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  • · Fachbeitrag · Geschäftsführerhaftung

    Haftung für Steuerschulden bei Verletzung der Mittelvorsorgepflicht

    von Rechtsassessor Dr. Matthias H. Gehm, Limburgerhof und Speyer

    Der BFH (6.4.16, I R 19/14, Abruf-Nr. 188333) hat zum Haftungsumfang eines Alleingeschäftsführers und späteren Liquidators einer GmbH für angefallene Körperschaftsteuerschuld aufgrund einer vGA entschieden. Dabei war das Handelsgeschäft der GmbH zuvor veräußert worden. Somit ging es neben Fragen der Festsetzungsverjährung auch darum, ob der Alleingeschäftsführer sich darauf berufen kann, dass die Steuerfest-setzung unzutreffend sei.

     

    Sachverhalt

    Der Kläger war zusammen mit seiner Ehefrau an der X-GmbH beteiligt. Zugleich war er deren alleiniger Geschäftsführer und ab 1997 bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens im Jahr 2009 deren alleinvertretungsberechtigter Liquidator. Im Jahr 1998 veräußerte er Inventar und Waren der GmbH an die Einzelfirma PK, die das Handelsgeschäft der X-GmbH weiterführte. Im Jahr 1997 hatte der Kläger seiner Ehefrau auf Kosten der X-GmbH eine Geschäftschance eingeräumt. Dies wurde aufgrund einer Außenprüfung festgestellt und führte durch Bescheid vom Dezember 2007 zu einer Erhöhung der Körperschaftsteuer 1997 der X-GmbH, da das FA hierin eine vGA sah. Das FA nahm daraufhin im April 2008 den Kläger für die sich aus der vGA ergebende Körperschaftsteuer nach §§ 69, 34 i. V. m. § 191 AO in Haftung.

     

    Entscheidungsgründe

    Der BFH bestätigt, dass der Kläger zu Recht für die Körperschaftsteuer sowie Solidaritätszuschlag einschließlich AdV-Zinsen und Zinsen nach § 233a AO nebst Säumniszuschlag gemäß §§ 69, 34 AO einzustehen hat. Festsetzungsverjährung für die Haftung war insofern noch nicht eingetreten, da die Festsetzungsfrist für Haftungsbescheide nicht vor Ablauf von zwei Jahren nach der Steuerfestsetzung abläuft (§ 191 Abs. 3 S. 4 i. V. m. § 171 Abs. 10 AO). Als gesetzlicher Vertreter der X-GmbH gem. § 34 AO hat der Kläger deren steuerlichen Pflichten zu erfüllen. Werden diese Pflichten von ihm vorsätzlich oder grob fahrlässig verletzt, hat er für den auf der Pflichtverletzung kausal beruhenden Steuerschaden nebst Säumniszuschlägen einzustehen (§ 69 S. 2 AO).

     

    Zu den steuerlichen Pflichten der X-GmbH, für deren Erfüllung der Kläger solchermaßen einzustehen hat, gehört auch die Pflicht bei bereits vorhandenen Steuerschulden für deren Begleichung die Mittel der X-GmbH bereitzustellen (Mittelvorsorgepflicht).

     

    Ob die Körperschaftsteuerschuld nebst Zinsen tatsächlich besteht, ist im Haftungsverfahren nicht mehr zu prüfen, da der Kläger als Alleingeschäftsführer bzw. später als Alleinliquidator in der Lage gewesen wäre, die Bescheide anzufechten (§ 166 AO). Dem steht auch nicht entgegen, dass der Körperschaftsteuerbescheid eigentlich gegenüber PK als Erwerber bei Firmenfortführung (§ 25 Abs. 1 S. 1 HGB) hätte ergehen müssen.

