25.08.2021 · IWW-Abrufnummer 224310
Landesarbeitsgericht Hamburg: Urteil vom 18.06.2020 – 1 Sa 6/20
1) Weist ein mit der Berufung angegriffenes Urteil Ansprüche wegen Nicht-Einhaltung von Ausschlussfristen zurück, muss sich die Berufungsbegründung damit auseinandersetzen. Geschieht dieses nicht, ist die Berufung hinsichtlich dieser Ansprüche unzulässig.
2) Es liegen hinreichende Differenzierungsgründe für die unterschiedliche Höhe der Zulagen für Nachtarbeit und für Nachtschichtarbeit nach § 9 MTV Brauereien Hamburg und Schleswig-Holstein vor.
Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 27. November 2019 (17 Ca 288/19) wird auf seine Kosten hinsichtlich der Anträge zu 1 und 2 als unzulässig verworfen und im Übrigen zurückgewiesen.
Die Revision wird zugelassen, soweit die Berufung hinsichtlich des Antrags zu 3 zurückgewiesen wurde.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Höhe tariflicher Nachtarbeitszuschläge für in Nachtschichten geleistete Arbeitsstunden.
Der Kläger ist bei der Beklagten seit dem 1. September 2018 beschäftigt. Er ist Mitglied der G1 die Beklagte Mitglied im B1. Auf das Arbeitsverhältnis finden der Manteltarifvertrag für die Arbeitnehmer/innen in den Brauereien in Hamburg und Schleswig-Holstein vom 29. Oktober 2005 (im folgenden MTV) sowie der entsprechende Entgelttarifvertrag Anwendung. Der Bruttostundenlohn des Klägers beträgt 21,98 €.
Im MTV Brauereien ist unter anderem geregelt:
"§ 5 Regelung der Arbeitszeit
[...]
4. Werden Beschäftigte im Drei-Schicht-System (Früh-, Spät-, Nachtschicht in beliebiger Folge) beschäftigt, so haben sie innerhalb ihrer Schicht Anspruch auf eine bezahlte Pause von 30 Minuten Dauer.
[...]
§ 7 Zusätzlich bezahlte Freizeit
[...]
2. Schichtfreizeit
2.1 Zur Abgeltung der in Nachtschicht oder in Zwei- bzw. Drei-Schicht-Wechsel auftretenden Erschwernisse und Belastungen wird ein Ausgleich durch bezahlte Freizeit gegeben.
2.2 Beschäftigte, die im Drei-Schicht-System oder ausschließlich in Nachtschicht arbeiten erhalten jährlich vier Arbeitstage bezahlte Schichtfreizeit.
2.3 Beschäftigte, die im Zwei-Schicht-System (Früh-/Spät-, Früh-/Nacht- oder Spät-/Nachtschicht) arbeiten, erhalten jährlich drei Arbeitstage bezahlte Schichtfreizeit.
Bei teilweiser Schichtleistung im Jahr erfolgt anteilige Gewährung.
2.4 Urlaub, Krankheit und sonstige bezahlte Fehlzeiten führen dabei nicht zu Kürzungen.
§ 8 Mehr-, Nacht-, Schicht-, Sonntags- und Feiertagsarbeit
1. Mehrarbeit ist jede über die betriebliche durch Schicht- oder Arbeitsplätze geplante tägliche Arbeitszeit hinausgehende Arbeit. Notwendige Mehrarbeit ist im Einvernehmen mit dem Betriebsrat zu leisten.
2. Jede angefangene halbe Stunde angeordneter Mehrarbeit wird als halbe Überstunde bezahlt.
Bei Mehrarbeit von mehr als 1 ½ Stunden ist jedem(r) Beschäftigten nach Beendigung der regulären Arbeitszeit eine bezahlte Pause von 20 Minuten zu gewähren. In dieser Zeit wird zusätzlich ein Imbiss auf Kosten der Brauerei gereicht.
