Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww
  • 05.01.2012

    Finanzgericht Berlin-Brandenburg: Beschluss vom 13.10.2011 – 12 V 12089/11

    1. Es ist ernstlich zweifelhaft, ob die Verpfändung von Gesellschaftsanteilen an der fremdfinanzierten Gesellschaft einen Anwendungsfall des § 8a Abs. 2 KStG darstellt.

    2. An der Verfassungsmäßigkeit der Regelungen der §§ 4h EStG, 8a KStG bestehen ernstliche Zweifel.

    3. Der Einwand der Größenordnung der mit der Zinsschrankenregelung verbundenen Steuermehreinnahmen ist nicht geeignet, das öffentliche Interesse an einer geordneten Haushaltsführung als vorrangig gegenüber dem Interesse des Steuerpflichtigen an der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zu beurteilen.

    4. Ein Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes wegen der Festsetzung von Nachzahlungszinsen und Solidaritätszuschlag ist unzulässig, wenn und soweit sich der Steuerpflichtige mit seinem Begehren allein gegen die Besteuerungsgrundlagen der zugrunde liegenden Steuerfestsetzung wendet.


    In dem Verfahren

    BESCHLUSS

    hat das Finanzgericht Berlin-Brandenburg – 12. Senat – am 13. Oktober 2011 durch den Präsidenten des Finanzgerichts … die Richterin am Finanzgericht … den Richter am Finanzgericht …

    beschlossen:

    Die Vollziehung der Bescheide über Körperschaftsteuer 2008 sowie Vorauszahlungen zur Körperschaftsteuer für 2009 und 2010 wird bis zum Ablauf eines Monats nach Bekanntgabe einer abschließenden Entscheidung in dem Verfahren 12 K 12163/11 ausgesetzt.

    Im Übrigen wird der Antrag zurückgewiesen.

    Die Beschwerde zum Bundesfinanzhof wird zugelassen.

    Die Kosten des Verfahrens werden dem Antragsgegner auferlegt.

    Gründe:

    Die Beteiligten streiten über die Anwendbarkeit der § 4h des Einkommensteuergesetzes (EStG) und § 8a des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) sowie über die Frage, ob diese Regelungen mit dem Grundgesetz und europarechtlichen Vorgaben vereinbar sind.

    Die Antragstellerin ist eine nach luxemburgischem Recht gegründete Gesellschaft mit beschränkter Haftung. Gesellschafter sind die C Ltd. zu 25 %, die D S.àr.l zu 25 % und die E Ltd. zu 50%. Gesellschaftszweck der Antragstellerin ist es, ein im Jahre 2006 zum Preis von EUR … angeschafftes inländisches Grundstück in der … in … langfristig zu halten und zu verwalten. Über die Vermietung des Grundstücks hinaus entfaltet die Antragstellerin keine inländischen oder ausländischen Aktivitäten.

    Der Kaufpreis für das Grundstück wurde in Höhe von EUR … durch Eigenkapital, ein Darlehen von der F Bank Limited (F) in Höhe von EUR … sowie ein Darlehen einer G Bank in Höhe von EUR … finanziert. Zur Absicherung des Darlehens gewährte die Antragstellerin dem Hauptdarlehensgeber F zahlreiche Sicherheiten, u.a. eine Grundschuld über das Grundstück in der …, die Sicherungsabtretung der eingehenden Mieten, die Verpfändung von Bankkonten sowie die Verpfändung von Versicherungsansprüchen. Zusätzlich wurden die Gesellschaftsanteile an die Bank verpfändet.

    Die Antragstellerin erwirtschaftete im Jahr 2008 einen Verlust in Höhe von rund EUR 543 000. Hierin enthalten ist ein Zinsaufwand in Höhe von rund EUR 8,8 Mio. Das EBITDA der Gesellschaft betrug rund EUR 11,9 Mio. Da sich weder an der Vermietungssituation noch an den Aufwendungen (insbesondere Zinsen) der Folgejahre etwas geändert hat, wurden auch in den Jahren 2009 und 2010 ähnliche operative Ergebnisse erzielt. Aufgrund der Anwendung der Regelungen des § 4h EStG und § 8a KStG zur sog. Zinsschranke ergibt sich für 2008 demgegenüber ein Gesamtbetrag der Einkünfte der Antragstellerin in Höhe von rund EUR 4,7 Mio. Nach Berücksichtigung von Verlustvorträgen beträgt das zu versteuernde Einkommen rund EUR 2,7 Mio.

