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  • 07.10.2010 | Checkliste

    Erwerb des Familienheims von Todes wegen

    von Prof. Dr. Gerd Brüggemann, Münster

    Der Erwerb des Familienheims von Todes wegen ist unter den Voraussetzungen der § 13 Abs. 1 Nr. 4b oder Nr. 4c ErbStG steuerbefreit. Mit der folgenden Checkliste werden die wesentlichen Voraussetzungen für die Gewährung der Steuerbefreiung bei Erwerben von Todes wegen (AEErbSt 25.6.09, BStBl I 09, S. 713) und Abgrenzungsfragen im Zusammenhang mit der Steuerbefreiung aufgegriffen.  

     

    Checkliste: Familienheim

    1. Anforderungen an ein Familienheim  

    Gegenstand des Erwerbs von Todes wegen muss ein Familienheim sein. Als Familienheim gilt ein bebautes Grundstück, soweit darin eine Wohnung gemeinsam zu eigenen Wohnzwecken genutzt wird. Die Voraussetzungen entsprechen insoweit denen der Schenkung unter Lebenden. Der AEErbSt verweist insoweit auf die Ausführungen in Abschn. 3 Abs. 2 (hierzu auch Brüggemann, ErbBstg 10, 210).  

     

    2. Begünstigter Personenkreis  

    Begünstigte Personen beim Erwerb von Todes wegen sind  

     

    Beachte: Wenn bei Erbeinsetzungen durch Testament oder Erbvertrag eine Generation übersprungen werden soll, kommt die Steuerbefreiung gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG für (Stief-)Enkelkinder nicht zur Anwendung. Deshalb muss geprüft werden, ob bereits vorhandene Erbverträge/Testamente angepasst und die Erbeinsetzungen geändert oder das Familienheim z.B. durch Vermächtnis oder Teilungsanordnung an ein begünstigtes Kind i.S. der Steuerklasse I (§ 15 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG) weitergegeben werden soll.  

     

    3. Begünstigte bzw. nicht begünstigte Erwerbsvorgänge  

    Begünstigt ist der Erwerb des Eigentums oder Miteigentums von Todes wegen. In Betracht kommen damit insbesondere der Erwerb  

     

     

     

     

     

    • Begünstigt ist auch die Abfindung für die Ausschlagung der Erbschaft, eines Vermächtnisses oder für einen entstandenen Pflichtteilsanspruch (§ 3 Abs. 2 Nr. 4 ErbStG).

     

    Beachte: Die Leistung an Erfüllung statt, z.B. für ein Vermächtnis oder für einen geltend gemachten Pflichtteilsanspruch dürfte nicht begünstigt sein (BFH 7.10.98, II R 52/96, BStBl II 99, 23).

     

    • Wird das Kind zum Erben eingesetzt, verbunden mit einem Nießbrauchsvermächtnis zugunsten des länger lebenden Ehegatten bezüglich des Familienheims, und bewohnt der Ehegatte das Familienheim, ist die Steuerbefreiung m.E. weder dem Ehegatten noch dem Kind zu gewähren. Der Ehegatte erwirbt lediglich den Nießbrauch und nicht das Eigentum am Objekt, während das Kind das Eigentum am Objekt erwirbt, es aber nicht als Familienheim nutzt.

     

    • Dasselbe gilt für die vermächtnisweise Zuwendung der Immobilie an die Kinder mit Nießbrauch zugunsten des Ehegatten durch Untervermächtnis oder für ein Vermächtnis der Immobilie zugunsten der Kinder mit Vorbehaltsnießbrauch für den länger lebenden Ehegatten als Erben.

     

    4. Persönliche Voraussetzungen in der Person des Erblassers  

    Der Erblasser muss das Familienheim grundsätzlich bis zu seinem Tod zu eigenen Wohnzwecken genutzt haben.  

