· Fachbeitrag · Immobilien
Grundstücksverkauf an den Ehegatten: Nach der Ehegattenschaukel ist vor dem Nießbrauchdepot
von Dipl.-Finw. Paul Tonn, Bad Zwischenahn
| Bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung stellen Abschreibungen oft die wichtigste Aufwandsposition dar. Mit dem in der Praxis äußerst beliebten Gestaltungsmodell der „Ehegattenschaukel“ ist es möglich, durch den fremdüblichen Verkauf der Immobilie an den Ehegatten neues Abschreibungspotenzial zu schaffen und dadurch effektiv Steuern zu sparen. Kombiniert man dieses Modell anschließend noch mit der Einrichtung eines Nießbrauchdepots, lassen sich im Familienverbund weitere steuerliche Vorteile heben. |
1. Ehegattenschaukel als Startschuss für weitere Gestaltungsüberlegungen
Neben dem durch den fremdüblichen Verkauf erzeugten AfA-Potenzial zeichnet sich das Modell der „Ehegattenschaukel“ dadurch aus, dass weder Grunderwerbsteuer anfällt (§ 3 Nr. 4 GrEStG) noch Einkommensteuer, wenn die Spekulationsfrist des § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG überschritten ist. Somit wird ohne Steuerbelastung im Wege der Fremdfinanzierung vormals in der Immobilie gebundenes Kapital freigesetzt und in liquide Mittel „umgewandelt“. Zudem verbleibt die Immobilie im Familienbesitz, sodass man von zukünftigen potenziellen Wertsteigerungen profitieren kann. Doch nun stellt sich die Frage, wie diese neu gewonnenen liquiden Mittel steueroptimiert angelegt werden können und wie man im nächsten Schritt auch die Vermögensnachfolge vorausschauend vorantreiben kann, ohne allzu große erbschaft- und schenkungsteuerliche Belastungen. Die Antwort lässt sich in zwei Worten zusammenfassen: Aktien-ETF und Nießbrauchdepot!
2. Aktien-ETFs zur Finanzierung und Steueroptimierung nutzen
Durch die gestiegenen Immobilienpreise und Darlehenszinsen kann es schnell dazu kommen, dass bei einer Fremdfinanzierung der Geldfluss auf Seiten des erwerbenden Ehegatten negativ wird und der sich durch die AfA und Zinsen als Werbungskosten ergebende Steuervorteil dies nicht aufwiegen kann. Der an die Bank zu erbringende Kapitaldienst in Form der Annuität ist zu groß und eine entsprechende Erhöhung der Miete lässt sich nicht durchsetzen.
Die unten dargestellte Vergleichsberechnung veranschaulicht die finanziellen Probleme nochmals in Zahlen. Dabei wird angenommen, dass das Grundstück vor Anwendung der Ehegattenschaukel zu einem Kaufpreis inkl. Nebenkosten von 150.000 EUR erworben wurde, wovon 105.000 EUR auf das Gebäude entfielen. Bei Anwendung der Ehegattenschaukel beläuft sich der Kaufpreis auf 306.000 EUR (lediglich inkl. 2 % Notar und Grundbuch). Hiervon entfallen wiederum 244.800 EUR (80 %) auf das Gebäude. Somit ergibt sich eine AfA i. H. v. 4.896 EUR p. a. Die Kaufnebenkosten wurden selbst getragen, 300.000 EUR sind mittels Darlehen finanziert worden. Die Konditionen lauten: 1,5 % Tilgung mit einem Sollzins von 3 %. Dies ergibt eine monatliche Annuität von 1.125 EUR. Die jährliche Kaltmiete beläuft sich auf 12.000 EUR und es fallen laufende Kosten für Wartung und Instandhaltung von jährlich 1.500 EUR an. So berechnen sich die Einkünfte und der Geldfluss im Vergleich wie folgt:
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ohne Ehegattenschaukel | mit Ehegattenschaukel | |
Mieteinnahmen | 12.000,00 EUR | 12.000,00 EUR |
abzgl. laufende Kosten | 1.500,00 EUR | 1.500,00 EUR |
abzgl. AfA | 2.100,00 EUR | 4.896,00 EUR |
abzgl. Schuldzinsen | 0,00 EUR | 8.937,61 EUR1 |
Einkünfte | 8.400,00 EUR | ‒ 3.333,61 EUR |
Steuer3 (47,47 %) | 3.987,48 EUR | ‒ 1.582,46 EUR |
Geldfluss | 6.512,52 EUR | ‒ 1.417,54 EUR2 |
Geldfluss-Verlust | ‒ 7.930,06 EUR |
1 Zinsanteil der jährlichen Annuität (13.500 EUR)
2 Einnahmen abzgl. laufende Kosten abzgl. Jahresannuität zzgl. Steuervorteil; der Steuervorteil resultiert aus der steuermindernden Verrechnung mit anderen positiven Einkünften
3 Annahme Grenzsteuersatz 45 % zzgl. 5,5 % Solidaritätszuschlag
Bei Betrachtung dieser Berechnung könnte man aus finanzieller Sicht von der Anwendung der Ehegattenschaukel abraten. Jedoch kommt es nun auf die Verwendung der zugeflossenen 300.000 EUR an. Diese könnten bspw. in ein ausschüttendes Aktien-ETF-Portfolio angelegt werden. ETFs sind spätestens seit der Corona-Pandemie und durch die mediale Präsenz im Thema Vermögensaufbau und Altersvorsorge ins Rampenlicht gerückt und stellen neben der Immobilie als klassische Variante eine moderne Alternative dar, wobei beide Anlageklassen sich insbesondere innerhalb der Familie gezielt kombinieren lassen. Dies kristallisiert sich bei genauerer Betrachtung schnell heraus.
