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  • 23.02.2011

    Finanzgericht Hamburg: Urteil vom 28.10.2010 – 3 K 81/10

    Als Streitigkeiten über „zivilrechtliche Ansprüche und Verpflichtungen” im Sinne von Art. 6 Abs. 1 (Recht auf ein faires Verfahren) der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (MRK) gelten nicht (Finanz-) Prozesse über Steuern und Abgaben; im Unterschied zu Verfahren über Kindergeld, das als Sozialleistung angesehen wird.

    Im Gegensatz zu Vorabentscheidungsersuchen an den Europäischen Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg ist eine Vorlage an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg durch ein nationales Gericht nicht vorgesehen.


    Tatbestand

    A.

    Der Kläger macht eine Verletzung von Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (MRK) geltend.

    I.

    Der Kläger hat das Grundstück X-Straße (Y-Straße, Z-Straße 1-3, Z-Straße 9 - Flurstücke ..., ..., ...) in Hamburg-... durch notariell beurkundeten Schenkungsvertrag vom 05. Juli 1994 von der am ... 1998 verstorbenen Frau A erworben (FG-A Bl. 14-21).

    Durch Einheitswertbescheid vom 22. März 1995 hat der Beklagte (das Finanzamt --FA--) das Grundstück X-Straße zum 01. Januar 1995 auf den Kläger fortgeschrieben (Einheitswert- und Grundsteuerakte --EW-A-- zur Steuernummer .../.../... Bl. 13).

    Aufgrund eines Umlegungsverfahrens ist das Grundstück X-Straße am 26. Februar 2003 auf die Freie und Hansestadt Hamburg als neue Eigentümerin übergegangen (FG-Anlagenband --FG-Anl.--).

    Im Rahmen dieses Umlegungsverfahrens wurde das Grundstück U-Straße (Flurstück ...) in Hamburg-... mit Wirkung zum 26. Februar 2003 auf den Kläger übertragen. Das Grundstück ist mit einem Erbbaurecht zugunsten der Kommanditgesellschaft B GmbH & Co. für die Dauer von 66 Jahren seit dem 07. Januar 1966 belastet (FG-Anl.).

    Im Jahr 2003 wurde das Grundstück U-Straße an einen Dritten weiterveräußert (EW-A zur Steuernummer .../.../... Bl. 13 ff.).

    Mit Schreiben vom 17. März 2010, eingegangen beim FA am 26. März 2010, beantragte der Kläger die Zurechnungs- und Wertfortschreibung für das Grundstück X-Straße. Zugleich legte er gegen die unterlassene Zurechnungs- und Wertfortschreibung Einspruch ein. Der Kläger führte aus, dass eine Zurechnungsfortschreibung auf die Freie und Hansestadt Hamburg sowie eine Wertfortschreibung seit dem Jahr 2001 überfällig sei. Bereits mit Schriftsatz vom 09. Juni 2007 habe er diese Anträge gestellt (FG-Anl.).

    Mit Schreiben vom 04. Mai 2010 nahm er auf sein vorheriges Schreiben Bezug und führte im Betreff stichwortartig aus, dass das Umlegungsverfahrens zur Zuteilung eines neuen Flurstücks ... im Mai 2001 geführt habe (FG-Anl.).

    II.

    Der Kläger hat am 27. Mai 2010 Untätigkeitsklage gegen das FA wegen unterlassener Durchführung der Hinzurechnungsfortschreibung und der Wertfortschreibung nach § 92 Abs. 7 BewG erhoben sowie einen Antrag auf Prozesskostenhilfe gestellt (FG-A Bl. 1).

    Er hat zunächst im Wesentlichen vorgetragen (FG-A Bl. 1-5, 13):

    Vor den Zivilgerichten seien seit einigen Jahren verschiedene Verfahren betreffend die Erbschaft der verstorbenen Frau A anhängig. Dabei werde von den Zivilgerichten davon ausgegangen, dass die Schenkung des Grundstücks X-Straße an den Kläger durch die Erblasserin Frau A nicht wirksam sei.