Bei Arbeiten an Sonnabenden, Sonn- und Feiertagen wird nach 5-stündiger Tätigkeit ebenfalls ein Imbiss auf Kosten der Brauerei gereicht.
3. Mehrarbeit und Mehrarbeitszuschläge können durch entsprechende Freizeit ausgeglichen werden.
4. Bei der Durchführung von Mehr-, Nacht-, Sonntags- und Feiertagsarbeit ist auf private und kulturelle Wünsche der Beschäftigten weitgehend Rücksicht zu nehmen.
5. Nachtarbeit ist die in der Zeit zwischen 22.00 Uhr bis 6.00 Uhr geleistete Arbeit, soweit sie nicht Schichtarbeit ist.
6. Als Schichtarbeit (Tag- oder Nachtschichten) gilt die regelmäßig geleistete tägliche Arbeitszeit. Als regelmäßig gilt die Arbeitszeit, die mit dem Betriebsrat gemäß Schichtplan vereinbart ist. Die Schichtarbeit soll mindestens fünf Tage dauern; sie ist den betreffenden Beschäftigten drei Tage vorher anzukündigen.
[...]
§ 9 Zuschläge für Mehr-, Nacht-, Schicht-, Sonntags- und Feiertagsarbeit
1. Für Mehr-, Nacht-, Schicht-, Sonntags- und Feiertagsarbeit sind folgende Zuschläge zu zahlen:
[...]
4. Bei einem Zusammentreffen mehrerer Zuschläge ist, abgesehen von Schichtzuschlägen sowie Schmutz- und Erschwerniszulagen, nur der jeweils höchste, bei gleicher Höhe nur ein Zuschlag zu zahlen."
Der Kläger arbeitete im Rahmen von Schichtarbeit im Monat November 2018 insgesamt 67,5 Stunden in der Zeit zwischen 22:00 und 6:00 Uhr, im Januar 2019 7,5 Stunden. Die Beklagte gewährte ihm für diese Arbeitszeiten Zuschläge von 25%. Insoweit wird auf die entsprechenden Abrechnungen (Anlagenkonvolut K1, Bl. 6 ff. der Akte) verwiesen.
Der Kläger hat gemeint, dass ihm für die Arbeitsstunden in der Zeit zwischen 22:00 und 6:00 Uhr der Zuschlag von 50 % aus § 9 Ziffer 1 b MTV zustehe. § 9 Ziffer 1 d MTV sei wegen Verstoßes gegen den Gleichheitsgrundsatz aus Art. 3 GG unwirksam. Es gebe keinen sachlichen Grund, Personen, die Nachtarbeit im Rahmen von Schichtarbeit leisteten, und Personen, die außerhalb von Schichtarbeit Nachtarbeit leisteten, unterschiedlich zu behandeln. Insbesondere sei Nachtarbeit in Schichtarbeit arbeitsmedizinisch gerade nicht weniger belastend als Nachtarbeit in sonstigem Zusammenhang. Das tradierte Bild der "verstellbaren biologischen Uhr" sei nicht mehr Stand der Wissenschaft. Da es vorliegend nicht um die Prüfung der Angemessenheit der Zuschläge, sondern um die Unzulässigkeit der von den Tarifvertragsparteien gewählten Differenzierung gehe, sei dies gerichtlich überprüfbar. Der vorliegende Tarifvertrag sehe die Benachteiligung für den Regelfall der Schichtarbeit vor. Es sei im Übrigen nicht ersichtlich, dass Nachtarbeit außerhalb von Schichtarbeit immer auch zugleich Mehrarbeit wäre. Die Regelungen des Tarifvertrages seien generell zu überprüfen; insoweit sei egal, ob bzw. dass bei der Beklagten der höhere Zuschlag fast nicht vorkomme. Die Vergleichsgruppen seien abstrakte Gruppen von Normadressaten. Rechtsfolge der Gleichheitswidrigkeit des § 9 Ziffer 1 d MTV könne nur eine Anpassung nach oben sein, sodass dem Kläger für die geleisteten Arbeitsstunden der Zuschlag für Nachtarbeit nach § 9 Ziffer 1 b MTV in Höhe von 50 % zustehe.