ETFs unterliegen gem. § 20 Abs. 1 Nr. 3 EStG den Einkünften aus Kapitalvermögen. Für diese wird der Abgeltungsteuersatz von 25 % zzgl. 5,5 % Soli (effektiv somit 26,375 %) nach § 32d Abs. 1 EStG angewendet. Zudem gilt die Teilfreistellung des § 20 Abs. 1 S. 1 des Investmentsteuergesetzes (InvStG), wonach lediglich 70 % der Erträge der Besteuerung zu unterwerfen sind. Durch diese Teilfreistellung wird eine effektive Steuerlast von 18,46 % erzeugt, welche einkommensunabhängig gilt. Ein geringerer Grenzsteuersatz ist im steuerlichen Privatvermögen bei Existenz anderer Einkunftsquellen kaum möglich. Zudem kann unter der Voraussetzung, dass keine weiteren Kapitalerträge erzielt werden, für Eheleute der doppelte ungekürzte Sparerpauschbetrag (2.000 EUR) angewendet werden, eine zur Teilfreistellung korrespondierende Abzugsbeschränkung (z. B. § 3c Abs. 1 EStG) existiert nicht. Nun lässt sich wiederum auch berechnen, welche Brutto-Ausschüttung benötigt wird, um die negative Geldflussdifferenz aufzufangen.
7.930,06 EUR ‒ 2.000,00 EUR (Sparer-Pauschbetrag) = 5.930,06 EUR 5.930,06 EUR ÷ 81,54 % = 7.272,58 EUR 7.272,58 EUR + 2.000,00 EUR = 9.272,58 EUR benötigte Brutto-Ausschüttung |
Setzt man diese mit den investierten 300.000 EUR ins Verhältnis, ergibt sich eine Ausschüttungsquote von 3,09 %. Es ist durchaus möglich, sich ein Portfolio mit einer höheren Ausschüttungsquote zusammenstellen, welches zudem ein Ausschüttungswachstum oberhalb des Inflationslevels bietet und allgemeines Kurswachstum langfristig erwartbar macht. So lässt sich sogar der Geldfluss ohne großes Zutun schnell steigern. Der Vorteil liegt zudem im ersparten Kosten- und Zeitaufwand. In der Gesamtbetrachtung wurden durch die Kombination der Ehegattenschaukel mit der ETF-Investition die positiven Einkünfte der Eheleute von der Vermietung und Verpachtung zu den Einkünften aus Kapitalvermögen verschoben. Das Halten im Privatvermögen bietet zudem im Gegensatz zu beispielweise einer sonst oft nötigen Holdingstruktur eine erhöhte Flexibilität bei der zukünftiger Verwendung der Vermögenswerte.
3. Nießbrauchdepot zur Vorbereitung der Vermögensnachfolge
Der Vermögensaufbau ist oft mit dem Hintergedanken verbunden, dass das erwirtschaftete Vermögen in Zukunft in die Hände der Kinder übergehen soll. Neben dem klassischen Erbfall von Todes wegen bietet sich mit der vorweggenommenen Erbfolge eine Vermögensübergabe zu Lebzeiten im Wege der Schenkung an. Für die Zuwendungen von Eltern auf die Kinder gilt ein Freibetrag von 400.000 EUR (§ 16 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG). Nun hat das Aktien-ETF-Depot bereits bei Anschaffung einen Kurswert von 300.000 EUR. Unter der Annahme eines jährlichen Kurswachstums von 5 % wäre die Schwelle zum Freibetrag bereits nach knapp sechs Jahren erreicht, sodass bei einem normalen Erbfall Erbschaftsteuer droht. Somit wäre es vorausschauend, das Eigentum am Depot zeitnah durch eine Schenkung auf die kommende Familiengeneration zeitnah zu übertragen, damit der Freibetrag ausgenutzt werden kann.
