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  • Unternehmensbewertung
    Die Bewertung von Unternehmen anhand der Multiplikatormethode
    von Dipl.-Kffr. Dr. Anke Nestler und Dipl.-Kfm. Peter Kraus
    Für die Bewertung von Unternehmen werden neben den zukunftserfolgsorientierten Bewertungsverfahren wie dem Ertragswert- oder Discounted Cash Flow-Verfahren in der Praxis häufig marktorientierte Bewertungsverfahren (auch "Multiplikatorverfahren" oder "Market Approach") angewendet. Der besondere Reiz der Multiplikatormethode besteht in ihrer - zumindest auf den ersten Blick - einfachen Handhabung und leichten Verständlichkeit.
    1. Marktorientierte Unternehmensbewertung
    Beim Multiplikatorverfahren wird der Unternehmenswert des zu bewertenden Unternehmens (Bewertungsobjekt) entweder aus dem Marktpreis vergleichbarer, börsennotierter Unternehmen, der so genannten Peer Group, abgeleitet oder auf Basis von Preisen ermittelt, die im Rahmen von Transaktionen mit vergleichbaren Unternehmen gezahlt wurden. Der Unternehmenswert des Bewertungsobjekts ergibt sich dabei als Produkt eines aus den Vergleichsunternehmen abgeleiteten Multiplikators und der Kennzahl des Bewertungsobjekts (vgl. Abb. 1).
    Abbildung 1: Unternehmensbewertung mittels Multiplikator
    Beim Multiplikatoransatz wird somit implizit unterstellt, dass sich aus beobachtbaren Marktpreisen vergleichbarer Unternehmen Rückschlüsse auf den Wert des betreffenden Unternehmens ziehen lassen. Wesentlich für die Aussagefähigkeit der Bewertung ist folglich die bestmögliche Vergleichbarkeit der Unternehmen der Peer Group mit dem Bewertungsobjekt.
    2. Analyse von Bewertungsobjekt und Peer Group
    Bei der Bewertung eines Unternehmens anhand des Multiplikatoransatzes sind mehrere Schritte erforderlich. Zunächst erfolgt eine eingehende betriebswirtschaftliche Analyse des Bewertungsobjekts hinsichtlich der wesentlichen Werttreiber, z.B. Wachstumsrate der Umsätze, operative Marge oder Positionierung im relevanten Markt.
    Basierend auf der Analyse des Bewertungsobjekts werden vergleichbare börsennotierte Unternehmen gesucht. Alternativ können vergleichbare Unternehmen, die Gegenstand jüngerer Transaktionen waren, in die Peer Group einbezogen werden. Vergleichbar heißt, dass die Unternehmen ähnliche zu erwartende Zahlungsströme für die Eigentümer erzeugen sollten. Solche Unternehmen sind in der Regel in der gleichen Branche angesiedelt, wobei dies nicht zwangsläufig so sein muss. In den meisten Fällen stellt diese Aufgabe den Bewerter vor die größte Herausforderung, denn realistischerweise gibt es keine exakt vergleichbaren Unternehmen. Um die Abhängigkeit von nur einem einzigen Unternehmen und damit die Gefahr von potenziellen Fehlbewertungen zu reduzieren, wird regelmäßig auf eine ganze Gruppe von Vergleichsunternehmen zurückgegriffen.
    3. Bereinigung der Finanzdaten
    Im dritten Schritt werden die Finanzdaten der Vergleichsunternehmen um die Komponenten bereinigt, die individuelle Sondereinflüsse darstellen. Ziel ist es, die Vergleichbarkeit der Unternehmen mit dem Bewertungsobjekt zu erhöhen. Außerdem sollte die Wertermittlung auf Basis nachhaltiger, also voraussichtlich dauerhaft erzielbarer Ergebnisse erfolgen. Hier sind z.B. außerordentliche Effekte oder die unterschiedliche Ausübung von Bilanzierungs- und Bewertungswahlrechten zu nennen. Erzielt ein Unternehmen beispielsweise einen hohen außerordentlichen Ertrag, sollte dieser im Rahmen der Ergebnisermittlung eliminiert werden, da es sonst zu Bewertungsverzerrungen kommt. Je nach Größe der Peer Group und Umfang der erforderlichen Bereinigungen kann dieser Schritt einen erheblichen Analyseaufwand verursachen.
