien die Anteile nämlich nicht objektiv wertlos gewesen. Ein Wert ergebe sich auf der Grundlage seines Vorbringens nämlich aus den von ihm als realistischerweise in Betracht kommend dargestellten zukünftigen Erträgen aus der Verwertung von Fondsimmobilien.

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    Auch nach § 17 Abs. 4 EStG ergebe sich aus dem Verlust der Kapitalrücklage kein Veräußerungsverlust, denn die Voraussetzungen einer Kapitalherabsetzung im Sinne des § 17 Abs. 4 EStG seien nicht erfüllt. Die Rücklage sei auch nicht wertlos, da der Kläger selbst angegeben habe, dass in der Zukunft mit ausschüttungsfähigen Gewinnen zu rechnen sei.

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    Nehme man keine Schenkung, sondern eine - im Grundsatz - entgeltliche Übertragung an, so scheitere der Ansatz eines Veräußerungsverlustes daran, dass der Kläger die im Vermächtniswege erlangte Forderung auf Rückzahlung der Kapitalrücklage nach dem Wortlaut des notariellen Vertrages nicht zusammen mit dem von der Mutter erworbenen Gesellschaftsanteil übertragen habe.

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    Mit seiner fristgerecht erhobenen Klage wiederholt der Kläger sein außergerichtliches Vorbringen. Er macht geltend, dass seine Beteiligung an der A im Rahmen von deren Veräußerung an die Geschwister zutreffend als wertlos behandelt worden sei. So sei bereits aus Anlass der Erbschaftssteuerveranlagung der gemeine Wert des Anteils zum 31.12.2009 im vereinfachten Ertragswertverfahren zutreffend mit 0,- € ermittelt worden. Der Saldo der Verkehrswerte der Beteiligungen an den Immobilienfonds sei ebenso negativ gewesen wie die Substanzwerte gemäß § 11 Abs. 2 Satz 3 des Bewertungsgesetzes. Die zum 31.12.2010 eingetretene leichte Besserung ändere an diesem insgesamt negativen Ergebnis nichts. Konsequenterweise sei den Geschwistern nichts zugewendet worden, diese hätten die Entrichtung eines Kaufpreises vielmehr im Hinblick auf die Wertlosigkeit der Geschäftsanteile strikt abgelehnt. Soweit das Finanzamt demgegenüber auf die Möglichkeit einer künftigen Sanierung der Fondsgesellschaften oder eines Ertrages aus der Verwertung von Fondsimmobilien abstelle, missachte es den Grundsatz der Stichtagsbewertung. Für die Verfahrensweise des Finanzamtes gebe es keine rechtliche Grundlage.

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    Richtig sei zwar, dass, ebenso wie bereits in der Vergangenheit, in Zukunft Erträge aus der Verwertung von Fondsimmobilien erwartet werden könnten, auch sei im Anschluss an Umschuldungen und an eine Steigerung der Mieterträge die Realisierung laufender entnahmefähiger Erträge denkbar. Aber auch wenn ein fremder Dritter vor diesem Hintergrund möglicherweise ein wirtschaftliches Interesse an der Übernahme eines solchen Anteils haben könnte, sei von einer Bereitschaft, hierfür auch einen Kaufpreis zu entrichten, nicht auszugehen. In gleicher Weise seien die so umschriebenen Zukunftserwartungen für die Geschwister des Klägers bloßes Motiv für die Übernahme der Anteile gewesen, nicht aber Kennzeichen für deren seinerzeitige Werthaltigkeit.

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    Dies gelte in gleicher Weise hinsichtlich der Übertragung der Beteiligung des Klägers an der B auf die A.

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    Der vom Finanzamt hilfsweise vorgetragenen Ansicht, der Kläger habe die Forderung auf Rückzahlung der Kapitalrücklage nicht auf seine Geschwister übertragen, sei nicht zu folgen. Da dieser Anspruch an den Geschäftsanteil geknüpft sei, sei eine gesonderte Übertragung der Forderung weder geboten noch überhaupt möglich.

