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  • 25.09.2014 · IWW-Abrufnummer 142855

    Bundesfinanzhof: Urteil vom 20.05.2014 – II R 7/13

    1. Der vorzeitige unentgeltliche Verzicht auf ein vorbehaltenes Nießbrauchsrecht erfüllt als Rechtsverzicht den Tatbestand des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG. § 25 Abs. 1 ErbStG a.F. steht dem nicht entgegen.
    2. Eine Doppelerfassung des Nießbrauchsrechts --sowohl bei der Nichtberücksichtigung als Abzugsposten nach § 25 Abs. 1 Satz 1 ErbStG a.F. oder nach § 10 Abs. 6 Satz 5 ErbStG a.F. als auch beim späteren Verzicht des Berechtigten-- ist bei der Besteuerung des Nießbrauchsverzichts durch den Abzug des bei der Besteuerung des Erwerbs des nießbrauchsbelasteten Gegenstandes tatsächlich unberücksichtigt gebliebenen (Steuer-)Werts des Nutzungsrechts von der Bemessungsgrundlage (Steuerwert) für den Rechtsverzicht zu beseitigen.




    Gründe



    I.

    1


    Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) schenkte im Jahr 2002 seinem Sohn (S) einen Gesellschaftsanteil an einer GmbH und behielt sich den Nießbrauch an dem Anteil vor. Die gemeinen Werte des Anteils und des Nießbrauchs betrugen 3.600.000 € und 1.259.206 €.


    2


    Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) berücksichtigte bei der Festsetzung der Schenkungsteuer für den Anteilserwerb antragsgemäß die Steuervergünstigungen nach § 13a des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes in der seinerzeit geltenden Fassung (ErbStG) in Höhe von 1.516.800 €. Nach Abzug dieses Betrags vom Anteilswert verblieb ein der Besteuerung zugrunde zu legender Betrag von 2.083.200 €. Den Nießbrauch berücksichtigte das FA bei der Ermittlung des steuerpflichtigen Erwerbs nicht, und zwar gemäß § 10 Abs. 6 Satz 5 ErbStG in Höhe von 530.545 € wegen der Gewährung der Steuervergünstigungen nach § 13a ErbStG und im Übrigen aufgrund des in § 25 Abs. 1 Satz 1 ErbStG geregelten Abzugsverbots. Der nach § 25 Abs. 1 Satz 1 ErbStG nicht abgezogene Betrag von 728.661 € führte lediglich zu der in dieser Vorschrift vorgesehenen Stundung der Schenkungsteuer.


    3


    Mit Vertrag vom 22. Juni 2007 verzichtete der Kläger mit Wirkung zum 1. Januar 2008 unentgeltlich auf das ihm zustehende Nießbrauchsrecht, dessen gemeiner Wert zu diesem Zeitpunkt 1.623.878 € betrug, und übernahm die dadurch ausgelöste Schenkungsteuer.


    4


    Das FA berücksichtigte bei der dem Kläger gegenüber durch Bescheid vom 29. September 2010 erfolgten Festsetzung der Schenkungsteuer für den Verzicht einen Wert des Nießbrauchs von 895.217 € (1.623.878 € ./. 728.661 €). Der Ansicht des Klägers, der bei der Anteilsübertragung gegebene Wert des Nießbrauchs müsse in vollem Umfang von dessen Wert zum Zeitpunkt des Verzichts abgezogen werden, folgte das FA nicht. Im Einzelnen berechnete das FA die Steuer von 202.426 € wie folgt:


    5


    €Wert des Erwerbs ohne übernommene Schenkungsteuer895.217zuzüglich Vorschenkungen( § 14 ErbStG )2.565.886Summe3.461.103abzüglich Freibetrag205.000steuerpflichtiger Erwerb (abgerundet)3.256.100Steuersatz 19 %Schenkungsteuer des S618.659abzüglich Schenkungsteuer für Vorschenkungen448.552vom Kläger zu übernehmende Steuer170.107zuzüglich Erwerb ohne Vorschenkungen895.217Wert des Erwerbs1.065.324zuzüglich Vorschenkungen ( § 14 ErbStG )2.565.886Summe3.631.210abzüglich Freibetrag205.000steuerpflichtiger Erwerb (abgerundet)3.426.200Steuersatz 19 %Schenkungsteuer650.978abzüglich Schenkungsteuer für Vorschenkungen448.552festzusetzende Schenkungsteuer202.426

    6


    Der Einspruch blieb erfolglos.


    7


    Das Finanzgericht (FG) wies die Klage mit der Begründung ab, hinsichtlich des Betrags von 530.545 € liege keine unzulässige doppelte Belastung mit Schenkungsteuer vor. Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 2013, 533 veröffentlicht.


