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  • · Fachbeitrag · EU-Erbrechtsverordnung

    Das Europäische Nachlasszeugnis

    von Frederike Borsdorff, LL.M., Hamburg

    | Die Einführung des europäischen Nachlasszeugnisses (ENZ) schafft einen Erbnachweis, der neben die nationalen Bescheinigungen wie zum Beispiel den deutschen Erbschein oder die österreichische Einantwortungsurkunde tritt und zum Nachweis der Erbfolge bei grenzüberschreitenden Nachlassangelegenheiten dient. Dies wird die Abwicklung von Erbfällen mit Auslandsbezug in der Praxis wesentlich vereinfachen. |

    1. Praxisfall

    Erblasser E ist deutscher Staatsangehöriger. E ist verwitwet. Er hinterlässt zwei erwachsene Kinder, K1 und K2. Seinen Wohnsitz hat E schon vor mehreren Jahren nach Österreich verlegt. K1 und K2 leben in Deutschland. E hat sowohl in Österreich als auch in Deutschland Immobilienvermögen sowie mehrere Bankkonten. E verstirbt ohne ein Testament zu hinterlassen. K1 und K2 fragen nun, wie der Nachlass in Deutschland und Österreich abzuwickeln ist, insbesondere welche Unterlagen den Grundbuchämtern und den Banken vorzulegen sind.

    2. E verstirbt im September 2014 (Variante 1)

    Aus deutscher Sicht richtet sich nach dem zurzeit noch gültigen Staatsangehörigkeitsprinzip das auf E‘s Nachfolge von Todes wegen anwendbare Recht gemäß Art. 25 Abs. 1 EGBGB grundsätzlich nach deutschem Recht. Seine Kinder K1 und K2 bilden eine Erbengemeinschaft, an der sie je zu ½ beteiligt sind. Ihre Stellung als Erben weisen sie im Rechtsverkehr durch den Erbschein nach (§ 2353 BGB). In Deutschland müssen K1 und K2 dem Grundbuchamt den Erbschein vorlegen, um als neue Eigentümer eingetragen zu werden. Auch die Banken verlangen die Vorlage eines Erbscheins als Nachweis der Rechtsnachfolge, damit die Erben über die Nachlasskonten verfügen können.

     

    Hinsichtlich der in Österreich belegenen Grundstücke kommt es nach § 3a Abs. 2 EGBGB, der auf § 5 Abs. 2 österreichisches IPRG verweist, zur Anwendung des österreichischen Erbrechts. Anders als in Deutschland wird der Nachlass in Österreich durch ein gerichtliches Verlassenschaftsverfahren übertragen (http://www.successions-europe.eu). Die sogenannte Einantwortungsurkunde des österreichischen Rechts ist, anders als der deutsche Erbschein, daher keine deklaratorische Feststellung wer Erbe ist, sondern eine konstitutive Übertragung des Nachlasses auf die Person, die als Erbe ermittelt wurde (Süß, Das Europäische Nachlasszeugnis, ZEuP 2013, 725).

     

    Es kommt zur Nachlassspaltung. Die in Österreich belegenen Immobilien werden nach österreichischem Erbrecht vererbt. Im Rahmen des Verlassenschaftsverfahrens wird den Erben in der Einantwortungsurkunde der Nachlass übertragen. Der übrige Nachlass - auch die österreichischen Konten - wird nach deutschem Recht vererbt. Hierfür gilt der deutsche Erbschein zum Nachweis. In der Praxis kommt es immer wieder zu Schwierigkeiten bei der Anerkennung ausländischer Erbnachweise. Zeitraubende Anerkennungsverfahren, eine Legalisation und Apostille können die Abwicklung des Nachlasses erheblich verzögern, dringend erforderliche Maßnahmen zur Erhaltung des Nachlasses können nicht vorgenommen werden.

    3. E verstirbt im September 2015 (Variante 2)

    Mit Inkrafttreten der neuen EUErb-VO zum 16.8.15 richtet sich das anwendbare Erbrecht nach dem gewöhnlichen Aufenthalt des Erblassers im Zeitpunkt des Todes, vorliegend also Österreich. Auf den gesamten Nachlass wird österreichisches Erbrecht angewendet. Es wird das Verlassenschaftsverfahren mit Erteilung der Einantwortungsurkunde durchgeführt. Zur Abwicklung des in Deutschland belegenen Nachlasses wird nun zusätzlich das ENZ erforderlich (Art. 62 ff. EU-ErbVO). Zuständig zur Erteilung des ENZ sind nach Art. 64 EUErb-VO in der Regel die Gerichte des Staates, in dem der Erblasser seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte, wenn sich nicht ausnahmsweise durch eine Gerichtsstandsvereinbarung oder die größere Sachnähe zu einem anderen Staat etwas anderes ergibt (Eckelskemper, Beck‘sches Formularbuch ErbR, 2014, 9. Anhang).

     

    Das ENZ wird auf Antrag der Person ausgestellt, die sich in einem anderen Mitgliedstaat auf ihre Rechte als Erbe, dinglicher Vermächtnisnehmer, Testamentsvollstrecker oder Nachlassverwalter berufen will (Buschmann/Simon, ZEV 12, 525). In dem Formblatt, mit welchem der Antragsteller seinen Antrag auf Erteilung des ENZ stellt, muss der beabsichtigte Zweck angegeben werden. Nach Art. 70 EU-ErbVO werden beglaubigte Abschriften erstellt und dem Antragsteller ausgehändigt. Die Urschrift verbleibt beim zuständigen Gericht. Das ENZ genießt die Vermutung der Richtigkeit des ausgewiesenen Sachverhalts und der Rechtsstellung der genannten Personen. Im Gegensatz zum deutschen Erbschein ist der Gutglaubensschutz an das ENZ aber schwächer ausgeprägt. Die Abschriften sind grundsätzlich sechs Monate gültig, danach muss eine Verlängerung der Frist oder eine neue beglaubigte Abschrift beantragt werden. Es ist schon jetzt absehbar, dass die erforderlichen Folgeanträge zu einer Bürokratisierung führen werden.

     

    Für die Erben K1 und K2 bedeutet das, dass sie in Österreich am zuständigen Gericht ein ENZ beantragen müssen, welches sie dem Grundbuchamt und den Banken in Deutschland vorlegen müssen. Der in Österreich befindliche Nachlass wird hingegen mithilfe der daneben bestehenden Einantwortungsurkunde abgewickelt werden.

     

    PRAXISTIPP | Ohne einen Nachweis der Erbfolge kann der Erbe nicht über den Nachlass verfügen. Da die Erteilung des nationalen Erbnachweises und des ENZ mehrere Monate in Anspruch nehmen kann, sollte der Erblasser einer Person seines Vertrauens eine postmortale Vollmacht erteilen. Gerade für Banken empfiehlt es sich, die bankinternen Vollmachtsformulare zu verwenden.

     

    Weiterführender Hinweis

    • Brüggemann, Der Inhalt der EU-Erbrechtsverordnung im Überblick, ErbBstg 13, 51 ff.
    Quelle: Ausgabe 07 / 2014 | Seite 185 | ID 42754299

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