    Die Zurechnungsfortschreibung hinsichtlich des Grundstücks X-Straße auf den Kläger und die spätere Eigentümerin Stadt Hamburg sei unterblieben. Ebenso fehle eine Zurechnungsfortschreibung für das im Umlegungsverfahren erhaltene Ersatzgrundstück. Weiterhin müssten nicht erfolgte Wertfortschreibungen nachgeholt werden.

    Da in jüngster Vergangenheit wiederholt Vollstreckungsmaßnahmen bei ihm (dem Kläger) wegen der unterlassenen Zurechnungs- und Wertfortschreibung durchgeführt worden seien, könne ihm auch nicht zugemutet werden, die Frist von sechs Monaten für die Untätigkeitsklage nach § 46 Abs. 1 Satz 2 Finanzgerichtsordnung (FGO) einzuhalten.

    Der Antrag auf Prozesskostenhilfe werde gestellt, da das Erbe seit dem Jahr 2001 erschöpft sei.

    In der mündlichen Verhandlung vom 28. Oktober 2010 hat der Kläger einen Schriftsatz vom 26. Oktober 2010 überreicht: Aus dem Urteil des Landgerichts Hamburg vom 10. August 2007 332 O 61/06 gehe hervor, dass alle Hinzurechnungsfortschreibungen auf den Kläger sowie die Festsetzungen von Schenkung- und Erbschaftsteuer gegen den Kläger aufzuheben sein (FG-Akte Bl. 49).

    Nunmehr erklärt der Kläger auf Nachfrage, dass er die Zurechnung irgendeines der hier in Rede stehenden Grundstücke nicht mehr wolle. Darüber hinaus wolle er auch die Zurechnungsfortschreibung im Einheitswertbescheid auf ihn hinsichtlich der Schenkung nicht angreifen (FG-A Bl. 49).

    Der Kläger führt aus, er sei in seinen Rechten aus Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (MRK) verletzt worden. Über die Wirksamkeit der Schenkung bestünden unterschiedliche Rechtsauffassung zwischen dem Landgericht Hamburg (in den Verfahren 332 O 193/97, 332 O 231/97 und 332 O 324/01) sowie dem Hanseatischen Oberlandesgericht Hamburg (in den Verfahren 2 U 25/05, 6 U 129/07 und 2 U 10/06) auf der einen Seite und dem FA auf der anderen Seite. Darüber hinaus seien seine vor dem Nachlassgericht Hamburg-St. Georg in dem Verfahren 72 IV - VI W 2034/94 erhobenen Untätigkeitsklagen gegen Beschlüsse aus dem Jahr 2002 noch immer nicht bearbeitet worden.

    Es sei daher eine Vorlage bei dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte einzureichen mit dem Begehren, die Urteile des Landgerichts Hamburg und des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg aufzuheben (FG-A Bl. 46, 49-50).

    Der Kläger beantragt (Finanzgerichts-Akte --FG-A-- Bl. 46),

    die Vorlage an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg.

    Das FA beantragt (FG-A Bl. 46),

    die Klage abzuweisen.

    Es liege keine Untätigkeit des FA vor.

    Hinsichtlich des Grundstücks X-Straße habe man eine Zurechnungsfortschreibung bereits mit Einheitswertbescheid vom 22. März 1995 auf den Kläger vorgenommen.

    Hinsichtlich des Grundstücks U-Straße habe der Kläger nicht hinreichend deutlich zum Ausdruck gebracht, dass er eine Zurechnung des Grundstücks und eine Aufteilung des Einheitswertes begehre. Weiterhin sei das Grundstück U-Straße bereits im Jahr 1995 weiterveräußert worden. Darüber hinaus sei der Kläger in dem Zeitraum zwischen Erwerb des Grundstücks und dessen Weiterveräußerung nicht Steuerschuldner gewesen, da das Grundstück mit einem Erbbaurecht zugunsten der Kommanditgesellschaft B GmbH & Co. für die Dauer von 66 Jahren ab 7. Januar 1966 belastet gewesen sei und die Erbbauberechtigte gemäß § 10 Abs. 2 Grundsteuergesetz (GrStG) die Grundsteuer für die wirtschaftliche Einheit des Grundstücks geschuldet habe. Das FA erkläre sich jedoch dazu bereit, eine Zurechnungsfortschreibung für das Grundstück U-Straße durchzuführen, wenn der Kläger einen entsprechenden Antrag mit genauer Bezeichnung des Grundstücks und des Zeitraums beim FA einreiche (FG-A Bl. 24- 25, 46).

