Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww
  • 24.01.2012

    Finanzgericht Baden-Württemberg: Urteil vom 13.09.2010 – 6 K 4460/08

    1. Für ein Kind, das im Mai 2008 sein 25. Lebensjahr vollendet hat, besteht ein Kindergeldanspruch ausnahmsweise nur dann, wenn es entweder wegen körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung außerstande ist, sich selbst zu unterhalten oder den gesetzlichen Grundwehrdienst oder Zivildienst geleistet hat, sich zum Wehrdienst verpflichtet hat oder eine Tätigkeit als Entwicklungshelfer ausgeübt hat.

    2. Der Nachweis für das Vorliegen einer Behinderung des Kindes wird durch die Vorlage eines Schwerbehindertenausweises erbracht. Bloße Arztbesuche beim Zahnarzt oder Psychiater ohne Vortrag einer Diagnose sind nicht geeignet, eine Behinderung anzunehmen.

    3. Ein Kind ist nicht außerstande, sich selbst zu unterhalten, wenn es ein Fernstudium abgeschlossen hat und im Haushalt seiner Eltern einen Internethandel betreibt.

    4. Aus der Behauptung, das Land Baden-Württemberg habe sich sitten- und verfassungswidrig verhalten, ergibt sich für ein über 25-jähriges Kind weder einen Anspruch auf Kindergeld noch eine Beweislastumkehr dahingehend, dass ein irreparabler Gesundheitsschaden des Kindes eingetreten sei.

    5. Die zum 1.1.2007 in Kraft getretene Absenkung der Altersbegrenzung für berücksichtigungsfähige Kinder in der Berufsausbildung von 27 auf 25 Jahre durch Artikel 1 Nr. 11 des Steueränderungsgesetzes vom 19.7.2006 (BGBl I 2006, 1652) enthält keinen Verstoß gegen das verfassungsrechtliche Rückwirkungsverbot.


    Im Namen des Volkes

    Urteil

    In dem Finanzrechtsstreit

    hat der 6. Senat des Finanzgerichts Baden-Württemberg aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 13. September 2010 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Finanzgericht … der Richterin am Finanzgericht … des Richters am Finanzgericht … der ehrenamtlichen Richter …

    für Recht erkannt:

    1. Die Klage wird abgewiesen.

    2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

    3. Soweit der Kläger Kindergeld für Juni 2008 begehrt, wird die Revision zugelassen.

    Tatbestand

    Der verheiratete Kläger war früher als Lehrer tätig und wurde mit Ablauf des Juli 2006 in den Ruhestand versetzt. Seit 1. August 2006 erhält er Versorgungsbezüge.

    Der Kläger hat drei Kinder. Für sein zweitältestes Kind, seinen Sohn X, geboren im Mai 1983, wurde laufend Kindergeld bezahlt, zunächst an die Ehefrau des Klägers, ab 2006 an den Kläger.

    X hat weder Wehr- noch Zivildienst geleistet. Er studierte nach seinem Abitur im Jahr 2003 zunächst an der Pädagogischen Hochschule. Aufgrund eines Sportunfalls (Knieverletzung) wurde er ein oder zwei Semester beurlaubt und brach das Studium im zweiten Semester ab. Anschließend nahm er an der Technischen Hochschule in W ein technisches Studium auf, das er wiederum nach ein oder zwei Semestern abbrach. Von April 2006 bis Mai 2008 absolvierte er am B – Institut für Sport, … ein Fernstudium, das unstreitig Berufsausbildung darstellt. Am 19. Mai 2008 legte er die Abschlussprüfung ab. Das Diplomzeugnis wurde am 11. Juni 2008 ausgestellt und X noch im Laufe des Monats Juni 2008 ausgehändigt. Von diesem Zeitpunkt an bis zur mündlichen Verhandlung wohnte X im Haushalt des Klägers und richtete einen Internethandel für Mode ein, den er von dort aus betrieb.