    8


    Mit der Revision vertritt der Kläger die Ansicht, der Verzicht auf den Nießbrauch unterliege lediglich hinsichtlich der seit der Übertragung des Anteils eingetretenen Erhöhung des Werts des Nießbrauchs der Schenkungsteuer, also mit 364.672 €. Die von FA und FG vorgenommene Steuerberechnung führe hinsichtlich des bei der Steuerfestsetzung für den Anteilserwerb gemäß § 10 Abs. 6 Satz 5 ErbStG nicht abgezogenen Teilbetrags von 530.545 € zu einer unzulässigen Doppelbesteuerung.


    9


    Der Kläger beantragt sinngemäß,


    die Vorentscheidung aufzuheben und die Schenkungsteuer für seinen Verzicht auf den Nießbrauch unter Abänderung des Bescheids vom 29. September 2010 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 14. Juni 2011 so festzusetzen, dass der Nießbrauch lediglich mit einem Wert von 364.672 € berücksichtigt wird.

    10


    Das FA beantragt,


    die Revision als unbegründet zurückzuweisen.



    II.

    11


    Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur antragsgemäßen Herabsetzung der Steuer ( § 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Entgegen der Ansicht des FG ist der bei der Steuerfestsetzung für den Anteilserwerb gemäß § 10 Abs. 6 Satz 5 ErbStG nicht abgezogene Teilbetrag von 530.545 € nicht in die Bemessungsgrundlage der Steuer für den Nießbrauchsverzicht einzubeziehen.


    12


    1. Die Beteiligten und das FG gehen zu Recht davon aus, dass der Verzicht auf den Nießbrauch eine freigebige Zuwendung i.S. des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG ist. Dass bei der Besteuerung des Anteilserwerbs der Wert des Nießbrauchs nicht von der Bemessungsgrundlage der Steuer abgezogen worden war, steht dem nicht entgegen (vgl. im Einzelnen Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 17. März 2004  II R 3/01 , BFHE 204, 311, BStBl II 2004, 429, [BFH 17.03.2004 - II R 3/01] unter II.1. und 2.).


    13


    2. Ebenfalls zutreffend ist die von den Beteiligten und vom FG übereinstimmend vertretene Ansicht, dass der Anteil am Wert des Nießbrauchs, der bei der Festsetzung der Schenkungsteuer für den Anteilserwerb nach § 25 Abs. 1 Satz 1 ErbStG nicht von der Bemessungsgrundlage der Steuer abgezogen wurde, nicht in die Bemessungsgrundlage der Steuer für den Nießbrauchsverzicht einzubeziehen ist.


    14


    a) Eine als Folge des Abzugsverbots nach § 25 Abs. 1 Satz 1 ErbStG mögliche zweimalige steuerliche Erfassung des Nießbrauchs sowohl bei der Nichtberücksichtigung als Abzugsposten als auch beim späteren Verzicht, würde dem in § 10 Abs. 1 Satz 1 ErbStG verankerten Bereicherungsprinzip widersprechen. Dieses gebietet die Anknüpfung der Besteuerung an die (Netto-)Bereicherung des Erwerbers und schließt damit die mehrfache steuerliche Erfassung eines Vermögenszuwachses aus. Eine Doppelerfassung des Nießbrauchsrechts als Folge des Abzugsverbots muss deshalb bei der Besteuerung des späteren Nießbrauchsverzichts durch den Abzug des bei der Besteuerung des nießbrauchsbelasteten Gegenstandes tatsächlich unberücksichtigt gebliebenen (Steuer-)Werts des Nutzungsrechts von der Bemessungsgrundlage (Steuerwert) für den Rechtsverzicht beseitigt werden. Eines Rückgriffs auf § 163 der Abgabenordnung bedarf es in diesen Fällen nicht (BFH-Urteil in BFHE 204, 311, [BFH 17.03.2004 - II R 3/01] BStBl II 2004, 429, [BFH 17.03.2004 - II R 3/01] unter II.3.a).


    15


    b) Der bei der Festsetzung der Schenkungsteuer für den Anteilserwerb nach § 25 Abs. 1 Satz 1 ErbStG nicht von der Bemessungsgrundlage der Steuer abgezogene Teilbetrag von 728.661 € ist somit nicht in die Bemessungsgrundlage der Steuer für den Nießbrauchsverzicht einzubeziehen.


    16


    3. Der Anteil am Wert des Nießbrauchs, der bei der Festsetzung der Schenkungsteuer für den Anteilserwerb nach § 10 Abs. 6 Satz 5 ErbStG nicht von der Bemessungsgrundlage der Steuer abgezogen wurde, ist ebenfalls nicht in die Bemessungsgrundlage der Steuer für den Nießbrauchsverzicht einzubeziehen. Die im BFH-Urteil in BFHE 204, 311, [BFH 17.03.2004 - II R 3/01] BStBl II 2004, 429 [BFH 17.03.2004 - II R 3/01] dargelegten Grundsätze gelten in diesem Zusammenhang gleichermaßen. Für eine Abweichung hiervon gibt es keine Grundlage. Das Recht, den Nießbrauchsverzicht zu besteuern, ist hinsichtlich dieses Teilbetrags durch den Nichtabzug bei der Festsetzung der Schenkungsteuer für den Anteilserwerb ebenso verbraucht wie hinsichtlich des Teilbetrags, der dabei nach § 25 Abs. 1 Satz 1 ErbStG nicht abgezogen wurde.