     

    • Unschädlich ist es, wenn der Erblasser aus objektiv zwingenden Gründen an einer Selbstnutzung gehindert war. Hierzu enthält der AEErbSt lediglich den Hinweis, dass objektiv zwingende Gründe im Fall einer Pflegebedürftigkeit vorliegen, die die Führung eines eigenen Haushalts nicht mehr zulässt, nicht hingegen bei einer beruflichen Versetzung. Die weitere Abgrenzung wird sicherlich erst durch die Rechtsprechung erfolgen. Schon die Frage, ab wann eine Pflegebedürftigkeit die Führung eines eigenen Haushalts nicht mehr ermöglicht, lässt sich nicht eindeutig beantworten: Dies könnte ebenso von der Größe des Hauses abhängig sein wie vom gesundheitlichen Zustand des Erblassers.

     

    • Eine berufliche Versetzung dürfte unschädlich sein, wenn diese zu einer doppelten Haushaltsführung führt und sich der Lebensmittelpunkt nicht am Ort der Beschäftigung, sondern weiterhin am Ort des Familienheims befindet.

     

    • Entfallen die Hinderungsgründe innerhalb des Zehnjahreszeitraums nach dem Erwerb, ist die Nutzung unverzüglich aufzunehmen.

     

    5. Persönliche Voraussetzungen in der Person des Erwerbers  

    Der zum begünstigten Personenkreis gehörende Erwerber muss das Familienheim unverzüglich, d.h. ohne schuldhaftes Zögern, zur Nutzung zu eigenen Wohnzwecken bestimmen (§ 13 Abs. 1 Nr. 4b S. 1 und Nr 4c S. 1 ErbStG) und nicht - wie es der AEErbSt in Abschn. 4 Abs. 2 S. 4 formuliert - die Nutzung aufnehmen.  

     

    • Schuldhaftes Zögern liegt m.E. nicht vor, wenn der Erwerber das Familienheim nach dem Tod des Erblassers renovieren lässt und erst nach Abschluss der Arbeiten bezieht. Erweisen sich die Renovierungsarbeiten als sehr umfangreich und ziehen sie sich über einen längeren Zeitraum hin, ist dies m.E. ebenfalls unschädlich, wenn diese mit dem Ziel der Eigennutzung durchgeführt werden und das Familienheim unverzüglich nach Abschluss der Renovierung bezogen wird. Eine Bestimmung zu eigenen Wohnzwecken liegt sicherlich nicht vor, wenn während der Renovierungsphase eine Vermietungsabsicht, z.B. durch Vermietungsanzeigen, dokumentiert wird.

     

    • Die Steuerbefreiung ist auch zu gewähren, wenn der begünstigte Personenkreis aus objektiv zwingenden Gründen bereits im Zeitpunkt des Erwerbs an der Nutzung des Objekts zu eigenen Wohnzwecken gehindert war. Bei Kindern und Kindern verstorbener Kinder wird dies außer im Falle einer Pflegebedürftigkeit (z.B. wegen körperlicher oder geistiger Behinderung) auch angenommen, wenn das Kind wegen Minderjährigkeit rechtlich gehindert ist, einen Haushalt selbstständig zu führen (AEErbSt 25.6.09, Abschn. 4 Abs. 7 S. 5).

     

    • War der Erblasser und ist der Erwerber pflegebedürftig und wohnen daher beide im Zeitpunkt des Todesfalls nicht im Familienheim, ist m.E. die Steuerbefreiung auch dann zu gewähren, wenn das Familienheim aus diesem Grund vermietet ist. Denn beide sind aus objektiven Gründen an einer Selbstnutzung gehindert.

     

    • Entfallen die Hinderungsgründe innerhalb des Zehnjahreszeitraums, ist die Nutzung zu eigenen Wohnzwecken unverzüglich aufzunehmen.

     

    6. Flächenbegrenzung  

    Die unterschiedliche Behandlung der begünstigten Personenkreise ist zu beachten.  

     

    • Für Ehegatten und Lebenspartner gibt es keine flächenmäßige Begrenzung.

