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  • 07.01.2022 · IWW-Abrufnummer 226759

    Hessisches Finanzgericht: Urteil vom 30.06.2021 – 8 K 1573/18

    Diese Entscheidung enhält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    Tenor

        Der Bescheid vom 17. Dezember 2009 über die gesonderte und einheitliche Feststellung der Einkünfte 2005 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 30. Oktober 2018 wird aufgehoben.

        Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.

        Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren wird für notwendig erklärt.

        Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der erstattungsfähigen Kosten abwenden, wenn nicht die Klägerin in entsprechender Höhe Sicherheit leistet.

    Tatbestand

        Die Beteiligten streiten darum, ob die Einkünfte der Klägerin als Einkünfte aus Gewerbebetrieb zu qualifizieren sind und ob deren Komplementärin originär gewerbliche Einkünfte erzielt.

        Die Klägerin, eine Personengesellschaft in der Rechtsform der Kommanditgesellschaft (A GmbH & Co. KG), ist Untergesellschaft einer doppelstöckigen Personengesellschaftsstruktur und hält als Bestandteil eines Fonds ein Portfolio von hybriden Kapitalanlagen. Komplementärin der Klägerin und Obergesellschaft ist die B GmbH & Co. KG (nachfolgend „Obergesellschaft“), der alleine auch die Geschäftsführungsbefugnis bei der Klägerin obliegt.

        Komplementärin der Obergesellschaft ist die C GmbH (nachfolgend „Komplementär-GmbH). Geschäftsführungsbefugt sind bei der Obergesellschaft neben der Komplementär-GmbH auch die Kommanditisten der Obergesellschaft, D und E.

        Mit Bescheid vom 29. Januar 2007 stellte der Beklagte für den Veranlagungszeitraum 2005 für die Klägerin zunächst erklärungsgemäß Einkünfte aus Kapitalvermögen fest.

        In der Zeit von Juni bis September 2009 fand bei der Klägerin dann eine steuerliche Außenprüfung betreffend die Veranlagungszeiträume 2005 bis 2006 statt. Gegenstand der Prüfung war die Qualifizierung der Einkünfte, namentlich die Abgrenzung zwischen vermögensverwaltender und gewerblicher Tätigkeit.

        Unter Bezugnahme auf das Urteil des Bundesfinanzhofs ‒BFH‒ vom 08. Juni 2000, IV R 37/99, vertrat der Prüfer dabei die Auffassung, dass die Einkünfte der Klägerin als Einkünfte aus Gewerbebetrieb zu qualifizieren seien, da diese durch die Obergesellschaft gewerblich geprägt sei.

        Das Finanzamt folgte dieser Auffassung und erließ am 17. Dezember 2009 einen geänderten Bescheid für 2005 über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen und qualifizierte die Einkünfte der Klägerin als Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin mit Schreiben vom 21. Dezember 2009, bei dem Beklagten eingegangen am 28. Dezember 2009, Einspruch ein und begründete diesen unter dem 07. Januar 2010.

        Zur Begründung des Einspruchs führte sie aus, dass ihre Tätigkeit als private Vermögensverwaltung einzustufen sei. Und auch die Tätigkeit der Obergesellschaft sei als private Vermögensverwaltung zu qualifizieren, da sie ausschließlich als Gesellschafterin der Klägerin tätig sei und sich ihr Gesellschafterbeitrag in der Wahrnehmung der Organstellung erschöpfe. Für diese Fälle habe der Bundesfinanzhof entschieden, dass das Gewerbebetriebsmerkmal der eigenen Teilnahme am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr nicht erfüllt sei. Als Nachweis der fehlenden gewerblichen Tätigkeit der Obergesellschaft legte die Klägerin Bestätigungen der geschäftsführenden Kommanditisten für die Obergesellschaft und der Zahlenden hinsichtlich Zahlungen an die Klägerin bezüglich der Art der erhaltenen Zahlungen vor.