    Im Februar 2008 teilte der Beklagte dem Kläger mit, dass X in Kürze sein 25. Lebensjahr vollenden werde. Die Zahlung des Kindergeldes werde daher ab Juni 2008 eingestellt werden. Falls ein Ausnahmetatbestand vorliege, so werde der Kläger gebeten, dies mitzuteilen.

    Mit Schreiben vom 10. Juni 2008 machte der Kläger für X einen Ausnahmetatbestand geltend. Alle seine drei Kinder seien ab 1994, dem Zeitpunkt der rechtswidrigen Veröffentlichung der Daten ihrer Mutter als Lehrerin, an ihren jeweiligen Schulen vom Land „gläsern” gestellt worden. Dadurch seien die Grundrechte, Persönlichkeitsrechte und Bürgerrechte seiner Kinder verletzt worden, insbesondere das Bundesdatenschutzgesetz, das Recht auf informationelle Selbstbestimmung sowie die Grundrechte der Art. 1 bis 6 des Grundgesetzes (GG). Zudem habe das Land § 98 Landesbeamtengesetz (LBG) verletzt. Die Familie des Klägers werde vom „hoheitlichen” Land willkürlich behandelt. Das Land sei zu einem „Horrorarbeitgeber mutiert”, der die Bespitzelungsaffären bei Siemens, Lidl und bei der Telekom bei weitem übertreffe.

    Am 16. Juli 2008 forderte der Beklagte den Kläger auf, eine Bescheinigung über Art und Dauer des Wehr- oder Zivildienstes von X vorzulegen.

    Mit Bescheid vom 18. Juli 2008 hob der Beklagte die Festsetzung des Kindergelds für X ab Juni 2008 auf. X habe seine Hochschulausbildung im Laufe des Monats Mai 2008 mit der offiziellen Bekanntgabe des Prüfungsergebnisses beendet.

    Hiergegen legte der Kläger mit Schreiben vom 13. August 2008, das am 15. August 2008 beim Beklagten einging, Einspruch ein. Dieses Einspruchsschreiben ist nicht unterschrieben. Die Lehrerfamilie des Klägers sei ab 1994 bis 2008 nicht nach geltendem Recht und Gesetz behandelt worden. Durch eine rechtswidrige Veröffentlichungspraxis des Landes sei das Kindeswohl aller drei Kinder des Klägers auf das Schwerste beeinträchtigt und geschädigt worden. Es lägen schwerste Körperverletzungen, besonders in den Jahren 1994 und 1998 vor. Aufgrund dieser Rechtsverletzungen seien Höhe und Zeitdauer des Kindergeldes nicht mit dem gleichen Maßstab von nicht rechtsverletzten Kindern zu sehen. Für X liege daher ein Ausnahmetatbestand vor.

    Mit Einspruchsentscheidung vom 20. August 2008 wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück. X sei das Prüfungsergebnis im Juni 2008 offiziell mitgeteilt worden. Eine eigentlich bis Juni 2008 mögliche Kindergeldfestsetzung scheitere ab Juni 2008 daran, dass X im Mai 2008 sein 25. Lebensjahr vollendet habe. Die Kindergeldfestsetzung sei daher zu Recht ab Juni 2008 aufgehoben worden. X habe nach Aktenlage weder Wehr- noch Zivildienst geleistet und sei durchgehend als Kind berücksichtigt worden. Der vom Kläger geltend gemachte Grund stelle keinen Verlängerungstatbestand i. S. des § 32 Abs. 5 EStG dar. Aus den Bestimmungen des LBG könne kein Anspruch auf die Weiterzahlung des Kindergeldes über die gesetzliche Altersgrenze (Vollendung des 25. Lebensjahres) hinaus abgeleitet werden.

    Mit seiner am 12. September 2008 beim Beklagten und am 22. September 2008 bei Gericht eingegangenen Klage begehrt der Kläger aufgrund der systematischen Missachtung des Gleichbehandlungsgrundsatzes ab 1994 ff., wegen mehrfacher Verstöße gegen Art. 1 ff. GG und gegen § 98 LBG unverändert die Festsetzung von Kindergeld für seinen Sohn X über dessen 25. Lebensjahr hinaus.