    III.

    Der Senat hat den Rechtsstreit mit Beschluss vom 27. Juli 2010 auf den Einzelrichter übertragen (FG-A Bl. 26).

    Das Gericht hat den Kläger in der mündlichen Verhandlung vom 28. Oktober 2010 u. a. darauf hingewiesen, dass für das mögliche Klägerbegehren auf Grundstückszurechnung mittels Einheitswertbescheides ein Rechtsschutzinteresse dargetan werden müsse. Es sei auch nicht ersichtlich, inwiefern ein solcher Antrag beim FA gestellt worden ist.

    Weiterhin sei nach dem bisherigen Klägervortrag nicht erkennbar, welche Auswirkungen die vom Kläger angeführten zivilrechtlichen Verfahren für den Ausgang des vorliegenden Verfahrens haben sollen und inwiefern die zivilrechtlichen Verfahren rechtskräftig abgeschlossen worden sind.

    Darüber hinaus hat das Gericht den Kläger darauf hingewiesen, dass für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe die entsprechenden Formularangaben gemacht werden müssen (FG-A Bl. 45).

    Nach Schluss der mündlichen Verhandlung, aber vor der Verkündung des Urteils, hat der Kläger das ausgefüllte Formular auf Bewilligung der Prozesskostenhilfe bei der Geschäftsstelle des Gerichts eingereicht. Bei der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse hat er angegeben, dass der Nachlass überschuldet sei. Darüber hinaus verfüge der Nachlass über keine Bankkonten. Dem Formular sind keine Belege beigefügt worden (FG-A Beiheft Prozesskostenhilfe --Beiheft-PKH--).

    Ergänzend nimmt das Gericht Bezug auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 28. Oktober 2010 (FG-A Bl. 44) und auf die oben angeführten Unterlagen sowie die damit zusammenhängenden Vorgänge aus der Finanzgerichts-Akte (FG-A) nebst Anlagenband (FG-Anl.) und Beiheft Prozesskostenhilfe (PKH-Beiheft) und aus den Einheitswert- und Grundsteuerakten (EW-A) zu den Steuernummern .../.../... und .../.../....

    Gründe

    B. Entscheidungsgründe

    I.

    Die Klage ist unzulässig.

    Der Finanzgerichtsweg ist nicht nach § 33 Abs. 1 FGO eröffnet. Nach § 33 Abs. 1 Nr. 1 FGO ist der Finanzgerichtsweg gegeben in öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten über Abgabenangelegenheiten, soweit die Abgaben der Gesetzgebung des Bundes unterliegen und durch Bundesfinanzbehörden oder Landesfinanzbehörden verwaltet werden. Da der Kläger sein ursprüngliches Begehren auf Zurechnungs- und Wertfortschreibung nicht weiter verfolgt, sondern nur noch eine Vorlage an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg begehrt wegen Abweichung zivilgerichtlicher Entscheidungen von der Auffassung des FA, liegt keine öffentlich-rechtliche Streitigkeit über Abgabenangelegenheiten im Sinne des § 33 Abs. 1 Nr. 1 FGO mehr vor.

    Darüber hinausgehende Gründe für die Eröffnung des Finanzrechtswegs nach § 33 FGO sind weder vom Kläger genannt noch sonst ersichtlich.

    Ebenso fehlt es danach gemäß § 40 Abs. 2 FGO an der Darlegung einer Beschwer durch einen Verwaltungsakt oder durch die Ablehnung eines Verwaltungsakts.

    Der Antrag auf Vorlage an den EGMR während des finanzgerichtlichen Klageverfahrens wäre auch sonst unzulässig.