     

    Dies findet seine Begründung darin, dass die Körperschaftsteuer als Personensteuer i. S. v. § 10 Nr. 2 KStG nicht vom Haftungsumfang des § 25 Abs. 1 S. 1 HGB umfasst ist. Sie ist nämlich nicht im Betrieb der X-GmbH begründet, sondern bezieht sich auf das gesamte von der Kapitalgesellschaft erzielte steuerpflichtige Einkommen (§ 8 KStG). Dieses kann sich wie im Fall auch aufgrund gesellschaftlicher Vorgänge wie vGA erhöhen, die mit dem eigentlichen wirtschaftlichen Betrieb des Unternehmens nichts zu tun haben. § 25 HGB ist aber vom Gedanken der Kontinuität des Unternehmens kraft Firmenfortführung und dem hieran anknüpfenden Schutz des Rechtsverkehrs durch Schuldbeitritt des Betriebserwerbers geprägt. Dem würde demzufolge eine Erstreckung auf die Körperschaftsteuer widersprechen.

     

    Der Kläger hatte als alleiniger Geschäftsführer, Liquidator und Mitgesellschafter Kenntnisse von den Umständen, die zu einer vGA zugunsten seiner Ehefrau führten, sodass es als mindestens grob fahrlässig anzusehen ist, dass er für die Begleichung der sich hieraus ergebenden Körperschaftsteuer keine Mittel vorhielt.

     

    Auf dieser Pflichtverletzung beruht der Steuerschaden auch kausal. Auch ist dem FA beim Erlasse des Haftungsbescheids kein Ermessensfehler i. S. v. § 5 AO unterlaufen. Das Auswahlermessen war nämlich schon deshalb nicht fehlerhaft getätigt, da die PK eben nicht nach § 25 HGB für die Steuerschuld einzustehen hat.

     

    MERKE | Bei § 69 AO handelt es sich um eine verschuldensabhängige Haftung mit Schadenersatzcharakter, die das gesamte Vermögen des Haftungsschuldners erfasst (Rüsken-Klein, AO Komm., 13. Aufl. 2016, § 69, Rn. 1; BFH 11.11.08, VII R 19/08, BStBl II 09, 623).

     

    Dabei erstreckt sich die Haftung nach § 69 AO auch auf steuerliche Nebenleistungen i. S. v. § 3 Abs. 3 AO wie Zinsen sowie gemäß § 69 S. 2 AO auf Säumniszuschläge (Rüsken-Klein, AO Komm., 13. Aufl. 2016, § 69, Rn. 14f.).

     

    Der BFH hat hinsichtlich der Festsetzungsverjährung für den Haftungsbescheid die Vorinstanz (FG Köln 5.12.13, 13 K 636/09, EFG 14, 713) gestützt, denn nach § 191 Abs. 3 S. 4 i. V. m. § 171 Abs. 10 AO endet die Festsetzungsfrist für den Haftungsbescheid frühestens zwei Jahre nach Bekanntgabe des - in offener Festsetzungsfrist erlassenen - Steuerbescheids. Dies gilt unabhängig davon, ob die Steuerfestsetzung vor oder nach der Regelfirst des § 191 Abs. 3 S. 2 AO von vier Jahren erfolgt ist (BFH 4.9.02, I B 145/01, BStBl II 03, 223; Rüsken-Klein, AO Komm., 13. Aufl. 16, § 191, Rn. 95e). Gemäß § 1 Abs. 3 AO gilt dies sinngemäß für die Zinsen.

     

    PRAXISHINWEIS | Anhängige Rechtsbehelfsverfahren hinsichtlich der der Haftung zugrunde liegenden Steuerfestsetzungen führen nicht zu einer weiteren Hemmung. Es ist auch unerheblich, ob diese Steuerfestsetzung noch geändert werden kann (Rüsken-Klein, AO Komm., 13. Aufl. 2016, § 191, Rn. 95e).