     

    • Für Kinder und Kinder verstorbener Kinder der Steuerklasse I (§ 15 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG) gilt die Steuerbefreiung nur, soweit die Wohnfläche der Wohnung 200 qm nicht übersteigt. Bei der Flächenberechnung zählen Nutzflächen (z.B. Keller, Garagen) nicht mit. Die Finanzverwaltung vertritt die nicht zweifelsfreie Auffassung (Schumann, DStR 09, 197, 200), dass für die Begrenzung die Wohnfläche des Familienheims des Erblassers maßgeblich ist und nicht die Fläche, die der Erwerber durch Erwerb von Todes wegen erhält.

     

    • Wer als Kind - oder Kind eines verstorbenen Kindes- eine größere Fläche erwirbt, muss die Wohnung anteilig versteuern. Der steuerfreie Anteil rechnet sich nach dem Verhältnis der begünstigten 200 qm zur gesamten Wohnfläche des Familienheims.

     

    7. Abzug von Schulden und Lasten  

    Wird das Familienheim steuerfrei erworben, sind die damit in wirtschaftlichem Zusammenhang stehenden Schulden und Lasten nicht abzugsfähig (§ 10 Abs. 6 ErbStG). Bei anteiliger Steuerbefreiung sind die Schulden und Lasten für den nicht steuerbefreiten Teil abzugsfähig.  

     

    8. Behaltenspflicht  

    Die Steuerbefreiung fällt mit Wirkung für die Vergangenheit weg, wenn der Erwerber das Familienheim innerhalb von 10 Jahren nach dem Erwerb nicht mehr zu Wohnzwecken selbst nutzt, es sei denn, er ist aus „zwingenden Gründen“ an einer Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken gehindert.  

     

    • Gibt der Erwerber die Selbstnutzung innerhalb des Zeitraums durch Verkauf, Vermietung, längeren Leerstand oder unentgeltliche Überlassung auf, entfällt die Befreiung vollständig mit Wirkung für die Vergangenheit.

     

    • Nach Auffassung der Finanzverwaltung ist während der Behaltenszeit eine Selbstnutzung der Wohnung als Eigentümer erforderlich (AEErbSt, Abschn. 6 S. 2). Überträgt der Erwerber das steuerbefreite Familienheim innerhalb der Zehnjahresfrist und bewohnt er die Immobilie fortan aufgrund eines Nießbrauchs- oder Wohnrechtsvorbehalts, liegt demnach ein Verstoß gegen die Behaltensregelung vor. Ob die Gerichte diese Auffassung teilen werden, bleibt abzuwarten.

     

    9. Ausnahmen von der Behaltenspflicht  

    Für die Befreiung ist es unschädlich, wenn der Erwerber innerhalb der Zehnjahresfrist aus objektiv zwingenden Gründen an der weiteren Nutzung zu eigenen Wohnzwecken gehindert ist.  

     

    • Entfallen die Hinderungsgründe innerhalb der Zehnjahresfrist, kann eine Nachversteuerung nur unterbleiben, wenn der Erwerber unverzüglich nach Wegfall der zwingenden Gründe, d.h. ohne schuldhaftes Zögern, die Nutzung des Familienheims zu eigenen Wohnzwecken aufnimmt und bis zum Ablauf des Zehnjahreszeitraums ausübt bzw. später erneut aus objektiv zwingenden Gründen an der Selbstnutzung des Familienheims gehindert wird.

     

    • Liegen objektiv zwingende Gründe vor, die eine weitere Nutzung verhindern, ist eine unentgeltliche Überlassung, Vermietung oder der Verkauf des Familienheims unschädlich.

     

    • Entfällt der objektiv zwingende Grund innerhalb der Zehnjahresfrist, soll es nach Ansicht der Finanzverwaltung - auch im Falle des Verkaufs - zum Wegfall der Steuerbefreiung führen, wenn die erneute Selbstnutzung des Familienheims nicht oder nicht unverzüglich aufgenommen wird. Ob die Gerichte diese Auffassung teilen werden, bleibt ebenfalls abzuwarten.