        Nach Ansicht der Klägerin sind die Grundsätze des BFH-Urteils vom 08. Juni 2000 auf den hiesigen Rechtsstreit nicht übertragbar, da die Sachverhaltsunterschiede entscheidungserheblich seien. In dem, dem BFH-Urteil zugrundeliegenden, Sachverhalt seien die zwei Positiv-Merkmale des § 15 Abs. 3 Nr. 2 Satz 1 Einkommensteuergesetz (EStG) erfüllt gewesen und es habe lediglich das Negativ-Merkmal der nicht originär gewerblichen Tätigkeit der Obergesellschaft gefehlt. Dieses habe der BFH im Wege eines „Erst-Recht-Schlusses“ überwunden. Im Gegensatz dazu fehle es bei der Klägerin auf Ebene der Obergesellschaft bereits an der Erfüllung beider Positiv-Merkmale. Da neben der Komplementär-GmbH auch die Kommanditisten der Obergesellschaft bei dieser zur Geschäftsführung befugt gewesen seien, sei das Positiv-Merkmal, dass nur die persönlich haftende Gesellschafterin der Obergesellschaft oder Personen, die nicht Gesellschafter sind, zur Geschäftsführung befugt sein dürften, nicht erfüllt. Auf die Möglichkeit der Überwindung des fehlenden Negativ-Merkmals nach den Grundsätzen des BFH-Urteils vom 08. Juni 2000 komme es daher nicht an.

        Mit Einspruchsentscheidung vom 30. Oktober 2018 wies der Beklagte den Einspruch gegen die gesonderte und einheitliche Feststellung der Einkünfte 2005 als unbegründet zurück. Da die Obergesellschaft eine originär gewerbliche Tätigkeit ausübe und neben der Komplementär-GmbH auch die beiden Kommanditisten zur Geschäftsführung befugt seien, liege zwar keine gewerbliche Prägung der Obergesellschaft gem. § 15 Abs. 3 Nr. 2 Satz 1 EStG vor. Sie könne ihrerseits daher die Klägerin nicht gem. § 15 Abs. 3 Nr. 2 Satz 2 EStG gewerblich prägen. Unter Heranziehung des BFH-Urteils vom 08. Juni 2000 kann nach Ansicht des Beklagten eine gewerbliche Prägung jedoch auch aus der originären gewerblichen Tätigkeit der Obergesellschaft hergeleitet werden.

        Eine Auslegung von Steuergesetzen gegen ihren Wortlaut sei, so die Auffassung des Beklagten weiter, nach den Aussagen des BFH ausnahmsweise dann geboten, wenn die wortgetreue Auslegung zu einem sinnwidrigen Ergebnis führe, das vom Gesetzgeber nicht beabsichtigt sein kann.

        Sinn der Einführung des § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG durch das Steuerbereinigungsgesetz 1986 sei es gewesen, die sog. Geprägerechtsprechung gesetzlich zu verankern. Gleichzeitig habe die gewerbliche Prägung auf diejenigen Personengesellschaften ausgedehnt werden sollen, bei denen einer der persönlich haftenden, allein geschäftsführungsbefugten Gesellschafter zwar keine Kapitalgesellschaft, aber jedenfalls eine gewerbliche geprägte Personengesellschaft war. Die Frage, ob es irgendeinen Sinn haben könne, dass nur eine nicht gewerblich tätige Obergesellschaft die gewerbliche Prägung der Untergesellschaft herbeizuführen vermag, sei gemäß dem Sinn und Zweck der Geprägerechtsprechung zu beantworten.

