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  • · Fachbeitrag · Quick Check

    Last Exit BREXIT: So schützen Sie Ihre KMU-Mandate vor bösen Überraschungen

    von StB WP Dr. Claus Koss, Regensburg

    | „Wat kütt, dat kütt. Et kütt, wie et kütt.“ (Übersetzung für Nicht-Kölner: „Was kommt, das kommt. Es kommt, wie es kommt.“) ‒ Dieses Vorgehen aus dem Rheinland ist beim Austritt des Vereinigten Königreichs aus der EU (BREXIT) keine betriebswirtschaftlich sinnvolle Strategie. Am 29.3.19 wird etwas passieren ‒ aber es weiß noch niemand, was passieren wird. Betroffen werden aber alle Unternehmen sein, auch die kleinen und mittleren Unternehmen in Deutschland. Es ist damit höchste Zeit, die eigene Abhängigkeit von Großbritannien zu prüfen und ggf. gegenzusteuern. |

    1. Besonders betroffene Branchen

    Großbritannien ist für Deutschland der fünftwichtigste Handelspartner. Bei Exporten steht das Vereinigte Königreich für Deutschland an fünfter Stelle und bei Importen auf Rang elf. Im Jahr 2016 betrug das Volumen der deutschen Exporte in das Vereinigte Königreich 85,44 Mrd. EUR. Dem stehen britische Importe in Höhe von 36,82 Mrd. EUR gegenüber (Quelle: BMWi 2019). Betroffen vom BREXIT, so ist aus Bankenkreisen zu hören, werden weniger die Unternehmen in Großbritannien selber sein als vielmehr Unternehmen auf der anderen Seite des Ärmelkanals. Eine Studie des ifo Instituts für das Bundeswirtschaftsministerium (BMWi) nennt die Branchen Fahrzeuge, Pharma und Maschinenbau als besonders betroffen. Die Studie schätzt in diesen Branchen den prozentualen Verlust in der Wertschöpfung im schlimmsten Fall auf 2,9 % (Pharma), 1,0 % (Kfz-Produktion) bzw. 0,6 % (Maschinenbau).

     

    Da die Güterimporte/-exporte zwischen Deutschland und Großbritannien eng verflochten sind, werden selbst nur zeitliche Verzögerungen an der Grenze Auswirkungen auf die Produktion in Deutschland bis in den kleinsten Zulieferbetrieb haben.

     

    • Beispiel

    Als im ungarischen Motorenwerk Györ gestreikt wurde, standen im Stammsitz von Audi in Ingolstadt die Bänder nach kurzer Zeit still. In der Zeit der Zwangsschließung des Werks gab es entsprechend keine Nachfrage nach Teilen von Zulieferfirmen. Weil die meisten Mitarbeiter in den Zwangsurlaub geschickt wurden, ist zu vermuten, dass selbst der Bäcker, der die Kantine beliefert, seine Produktion drastisch drosseln musste.

     

    In diesem Fall betraf es nur ein Werk, sodass in Neckarsulm und Brüssel die Audi-Produktion weiterlaufen konnte. Über das Ausmaß, wenn eine ganze Volkswirtschaft nicht mehr so schnell und umfassend liefern kann wie bisher, kann nur spekuliert werden. Umso wichtiger ist die Risikoanalyse, um Vorbereitungen für den „Fall der Fälle“ zu treffen.

    2. Risikoanalyse

    Erster und wichtigster Schritt: ABC-Analyse bei Lieferanten und Kunden. Am einfachsten und schnellsten ist das Auslesen der Kreditoren- bzw. Debitorenliste in eine Tabellenkalkulation. Absteigend sortiert nach den Jahresverkehrszahlen im Haben (Kreditoren) bzw. im Soll (Debitoren) lässt sich nahezu automatisiert erkennen, wo die größten Abhängigkeiten bestehen. Wenn sich dann noch die Umsatzsteuer-Identifikationsnummer aus den Stammdaten mit den Kreditoren-/Debitoren-Bewegungsdaten abgleichen lässt, werden die direkten Abhängigkeiten schnell sichtbar. Die mit „GB“ beginnende Ziffernfolge aus neun oder zwölf Ziffern zeigt, dass diese Kunden/Lieferanten offensichtlich vom BREXIT betroffen sein werden.

     

    Zweiter, nicht minder wichtiger Schritt: Gibt es Teile, die unbedingt benötigt werden? Wenn ein Unternehmen auf den Vertrieb von beispielsweise schottischem Whisky angewiesen ist (z. B. Spezialversandhandel), spielt die Höhe des Umsatzes keine Rolle, diese Waren werden einfach benötigt. In Industrieunternehmen müssen hier die Techniker Auskunft geben, ob es wichtige Importe aus dem Vereinigten Königreich gibt.

     

    Dritter Schritt bei der Analyse: die nicht offensichtlichen Abhängigkeiten herausfinden. Während die mit „GB“ beginnende Umsatzsteuer-Identifikationsnummer sofort auf einen Bezug zum Vereinigten Königreich hinweist, kann es sein, dass andere Bezüge nicht offen erkennbar sind. Zu denken ist beispielsweise an den Fall, dass in Großbritannien hergestellte Güter über die niederländische oder irische Vertriebsgesellschaft vertrieben werden. Aber auch der muttersprachliche Mitarbeiter in der Vertriebs- oder Einkaufsabteilung trägt seinen Pass mit Einhorn und Löwe anstatt Bundesadler nicht offen. Wer „nur“ „Untertan Ihrer Majestät“ ist, hat mit der Wirksamkeit des BREXIT ggf. keine Arbeitserlaubnis mehr.

     

    Bei solchen nicht offensichtlichen Bezügen geht es nicht ohne zeitaufwendige Recherche im Einzelfall.

     

    Wenn die (wichtigen) Bezüge von und nach Großbritannien analysiert sind, ist der vierte Schritt die Suche nach Risikovorsorge und Alternativen. Wenn Produkte aus Großbritannien unersetzlich sind, muss eine größere Lagerhaltung evtl. Lieferengpässe ausgleichen. Wenn es nicht unbedingt ein Produkt aus Großbritannien sein muss, sollte so schnell wie möglich die Suche nach Alternativen beginnen. So ist irischer oder deutscher Whisky kein Single Malt Scotch Whisky, hat aber auch seine Abnehmer.

     

    FAZIT | Der BREXIT wird jedes Unternehmen in Deutschland treffen ‒ manche mehr, manche weniger. Das „original“ englische „Ale“ wird sich durch ein in Resteuropa gebrautes Bier ersetzen lassen, auch wenn Getränke aus Großbritannien 6,2 % aller importierten Getränke in Deutschland ausmachen. Bei Autos aus Großbritannien (5,6 % aller importierten Kfz stammen von der Insel, das sind 0,6 % aller Importe nach Deutschland) oder Erdöl, Erdölerzeugnissen und verwandten Waren (5,2 % des gesamten Imports von Erdölprodukten bzw. 0,2 % des Gesamtimports nach Deutschland) ist dies technisch bedingt schwieriger.

     
    Quelle: Ausgabe 03 / 2019 | Seite 54 | ID 45753402

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