Mit der am 25. Juli 2019 beim Arbeitsgericht Hamburg eingegangenen und der Beklagten am 6. August 2019 zugestellten Klage hat der Kläger beantragt,
1. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 370,92 € brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.11.2018 zu zahlen;
2. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 41,21 € brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.12.2018 zu zahlen;
3. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger Nachtarbeitszuschläge des Manteltarifvertrages für die Arbeitnehmer/innen in den Brauereien in Hamburg und Schleswig-Holstein, gültig ab 01.01.2006, für die geleistete Arbeit in der Zeit von 22 Uhr bis 6 Uhr in der "Nachtschicht" im Sinne des § 9 Ziffer 1 d MTV in gleicher Höhe (derzeit 50% des jeweiligen Bruttoentgeltes pro Stunde) zu gewähren wie für Nachtarbeit im Sinne von § 9 Ziffer 1 b MTV.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat gemeint, der Kläger habe den von ihm geltend gemachten Anspruch bereits nicht schlüssig vorgetragen. Solange der Kläger nicht vortrage, von wann bis wann er einschließlich der Uhrzeit gearbeitet habe, sei die Klage nicht schlüssig. Auch habe der Kläger nicht hinreichend zu dem von ihm behaupteten Gleichheitsverstoß vorgetragen. Hierbei sei zum einen zu berücksichtigen, dass Tarifvertragsparteien anders als der Staat nicht unmittelbar an die Grundrechte und damit an den Gleichheitssatz gebunden sein könnten. Insoweit gehe die Beklagte davon aus, dass Tarifverträge letztlich nicht gegen Art. 3 GG verstoßen könnten. Jedenfalls hätten die Tarifvertragsparteien aber einen ebenfalls grundrechtlich über Art. 9 GG geschützten weiten Gestaltungs- und Beurteilungsspielraum. Die Tarifvertragsparteien seien insbesondere nicht gehalten, die vernünftigste oder gerechteste Lösung zu finden. Insoweit stelle sich die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichtes vom 21. März 2018 letztlich als ungerechtfertigter Eingriff in die Tarifvertragsautonomie dar. Den ihnen zustehenden Gestaltungs- und Beurteilungsspielraum hätten die Tarifvertragsparteien vorliegend nicht verlassen. Sie seien von der Annahme ausgegangen, dass Nachtarbeit in Schichtarbeit unabhängig von den gesundheitlichen Risiken regelmäßig und planbar für die Beschäftigten ist, während Nachtarbeit außerhalb eines Schichtplanes und damit als Ausnahmefall besonders belastend sei. Zweck des höheren Zuschlages für Nachtarbeit (außerhalb von Schichtarbeit) sei es auch, diese durch ihre Verteuerung letztlich zu vermeiden. Bei der Frage der Ungleichbehandlung sei im Übrigen zu berücksichtigen, dass Nachtarbeit außerhalb von Schichtarbeit in der Regel zugleich Mehrarbeit sei, sodass in dem 50%igen Zuschlag ein Mehrarbeitszuschlag enthalten sei. Ebenso müsse berücksichtigt werden, dass § 7 MTV Schichtfreizeiten für Beschäftigte vorsehe, die in Schicht arbeiteten, nicht aber für diejenigen, die (nur) Nachtarbeit leisteten. Schließlich könne selbst bei Annahme einer Gleichheitswidrigkeit Rechtsfolge nicht die Anpassung nach oben auf eine Ausnahmeregelung des Tarifvertrages sein.