        Der erkennende Senat des BFH habe die Geprägetheorie in seinem Urteil vom 17. März 1966, IV 233, 234/65 aus dem wirtschaftlichen Gewicht hergeleitet, das die GmbH als persönlich haftende Gesellschafterin und Geschäftsführerin der Personengesellschaft entfalte. Beziehe man, wie der Gesetzgeber des Steuerbereinigungsgesetzes 1986, die doppelstöckige Personengesellschaft in die Geprägeregelung mit ein, sei auch insofern der Gesichtspunkt maßgebend, dass letztlich eine GmbH als persönlich haftende Gesellschafterin der Obergesellschaft zugleich die Tätigkeit der Untergesellschaft präge. Vor diesem Hintergrund sei es nicht erklärbar, warum eine GmbH & Co. KG als einzige persönlich haftende Gesellschafterin der Untergesellschaft diese gewerblich prägen könne, wenn sie ihrerseits nicht gewerblich tätig ist, wohingegen dies nicht der Fall sein soll, wenn sie originär Einkünfte aus Gewerbebetrieb erziele. Eine ausschließlich am Gesetzeswortlaut orientierte Auslegung würde dazu führen, dass ein „Mehr“ an Gewerblichkeit bei der Obergesellschaft der gewerblichen Prägung der Untergesellschaft entgegenstünde. Die Widersinnigkeit einer solchen Regelung sei offenkundig.

        Der BFH schließe sich in seinem Urteil vom 08. Juni 2000 der in dem vorinstanzlichen FG-Urteil vertretenen Auffassung an, dass unter dem Gesichtspunkt des „argumentum a maiore ad minus“ die in § 15 Abs. 3 Nr. 2 Satz 1 EStG angeordnete Gleichstellung der lediglich gewerblich geprägten Obergesellschaft mit einer GmbH als persönlich haftender Gesellschafterin die Gleichstellung einer tatsächlich gewerblich tätigen GmbH & Co. KG mit umfasse. Die Formulierung der Verweisung in § 15 Abs. 3 Nr. 2 Satz 2 EStG auf Satz 1 der Vorschrift beruhe erkennbar auf einem Redaktionsversehen, das zu korrigieren sei.

        Indem der BFH feststelle, dass „die in § 15 Abs. 3 Nr. 2 Satz 1 EStG angeordnete Gleichstellung der lediglich gewerblich geprägten Obergesellschaft mit einer GmbH als persönlich haftenden Gesellschafterin die Gleichstellung einer tatsächlich gewerblich tätigen GmbH & Co. KG mit umfasst“, stelle er expressis verbis die gewerblich geprägte der originär gewerblich tätigen GmbH & Co. KG gleich. Er nenne ausdrücklich nicht die Tatsache, dass die originär gewerblich tätige Gesellschaft gewerblich geprägt wäre, wenn sie keine Tätigkeit im Sinne des § 15 Abs. 1 Nr. 1 EStG ausübte, als Voraussetzung für diese Gleichstellung. Damit entfalle auch die Notwendigkeit, dass eine gewerblich tätige GmbH & Co. KG auch die beiden Positiv-Merkmale der gewerblichen Prägung ‒ nämlich eine Kapitalgesellschaft oder ihrerseits wiederum gewerblich geprägte Personengesellschaft als persönlich haftende Gesellschafterin und als alleinige Geschäftsführerin ‒ aufweisen müsse, um eine Untergesellschaft gewerblich prägen zu können.

        Somit stelle der BFH klar, dass eine gewerbliche Prägung der Untergesellschaft entweder durch eine ihrerseits gewerblich geprägte Personengesellschaft oder aber durch eine originär gewerbliche Personengesellschaft als persönlich haftende Gesellschafterin und alleinige Geschäftsführerin herbeigeführt werden könne.

        Der BFH befasse sich in seinem Urteil vom 08. Juni 2000 erstmals mit der Frage der gewerblichen Prägung einer doppelstöckigen Struktur. Der Hinweis der Klägerin im Rahmen der Außenprüfung auf die bisherige Rechtsprechung des BFH zur Geprägetheorie gehe daher fehl.

        Zudem gehe die Absicht des Gesetzgebers bei der Einführung des § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG deutlich über die reine gesetzliche Verankerung der aufgegebenen Geprägerechtsprechung hinaus, indem auch die Einbeziehung doppelstöckiger Gesellschaftsstrukturen vorgesehen werde.