    4. Berechnung von Multiplikatoren
    Anschließend erfolgt die Ableitung und Berechnung von Multiplikatoren, die als Grundlage für die Wertermittlung herangezogen werden. In der Regel werden möglichst aktuelle Werte ins Verhältnis zu erwarteten Bezugsgrößen gesetzt, da Unternehmenswerte grundsätzlich Zukunftswerte darstellen. So können beispielsweise Analysten-Schätzungen des Informationsdienstes I/B/E/S (Institutional Brokers Estimate System) verwendet werden. Als Bezugsgrößen kommen Wertgrößen wie beispielsweise Umsatz, EBITDA, EBIT, Cash Flow oder Jahresüberschuss in Betracht. Daneben können aber auch Mengengrößen wie z.B. die Kundenzahl oder die Anzahl der Webseiten-Clicks herangezogen werden. Letztere wurden teilweise in der Hochphase der New Economy-Spekulation verwendet, um so umsatz- und ertraglose Unternehmen bewerten zu können. Mengengrößen sind allerdings grundsätzlich mit Vorsicht zu genießen, da die Unterschiede der Ertragskraft bzw. der Kostenstrukturen zwischen der Peer Group und dem Bewertungsobjekt nicht berücksichtigt werden.
    5. Equity- versus Entity-Multiplikatoren
    Grundsätzlich wird zwischen den so genannten Equity- und Entity-Multiplikatoren differenziert. Bei Equity-Multiplikatoren, wie z.B. dem Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) oder dem Kurs-Cash-Flow (to Equity)-Verhältnis (KCFV), errechnet sich der Marktwert des Eigenkapitals direkt aus dem Produkt des Multiplikators der Peer Group und der Bezugsgröße des Bewertungsobjekts (z.B. erwarteter Jahresüberschuss). Entity-Multiplikatoren, wie z.B. Enterprise Value/Umsatz, Enterprise Value/EBITDA oder Enterprise Value/EBIT, hingegen beziehen sich auf den Marktwert des Gesamtkapitals (Enterprise Value oder kurz: "EV"), der den Marktwert des Eigen- und Fremdkapitals abzüglich der liquiden Mittel umfasst. Equity-Multiplikatoren berücksichtigen nicht, dass bei unterschiedlichem Verschuldungsgrad die Eigenkapitalkosten variieren. Entity-Multiplikatoren hingegen ermöglichen eine bessere Vergleichbarkeit unterschiedlich finanzierter Unternehmen.
    Da das KGV (bei unterstellter Vollausschüttung) grundsätzlich dem Kehrwert der Eigenkapitalkosten abzüglich einer erwarteten nachhaltigen Wachstumsrate entspricht, nehmen "richtige" KGV mit steigendem Verschuldungsgrad ab. Dies ist insofern plausibel, da Investoren mit zunehmendem Verschuldungsgrad der Gesellschaft ein höheres Risiko eingehen und damit auch eine höhere Renditeforderung stellen. Der Vergleich von KGV von Unternehmen mit unterschiedlichem Verschuldungsgrad ist folglich nur beschränkt möglich.
    Die implizite Berücksichtigung der erwarteten Wachstumsrate im KGV lässt sich empirisch dadurch nachvollziehen, dass regelmäßig die Höhe des KGV c.p. mit der Höhe der erwarteten Wachstumsrate positiv korreliert. So lässt sich beobachten, dass Wachstumsunternehmen in der Regel höhere KGV aufweisen als reife Gesellschaften, deren Erträge nur noch moderat steigen bzw. stagnieren. Das Price-Earnings-to-Growth-Verhältnis (PEG) wird durch Division des KGV durch die erwartete Wachstumsrate berechnet und berücksichtigt somit explizit das Unternehmenswachstum.
    Abbildung 2: Vor- und Nachteile von ausgewählten Multiplikatoren
    Multiplikatoren berücksichtigen branchenspezifische (z.B. hinsichtlich der Kapitalintensität) bzw. unternehmensindividuelle (z.B. hinsichtlich der Rentabilität) Unterschiede. So setzt beispielsweise die Bewertung auf Basis eines Umsatzmultiplikators identische Umsatzrenditen voraus. Da dies oft nicht der Fall ist, werden in der Praxis ergänzend ertragsorientierte Multiplikatoren wie EV/EBITDA oder EV/EBIT berechnet. Hier ist jedoch aus Sicht des Bewerters von Bedeutung, dass diese Multiplikatoren vergleichbare Zinsdeckungs- und Steuerquoten voraussetzen.
    6. Bewertungszu- und -abschläge
    Nachdem der Unternehmenswert des Bewertungsobjekts ermittelt wurde, sollte im letzten Schritt überprüft werden, inwiefern Bewertungszu- bzw. -abschläge für das Bewertungsobjekt vorgenommen werden können. In der Praxis werden beispielsweise bei der Übernahme von Mehrheitsanteilen Kontrollprämien vergütet, um die erweiterten Mitspracherechte zu honorieren. Ist das Bewertungsobjekt nicht börsennotiert, kann im Vergleich zu einer börsennotierten Peer Group ein Abschlag für mangelnde Fungibilität in Betracht kommen. Auch wenn hierzu eine Reihe von empirischen Untersuchungen durchgeführt wurden, ist es in der Praxis schwierig, die exakte Höhe von Zu- und Abschlägen zu bestimmen. Vor diesem Hintergrund ist hier eine besondere Vorsicht des Bewerters erforderlich.