    Das staatliche Schulamt Y habe mit Rundschreiben vom 12. August 1994 die Zurruhesetzung der Ehefrau des Klägers und Mutter von X, Frau Z, noch vor deren Aushändigung an die Betroffene öffentlich bekannt gegeben. Damit habe das Land die Art. 1 bis 6 des GG, die Landesverfassung und den § 98 LBG verletzt. Die drei Kinder des Klägers seien daher während ihrer gesamten Grundschul- und Gymnasialzeit immer wieder von Lehrern belästigt worden.

    Durch die über ein Jahrzehnt lang andauernde Rechts- Gesetzes- und Verfassungsbrüche des Landes seien die Familienmitglieder des Klägers von 1994 bis 2008 unter einen beständigen Dauerdruck und Dauerstress gesetzt worden, der beim ältesten Sohn zu zwangsweisem Schulwechsel und bei mehreren Familienmitgliedern zu schwersten Beeinträchtigungen und zu körperlichen und seelischen Dauerschäden geführt hätten. Wegen der vom Kläger aufgelisteten, angeblichen rechtswidrigen Verhaltsweisen mehrerer Landesbediensteten wird auf die Klageschrift vom 9. September 2008 ergänzend Bezug genommen. Durch diese Maßnahmen seien X schwerste Körperverletzungen zugefügt worden. Er habe aus gesundheitlichen Gründen ein begonnenes PH-Studium sowie den Besuch der technischen Universität in W abbrechen müssen, weil er nicht voll belastbar gewesen sei. Das später aufgenommene Fernstudium habe er von zu Hause aus betreiben können, um den vom Land jahrzehntelang zugefügten Stress abzubauen. X' Schulbiografie und seine Zeugnisnoten bis hin zum Abitur seien durch den vom Land Baden-Württemberg ab 1994 verursachten Dauerdruck und Dauerstress, v. a. durch unzulässige Einflussnahmen von Lehrerinnen und Lehrern schwer beeinträchtigt worden. X sei mit „Angst und Schrecken in seiner Klasse gesessen, nichts ahnend, wann ein Lehrer oder eine Lehrerin erneut seine/ihre Neugierde befriedigen und ihn vor der gesamtes Klasse oder aber etwas dezenter während der Schulpause persönlich über den Gesundheitszustand seiner Mutter oder seines schwer kranken Bruders ausfragen würde. X habe sich für das frühe Ausscheiden seiner Mutter als Lehrerin rechtfertigen müssen, wozu er aufgrund seines Alters noch gar nicht in der Lage gewesen sei. Aufgrund seiner Schulpflicht hätte er sich jedem Lehrer stellen müssen. Die Schule sei für die Kinder des Klägers zu einer Horrorschule und zu einer beständigen, unterschwelligen Bedrohungskulisse der Ungewissheit und der Angst geworden, wobei das grundgesetzlich garantierte Kindeswohl vollkommen auf der Strecke geblieben sei.

    Erst durch die rechtswidrige Veröffentlichungspraxis des Landes seien die Lehrerinnen und Lehrer in die Lage versetzt worden, die schulpflichtigen Kinder des Klägers hinterlistig und auf beschämende Art und Weise auszufragen und auszuquetschen. Jeglicher Datenschutz sei missachtet worden.