    Die Antragstellerin reichte ihre Körperschaftsteuererklärung 2008 im Dezember 2009 bei dem Antragsgegner ein. Darin wendete sie die § 4h EStG, § 8a KStG an, wies aber gleichzeitig darauf hin, dass ihrer Auffassung nach die Zinsschranke nicht anwendbar sei. Am 10. Januar 2011 erließ der Antragsgegner die Bescheide über Körperschaftsteuer 2008 und Vorauszahlungen zur Körperschaftsteuer ab 2009. Dagegen legte die Antragstellerin Einspruch ein; gleichzeitig beantragte sie die Aussetzung der Vollziehung der Bescheide. Den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung lehnte der Antragsgegner mit Bescheid vom 16. März 2011 ab. Am 31. Mai 2011 wies der Antragsgegner die Einsprüche der Antragstellerin zurück. Dagegen hat die Antragstellerin Klage erhoben, die bei dem Senat unter dem Aktenzeichen 12 K 12163/11 anhängig ist.

    Die Antragstellerin ist der Auffassung, dass die Verpfändung der Gesellschaftsanteile an F nicht als schädlicher Rückgriff im Sinne des § 8a Abs. 2 KStG auf ihre zu mehr als 25 % an ihr beteiligte Gesellschafterin E Ltd. anzusehen sei. Die vom Antragsgegner auf der Grundlage eines Schreibens des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom 04. Juli 2008 vertretene Gegenansicht stehe nicht mit Sinn und Zweck des § 8a Abs. 2 KStG im Einklang. Die Regelung solle verhindern, dass anstelle einer direkten Fremdfinanzierung durch den Gesellschafter ein Umweg über eine Bank mit Rückgriff auf den Gesellschafter gewählt wird (sog. „back-to-back”-Finanzierung). Dieser Fall sei hier aber nicht gegeben, weil die Anteilsverpfändung an die Bank im Hinblick auf die sonstigen Sicherheiten keine zusätzliche Sicherheit gebe und weil die Bank somit als fremder Dritter im Verhältnis zur Antragstellerin anzusehen sei. Die Verpfändung von Anteilen gewähre der finanzierenden Bank keine zusätzlichen Sicherheiten, weil das gesamte Vermögen des Darlehensnehmers (also der Antragstellerin) ohnehin für die Darlehensschuld als Haftungsmasse zur Verfügung stehe. Das werde gerade in ihrem, der Antragstellerin, Fall besonders deutlich, weil zusätzlich zu ihrer persönlichen Haftung sämtliche Vermögenswerte (lmmobilie, Mieteinnahmen, Bankkonten, Versicherungsansprüche etc.) ohnehin direkt gegenüber der Bank verpfändet bzw. zur Sicherheit abgetreten seien. Sollte sie, die Antragstellerin, insolvent werden, wären auch die Anteile wertlos, weil aufgrund der umfangreichen Sicherheiten zugunsten der Bank ein Gesellschafter niemals auf die Vermögenswerte der Gesellschaft zugreifen und die Anteile selbst nicht verkaufen könnte.