Allerdings soll durch die Ausschüttungen längerfristig auch ein passives Einkommen aufgebaut werden, von welchem im Alter Gebrauch gemacht werden kann. Die Erträge sollen also nicht in den Eigentumsbereich des Kindes fallen. Die Lösung wäre ein Nießbrauchdepot. Dieses hat Ähnlichkeit mit dem Vorbehaltsnießbrauch an den Mieteinnahmen bei einem vermieteten Grundstück und funktioniert auf dieselbe Art und Weise: Das Depot wird unentgeltlich auf die Kinder übertragen, jedoch behält sich ein Elternteil den Nießbrauch an den Ausschüttungen vor. Dieses Vorgehen sollte über einen Schenkungsvertrag mit Unterstützung eines Anwalts schriftlich manifestiert und rechtlich abgesichert und auch zeitnah dem Finanzamt gemeldet werden. Bei minderjährigen Kindern sollte ein Ergänzungspfleger hinzugezogen werden. Schenkungsteuerlich sorgt der Vorbehaltsnießbrauch dafür, dass der Wert der Schenkung gemindert wird, da der Nießbrauchwert für das beschenkte Kind eine Art Belastung des erhaltenen Vermögens darstellt.
4. Die Bewertung des Nießbrauchs
Die Bewertung eines lebenslangen Nießbrauchs bestimmt sich grundsätzlich nach § 12 Abs. 1 ErbStG i. V. m. § 14 Abs. 1 BewG. Hierbei fließt die statistische Lebenserwartung des nießbrauchenden Elternteils ein. Für die Ermittlung des Kapitalwerts zum Bewertungsstichtag ist der Vervielfältiger mit dem Jahreswert des Depots zu multiplizieren. Wertpapierdepots unterliegen grundsätzlich Schwankungen, wodurch der Jahreswert nie genau identisch ist. Nach § 15 Abs. 3 BewG ist in solchen Fällen von einem durchschnittlich erzielbaren Betrag für kommende Jahre auszugehen.
Hier könnte es sich anbieten, die historische Ausschüttungsrendite für einen repräsentativen Zeitraum von mindestens zehn Jahren heranzuziehen soweit dies möglich ist. Im Internet existieren viele ETF-Analyse-Webseiten, welche zu einzelnen ETFs historische Daten pflegen. Andernfalls ist auch der Durchschnitt der letzten drei Jahre von ausreichender Aussagekraft. Dies bejahte bereits der BFH im Urteil vom 28.5.19 (II R 4/16, BStBl II 20, 326).
Beachten Sie | Zu berücksichtigen ist jedoch, dass im Sinne von § 16 BewG maximal der Quotient aus dem Wert des genutzten Wirtschaftsgutes, in diesem Fall der Wert des ETF-Depots, und 18,6 berücksichtigungsfähig ist. Im folgenden Rechenbeispiel wird von solch einem Quotient aus Vereinfachungsgründen Gebrauch gemacht. Zudem soll das Alter des übertragenden Elternteils 50 Jahre betragen. Auf Basis der Sterbetafel (BMF 9.12.24) ergibt sich mit einer durchschnittlichen Lebenserwartung von 29,93 ein Vervielfältiger von 14,919.
300.000,00 EUR ÷ 18,6 = 16.129,03 EUR Jahreswert 16.129,03 EUR × 14,919 = 240.629,00 EUR Kapitalwert |
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ETF-Depot | 300.000 EUR |
abzgl. Nießbrauch | 240.629 EUR |
= Wert der Schenkung | 59.371 EUR |
Der Wert der Schenkung liegt nunh ndeutlich unter dem o. g. Freibetrag, weshalb keine Schenkungsteuer anfällt. Dieses Vorgehen sorgt dafür, dass sich beim tatsächlichen Erbfall keine steuerrechtlichen Auswirkungen mehr ergeben. Zudem kann der Freibetrag nach zehn Jahren erneut genutzt werden, z. B. dann für die Übertragung der Immobilie.
FAZIT | Durch die Kombination der Ehegattenschaukel mit der Investition in Aktien-ETFs und anschließender Einrichtung eines Nießbrauchdepots bietet sich die Möglichkeit, steuerlich gesehen mehrere „Fliegen mit einer Klappe“ zu schlagen. Zum einen wird durch die Ehegattenschaukel die steuerliche Grenzbelastung der Vermietungseinkünfte gesenkt. Im zweiten Schritt wurde durch die Hinzunahme von ETFs im Vermögensaufbau eben jene Grenzbelastung für mehrere Jahre auf effektiv 18,46 % gemindert. Abschließend erreicht das Nießbrauchdepot einen langfristigen Schutz vor erbschaftsteuerlichen Belastungen, ohne dass der Zuwendende im Gegenzug auf gegenwärtige Erträge verzichten muss. So lässt sich innerhalb der Familie im Privatvermögen langfristig steueroptimiert Vermögen aufbauen und erhalten, ohne dass Flexibilität eingebüßt werden muss. |