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    Der Kläger beantragt,

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    den Einkommensteuerbescheid für 2010 sowie den Bescheid über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustabzuges auf den 31.12.2010, jeweils vom 6.3.2013, in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 14.5.2013 mit der Maßgabe zu ändern, dass die Einkünfte des Klägers aus Gewerbebetrieb um 2.950.000 € vermindert werden,

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    hilfsweise,

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    die Revision zuzulassen.

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    Der Beklagte beantragt unter Hinweis auf die Ausführungen in der Einspruchsentscheidung,

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    die Klage abzuweisen,

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    hilfsweise,

    31

    die Revision zuzulassen.

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    Entscheidungsgründe

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    Die Klage ist unbegründet. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen den Kläger daher nicht in seinen Rechten.

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    Entgegen der vom Kläger vertretenen Rechtsauffassung gelangt § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG im Streitfall nicht zur Anwendung, da eine Veräußerung im Sinne dieser Vorschrift nicht vorliegt. Zwar kann eine Veräußerung, also die Übertragung von Anteilen gegen Entgelt, auch zu bejahen sein, wenn das zu entrichtende Entgelt mit Rücksicht auf die Wertlosigkeit des übertragenen Anteils 0 € beträgt. Während allerdings in einem solchen Fall in der Regel eine Veräußerung im Sinne des § 17 EStG zu vermuten ist, sofern es sich um ein Rechtsgeschäft zwischen fremden Dritten handelt, besteht eine derartige Vermutung für Anteilsübertragungen unter einander nahestehenden Personen – also auch im Streitfall – nicht. Hier muss nach dem Gesamtbild der objektiven Umstände unter Berücksichtigung des Willens und der Vorstellungen der Parteien vielmehr feststehen, dass der übertragene Anteil sowohl objektiv als auch in den Augen der Vertragsparteien wertlos ist (BFH-Urteil vom 8.4.2014, IX R 4/13, BFH/NV 2014, 1201; vgl. auch Urteil des Sächsischen FG vom 12.6.2014, 4 K 225/09 [juris]).

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    Nach der Überzeugung des Gerichts waren die übertragenen Anteile jedenfalls nicht subjektiv – in den Augen der Vertragsparteien – wertlos, weshalb eine Schenkung vorliegt und § 17 Abs. 1 EStG bereits mangels Veräußerung unanwendbar ist.

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    Hierfür spricht zum einen, dass nach dem ausführlichen Vorbringen des Klägers in Zukunft Erträge aus der Verwertung von Fondsimmobilien ebenso denkbar sind, wie eine Realisierung laufender entnahmefähiger Erträge. Zwar mag die so umschriebene Erwartung nach den Vorstellungen der Vertragsparteien keine Grundlage für die Bezifferung einer mehr als 0 € betragenden Gegenleistung bieten, denn sie ist sowohl in zeitlicher wie auch in finanzieller Hinsicht mit schwer einschätzbaren Unwägbarkeiten behaftet. Auf der anderen Seite ist die Chance, künftig einen Ertrag zu erzielen, der die Inkaufnahme gegenwärtiger wirtschaftlicher Risiken als vertretbar erscheinen lässt, durchaus ein Erwerbsmotiv, das von der Vorstellung einer Werthaltigkeit der Anteile getragen ist. Der Senat verkennt nicht, dass in einer solchen Konstellation auch spekulative Erwägungen eine Rolle spielen können; solange es jedoch ungeachtet etwaiger Unsicherheiten tatsächlich zu einem Anteilserwerb kommt, zu dem die Erwerber weder rechtlich noch moralisch verpflichtet waren, indiziert bereits die Tatsache, dass sie sich sämtliche Geschwister auf die Übertragung der Anteile eingelassen haben, das Vorhandensein einer Vorstellung von deren Werthaltigkeit.

