15.11.2010 |Grundstücksübertragung
Schenker und Ehefrau als Gesamtgläubiger: Ablösebetrag bei lebenslangem Nießbrauch
von WP StB Dipl.-Kfm. Gerrit Grewe, Berlin
Wurde ein Grundstück unter Vorbehalt eines lebenslänglichen Nießbrauchsrechts zugunsten des Schenkers und seiner Ehefrau geschenkt, ist der Ablösebetrag für die gestundete SchenkSt nach § 25 Abs. 1 S. 3 ErbStG nicht für jeden Gesamtgläubiger getrennt zu berechnen (FG Berlin-Brandenburg 5.5.10, rkr., 14 K 14168/08, Abruf-Nr. 103592). |
Sachverhalt
Der Kläger erhielt von seiner Tante und seinem Onkel ein Grundstück geschenkt. Die Schenker behielten sich ein Nießbrauchsrecht für die Lebensdauer des Längerlebenden vor. Der Kläger beantragte die Ablösung der gestundeten Steuer gemäß § 25 Abs. 1 S. 3 ErbStG. Das FA berechnete den Ablösungsbetrag für die beiden Gesamtgläubiger getrennt. Dabei teilte es den jeweiligen Teilbetrag der gestundeten Steuer nach dem Verhältnis der Teilbeträge der Kapitalwerte der Belastung zum Gesamtkapitalwert auf. Nach Ansicht des Klägers fällt die gesamte Belastung erst mit dem Ableben der längerlebenden Tante weg, sodass alleine die für diese geltenden Vervielfältiger anzuwenden seien. Es mache keinen Unterschied, ob zwei Gesamtgläubiger die Nutzung beanspruchten oder nur einer.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist begründet. § 25 Abs. 1 S. 2 ErbStG spricht von einer Stundung bis zum „Erlöschen der Belastungen“. Die Belastung des Klägers durch den Nießbrauch fällt erst mit dem Tode des Längerlebenden weg. Der Erwerb ist bis dahin in Höhe des Gesamtwerts der Last gemindert. Denn bei Gesamtgläubigerschaft i.S. des § 428 BGB ist jeder der Gläubiger berechtigt, die volle Summe zu fordern. Der Wegfall eines Mitberechtigten führt nicht zu einem - auch nicht teilweisen - Erlöschen der Belastung. Die auf den Gesamtwert der Last entfallende anteilige Steuer ist bis zum Erlöschen zu stunden.
Die gesamte Steuer wird erst fällig, wenn der Längerlebende verstirbt und der Zuwendungsempfänger durch den Wegfall der Last bereichert ist. Folglich ist auch die zur Ablösung der gestundeten Steuer zu zahlende und nach § 25 Abs. 1 S. 3 ErbStG mit dem Barwert gemäß § 12 Abs. 3 BewG zu ermittelnde Summe nicht für jeden Gesamtgläubiger getrennt zu berechnen. Eine vorherige prozentuale Aufteilung des Kapitalwerts des Nießbrauchs zwecks Ermittlung getrennter Ablösebeträge ist im Gesetz nicht geregelt. Wegen des Vorliegens einer einheitlichen Last des Schuldners gegenüber den Gesamtgläubigern ist für die Berechnung des Kapitalwerts § 14 Abs. 3 BewG heranzuziehen.
Da der Nießbrauch mit dem Tod des zuletzt Sterbenden erlischt, sind für die Berechnung des Kapitalwerts des Nießbrauchs das Lebensalter und das Geschlecht derjenigen Person maßgebend, für die sich der höchste Vervielfältiger i.S. des § 14 BewG ergibt. Auch der Abzinsungsfaktor für die Errechnung des Ablösebetrags i.S. des § 25 Abs. 1 S. 2 ErbStG (Vervielfältiger zu § 12 Abs. 3 BewG) richtet sich nach der statistischen Lebenserwartung des Längerlebenden. § 25 ErbStG bleibt gemäß § 37 Abs. 2 ErbStG in Erbfällen, die vor dem 1.1.09 eingetreten sind, weiterhin anwendbar.
Praxishinweis | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Das Urteil widerspricht den gleichlautenden Ländererlassen der Finanzverwaltung (OFD Berlin 3.7.03, II B 15 - S 3810 - 3/02). Danach ist der Ablösebetrag wie folgt zu berechnen: Vater V schenkte seinem Kind im Jahr 2008 ein Mietwohngrundstück unter Vorbehalt des Nießbrauchs bzw. Einräumung eines Nießbrauchs zugunsten seiner Ehefrau E als Gesamtgläubiger bis zum Tod des Längstlebenden. Der gesamte Jahreswert der Nutzung sei 36.000 EUR. Auf den Zeitpunkt der Steuerentstehung ergeben sich folgende Kapitalwerte der Belastung. Zugrunde gelegt wird die Sterbetafel 2004/2006 (BStBl I 09, 477), denn gemäß koordiniertem Ländererlass (FinMin Baden-Württemberg 9.6.08, 3 - S - 3130/4) ist diejenige Sterbetafel zugrunde zu legen, deren Veröffentlichung dem Bewertungsstichtag vorangeht:
Schritt 1: Berechnung der zu stundenden Steuer
Schritt 2: Berechnung des Ablösebetrags Die Ablösung wird annahmegemäß in 2010 beantragt, sodass die Sterbetafel 2006/2008 (BStBl I 10, 158) zu Anwendung kommt.
Nach Ansicht des FG ergibt sich in diesem Beispiel folgender Ablösebetrag:
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