    7. Beispiel
    In Abbildung 3 ist eine vereinfachte Multiplikatorbewertung aus dem Jahre 2001 dargestellt. Bei dem Bewertungsobjekt handelt es sich um einen Automobilzulieferer, der in verschiedenen Geschäftsbereichen tätig ist. Das Risiko- und Wachstumsprofil des Bewertungsobjekts und der börsennotierten Unternehmen der Peer Group sind grundsätzlich vergleichbar, da sie u.a. in verwandten Märkten tätig sind und über ähnliche Kundenstrukturen verfügen. Für die Vergleichsunternehmen werden verschiedene Multiplikatoren auf Basis von Umsatz, EBITDA, EBIT, Cash Flow und Jahresüberschuss gebildet:
    Abbildung 3: Beispiel für eine vereinfachte Multiplikatorbewertung
    * Der Median wird ermittelt, indem die Ausreißer nach oben und unten eliminiert werden
    Mit Hilfe der vorliegenden Finanzdaten des Bewertungsobjekts wird der Marktwert des Eigenkapitals auf Basis des Medians der Peer Group berechnet. Der Median bietet den Vorteil, dass Ausreißer in die Bewertung nicht eingehen. Der Marktwert des Eigenkapitals ergibt sich je nach Multiplikator indirekt über die Subtraktion der Nettoverbindlichkeiten vom Enterprise Value (Entity-Multiplikator) oder direkt aus dem Produkt des Multiplikators mit der Bezugsgröße (Equity-Multi-plikator).
    8. Anwendungsgebiet und Kritik am Multiplikatoransatz
    Der Multiplikatoransatz ist in der Praxis vor allem im Rahmen von Verhandlungen von Transaktionen weit verbreitet. Für die möglichst zuverlässige Bewertung von Unternehmen wird dem Multiplikatoransatz jedoch eine begrenzte Anwendung zugesprochen. Gemäß dem deutschlandweit anerkannten Bewertungsstandard des Instituts der Wirtschaftsprüfer IDW S1 ist das Multiplikatorverfahren nur ergänzend zu einem zukunftserfolgsorientierten Verfahren (DCF-Verfahren, Ertragswertmethode) heranzuziehen. Der Multiplikatoransatz sollte deshalb eher zur Plausibilisierung dienen. Anders hingegen sind beispielsweise die internationalen Rechnungslegungsvorschriften ausgelegt. Gemäß IAS und auch US-GAAP-Regeln gelten marktorientierte Bewertungsverfahren als "best practice".
    Die Kritiker des Multiplikatoransatzes führen insbesondere an, dass jedes Unternehmen einzigartig ist und dies bei der Multiplikatorbewertung nicht ausreichend berücksichtigt wird. Die Auswahl möglichst vergleichbarer Unternehmen stellt den Bewerter in der Tat vor eine schwierige Aufgabe. Umso wichtiger ist eine sorgfältige Analyse der Unternehmen sowie eine Bereinigung der Finanzdaten. Zudem kann über eine Gewichtung der Unternehmen der Peer Group dem Maß der Vergleichbarkeit Rechnung getragen werden. Bei den aus Unternehmenstransaktionen abgeleiteten Multiplikatoren besteht zusätzlich das Problem einer regelmäßig geringen Anzahl an zeitnahen Transaktionen sowie die eingeschränkte Verfügbarkeit der relevanten Daten. Je eingehender somit die Analyse des zu bewertenden Unternehmens sowie der Unternehmen der Peer Group erfolgt, umso umfangreicher können die relevanten Werttreiber in die Wertfindung eingehen.
    9. Fazit
    Festzuhalten bleibt, dass der Multiplikatoransatz ein geeignetes Mittel ist, um Anhaltspunkte für den Wert eines Unternehmens zu erhalten und um Unternehmenswerte auf Basis von Ertragswert- bzw. Discounted Cash Flow-Verfahren zu plausibilisieren. Insofern ist der Multiplikatoransatz grundsätzlich als Komplement - nicht als Substitut - zu den zukunftserfolgsorientierten Bewertungsverfahren heranzuziehen. Im Einzelfall müssen geeignete Multiplikatoren sorgfältig ausgewählt werden, um die unternehmensspezifischen Unterschiede, wie z.B. unterschiedliche Rentabilitäten oder Finanzierungsstrukturen, möglichst weitgehend zu erfassen. Eine stringente Durchführung des Multiplikatoransatzes erfordert folglich eine intensive Auseinandersetzung mit dem Bewertungsobjekt, den Vergleichsunternehmen und der Branche.
    Quelle: Betriebswirtschaftliche Mandantenbetreuung - Ausgabe 09/2003, Seite 248
    Quelle: Ausgabe 09 / 2003 | Seite 248 | ID 109465

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