    Der Kläger kann sich in Steuer- oder Abgabenstreitigkeiten nicht mit Erfolg auf einen Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (MRK) berufen. Die Artikel der MRK kommen wegen des öffentlich-rechtlichen Charakters der Besteuerung nicht zur Anwendung (BFH vom 15. November 2006 XI B 17/06, BFH/NV 2007, 474; vom 31. Juli 2003 IX E 6/03, BFH/NV 2003, 1603; vom 31. März 1996 XI R 82/94, BFHE 180, 136, BStBl II 1996, 518). Es handelt sich nicht um zivilrechtliche Ansprüche und Verpflichtungen im Sinne des Art. 6 Abs. 1 MRK (EGMR vom 16. März 2006 77792/01, Juris; vom 13. Januar 2005 62023/00, Europäische Grundrechte Zeitschrift --EuGRZ-- 2005, 234), anders als beim Kindergeld, das als Sozialleistung charakterisiert wird (EGMR vom 01. April 2010 12852/08, Juris).

    Im Übrigen könnte sich der Gerichtshof gemäß § 35 Abs. 1 MRK mit einer Angelegenheit erst nach Erschöpfung aller innerstaatlichen Rechtsbehelfe in Übereinstimmung mit den allgemein anerkannten Grundsätzen des Völkerrechts und nur innerhalb einer Frist von sechs Monaten nach der endgültigen innerstaatlichen Entscheidung befassen. Hier hat der Kläger keinerlei substantiierte Ausführungen dazu gemacht, dass alle innerstaatlichen Rechtsbehelfe in den von ihm angesprochenen Verfahren erschöpft sind.

    Im Unterschied zur Möglichkeit eines Vorabentscheidungsersuchens durch nationale Gerichte an den Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) ist eine Vorlage an den EGMR durch ein nationales Gericht - wie das Finanzgericht - nicht möglich. Die Zuständigkeit des Gerichtshofs ist geregelt in den Art. 32 ff. MRK. Der Gerichtshof kann nach Art. 34 MRK von jeder natürlichen Person, die behauptet, durch eine der Hohen Vertragsparteien in einem der in der MRK oder den Protokollen dazu anerkannten Rechten verletzt zu sein, mit einer Beschwerde befasst werden.

    II.

    Der Antrag der Klägerin auf Gewährung von Prozesskostenhilfe ist abzulehnen.

    Nach § 142 FGO in Verbindung mit den Vorschriften der §§ 114 ff. Zivilprozessordnung --ZPO-- ist einer Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe zu gewähren, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Hinreichende Erfolgsaussichten sind gegeben, wenn das Gericht den Rechtsstandpunkt der Klägerin aufgrund der Sachdarstellung und der vorhandenen Unterlagen für zutreffend oder zumindest für vertretbar hält, in tatsächlicher Hinsicht von der Möglichkeit einer Beweisführung überzeugt ist und deshalb bei summarischer Prüfung für einen Eintritt des angestrebten Erfolges eine gewisse Wahrscheinlichkeit besteht (ständige Rechtsprechung, BFH vom 28. Oktober 1997 VII B 183/96, BFH/NV 1998, 683; vom 16. Dezember 1986 VIII B 115/86, BFHE 148, 215, BStBl II 1987, 217).

    Dem beim Gericht zu stellenden Antrag (§ 117 Abs. 1 Satz 1 ZPO) sind eine Erklärung der Partei über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowie entsprechende Belege beizufügen (§ 117 Abs. 2 ZPO). Sind die gemachten Angaben unvollständig und werden sie nicht belegt, kann der Antrag auf Prozesskostenhilfe abgelehnt werden (BFH vom 22. Januar 2001 VII B 177/00, Juris; vom 13. November 2000 IX B 94/00, BFH/NV 616; FG München vom 17. März 2010 10 K 2645/09, Juris).

    Der Antrag auf Prozesskostenhilfe ist insbesondere schon deshalb abzulehnen, weil für die vorliegende Klage keine Aussicht auf Erfolg besteht (oben I).

    Danach kommt es nicht mehr darauf an, dass der Kläger den Vordruck der Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nicht ausreichend ausgefüllt und keinerlei Belege beigefügt hat.

    III.

    Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

    Die Unanfechtbarkeit der Entscheidung über die Prozesskostenhilfe ergibt sich aus § 128 Abs. 2 FGO.

    Die Revision wird nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO nicht vorliegen.

    Die Entscheidung ergeht durch den Einzelrichter gemäß § 6 FGO (oben A III 1).

    VorschriftenBewG § 92 Abs. 7, FGO § 33 Abs. 1 Nr. 1, FGO § 46 Abs. 1 Satz 2, GrStG § 10 Abs. 2

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