Das Arbeitsgericht hat die Klage mit Urteil vom 27. November 2019 abgewiesen. Die vom Kläger geltend gemachten Zahlungsansprüche seien verfallen, weil der Kläger die viermonatige Ausschlussfrist aus § 21 MTV nicht eingehalten habe. Im Übrigen hätten die Tarifvertragsparteien den ihnen zustehenden weiten Gestaltungsspielraum nicht überschritten. Unter Einbeziehung des gesamten tariflichen Regelungsgefüges liege zwischen Nachtschichtarbeitnehmerinnen und -arbeitnehmern und Nachtarbeitnehmerinnen und -arbeitnehmern andererseits keine justiziable Ungleichbehandlung vor. Selbst wenn eine solche aber gegeben wäre, sei sie durch den sachlichen Grund gerechtfertigt, dass eine kurzfristige Heranziehung zur Nachtarbeit größere Probleme für private Termine und Kinderbetreuung verursache und deshalb einen höheren Zuschlag begründe. Wegen der Einzelheiten des Urteils wird auf Bl. 200 bis 213 d.A. verwiesen.
Gegen dieses Urteil, das dem Kläger am 17. Dezember 2019 zugestellt wurde, hat er mit Schriftsatz vom 16. Januar 2020, beim Landesarbeitsgericht eingegangen am selben Tage, Berufung eingelegt. Mit am 6. Februar 2020 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz vom 5. Februar 2020 hat der Kläger eine Verlängerung der Frist zur Begründung der Berufung beantragt. Das Landesarbeitsgericht hat die Frist mit Beschluss vom 10. Februar 2020 bis zum 17. April 2020 verlängert. Der Kläger hat die Berufung mit Schriftsatz vom 17. April 2020, der am selben Tage beim Landesarbeitsgericht einging, begründet.
Der Kläger hält das Urteil des Arbeitsgerichts für unzutreffend, weil die Ungleichbehandlung von Nachtschichtarbeitnehmerinnen und -arbeitnehmern einerseits und Nachtarbeitnehmerinnen und -arbeitnehmern andererseits eine Ungleichbehandlung im Sinne von Art. 3 GG sei, die durch eine Anpassung des Zuschlags für die benachteiligte Gruppe zu korrigieren sei. Da Nacharbeit für alle Beschäftigten gleich belastend sei und ein Gewöhnungseffekt nicht eintrete, fehle es an einem Grund für die Ungleichbehandlung. Das Arbeitsgericht nähme an, dass die Vermeidung von Nachtarbeit den höheren Zuschlag begründen könne, ohne anzugeben, warum dieser Grund nicht auch für Nachtschichtarbeit gelte. Die nur minimale Planbarkeit von Nachtschichtarbeit bei einer Ankündigungsfrist für den Schichtplan von nur drei Tagen werde nicht berücksichtigt. Da Arbeits- und Gesundheitsschutz auf Europarecht beruhe, könne er nicht an die Tarifvertragsparteien delegiert werden. Deren Einschätzungsprärogative ende, wenn die gesicherten arbeitswissenschaftlichen Erkenntnisse unberücksichtigt blieben und sie davon ausgingen, dass Nacharbeit in Schichten durch Gewöhnung weniger schädlich sei. Gesundheitliche Gefährdungen durch regelmäßige Nachtarbeit seien höher als bei nur gelegentlicher. Das gelte auch für die sozialen Störungen durch Nachtarbeit. Weil es um Arbeits- und Gesundheitsschutz gehe, seien die Tarifvertragsparteien durch die Regelung in § 6 Abs. 1 ArbZG eingeschränkt. Die Regelungen zur Nachtarbeit müssten den Gesundheitsschutz bezwecken. Widerspreche eine Norm diesem Zweck, sei ein Grund für die Ungleichbehandlung der Nachtschichtbeschäftigten nicht gegeben. Da die Nachtschichtbeschäftigten weder gesundheitlich noch sozial weniger von den nachteiligen Folgen der Nachtarbeit betroffen wären als außerhalb der Schichtarbeit in der Nacht beschäftigte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, fehle es an einem Grund für die Ungleichbehandlung und es sei der höhere Zuschlag auch an die Nachtschichtbeschäftigten zu zahlen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 27. November 2019, 17 Ca 288/19, abzuändern und
1. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 370,92 € brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.11.2018 zu zahlen;
2. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 41,21 € brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.12.2018 zu zahlen;
3. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger Nachtarbeitszuschläge des Manteltarifvertrages für die Arbeitnehmer/innen in den Brauereien in Hamburg und Schleswig-Holstein, gültig ab 01.01.2006, für die geleistete Arbeit in der Zeit von 22 Uhr bis 6 Uhr in der "Nachtschicht" im Sinne des § 9 Ziffer 1d) MTV in gleicher Höhe (derzeit 50% des jeweiligen Bruttoentgeltes pro Stunde) zu gewähren wie für Nachtarbeit im Sinne von §9 Ziffer 1b) MTV.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte hält das Urteil des Arbeitsgerichts für zutreffend.