    Die Höhe und Dauer der Kindergeldzahlung gehe vom Normalfall, nämlich einem dem Recht und Gesetz verpflichteten, hoheitlichen Land aus. Im vorliegenden Fall handele es sich aber um „ein Horrorland und einen Horrordienstherrn, der sich nur noch durch präventive Willkürmaßnahmen versucht, über Wasser zu halten, der jahrzehntelang im Sumpf watet und dabei jeglichen Anspruch auf Anstand und Moral verloren hat”. In seiner Klagebegründung verweist der Kläger auf seine im August 2010 erhobene Beschwerde bei der Generalstaatsanwaltschaft P und erläutert die seiner Meinung nach seinem Sohn X angetanen „elementarsten Grundrechtseingriffe”. Aufgrund einer Beweislastumkehr könne das Land Baden-Württemberg nicht nachweisen, dass X keine Gesundheitsschäden davon getragen habe. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Schriftsatz vom 1. September 2010 ergänzend Bezug genommen. In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger vorgetragen, X sei in 1998 im Krankenhaus in P kurzzeitig behandelt worden und sei in den Jahren 2005 und 2006 für einen Zeitraum von ca. einem halben Jahr in psychiatrischer Behandlung in S gewesen. Zudem habe er wegen Zähneknirschens eine umfangreiche Gebisssanierung durchführen lassen. Davon abgesehen sei X nicht in ärztlicher Behandlung gewesen. Bei X sei keine Schwerbehinderteneigenschaft amtlich festgestellt worden.

    Der Kläger beantragt,

    den Kindergeldaufhebungsbescheid vom 18. Juli 2008 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 20. August 2008 aufzuheben, und den Beklagten zu verpflichten, gegenüber dem Kläger Kindergeld in gesetzlicher Höhe für dessen Sohn X ab Juni 2008 festzusetzen.

    Der Beklagte beantragt,

    die Klage abzuweisen.

    Zur Begründung verweist der Beklagte auf seine Ausführungen in den angefochtenen Bescheiden, die er zum Gegenstand seines Vorbringens im Rahmen des Klageverfahrens macht.

    Am 22. Januar 2009 ist die Sach- und Rechtslage vor der Berichterstatterin des Senats ausführlich erörtert worden.

    Auf die gewechselten Schriftsätze, die vorgelegten Akten der Familienkasse sowie die Niederschriften des Erörterungstermins sowie der mündlichen Verhandlung wird ergänzend Bezug genommen.

    Entscheidungsgründe

    I. Die Klage ist unbegründet.

    Der Kindergeldaufhebungsbescheid vom 18. Juli 2008 und die Einspruchsentscheidung vom 20. August 2008 sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Beklagte hat zu Recht die Kindergeldfestsetzung gegenüber dem Kläger für seinen Sohn X ab Juni 2008 aufgehoben. Der Kläger hat ab Juni 2008 keinen Anspruch mehr auf Kindergeld für X, weil dieser im Mai 2008 sein 25. Lebensjahr vollendet hat, der Ausnahmetatbestand des § 32 Abs. 5 Einkommensteuergesetz (EStG) nicht erfüllt ist und X auch nicht wegen körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung außerstande ist, sich selbst zu unterhalten. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die gesetzliche Regelung bestehen nicht.

    1. Nach §§ 62, 63 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG in der für das Streitjahr maßgeblichen Fassung wird für ein Kind, das sich in Berufsausbildung befindet, Kindergeld grundsätzlich nur bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres gewährt. Über diesen Zeitraum hinaus wird ein Kind nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG oder § 32 Abs. 5 EStG ausnahmsweise dann berücksichtigt, wenn es entweder wegen körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung außerstande ist, sich selbst zu unterhalten, oder den gesetzlichen Grundwehrdienst oder Zivildienst geleistet hat, sich zum Wehrdienst verpflichtet hat oder eine Tätigkeit als Entwicklungshelfer ausgeübt hat.

    2. Im Streitfall liegen die Voraussetzungen dieser Ausnahmetatbestände nicht vor.

    a) X hat weder Wehr- noch Zivildienst geleistet (§ 32 Abs. 5 Nr. 1 EStG), noch sich zum Wehrdienst von mehr als drei Jahren verpflichtet (§ 32 Abs. 5 Nr. 2 EStG) und auch keine vom gesetzlichen Grundwehrdienst oder Zivildienst befreiende Tätigkeit als Entwicklungshelfer (§ 32 Abs. 5 Nr. 3 EStG) ausgeübt.