        Nach Ansicht des Beklagten bestehen im vorliegenden Fall an der Qualifikation der Einkünfte der Obergesellschaft als solchen aus Gewerbebetrieb keine ernstlichen Zweifel. Daher sei davon auszugehen, dass die Klägerin durch die Beteiligung der Obergesellschaft, der die alleinige Geschäftsführungsbefugnis zusteht, gewerblich geprägt sei.

        Nach den Grundsätzen des BFH-Urteils stehe eine gewerblich tätige Obergesellschaft einer gewerblich geprägten Obergesellschaft gleich und sei die Formulierung in § 15 Abs. 3 Nr. 2 Satz 2 EStG als ein Redaktionsversehen mittels eines Erst-Recht-Schlusses zu korrigieren. Die Tatsache, dass neben der Komplementär-GmbH auch die Kommanditisten der Obergesellschaft zur Geschäftsführung befugt seien, lasse keine unterschiedliche rechtliche Würdigung zu. Denn dem BFH-Urteil sei keine Aufspaltung der Voraussetzungen für die gewerbliche Prägung zu entnehmen. Das Vorliegen dieses Positiv-Merkmals sei nicht erforderlich, wenn die Obergesellschaft ohnehin kraft eigener Tätigkeit gewerblich tätig sei.

        Mit ihrer am 09. November 2018 erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter.

        Zur Begründung wiederholt und vertieft sie im Wesentlichen ihre rechtlichen Ausführungen aus dem Verwaltungsverfahren und bestreitet weiterhin eine originär gewerbliche Tätigkeit der Obergesellschaft. Sie weist ferner darauf hin, dass sich der Beklagte damit in seiner Einspruchsentscheidung nicht auseinandergesetzt habe.

        Die Klägerin beantragt:

        1. Der Bescheid vom 17. Dezember 2009 über die gesonderte und einheitliche Feststellung der Einkünfte für 2005 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 30. Oktober 2018 wird aufgehoben, hilfsweise wird die Revision zugelassen.

        2. Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren wird für notwendig erklärt.

        Der Beklagte beantragt,

        die Klage abzuweisen.

        Zur Begründung wiederholt und vertieft auch der Beklagte seine bereits im Verwaltungsverfahren vorgebrachten Argumente.

        Dem Gericht lagen ein Klageband, ein Band Feststellungakten für den Veranlagungszeitraum 2005, ein Bilanzheft, ein Sonderband für Verträge, ein Sonderband für Betriebsprüfungsberichte und ein Ordner für das Rechtsbehelfsverfahren vor.

    Entscheidungsgründe

        1. Die Klage hat Erfolg. Sie ist zulässig und begründet.

        Der Bescheid vom 29. Januar 2007 über die gesonderte und einheitliche Feststellung 2005 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 30. Oktober 2018 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten, § 100 Abs. 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung (FGO). Entgegen der Ansicht des Beklagten sind die Einkünfte der Klägerin nicht als Einkünfte aus Gewerbebetrieb gem. § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG zu qualifizieren.

        a) Gem. § 15 Abs. 3 Nr. 2 Satz 1 EStG gilt als Gewerbebetrieb in vollem Umfang die mit Einkünfteerzielungsabsicht unternommene Tätigkeit einer Personengesellschaft, die keine Tätigkeit im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 1 (originäre gewerbliche Tätigkeit) ausübt und bei der ausschließlich eine oder mehrere Kapitalgesellschaften persönlich haftende Gesellschafter sind und nur diese oder Personen, die nicht Gesellschafter sind, zur Geschäftsführung befugt sind (gewerblich geprägte Personengesellschaft).

        Nach § 15 Abs. 3 Nr. 2 Satz 2 EStG steht für den Fall, dass eine gewerblich geprägte Personengesellschaft als persönlich haftender Gesellschafter an einer anderen Personengesellschaft beteiligt ist, für die Beurteilung, ob die Tätigkeit dieser Personengesellschaft als Gewerbebetrieb gilt, die gewerblich geprägte Personengesellschaft einer Kapitalgesellschaft gleich.

        § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG wurde eingeführt, um die Gepräge-Rechtsprechung, die der Große Senat des BFH im Beschluss vom 25. Juni 1984 aufgegeben hatte, gesetzlich zu verankern (BT-Drs. 10/3663, S. 6f.). Sinn und Zweck der Vorschrift ist die Berücksichtigung struktureller Besonderheiten von Personengesellschaften bei der Einkünftequalifizierung.

        Eine Kapitalgesellschaft, die unabhängig von ihrer tatsächlichen Tätigkeit kraft Gesetzes (§ 8 Abs. 2 Körperschaftsteuergesetz ‒ KStG) nur gewerbliche Einkünfte erzielt, prägt nach § 15 Abs. 3 Nr. 2 Satz 1 EStG durch ihr wirtschaftliches Gewicht als persönlich haftende Gesellschafterin und Geschäftsführerin einer Personengesellschaft diese bei der Einkunftsart. Gleiches gilt nach § 15 Abs. 3 Nr. 2 Satz 2 EStG auch bei Eingliederung einer Kapitalgesellschaft in eine doppelstöckige Personengesellschaftsstruktur. Das wirtschaftliche Gewicht der Kapitalgesellschaft wirkt in diesem Fall über oder durch die Obergesellschaft auch auf die Untergesellschaft und führt im Ergebnis zur gewerblichen Prägung beider Personengesellschaften.

        b) Im Streitfall sind weder die Voraussetzungen des § 15 Abs. 3 Nr. 2 Satz 1 EStG noch die des § 15 Abs. 3 Nr. 2 Satz 2 EStG erfüllt.

        aa) Eine gewerbliche Prägung nach § 15 Abs. 3 Nr. 2 S. 1 EStG scheitert bereits daran, dass die persönlich haftende Gesellschafterin der Klägerin keine Kapitalgesellschaft ist. Denn die Obergesellschaft ist eine Personengesellschaft in der Rechtsform einer GmbH & Co. KG.

        bb) Aber auch die Voraussetzungen des § 15 Abs. 3 Nr. 2 Satz 2 EStG sind vorliegend nicht erfüllt. Denn die Obergesellschaft ist als persönlich haftende Gesellschafterin der Klägerin ihrerseits nicht gewerblich geprägt i.S.d. § 15 Abs. 3 Nr. 2 Satz 1 EStG. Mangels gewerblicher Prägung der Obergesellschaft kann diese daher auch die Klägerin nicht gewerblich prägen.

        Es mangelt bei der Obergesellschaft an der Erfüllung des Merkmals, dass „nur die persönlich haftenden Gesellschafter oder Personen, die nicht Gesellschafter sind, zur Geschäftsführung befugt sind“. Denn neben der Komplementär-GmbH sind die beiden Kommanditisten bei der Obergesellschaft zur Geschäftsführung befugt, was die Verhinderung der gewerblichen Prägung der Obergesellschaft nach § 15 Abs. 3 Nr. 2 Satz 1 EStG bewirkt.

        Die Frage, ob die Obergesellschaft originär gewerbliche Einkünfte erzielt oder lediglich als Organ der Klägerin fungiert, kann deshalb dahingestellt bleiben. Denn in jedem Fall fehlt es am Positiv-Merkmal der Geschäftsführungsbefugnis der durch das Gesetz definierten Personen bei der Obergesellschaft. Darin unterscheidet sich der hiesige Sachverhalt von dem vom BFH entschiedenen Fall, bei dem beide Positiv-Merkmale erfüllt waren und nur das fehlende Negativ-Merkmal überwunden werden musste.

        cc) Das Vorliegen dieser Voraussetzung ist entgegen der Ansicht des Beklagten auch nicht entbehrlich. Der BFH hat in seinem Urteil vom 08. Juni 2000 nicht entschieden, dass bei originär gewerblicher Tätigkeit der Obergesellschaft die übrigen Voraussetzungen des § 15 Abs. 3 Nr. 2 Satz 1 EStG bei dieser nicht vorliegen müssen.