     

    10. Anzeigepflicht  

    Der Erwerber ist verpflichtet, den Wegfall der Befreiungsvoraussetzungen anzuzeigen. Der Steuerpflichtige soll im Steuerbescheid darauf hingewiesen werden, dass Verstöße gegen die Selbstnutzungsverpflichtung nach § 153 Abs. 2 AO anzeigepflichtig sind.  

     

    11. Folgen einer Weitergabeverpflichtung  

    In § 13 Abs. 1 Nr. 4b S. 2 und Nr. 4c S. 2 ErbStG ist vorgesehen, dass ein Erwerber die Befreiung nicht in Anspruch nehmen kann, soweit er das begünstigte Familienheim aufgrund einer letztwilligen (Testament) oder rechtsgeschäftlichen Verfügung (Erbvertrag) des Erblassers auf einen Dritten übertragen muss (Weitergabeverpflichtung).  

     

    • Anwendungsfälle sind Sachvermächtnisse, Vorausvermächtnisse Schenkungsversprechen auf den Todesfall, die auf begünstigtes Vermögen gerichtet sind, sowie Auflagen des Erblassers, die auf die Weitergabe begünstigten Vermögens gerichtet sind.

     

    • Eine für den Verlust der Steuerbefreiung beachtliche Weitergabeverpflichtung liegt nach § 13 Abs. 4b S. 3 und Nr. 4c S. 3 ErbStG auch vor, wenn die Erben aufgrund einer Teilungsanordnung des Erblassers verpflichtet sind oder die Erben sich im Wege einer frei vereinbarten Erbauseinandersetzung darauf verständigen, das begünstigte Vermögen auf einen Miterben („auf einen Dritten“) zu übertragen und dies auch tatsächlich vollziehen.

     

    • Der Miterbe („Dritte“), der für den Erwerb des begünstigten Vermögens anderes - aus demselben Nachlass stammendes - Vermögen hingibt, wird damit so gestellt, als habe er von Anfang an begünstigtes Vermögen erhalten (AEErbSt, Abschn. 4 Abs. 5 S. 5 bis 9). Nach Auffassung der Finanzverwaltung soll die Übernahme von Nachlassverbindlichkeiten, die mit dem begünstigten Vermögen oder Teilen davon in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen, nicht als hingegebenes Vermögen gelten (AEErbSt, Hinweis 4 Beispiel 3).

     

    • Da die Steuerbefreiung bei Vorhandensein mehrerer Erwerber zu unterschiedlichen Belastungen führt, ist zu klären, ob die einseitig begünstigende Steuerbefreiung im Testament aufzugreifen und für eine andere Verteilung des Nachlasses nach Steuern Sorge getragen werden kann, z.B. durch unterschiedliche Erbquoten oder mit dem Mittel von (Voraus-)Vermächtnissen.

     

    • Denkbar wäre auch eine Steuerklausel, wonach etwaige Erbschaftsteuerbelastungen von den Erben im Innenverhältnis jeweils zur Hälfte zu tragen und entsprechend auszugleichen sind (§ 10 Abs. 2 ErbStG).

     

    • Bis zur Auseinandersetzung ist der die Immobilie nutzende Erwerber wohl nur in Höhe seiner Erbquote begünstigt. Die Auseinandersetzung ist aber jedenfalls dann ein rückwirkendes Ereignis i.S. des § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO, wenn sie zeitnah nach dem Erwerb erfolgt.

     

    • Die Zehnjahresfrist der Selbstnutzung dürfte im Zeitpunkt des Erbfalls beginnen. Der nachfolgende Erwerber oder Miterbe, der die Begünstigung in Anspruch nehmen kann, muss die zehnjährige Selbstnutzung auch hinsichtlich des übertragenen Anteils erfüllen.
     

    Weiterführende Hinweise

    • Checkliste: Zuwendung des Familienheims unter Lebenden, ErbBstg 10, 220

     

    Quelle: Ausgabe 10 / 2010 | Seite 237 | ID 139144

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