    b) Der Kläger hat weder vorgetragen, noch sind aus den Akten Anhaltspunkte dafür erkennbar, dass X aufgrund einer körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung außerstande ist, sich selbst zu unterhalten.

    aa) Der Kläger hat nicht vorgetragen, X sei behindert und aufgrund dieser Behinderung außerstande, sich selbst zu unterhalten. Er stellt sich vielmehr auf den Standpunkt, das Land Baden-Württemberg müsse aufgrund von angeblich sitten- und verfassungswidrigem Verhalten gegenüber seinen Kindern nachweisen, dass bei diesen keine irreparablen Gesundheitsschäden eingetreten seien. Es bestünde eine Beweislastumkehr. Darin ist aber nicht die Aussage enthalten, X sei behindert.

    Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung lediglich vorgetragen, dass X in 1998 und in den Jahren 2005/2006 verschiedene Ärzte aufgesucht hat und sein Gebiss wegen Zähneknirschens umfangreich saniert worden ist. Die vorgetragenen Arztbesuche in den Jahren 1998 und 2005/2006 lassen aber keine Anhaltspunkte für eine Behinderung von X erkennen. Behindert ist ein Mensch, wenn seine körperlichen Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht und daher seine Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist (§ 2 Abs. 1 Sozialgesetzbuch – SGB – IX). In der Regel wird der Nachweis für das Vorliegen einer Behinderung durch Vorlage eines Schwerbehindertenausweises erbracht (Loschelder in: Schmidt, EStG-Kommentar, 28. Aufl. 2009, § 32 Rn. 39). Bloße Arztbesuche beim Zahnarzt oder auch beim Psychiater (in 2005/2006) ohne Vortrag einer Diagnose sind nicht geeignet, eine Behinderung anzunehmen. In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger ausdrücklich erklärt, dass X keinen Schwerbehindertenausweis hat. Aus dem Klägervortrag ergeben sich daher keine Anhaltspunkte für eine Behinderung von X.

    bb) Für den Senat sind keine Anhaltspunkte erkennbar, dass X außerstande ist, sich selbst zu unterhalten. Vielmehr hat er in 2008 ein Fernstudium im Studiengang Sportmanagement erfolgreich abgeschlossen und betreibt im Haushalt des Klägers einen Internethandel. Der Kläger hat nicht vorgetragen, X könne sich nicht selbst unterhalten.

    c) Aufgrund der Behauptungen des Klägers, das Land Baden-Württemberg habe sich sitten- und verfassungswidrig verhalten, ergibt sich kein Anspruch des Klägers auf Kindergeld für X. Selbst wenn das vom Kläger vorgetragene Verhalten der verschiedenen Organe der Kultusverwaltung des Landes als wahr unterstellt wird, ergibt sich daraus kein Anspruch auf Kindergeld. Es ergibt sich auch keine Beweislastumkehr dahingehend, dass das Land beweisen müsse, ein irreparabler Gesundheitsschaden sei bei X nicht eingetreten. Das Kindergeld ist eine Steuervergütung und kann nur festgesetzt werden, wenn der gesetzliche Tatbestand in den §§ 62, 63 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 32 Abs. 4 und 5 EStG erfüllt ist. Ein Anspruch auf Kindergeld aus angeblich sittenwidrigem Verhalten des Staates im Allgemeinen ist nicht vorgesehen und ergibt sich auch nicht aus allgemeinen Verfassungsgrundsätzen oder aus den Grundrechten und schon gar nicht aus dem Landesbeamtengesetz.

    3. Die zum 1. Januar 2007 in Kraft getretene Absenkung der Altersbegrenzung für berücksichtigungsfähige Kinder in der Berufsausbildung von 27 auf 25 Jahren durch Artikel 1 Nr. 11 des Steueränderungsgesetzes vom 19. Juli 2006 (BGBl I 2006, 1652) enthält keinen Verstoß gegen das aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) abgeleitete Rückwirkungsverbot.