Entscheidungsgründe
Die Berufung ist zum Teil unzulässig und im Übrigen unbegründet.
1) Die Berufung ist nur hinsichtlich des Klagantrages zu 3 zulässig, nicht aber für die Klaganträge zu 1 und 2.
Für die Klaganträge zu 1 und 2 fehlt es an einer ordnungsgemäßen Berufungsbegründung. Der Kläger befasst sich in seiner Berufungsbegründung nicht damit, dass nach der Begründung des Arbeitsgerichts für die mit diesen Anträgen geltend gemachten Ansprüche die Ausschlussfristen des § 21 MTV nicht eingehalten worden seien. Eine Berufungsbegründung gegen ein Urteil mit "teilurteilsfähigen" Posten muss sich mit allen für fehlerhaft gehaltenen Punkten auseinandersetzen (Baumbach, ZPO, § 520, Rdnr. 24). Ist nur einer von mehreren Posten zureichend begründet, ist die Berufung nur insoweit zulässig (Baumbach, ZPO, § 520, Rdnr. 32). Da jegliche Auseinandersetzung des Klägers mit der Begründung des Arbeitsgerichts zu der Abweisung der Klaganträge zu 1 und 2 fehlt und es sich dabei um Teile der Klage handelt, die Gegenstand eines Teilurteils sein könnten, ist die Berufung mangels ausreichender Begründung zu diesen Posten unzulässig.
Im Übrigen ist die Berufung zulässig. Sie ist gemäß § 64 Abs. 1 und Abs. 2 Buchstabe b ArbGG statthaft und nach §§ 64 Abs. 6, 66 Abs. 1 ArbGG, 519, 520 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.
2) Soweit die Berufung zulässig ist, ist die Klage zulässig, aber unbegründet.
a) Die Klage ist zulässig.
Für den Klagantrag zu 3 sind die Voraussetzungen des § 256 Abs. 1 ZPO erfüllt. Zwischen den Parteien ist ein Rechtsverhältnis streitig. Unter einem Rechtsverhältnis ist die rechtliche Beziehung einer Person zu einer anderen Person oder Sache zu verstehen. Gegenstand der Feststellungsklage können dabei auch einzelne Rechte, Pflichten oder Folgen eines Rechtsverhältnisses sein (Zöller-Greger, § 256, Rdnr. 3). Vorliegend geht es darum, ob der Kläger gegen die Beklagte aus dem Arbeitsverhältnis Ansprüche auf einen höheren Zuschlag für die Arbeiten in der Nacht zustehen. Das ist eine hinreichende Folge aus dem Rechtsverhältnisses, die Gegenstand einer Feststellungsklage sein kann. Das erforderliche Feststellungsinteresse ist ebenfalls gegeben. Es liegt vor, wenn die Rechtskraft der Entscheidung die weitere gerichtliche Auseinandersetzung über die zwischen den Parteien strittigen Fragen um denselben Fragenkomplex ausschließen kann (BAG vom 17. September 2013, 3 AZR 300/11, Rn. 106, juris). Diese Voraussetzung liegt vor. Der Kläger arbeitet regelmäßig bei der Beklagten in der Nachtschicht und erhält hierfür Zuschlagszahlungen. Der Streit der Parteien über die Höhe der dafür zu zahlenden Nachtschichtzulage wird durch den Rechtsstreit geklärt; würde der Klage stattgegeben, wäre die Errechnung der dem Kläger im Falle von geleisteter Nachtschichtarbeit zustehenden Zuschläge der Höhe nach einfach zu berechnen.