     

    Beachten Sie | Bei der Haftung nach § 25 HGB ist darauf hinzuweisen, dass diese nicht bei einem Erwerb aus der Insolvenzmasse greift (Halaczinsky, Die Haftung im Steuerrecht, 4. Aufl. 13, Rn. 512). Voraussetzung für diese Haftung ist neben der Fortführung des vollkaufmännischen Handelsgeschäfts, dass die bisherige Firma fortgeführt wird. Dabei ist es unerheblich, ob diese geringfügig verändert wird, wenn nur im Geschäftsverkehr die Kontinuität der Firma in ihrem wesentlichen Kern ersichtlich ist (Halaczinsky, Die Haftung im Steuerrecht, 4. Aufl. 13, Rn. 513f.).

     

    Somit ist es wie im Fall unerheblich, ob die Rechtsform fortgeführt wird (Hopt-Baumbach/Hopt, HGB Komm., § 25, Rn. 7). Eine reine Etablissementbezeichnung, die nicht den Unternehmer, sondern nur den Geschäftsbetrieb bezeichnet, löst die Haftung jedoch nicht aus (BFH 20.5.14, VII R 46/13, BStBl II 15, 107).

     

    PRAXISHINWEIS | Nach § 25 Abs. 2 HGB kann auch für Steuerschulden ein Haftungsausschluss bewirkt werden (Halaczinsky, Die Haftung im Steuerrecht,4. Aufl. 13, Rn. 515; Nacke, Die Haftung für Steuerschulden, 3. Aufl. 12, Rn. 376ff.).

     

    Da die Personen nach §§ 34, 35 AO eine Mittelvorsorgepflicht trifft, hätte der Kläger auch nach § 69 AO bei Verletzung dieser Pflicht für Steuerschulden einzustehen gehabt, die ggf. vor der Begründung seiner diesbezüglichen Position entstanden sind. Das bedeutet, dass ein Liquidator oder Geschäftsführer einer GmbH als Verantwortlicher gemäß § 34 Abs. 1 AO nicht nur dann seine steuerlichen Verpflichtungen verletzt, wenn er festgesetzte Steuern aus den bei Fälligkeit vorhandenen Mitteln nicht bezahlt, sondern eine haftungsbegründende Pflichtverletzung auch darin liegt, dass sich der gesetzliche Vertreter schuldhaft außer Stand setzt, eine bereits entstandene und ihm bekannte Steuerforderung bei Eintritt der Fälligkeit zu tilgen (BFH 21.12.04, I B 128/04, BFH/NV 05, 994 - Problem der Vorverlagerung des Haftungszeitraums - vgl. auch Beckmann, DB 07, 994, 996).

     

    Beachten Sie | In seiner Entscheidung stellt der BFH weiterhin darauf ab, dass der für die Bestimmung der Haftungsquote ausschlaggebende Haftungszeitraum spätestens zu laufen beginnt, wenn der für die Mittelvorsorge Verantwortliche um die Steuerschuld weiß bzw. wissen muss.

     

    Die Kausalität zwischen Pflichtverletzung und Steuerschaden bemisst sich nach der zivilrechtlichen Adäquanztheorie (BFH 11.11.08, VII R 19/08, BStBl II 09, 623). Dem ist der BFH in seiner Entscheidung wiederum gefolgt.

     

    Schließlich wird aus der Entscheidung deutlich, dass wegen der Vorschrift des § 166 AO Personen i. S. v. § 34 AO gehalten sind, ungerechtfertigte steuerliche Ansprüche gegenüber dem Steuerschuldner nicht bestandskräftig werden zu lassen, um ihr Haftungsrisiko nicht zu erhöhen. Hat allerdings ein Geschäftsführer einer GmbH namens der GmbH die Änderung eines ihr gegenüber unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergangenen Steuerbescheids beantragt, ist er im Verfahren wegen Haftung für gegenüber der GmbH festgesetzte Steuer nicht mit Einwendungen gegen die Richtigkeit der Steuerfestsetzung ausgeschlossen, solange der Vorbehalt wirksam ist (BFH 22.4.15, XI R 43/11, BFH, BStBl II 15, 755).

    Quelle: Ausgabe 10 / 2016 | Seite 266 | ID 44253090

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