    Zudem meint die Antragstellerin, dass die Regelungen über die Zinsschranke verfassungswidrig seien, weil sie gegen das Leistungsfähigkeitsprinzip und das Folgerichtigkeitsgebot verstießen. Das Leistungsfähigkeitsprinzip sei verletzt, weil die Regelungen über die Zinsschranke dazu führten, dass sie, die Antragstellerin, die tatsächlich Verluste erwirtschafte, Steuern auf fiktive Gewinne zu zahlen habe. Dieser Effekt werde in ihrem Fall auch nicht durch den EBITDA-Vortrag gemäß § 4h Abs. 1 Satz 3 EStG gemildert, da sich ihre wirtschaftliche Situation in den nächsten Jahren nur minimal ändern werde. Der Verstoß gegen das Leistungsfähigkeitsprinzip lasse sich auch nicht mit dem Gedanken der Missbrauchsbekämpfung rechtfertigen. Der deutsche Gesetzgeber habe verhindern wollen, dass das Steuersubstrat durch übermäßige Gesellschafterfremdfinanzierung aus dem Ausland in das Ausland verlagert werde. Aufgrund europarechtlicher Vorgaben sei eine Umsetzung aber nur in der Weise möglich gewesen, dass alle Zinszahlungen erfasst würden. Gleichwohl lasse sich der Gesetzesbegründung deutlich entnehmen, dass Unternehmen, die „ohne steuerliche Gestaltungen eine hohe Außenfinanzierung ausweisen”, nicht belastet werden sollten. Dieses Ziel sei nicht hinreichend umgesetzt worden, wie gerade ihr Fall zeige. Sie, die Antragstellerin, zahle Zinsen an einen fremden Dritten. Ihre Gesellschafter erhielten keine Zinszahlungen. Eine Verlagerung des Steuersubstrats in das Ausland sei nicht zu beobachten. Das nötige zu der Schlussfolgerung, dass entweder der Gesetzeswortlaut den Willen des Gesetzgebers nicht hinreichend wiedergebe oder dass das Gesetz zwar zutreffend formuliert sei, aber von der Finanzverwaltung in unzutreffender Weise angewandt werde. In beiden Fällen könne die Steuerfestsetzung gegen sie, die Antragstellerin, keinen Bestand haben. Dies könne auch nicht durch die Notwendigkeit einer Typisierung gerechtfertigt werden. Typisierungen seien nur dann zulässig, wenn eine verhältnismäßig kleine Gruppe in nicht sehr intensiver Weise benachteiligt werde. Das sei bei den Regelungen über die Zinsschranke nicht der Fall. Sie erfassten die als missbräuchlich gewerteten Gestaltungen bei einem Nettozinsaufwand von weniger als EUR 3 Mio. jährlich überhaupt nicht, jenseits dieser Grenze seien jedoch zahlreiche Unternehmen betroffen, die keinen Missbrauch betrieben, sondern branchen- und marktüblich fremdfinanziert seien. Des weiteren sei das Ziel des Gesetzgebers, übermäßige und insbesondere grenzüberschreitende Fremdfinanzierungen zu verhindern, nicht folgerichtig umgesetzt worden. Konzerne könnten ein Eingreifen der Regelungen über die Zinsschranke dadurch verhindern, dass sie alle Fremdfinanzierungen in einer solchen Weise gestalteten, dass die Grenze von EUR 3 Mio. des § 4h Abs. 2 Satz 1 lit. a) EStG nicht überschritten werde. Ganz besonders hart treffe das Gesetz demgegenüber Immobilieninvestitionen aus der Zeit vor 2007, weil diese eine hohe Fremdfinanzierungsquote aufwiesen, langfristig angelegt seien und eine Umstrukturierung aufgrund von hohen Transaktionskosten wirtschaftlich wenig sinnvoll sei. Insbesondere sei die Regelung einer Freigrenze statt eines Freibetrags nicht sachgerecht. Schließlich liege eine verfassungswidrige Rückwirkung vor, weil das Gesetz Altinvestitionen mit hoher Fremdfinanzierungsquote bestrafe, obwohl die Investitionsentscheidung in der Vergangenheit getroffen worden sei und seinerzeit die Zinsen vollständig hätten abgezogen werden können. Diese Rückwirkung, die einen gravierenden Systemwechsel darstelle, hätte durch eine Übergangsregelung vermieden werden müssen.

    Die Antragstellerin beantragt,

    die Vollziehung der Bescheide über Körperschaftsteuer 2008 sowie Solidaritätszuschlag und Zinsen zur Körperschaftsteuer 2008 und über Vorauszahlungen zur Körperschaftsteuer für 2009 und 2010, jeweils vom 10. Januar 2011, bis zum Ablauf eines Monats nach Bekanntgabe einer abschließenden Entscheidung in dem Verfahren 12 K 12163/11 auszusetzen,

    hilfsweise,

    die Beschwerde zum Bundesfinanzhof zuzulassen.

    Der Antragsgegner beantragt,

    den Antrag abzuweisen.