2. Die Klage ist unbegründet, weil dem Kläger für seine in den Nachtschichten geleistete Nachtarbeit kein Zuschlag in Höhe von 50 % nach § 9 Ziffer 1 b MTV zusteht. Die tarifliche Regelung, nach der für Nachtarbeit ein Zuschlag von 50 % und für Nachtschichtarbeit nur ein Zuschlag in Höhe von 25 % gezahlt wird, ist wirksam.
Es gelten folgende Grundsätze, die das Arbeitsgericht zutreffend herangezogen hat: Als selbständigen Grundrechtsträgern kommt den Tarifvertragsparteien aufgrund der durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützten Tarifautonomie ein weiter Gestaltungsspielraum zu. Sie haben eine Einschätzungsprärogative in Bezug auf die tatsächlichen Gegebenheiten und betroffenen Interessen. Bei der Lösung tarifpolitischer Konflikte sind sie nicht verpflichtet, die jeweils zweckmäßigste, vernünftigste oder gerechteste Vereinbarung zu treffen. Es genügt, wenn für die getroffene Regelung ein sachlich vertretbarer Grund besteht (BAG 26. April 2017 - 10 AZR 856/15 - Rn. 28). Die Schutzfunktion der Grundrechte verpflichtet die Arbeitsgerichte jedoch, solchen Tarifregelungen die Durchsetzung zu verweigern, die zu einer Gruppenbildung führen, mit der Art. 3 GG verletzt wird (BAG 29. Juni 2017 - 6 AZR 364/16 - Rn. 22, BAGE 159, 294). Aus Art. 3 Abs. 1 GG folgt das Gebot, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln. Dabei ist es grundsätzlich dem Normgeber überlassen, die Merkmale zu bestimmen, nach denen Sachverhalte als hinreichend gleich anzusehen sind, um sie gleich zu regeln. Die aus dem Gleichheitssatz folgenden Grenzen sind überschritten, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solchem Gewicht bestehen, dass sie eine Ungleichbehandlung rechtfertigen können (vgl. BVerfG 7. Mai 2013 - 2 BvR 909/06, 2 BvR 1981/06, 2 BvR 288/07 - Rn. 76, BVerfGE 133, 377; BAG 26. April 2017 - 10 AZR 856/15 - Rn. 31). Ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz ist erst dann anzunehmen, wenn die Tarifvertragsparteien es versäumt haben, tatsächliche Gemeinsamkeiten oder Unterschiede der zu ordnenden Lebensverhältnisse zu berücksichtigen, die so bedeutsam sind, dass sie bei einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtungsweise hätten beachtet werden müssen (BAG, Urteil vom 21. März 2018, 10 AZR 34/17, Rn. 44).Bei der Überprüfung von Tarifverträgen anhand des allgemeinen Gleichheitssatzes ist dabei nicht auf Einzelfallgerechtigkeit abzustellen, sondern auf die generellen Auswirkungen der Regelung (BAG vom 11. Dezember 2013, 10 AZR 736/12, NZA 2014, 669, Rn. 14, 15).
Nach diesen Grundsätzen ist die Differenzierung zwischen Nachtzuschlägen und Nachtschichtzuschlägen wirksam. Dabei kommt es entgegen der Ansicht des Klägers nicht darauf an, ob sich ein hinreichender Differenzierungsgrund aus dem Arbeits- und Gesundheitsschutz ergibt. Diesem Zweck des § 6 Abs. 5 ArbZG sollen - wenn auch in unterschiedlicher Höhe - beide Regelungen dienen. Das bedeutet aber nicht, dass sich auch der Grund für die Differenzierung in der Höhe des Zuschlags allein aus dem Zweck des Arbeits- und Gesundheitsschutzes ergeben muss. Für die unterschiedliche Zuschlagshöhe kann der sachliche Grund vielmehr auch aus anderen Umständen folgen.
