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  • · Fachbeitrag · EU-Erbrechtsverordnung

    Das Erbrecht eingetragener Lebenspartner, Pflichtteilsreduzierung von Angehörigen

    von Frederike Borsdorff, LL.M., Hamburg

    | Die EU-ErbVO gilt nach Art. 23 Abs. 2b ausdrücklich auch für gleichgeschlechtliche Lebenspartner. Für diese bringt sie aber nicht zwingend eine Verbesserung mit sich. Da je nach Mitgliedsstaat sehr unterschiedliche Voraussetzungen für die Anerkennung gleichgeschlechtlicher Lebenspartnerschaften gelten, kann das anwendbare Recht sogar zu einer Schlechterstellung führen. Der folgende Beitrag zeigt, wie sich durch bewusste Nachlassplanung der Pflichtteilsanspruch von Angehörigen reduzieren lässt, um dem Lebenspartner einen möglichst großen Anteil am Nachlass zu sichern. |

    1. Praxisfall

    Erblasser E ist deutscher Staatsangehöriger. E hat einen gleichgeschlechtlichen Lebenspartner L, der polnischer Staatsangehöriger ist. Die beiden sind in Deutschland als eingetragene Lebenspartnerschaft i.S. des LPartG registriert. Sie haben keinen Lebenspartnerschaftsvertrag abgeschlossen und leben im Güterstand der Zugewinngemeinschaft. E und L ziehen im Sommer 2014 von Berlin nach Warschau, wo sie dauerhaft leben wollen. Weder E noch L haben Abkömmlinge. Die Mutter des E ist schon verstorben. Zu seinem Vater V hat E kaum Kontakt. E hat ein umfangreiches Vermögen von 4 Mio. EUR aufgebaut. E fragt, was er tun kann, damit L den größten Anteil von seinem Nachlass erhält und V soweit wie möglich ausgeschlossen wird.

    2. E verstirbt im September 2014 in Polen (Variante 1)

    E ist deutscher Staatsangehöriger. Auf seine Rechtsnachfolge von Todes wegen ist - unabhängig vom Aufenthaltsort - nach dem noch gültigen Staatsangehörigkeitsprinzip (Art. 25 Abs. 1 EGBGB) deutsches Recht anwendbar. Das gesetzliche Erbrecht des eingetragenen Lebenspartners ergibt sich aus § 10 Abs. 1 S. 1 LPartG. Sollte E versterben, ohne ein Testament zu hinterlassen, gilt die gesetzliche Erbfolge. L erhält 1/2 nach § 10 Abs. 1 S. 1 LPartG und 1/4 als pauschalen Zugewinn nach § 6 S. 2 LPartG i.V. mit § 1371 Abs. 1 BGB, insgesamt also 3/4 des Nachlasses (3 Mio. EUR). V erhält 1/4 des Nachlasses (1 Mio. EUR) nach § 1925 Abs. 1 und 3 BGB, § 1931 Abs. 1 S. 1 HS. 2 und Abs. 3 BGB. Die beiden bilden eine Erbengemeinschaft und können nur gemeinschaftlich über den Nachlass verfügen. Hätte E ein Testament errichtet und L als Alleinerben eingesetzt, würde V lediglich ein Pflichtteilsanspruch in bar von 1/8 (500.000 EUR) nach § 2303 Abs. 2 BGB gegen L zustehen.

    3. E verstirbt im September 2015 in Polen (Variante 2)

    Ab dem 17.8.15 sind die Nachlassansprüche des überlebenden eingetragenen Lebenspartners Art. 23 Abs. 2 EU-ErbVO unterstellt. Für den zurzeit noch gültigen Art. 17b Abs. 1 S. 2 EGBGB, welcher ein subsidiäres Erbrecht des Lebenspartners aus dem Registerstatut begründet, wenn nach dem vorrangig anwendbaren Erbstatut kein gesetzliches Erbrecht für den überlebenden Lebenspartner vorgesehen ist (weil es z.B. wie in Polen eine Lebenspartnerschaft nicht anerkennt), bleibt damit kein Raum mehr (Bruns, ZErb 14, 181, 182).