    Gründe

    1. Der Antrag hat überwiegend Erfolg.

    a) Der Antrag ist unzulässig, soweit die Antragstellerin die Aussetzung der Vollziehung der Bescheide über Solidaritätszuschlag und Zinsen zur Körperschaftsteuer begehrt. Die Körperschaftsteuerfestsetzungen bilden im Verhältnis zu der Zinsfestsetzung nach § 233a der Abgabenordnung (AO) und zur Festsetzung der Solidaritätszuschläge Grundlagenbescheide; gemäß § 351 Abs. 2 AO können Entscheidungen in einem Grundlagenbescheid nur durch Anfechtung dieses Bescheides, nicht auch durch Anfechtung des Folgebescheides angegriffen werden. In Konsequenz dessen ist ein Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes wegen der Zinsfestsetzungen bzw. der Festsetzungen der Solidaritätszuschläge unzulässig, wenn und soweit sich der Steuerpflichtige mit seinem Begehren allein gegen die Besteuerungsgrundlagen der Steuerbescheide (hier: Körperschaftsteuer) wendet (vgl. Finanzgericht [FG] Düsseldorf, Beschluss vom 09. Januar 2004 – 14 V 6204/03 A, m.w.N.; Beschluss des Senats vom 06. August 2007 – 12 V 12078/07; beide veröffentlicht in juris).

    b) Im Übrigen ist der Antrag zulässig und begründet

    aa) Gemäß § 69 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) soll die Vollziehung eines angefochtenen Steuerbescheides ausgesetzt werden, wenn ernstliche Zweifel an seiner Rechtmäßigkeit bestehen. Das ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes (BFH) dann der Fall, wenn bei einer summarischen Prüfung neben für die Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts sprechenden Umständen gewichtige gegen die Rechtmäßigkeit sprechende Gründe zutage treten, die (abgesehen von unklaren Tatfragen) Unsicherheit in der Beurteilung der entscheidungserheblichen Rechtsfrage bewirken. Die Aussetzung der Vollziehung setzt nicht voraus, dass die für die Rechtswidrigkeit sprechenden Gründe überwiegen; es genügt, dass der Erfolg des Rechtsbehelfs ebenso wenig auszuschließen ist wie sein Misserfolg. Ist die Rechtslage nicht eindeutig, so ist im Regelfall die Vollziehung auszusetzen. Das gilt auch dann, wenn ernstliche Zweifel daran bestehen, ob die maßgebliche gesetzliche Regelung verfassungsgemäß ist (Seer, Festschrift [FS] Spindler 2011, 219, 220, 222 f.). An die Zweifel hinsichtlich der Verfassungsmäßigkeit sind keine strengeren Anforderungen zu stellen als beim Einwand fehlerhafter Rechtsanwendung (zum Ganzen BFH-Beschluss vom 25. August 2009 – VI B 69/09, Bundessteuerblatt [BStBl] II 2009, 826, unter II.2. der Gründe; Schallmoser, Deutsches Steuerrecht [DStR] 2010, 297).

    bb) Hier sind ernstliche Zweifel sowohl an der Anwendbarkeit der Regelung über die Zinsschranke auf den konkreten Fall als auch an der Verfassungsmäßigkeit der Regelung selbst gegeben.

    (1) Zweifelhaft ist zunächst, ob die Antragstellerin der Regelung über die Zinsschranke unterliegt.

    Gemäß § 4h Abs. 2 EStG ist die Regelung über die Zinsschranke nach Abs. 1 u.a. nicht anzuwenden, wenn der Betrieb nicht oder nur anteilsmäßig einem Konzern angehört (§ 4h Abs. 2 Satz 1 lit. b) EStG). Das gilt gemäß § 8a Abs. 2 KStG jedoch nicht, wenn die Vergütungen für Fremdkapital an einen zu mehr als 25 % unmittelbar oder mittelbar am Grund- oder Stammkapital beteiligten Anteilseigner, eine diesem nahe stehende Person oder einen Dritten, der auf den zu mehr als 25 % beteiligten Anteilseigner oder einem diesem nahe stehende Person zurückgreifen kann, mehr als 10 % der die Zinserträge übersteigenden Zinsaufwendungen der Körperschaft im Sinne des § 4h Abs. 3 EStG beträgt. Eine Rückgriffsmöglichkeit in diesem Sinne ist gegeben, wenn der Anteilseigner oder die ihm nahe stehende Person dem Dritten gegenüber für die Erfüllung der Schuld einsteht (Förster in Gosch, KStG, Kommentar, 2. Auflage 2009, § 8a Rn. 47).