    Gesetzliche Regelungen können die Vergangenheit in unterschiedlicher Weise einbeziehen. Sie können sich Geltung auch für die Zeit vor ihrem Inkrafttreten beilegen oder aber sich mit der Geltung für die Zeit nach ihrem Inkrafttreten begnügen, ihre Rechtsfolgen aber von Vorgängen abhängig machen, die sich vor ihrem Inkrafttreten zugetragen haben. Diese unterschiedlichen Formen der Rückbeziehung werden als echte bzw. unechte Rückwirkung (Beschluss des Bundesverfassungsgerichts – BVerfG – vom 5. Mai 1987 1 BvR 724/81 u.a., BVerfGE 75, 246, 279 f. m.w.N.), vom 2. Senat des BVerfG auch als Rückbewirkung von Rechtsfolgen bzw. als tatbestandliche Rückanknüpfung bezeichnet (Beschluss des BVerfG vom 14. Mai 1986 2 BvL 2/83, BVerfGE 72, 200, 242 ff., Bundessteuerblatt – BStBl – II 1986, 628, 641 ff. m.w.N.).

    Der Senat kommt in Anwendung dieser vom BVerfG entwickelten Grundsätze zu dem Ergebnis, dass die Regelung des Artikels 1 Nr. 11 des Steueränderungsgesetzes 2007 keine Rückwirkung enthält. Die Absenkung der Altersgrenze bedeutet für den Kindergeldberechtigten eine Einschränkung seiner Berechtigung. Diese Einschränkung als Rechtsfolge greift nach den Bestimmungen des Steueränderungsgesetzes 2007 in der Zukunft mit Inkrafttreten des Gesetzes zum 1. Januar 2007 Platz. Dabei knüpft der Tatbestand der Einschränkung an das Erreichen der Altersgrenze in der Zukunft an. Denn Artikel 1 Nr. 11 des Steueränderungsgesetzes 2007 erlangt lediglich Geltung für Kindergeldberechtigte mit Kindern, die ab dem 1. Januar 2007 das 25. Lebensjahr vollenden. Für Kinder, die bereits zu diesem Zeitpunkt 25 – aber noch nicht 27 – Jahre alt waren, enthält Artikel 1 Nr. 19 Buchst. d des Steueränderungsgesetzes 2007 durch Einfügung des Satzes 4 in den § 52 Abs. 4 EStG eine Übergangsregelung dergestalt, dass Kinder, die im Jahr 2006 das 25. oder 26. Lebensjahr vollendeten, noch bis zur Erreichung ihres 27. Lebensjahrs und Kinder, die im Jahr 2006 das 24. Lebensjahr vollendeten, noch bis zur Erreichung ihres 26. Lebensjahrs berücksichtigungsfähig sind. Damit liegen Tatbestand und Rechtsfolge der einschränkenden Regelung in der Zukunft ohne rückwirkende Anknüpfung oder Wirkung.

    Darüber hinaus ist ein schutzwürdiges Vertrauen des Klägers auf die weitere Gewährung des Kindergelds nicht ersichtlich.

    Zur weiteren Begründung wird auf das BFH-Urteil vom 17. Juni 2010 III R 35/09 (abrufbar im Internet unter: www.bundesfinanhof.de) verwiesen.

    II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

    III. Soweit der Kläger Kindergeld für den Monat Juni 2008 begehrt, hat der Senat die Revision zugelassen, weil zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung das BFH-Urteil III R 35/09 noch nicht veröffentlicht war (siehe Pressemitteilung des BFH Nr. 100 vom 24. November 2010). Der Senat ging zum Zeitpunkt seiner Entscheidung von einem anhängigen Verfahren beim BFH zur Frage der Verfassungsmäßigkeit der Absenkung der Altersgrenze aus und hat im Hinblick darauf die Revision zugelassen.

    VorschriftenEStG § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2a, EStG § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 3, EStG § 32 Abs. 5, EStG § 62, EStG § 63 Abs. 1 S. 2, SGB IX § 2 Abs. 1, GG Art. 20 Abs. 3

    Karrierechancen

    Zu TaxTalents