Der Differenzierungsgrund ergibt sich vorliegend daraus, dass die Tarifvertragsparteien Schichtarbeit einschließlich Nachtarbeit als regelmäßige Arbeitsform geregelt haben, während die Nachtarbeit nur als Ausnahme vorgesehen ist. Für die Schichtarbeit einschließlich Nachtarbeit sieht der Tarifvertrag ein differenziertes Regelungssystem vor, während für die Nachtarbeit außerhalb der Schichtarbeit nur ein Zuschlag geregelt ist.
§ 8 Ziffer 6 MTV sieht vor, dass als Schichtarbeit (Tag- oder Nachtschichten) die regelmäßig geleistete tägliche Arbeitszeit gilt, für die es einen Schichtplan gibt. Die Schichtarbeit soll mindestens fünf Tage dauern und muss den Beschäftigten drei Tage vorher angekündigt werden. Aufgrund der Produktionsbedingungen in der Brauereiwirtschaft bedarf es einer ständigen Besetzung der Betriebsanlagen, die nur bei einer regelmäßigen Schichtarbeit rund um die Uhr gewährleistet werden kann.
Anders als die "regelmäßig" als Schichtarbeit geleistete tägliche Arbeitszeit ist die Nachtarbeit nach § 8 Ziffer 5 MTV die außerhalb der Schichtarbeit und damit außerhalb der regelmäßigen täglichen Arbeitszeit geleistete Arbeit zwischen 22.00 Uhr und 6.00 Uhr geleistete Arbeit. Damit ist Nachtarbeit außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit anfallende Arbeit neben der oder zusätzlich zur Schichtarbeit.
Das sich daraus aus dem Tarifvertrag selbst ergebende Regel-/Ausnahmeverhältnis zwischen Nachtschichtarbeit und Nacharbeit ist ausreichender sachlicher Grund für die von den Tarifvertragsparteien vorgesehene Differenzierung in der Zuschlagshöhe.
Dieses folgt zum einen daraus, dass schon die Regelungen für die "regelmäßige" Schichtarbeit Vergünstigungen vorsehen, in deren Genuss nur diejenigen Beschäftigten gelangen, die regelmäßig Nachtschichten leisten. So sieht § 5 Ziffer 4 MTV vor, dass Beschäftigte im Dreischichtsystem innerhalb ihrer Schicht Anspruch auf eine bezahlte Pause von 30 Minuten Dauer haben. Diese Pause wird zwar nicht nur für die Arbeit in der Nachtschicht geleistet, sie setzt aber eine Arbeit im Dreischichtsystem voraus, das die Nachtschichtarbeit umfasst. Ohne Nachtschichtarbeit gibt es nicht die bezahlte Pause. Damit haben die Nachtschichtbeschäftigten gegenüber den Beschäftigten, die keine Nachtschichten haben, bei 180 Schichten pro Jahr für die Dauer von fast fünf Wochen bezahlte Pausen (30 Minuten x 180 Schichten = 10.800 Minuten; 10.800 Minuten: 60 = 180 Stunden; 180 Stunden: 37 Stunden/Woche = 4,86 Wochen). Ferner sind für die regelmäßige Schichtarbeit nach § 7 Ziffer 2.3 MTV drei zusätzliche freie Tage vorgesehen, die sich dann, wenn auch oder nur Nachtschicht gearbeitet wird, nach § 7 Ziffer 2.2 MTV auf insgesamt vier Tage erhöhen. Für Arbeit in der Nachtschicht ist schließlich in § 9 Ziffer 1 d MTV der hier streitige Zuschlag von 25 % vorgesehen, der nach § 7 Ziffer 4 MTV zusätzlich zu anderen Zuschlägen zu zahlen ist, also auch etwa zusätzlich zu einem etwaigen Mehrarbeits-, Sonntags- oder Feiertagszuschlag von 25 bis 200 %. Für Schichtarbeit und damit auch für Nachtschichtarbeit in eine Ankündigungsfrist von drei Tage zwingend; die Schichtfolge soll mindestens fünf Tage dauern.