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    Hinzu kommt zum anderen, dass der Kläger sich seiner Anteile nicht vollständig entledigt hat. Anders als in Fällen bei denen eine Beteiligung in ihrer Gesamtheit für einen lediglich symbolischen Kaufpreis an einen fremden Dritten veräußert wird, hat der Kläger im Streitfall seine Anteile offenbar nicht in jeder Hinsicht für wertlos gehalten hat. Im Gegenteil: Nach seinem eigenen Vorbringen im Klageverfahren wollte er die in der Zuwendung des Vorausvermächtnisses liegende Bevorzugung durch seine Mutter gegenüber seinen Geschwistern nicht auf sich nehmen. Richtigerweise hat er in der mündlichen Verhandlung zwar vorgetragen, dass ein der Formulierung des Testamentes seiner Mutter zu entnehmender Belohnungsgedanke keinen Rückschluss auf die Vorstellungen der späteren Vertragsparteien zulässt. Der Einschätzung des Klägers, bevorzugt worden zu sein, muss jedoch dessen eigene Wertvorstellung zugrunde gelegen haben. Diese wurde augenscheinlich von seinen Geschwistern geteilt. Nur so erklärt sich auch die Einspruchsbegründung des Klägers, die Übertragung habe „alleine den Zweck (gehabt), die Geschwister an den zukünftigen Gewinnchancen aus den Anteilen partizipieren zu lassen“.

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    Wertvorstellungen, wie sie nach der Ansicht des Gerichts hier demnach vorlagen, entziehen sich wegen ihrer Subjektivität nicht nur einer konkreten Bezifferung; sie können sich, wegen ihrer allgemeinen Zukunftsbezogenheit auch nicht auf einen bestimmten Stichtag beziehen. Insoweit besteht daher weder die Notwendigkeit noch überhaupt die Möglichkeit einer stichtagsbezogenen Bewertung.

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    Ebensowenig kann der Kläger mit seinem Vorbringen durchdringen, eine Schenkung setze stets eine Bereicherung voraus, die in der Übertragung wertloser Anteile gerade nicht zu sehen sei. Damit, dass der Beschenkte nach § 516 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches „bereichert“ sein muss, ist lediglich gemeint, dass das Vermögen des Beschenkten um das vermehrt sein muss, was im Vermögen des Schenkers nunmehr fehlt. Im Übrigen liegt die Bereicherung in den Augen des Beschenkten, dem eine Schenkung nicht aufgezwungen werden kann. Andernfalls wäre es überhaupt nicht vorstellbar, Geschenke zu machen, denen kein objektiver Wert beizumessen ist. Ob die Anteile tatsächlich, wie vom Kläger im Nachhinein dargelegt und vom Finanzamt nicht in Zweifel gezogen, bezogen auf den Zeitpunkt der Übertragung objektiv wertlos waren, kann deshalb dahinstehen.

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    Die vom Finanzamt in der Einspruchsentscheidung vertretene Ansicht, auch nach § 17 Abs. 4 EStG führe der Verlust der Kapitalrücklage mangels Vorliegens der tatbestandlichen Voraussetzungen der Vorschrift nicht zu einem Veräußerungsverlust, teilt das Gericht. Der Kläger ist hierauf in der Klage auch nicht mehr eingegangen.

    41

    Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO).

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    Die Zulassung der Revision beruht auf § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO. Das Gericht hält es angesichts der bei Anteilsübertragungen unter nahen Angehörigen maßgeblich auch an innere Tatsachen anknüpfenden Abgrenzung zwischen Veräußerung und Schenkung zur Fortbildung des Rechts für geboten, den Klägern eine Klärung der Streitfrage durch den Bundesfinanzhof zu ermöglichen.

    RechtsgebietEStGVorschriften§ 17 Abs. 2 S. 6 EStG; § 17 Abs. 4 EStG

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