     

    Durch den Umzug des E nach Polen kommt es zum Wechsel des gewöhnlichen Aufenthaltsorts, welcher maßgeblicher Anknüpfungspunkt nach der neuen EU-ErbVO ist. Die internationale Zuständigkeit des für den Erbfall zuständigen Gerichts folgt nach Art. 4 EU-ErbVO aus dem gewöhnlichen Aufenthalt des Erblassers zum Todeszeitpunkt. Zuständig sind hier also polnische Gerichte. Soweit der Erblasser nicht durch Rechtswahl (Art. 22 EUErbVO) das Recht seiner Staatsangehörigkeit gewählt hat, richtet sich auch das materiell anwendbare Erbrecht nach polnischem Recht, da Art. 21 Abs. 1 EU-ErbVO auf das Sachrecht des Staates verweist, in dem der Erblasser im Zeitpunkt seines Todes seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt hatte.

     

    In Polen gibt es derzeit keine gesetzliche Anerkennung gleichgeschlechtlicher Lebenspartnerschaften. Demzufolge sieht auch das polnische Erbrecht kein gesetzliches Erbrecht des gleichgeschlechtlichen Lebenspartners vor. Soweit der E kein Testament errichtet hat, wird V nach Art. 932 polnisches ZGB (Süß, Erbrecht in Europa, 2008, S. 1149) gesetzlicher Alleinerbe und erhält das gesamte Vermögen von 4 Mio. EUR.

     

    Fraglich ist, ob sich dieses Ergebnis, korrigieren lässt. Die Aufrechterhaltung von Art. 17b Abs. 1 S. 2 EGBGB ist im Rahmen des künftigen Umsetzungsgesetzes zur EU-ErbVO nicht möglich, da die Hilfsanknüpfung eine unzulässige Modifizierung der EU-ErbVO durch einen Mitgliedsstaat bedeuten würde. Denkbar ist hingegen die Anwendung des Ordre public-Vorbehalts nach Art. 35 EU-ErbVO, um dem Diskriminierungsverbot aus Art. 21 EU-Charta gerecht zu werden (Coester, ZEV 13, 115, 117). Wie in Zukunft mit vergleichbaren Fällen verfahren wird, bleibt abzuwarten. Zu umgehen ist diese Problematik, wenn E ein Testament errichtet und L als Alleinerben einsetzt. Wichtig ist dabei, dass E im Testament auch eine Rechtswahl nach Art. 22 EU-ErbVO hinsichtlich seines deutschen Heimatrechts trifft. So lässt sich der Pflichtteilsanspruch des V auf 1/8 (500.000 EUR) nach § 2303 Abs. 2 BGB bei deutschem Erbrecht reduzieren. Andernfalls würde der Pflichtteil des V nach polnischem Recht 1/2 (2 Mio. EUR) nach Art. 991 § 1 ZGB betragen.

     

    PRAXISHINWEIS | Bei der Errichtung eines notariellen Testaments erhöht die Beurkundung der Rechtswahlklausel den Wert für die Beurkundungsgebühr zwar um 30 %. Bei einem Nachlass von 4.000.000 EUR macht das eine Differenz von 1.730 EUR aus. Hierauf sollte aber - aus Kostengründen! - keinesfalls verzichtet werden. Ein Folgeproblem ergibt sich bei der Beantragung eines ENZ in Polen, sollte die polnische Ausstellungsbehörde die Vorfrage der Wirksamkeit der eingetragenen Lebenspartnerschaft verneinen. Zu vermeiden ist dies durch eine Gerichtsstandsvereinbarung nach Art 5 EU-ErbVO durch die Parteien hinsichtlich der Zuständigkeit deutscher Gerichte. Fraglich ist, ob der auf den Pflichtteil gesetzte V dem zustimmen wird. Es wird notwendig sein, dass dem überlebenden Lebenspartner die Möglichkeit bleibt, gemäß § 343, 105 FamFG einen Erbschein in Deutschland zu beantragen. Auch nach Einführung der EU-ErbVO ist die Stellung gleichgeschlechtlicher Lebenspartner in vielen Mitgliedsstaaten nach wie vor schwierig.

    Quelle: Ausgabe 08 / 2014 | Seite 217 | ID 42831521

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