Diesem differenzierten System für die regelmäßige Arbeitszeit stehen die Regelungen für die Nachtarbeit außerhalb der regelmäßigen Schichtarbeit gegenüber, die in § 7 Ziffer 1 b ein Zuschlag von 50 % vorgesehen ist. Dieser Zuschlag ist im Gegensatz zum Nachtschichtzuschlag auf andere ebenfalls ausgelöste Zuschläge mit Ausnahme von Schmutz- und Erschwerniszulagen anrechenbar. Ferner können Arbeitnehmer in der Nachtarbeit von der Regelung in § 8 Ziffer 2 Unterabs. 2 MTV profitieren, wenn die Nachtarbeit zugleich Mehrarbeit ist und zugleich länger als 1,5 Stunden dauern soll. Diese Beschäftigten erhalten dann eine bezahlte Pause von 20 Minuten Dauer und einen bezahlten Imbiss. Eine Ankündigungsfrist und eine Mindestdauer der Tage mit Nachtarbeit ist nicht vorgesehen.
Diese im Tarifvertrag vorgesehenen unterschiedlichen und differenzierten Regelungen für regelmäßige Schichtarbeit einschließlich Nachtarbeit, die gerade hinsichtlich der Pausen erhebliche Vorteile gerade für Nachtschichtbeschäftigte vorsehen, und für außerhalb der regelmäßigen Arbeit geleistete Nachtarbeit halten sich im Rahmen des den Tarifvertragsparteien eingeräumten Regelungsspielraumes. Der sachliche Grund besteht in der unterschiedlichen Art der jeweils abgeforderten Arbeit: Nachtarbeit ist die Ausnahme, die neben der regelmäßigen Arbeit und zusätzlich zu dieser anfallen kann. Wegen dieses Ausnahmecharakters kann sie nicht in das System der für Schichtarbeiten vorgesehenen Regelungen eingebaut werden, dass gerade die Regelmäßigkeit des Arbeitsanfalls voraussetzt. Weil mithin die im regelmäßigen Schichtsystem für Nachtschichtarbeit vorgesehenen Vorteile hinsichtlich bezahlter Pausen, eines zusätzlichen Freizeittages und eines nicht anrechenbaren Zuschlags auf die Nachtarbeit außerhalb der Schichten nicht übertragen werden können, ist es nicht "außerhalb einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtungsweise", dass für Nachtarbeit außerhalb von Schichtarbeit ein anrechenbarer Zuschlag von 50 % vorgesehen ist. Da die bloße Nachtarbeit außerhalb des Schichtsystems notwendigerweise nicht Teil des differenzierten Regelungssystems für regelmäßige Arbeitszeiten sein kann, dass verschiedenartige Vorteile für Nachtschichtbeschäftigte vorsieht, liegt es vielmehr nahe, dass eine am Gerechtigkeitsdenken orientierte Betrachtungsweise einen höheren Zuschlag für Nachtarbeit geradezu fordert. Ob das der Fall ist, kann aber dahingestellt bleiben, weil es schon ausreicht, dass der geringere Nachtschichtzuschlag durch einen sachlichen Grund getragen wird, der nicht außerhalb einer am Gerechtigkeitsdenken orientierten Betrachtungsweise liegt.
3) Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Revision wird nach § 72 Abs. 2 Ziffer 1 ArbGG zugelassen.
Hinweise
Ein Rechtsmittel wurde eingelegt (BAG - 09.12.2020 - 10 AZR 334/20) .