    17


    Dass die in § 10 Abs. 6 Satz 5 ErbStG angeordnete Abzugsbeschränkung auf der Gewährung der Steuervergünstigungen nach § 13a ErbStG beruht, steht dieser Beurteilung nicht entgegen. Die Folgen der Abzugsbeschränkung werden nicht rückgängig gemacht, wenn der nach dieser Vorschrift bei der Bemessung der Steuer für den Anteilserwerb nicht abgezogene Teilbetrag des Werts des Nießbrauchs bei der Bemessung der Steuer für den Nießbrauchsverzicht unberücksichtigt bleibt. Sinn und Zweck des § 10 Abs. 6 Satz 5 ErbStG erfordern es nicht, dass die Summe der Steuerwerte der Bereicherung des Bedachten aus dem Anteilserwerb und dem Nießbrauchsverzicht abweichend von den zivilrechtlichen Wertverhältnissen höher sein muss als der Steuerwert, den dessen Bereicherung nach Anwendung der Steuervergünstigungen des § 13a ErbStG gehabt hätte, wenn er den Anteil von vornherein ohne Nießbrauchsvorbehalt übertragen erhalten hätte.


    18


    Die Einbeziehung des Anteils am Wert des Nießbrauchs, der bei der Festsetzung der Schenkungsteuer für den Anteilserwerb nach § 10 Abs. 6 Satz 5 ErbStG nicht von der Bemessungsgrundlage der Steuer abgezogen wurde, in die Bemessungsgrundlage der Steuer für den Nießbrauchsverzicht lässt sich entgegen der Ansicht des FG auch nicht damit begründen, dass dem Kläger das Nießbrauchsrecht für die Zeit bis zum Verzicht zustand, während er bei einer von vornherein unbelasteten Übertragung sofort alle Rechte am Anteil verloren hätte. Entscheidend für die Festsetzung der Schenkungsteuer ist die Bereicherung des S als Bedachten. Dies gilt unabhängig davon, dass der Kläger die Entrichtung der von S geschuldeten Steuer selbst übernommen hat. Dies hat gemäß § 10 Abs. 2 ErbStG lediglich zur Folge, dass als Erwerb der Betrag gilt, der sich bei einer Zusammenrechnung des Erwerbs nach § 10 Abs. 1 ErbStG mit der aus ihm errechneten Steuer ergibt. Die Übernahme der Steuer durch den Schenker ändert somit nichts daran, dass die Bereicherung des Beschenkten abgesehen von der vom Schenker übernommenen Schenkungsteuer nach den allgemeinen Vorschriften zu bestimmen ist. Bei einer Anteilsübertragung unter Nießbrauchsvorbehalt und einem vorzeitigen Verzicht des Nießbrauchers auf den Nießbrauch kommt es somit auf die Bereicherung des Anteilserwerbers und nicht des Schenkers (Nießbraucher) an.


    19


    4. Ob der Nießbrauchsverzicht mit einem Wert von 364.672 € der Schenkungsteuer unterliegt, ist nicht Gegenstand der revisionsrechtlichen Prüfung und kann daher auf sich beruhen.


    20


    5. Die Schenkungsteuer ist danach auf 82.460 € festzusetzen, wie sich aus der folgenden Berechnung ergibt:


    21


    €Wert des Erwerbs ohne übernommene Schenkungsteuer364.672zuzüglich Vorschenkungen ( § 14 ErbStG )2.565.886Summe2.930.558abzüglich Freibetrag205.000steuerpflichtiger Erwerb (abgerundet)2.725.500Steuersatz 19 %Schenkungsteuer des S517.845abzüglich Schenkungsteuer für Vorschenkungen448.552vom Kläger zu übernehmende Steuer69.293zuzüglich Erwerb ohne Vorschenkungen364.672Wert des Erwerbs433.965zuzüglich Vorschenkungen ( § 14 ErbStG )2.565.886Summe2.999.851abzüglich Freibetrag205.000steuerpflichtiger Erwerb (abgerundet)2.794.800Steuersatz 19 %Schenkungsteuer531.012abzüglich Schenkungsteuer für Vorschenkungen448.552festzusetzende Schenkungsteuer82.460

    Vorschriften§ 13a des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes, § 13a ErbStG, § 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung, § 10 Abs. 1 Satz 1 ErbStG, § 163 der Abgabenordnung, § 10 Abs. 2 ErbStG, § 10 Abs. 1 ErbStG

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