    Die Antragstellerin gehört unstreitig nicht zu einem Konzern. Sie leistet den ganz überwiegenden Teil des Zinssaldos an die F, die wiederum durch die Verpfändung der Gesellschaftsanteile auf die zu mehr als 25 % an der Antragstellerin beteiligten Gesellschafterin E Ltd. zurückgreifen kann. Ob die Verpfändung von Gesellschaftsanteilen an der fremdfinanzierten Gesellschaft einen Fall des § 8a Abs. 2 KStG darstellt, wird im Schrifttum unterschiedlich beantwortet. Teilweise wird dies im Hinblick auf den Gesetzeswortlaut, der eine Einschränkung auf echte Fälle der sog. Back-to- back-Finanzierung nicht enthält, bejaht (so z.B. Blümich/Heuermann, EStG, KStG, Kommentar, § 8a KStG Rn. 25; Förster aaO. Rn. 48; Kreft/Schmitt-Hormann, Betriebs-Berater [BB] 2008, 2099, 2103); teilweise wird demgegenüber für diese Fälle eine teleologische Reduktion der Vorschrift gefordert (so z.B. Erle/Sauter, KStG, Kommentar, 3. Auflage 2010, § 8a Rn. 270; Kreft, BB 2004, 1191, 1194). Rechtsprechung zu dieser Frage existiert, soweit ersichtlich, bislang nicht.

    (2) Der Senat hat zudem erhebliche Zweifel daran, dass die Regelungen des § 4h EStG, § 8a KStG einer verfassungsrechtlichen Prüfung standhalten. Im Schrifttum wird nahezu einhellig die Meinung vertreten, dass sie verfassungswidrig seien (so z.B. Kessler/Lindemer, Der Betrieb [DB] 2010, 472, 475; Loschelder in L. Schmidt, EStG, Kommentar, 30. Auflage 2011, § 4h Rn. 3). Sie werden vielfach als ein eklatanter Verstoß gegen das Leistungsfähigkeitsprinzip in Gestalt des objektiven Nettoprinzips angesehen (v. Cölln, DStR 2008, 1853, 1858; Förster in Gosch, KStG, Kommentar, 2. Auflage 2009, Exkurs § 4h EStG, Rn. 35 f.; Goebel/Eilinghoff, Deutsche Steuer-Zeitung [DStZ] 2010, 550, 554 ff.; Herzig/Bohn, DB 2007, 1, 2; Hey, Betriebs-Berater [BB] 2007, 1303, 1305; Hick in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG, KStG, Kommentar, § 4h EStG Anm. 6; Kessler/Dietrich, DB 2010, 240; Köhler/Hahne, DStR 2008, 1505; Musil/Volmering, DB 2008, 12, 14; a.A., soweit ersichtlich, nur Nawrath, DStR, 2009, 2, 3), weil betrieblich veranlasste Aufwendungen, nämlich Zinsaufwendungen aus der Fremdfinanzierung eines Unternehmens, nicht zum Abzug zugelassen werden (Goebel/Eilinghoff aaO., 555; Herzig/Bohn aaO.) mit der Folge, dass der Steuerpflichtige Steuern auf einen fiktiven, tatsächlich nicht erwirtschafteten Ertrag zu zahlen hat (v. Cölln aaO.). Der Verstoß gegen das objektive Nettoprinzip soll auch nicht durch die Möglichkeit des EBITDA-Vortrags nach § 4h Abs. 1 Sätze 3 und 4 EStG ausgeschlossen werden (v. Cölln aaO.; Hick aaO.; Förster aaO., Rn. 35; Lenz/Dörfler, DB 2010, 18, 19). Insbesondere soll die Rechtsprechung des BFH zur Mindestbesteuerung, nach der Verluste nicht zwingend sofort zu berücksichtigen seien, auf Zinsaufwendungen nicht übertragbar sein, da die Gefahr, einen Zinsvortrag endgültig nicht mehr nutzen zu können, ungleich größer sei als die Gefahr, einen Verlustvortrag endgültig zu verlieren (Goebel/Eilinghoff aaO., 555 f.; Hey aaO.; Musil/Volmering aaO.). Auch das Ziel der Missbrauchsbekämpfung – nach der Gesetzesbegründung richtet sich die Zinsschranke gegen eine übermäßige Fremdkapitalfinanzierung der Unternehmen und soll verhindern, dass allein zur Steueroptimierung eine hohe Fremdkapitalquote angestrebt werde, um Gewinne ins Ausland zu transferieren (Gesetzesentwurf vom 27. März 2007, BT-Drucks. 16/4841, 29) – rechtfertige nicht den Eingriff in das Leistungsfähigkeitsprinzip (v. Cölln aaO.; Köhler/Hahne aaO.; Förster aaO., Rn. 36; Lenz/Dörfler aaO., 19), da es dem Gesetzgeber insoweit zwar erlaubt sei, generalisierende typisierende Regelungen zu treffen, jedoch nur dann, wenn durch die Typisierung nur eine verhältnismäßig kleine Gruppe betroffen und die Benachteiligung nicht sehr intensiv sei (Goebel/Eilinghoff aaO., 556). Das sei bei den Regelungen über die Zinsschranke nicht der Fall; sie schössen in vielfältiger Weise über das gesteckte Ziel hinaus (Kessler/Dietrich aaO.; Hey aaO., 1305 f.; Musil/Volmering aaO., 15) und erfassten vielfach auch Fälle marktüblicher und nicht missbräuchlicher Fremdfinanzierung (Goebel/Eilinghoff aaO., 556; vgl. auch Hick aaO.; Lenz/Dörfler aaO.). Zudem werden ein Verstoß gegen die Eigentumsgarantie gemäß Art. 14 des Grundgesetzes (GG) wegen eines Eingriffs in die Vermögenssubstanz des Steuerpflichtigen (Goebel/Eilinghoff aaO., 555), ein Verstoß gegen den Halbteilungsgrundsatz (v. Cölln aaO.) und ein Verstoß gegen das Gebot der Normenklarheit (Goebel/Eilinghoff aaO., 557 f.; Förster aaO. Rn. 37; Hick aaO.; ebenso wohl Birk, DStR 2009, 877, 878 f.) für möglich gehalten.

    cc) Der Anspruch der Antragstellerin auf effektiven Rechtsschutz tritt auch nicht hinter das öffentliche Interesse an einer geordneten öffentlichen Haushaltswirtschaft zurück.

    Im Falle von ernstlichen Zweifeln hinsichtlich der Verfassungsmäßigkeit der dem angefochtenen Verwaltungsakt zugrunde liegenden Gesetzesvorschrift ist nach langjähriger Rechtsprechung des BFH wegen des Geltungsanspruchs jedes verfassungsmäßig zustande gekommenen Gesetzes zusätzlich ein besonderes berechtigtes Interesse des Antragstellers an der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes als erforderlich angesehen worden. Danach ist eine Interessenabwägung zwischen der einer Aussetzung der Vollziehung entgegenstehenden konkreten Gefährdung der öffentlichen Haushaltsführung und den für eine Aussetzung der Vollziehung sprechenden individuellen Interessen des Steuerpflichtigen geboten (BFH in BStBl II 2009, 826, unter II.4.a) der Gründe m.w.N.). Diese vom Bundesverfassungsgericht (BVerfG) bestätigte Rechtsprechung (Beschluss vom 03. April 1992 – 2 BvR 283/92, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung [HFR] 1992, 726) ist allerdings in jüngerer Zeit dahingehend modifiziert worden, dass die staatlichen Haushaltsinteressen in der Abwägung weniger stark berücksichtigt werden (vgl. BFH in BStBl II 2009, 826, unter II.4.a) der Gründe).

    Der beschließende Senat stellt auf der Grundlage dieser modifizierten höchstrichterlichen Rechtsprechung fest, dass im Streitfall Anhaltspunkte für eine gemeinwohlbegründete Einschränkung des vorläufigen Rechtsschutzes weder vorgetragen noch erkennbar sind. Der Einwand der Größenordnung der mit der Zinsschrankenregelung verbundenen Steuermehreinnahmen ist nicht geeignet, das öffentliche Interesse als vorrangig zu beurteilen. Dies gilt ungeachtet des Umstandes, dass infolge der aktuellen Finanzkrise und der sonstigen Konjunkturlage die Einnahmensituation der öffentlichen Hand ungünstig sein mag (dazu FG München, Beschluss vom 01. Juli 2010 – 1 V 2721/09, n.v.). Auch in wirtschaftlich schwierigen Zeiten darf der Anspruch des Steuerbürgers auf effektiven Rechtsschutz – zu dem auch der vorläufige Rechtsschutz gehört (Seer aaO., 220) – nicht ausgehöhlt werden. Der Geltungsanspruch des Gesetzes gewinnt nicht schon deshalb an Gewicht, weil der Gesetzgeber sich wirtschaftlichen Schwierigkeiten gegenübersieht (so zutreffend Schallmoser, DStR 2010, 297, 300). Ein Haushaltsvorbehalt, wie ihn beispielsweise das FG München (aaO.) für richtig hält, würde jeden legislativen Verfassungsverstoß mit genügender finanzieller Breitenwirkung sanktionieren. Diese als „rechtsstaatlich unerträgliches Ergebnis” bezeichnete Folge (so Seer in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, Kommentar, § 69 FGO Rn. 97; ders., FS Spindler 2011, 219, 223; vgl. auch die Kritik am „Budgetschutz” bei Hey, FS Spindler 2011, 97, 104 ff.) würde mit zunehmender finanzieller Auswirkung den in Art. 19 Abs. 4 GG verbürgten individuellen vorläufigen Rechtsschutz immer weiter zurückdrängen. Letztlich werden durch die Gewährung der Aussetzung der Vollziehung Risiken für die öffentliche Haushaltswirtschaft, die mit der Verplanung bzw. Verausgabung möglicherweise verfassungswidriger Steuern verbunden sind, geradezu vermieden (Seer, Steuer und Wirtschaft [StuW] 2001, 3, 17 f., m.w.N.; ders., FS Spindler 2011, 219, 223; Koch in Gräber, Finanzgerichtsordnung, Kommentar, 7. Auflage 2010, § 69 Rn. 113).

    dd) Die Aussetzung der Vollziehung ist auch nicht deshalb zu versagen, weil zu erwarten wäre, dass das BVerfG, wenn es denn einmal über die Verfassungsmäßigkeit der Zinsschrankenregelungen zu befinden haben wird, im Interesse einer verlässlichen Finanz- und Haushaltsplanung und eines gleichmäßigen Verwaltungsvollzugs für Zeiträume einer weitgehend schon abgeschlossenen Veranlagung die weitere Anwendbarkeit der Normen trotz festgestellter Verfassungswidrigkeit für gerechtfertigt erklären und den Gesetzgeber nicht verpflichten wird, die Rechtslage rückwirkend zu beseitigen (so aber FG München aaO.). Es trifft zwar zu, dass das BVerfG gerade bei Entscheidungen betreffend steuerrechtliche Regelungen vielfach von einer Nichtigkeitserklärung absieht und „den Grundrechtsschutz des Steuerbürgers trotz festgestellter Verfassungswidrigkeit von Steuergesetzen zunehmend auf die Zukunft beschränkt” (so Schallmoser aaO., 299; vgl. auch Hey aaO., 103). Dieser Umstand darf aber nicht zu der pauschal antizipierten Annahme führen, es sei von einer Aussetzung der Vollziehung schon deshalb abzusehen, weil das BVerfG ohnehin eine befristete Weitergeltung des mit ernsten verfassungsrechtlichen Zweifeln behafteten Gesetzes anordnen werde (gl.A. Schallmoser aaO., 300). Dogmatisch ist bei verfassungswidrigen Gesetzen die Nichtigkeitserklärung die Regel und die Unvereinbarkeitserklärung die Ausnahme (zu den entsprechenden Fallgruppen Hey aaO.). Die Aussetzung der Vollziehung ist daher bei ernstlichen Zweifeln an der Verfassungswidrigkeit der maßgeblichen Norm regelmäßig zu gewähren, soweit es nicht im Einzelfall nahezu ausgeschlossen erscheint, dass das BVerfG die maßgebliche Norm für nichtig erklärt. Dafür sieht der Senat keine Anhaltspunkte. Insbesondere erscheint es vorstellbar, dass das BVerfG seine bislang geübte Praxis im Hinblick auf die sich mehrende Kritik daran (vgl. Schallmoser aaO., 299 m.w.N.; Hey aaO.) überdenken und zur Feststellung der Nichtigkeit verfassungswidriger Regelungen als Regelfall auch im Bereich des Steuerrechts zurückkehren wird.

    2. Die Beschwerde zum Bundesfinanzhof war im Hinblick auf die Beschlüsse des BFH in BStBl II 2009, 826 sowie des FG München vom 01. Juli 2010 (1 V 2721/09) zuzulassen.

    3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 Satz 3 FGO.

    VorschriftenEStG § 4h Abs. 1, EStG § 4h Abs. 2, KStG § 8a Abs. 2, GG Art. 3 Abs. 1, FGO § 69 Abs. 2, FGO § 69 Abs. 3, AO § 351 Abs. 2

    Karrierechancen

    Zu TaxTalents