        Selbst bei unterstellter originär gewerblicher Tätigkeit der Obergesellschaft, wäre diese dennoch nicht in der Lage die Klägerin als Untergesellschaft nach § 15 Abs. 3 Nr. 2 Satz 2 EStG gewerblich zu prägen. Der Ansicht des Beklagten, wonach es durch das „Mehr“ an Gewerblichkeit auf das Vorliegen der übrigen Voraussetzungen nicht mehr ankomme, ist nicht zuzustimmen.

        Soweit der Beklagte mit Verweis auf Teile des Schrifttums (vgl. Ehus, DStR 2011, 1350, Punkt 3, m.w.N.), der Ansicht ist, dass der BFH eine vollständige Gleichstellung gewerblich tätiger Obergesellschaften mit gewerblich geprägten Obergesellschaften unabhängig von der Struktur der Obergesellschaft beabsichtigt habe, vermag sich der Senat dem nicht anzuschließen. Weder dem BFH-Urteil, noch der Literatur (vgl. Euhus, DStR 2011, 1350ff., Punkt 3; Wacker in: Schmidt, EStG, 40. Auflage 2021, § 15, Rn. 216; Söffing, DB 2003, 905ff., V.) ist diese Gleichstellung zu entnehmen. Denn der BFH hat lediglich die Entbehrlichkeit des Negativ-Merkmals der fehlenden originären gewerblichen Tätigkeit bei gleichzeitigem Vorliegen der Positiv-Merkmale als kennzeichnende Strukturelemente herausgestellt.

        Der BFH hat in seinem Urteil vom 08. Juni 2000 entschieden, dass die in § 15 Abs. 3 Nr. 2 Satz 1 EStG angeordnete Gleichstellung der lediglich gewerblich geprägten Obergesellschaft mit einer GmbH als persönlich haftender Gesellschafterin die Gleichstellung einer tatsächlich gewerblich tätigen GmbH & Co. KG mit umfasse. Die Formulierung der Verweisung in § 15 Abs. 3 Nr. 2 Satz 2 EStG auf Satz 1 der Vorschrift beruhe erkennbar auf einem Redaktionsversehen und sei als ein solches zu korrigieren.

        Zutreffend ist, dass der BFH sich in seinem Urteil nicht ausdrücklich dazu ausgelassen hat, ob für die Prägung der Untergesellschaft eine gewerbliche Betätigung der Obergesellschaft alleine ausreichend sein soll, oder ob ‒ neben einer gewerblichen Betätigung ‒ auf jeden Fall die Positivmerkmale des § 15 Abs. 3 Nr. 2 Satz 1 EStG erfüllt sein müssen. Aus dem Urteilszusammenhang sowie auch dem Wortlaut des Gesetzes wird jedoch klar, dass nur letzteres gemeint sein kann. Denn der BFH bejaht bei seiner Prüfung der Prägung der Obergesellschaft zunächst das Vorhandensein der positiven Tatbestandsmerkmal, um sich dann dem Problem zu widmen, dass das negative Tatbestandsmerkmal im Urteilsfall nach dem Gesetzeswortlaut nicht erfüllt war. Hätte er es ausreichen lassen wollen, dass eine gewerbliche Betätigung, ungeachtet der positiven Tatbestandsmerkmal, ausreichen soll, so hätte er dies klar herausgestellt und hätte er dies insbesondere auch deshalb eingehend begründen müssen, weil er sich dann über den gesamten Wortlaut (und nicht nur einen Teil) der Vorschrift hätte hinwegsetzen müssen.

        Würde man der Ansicht des Beklagten folgen und das Vorliegen der Positiv-Merkmale gleichsam contra-legem für entbehrlich erachten, würde dies dazu führen, dass eine originär gewerblich tätige Personengesellschaft, deren Komplementär eine natürliche Person ist, als Obergesellschaft die Untergesellschaft allein durch ihre originäre gewerbliche Tätigkeit gewerblich prägen könnte, ohne dass überhaupt eine Kapitalgesellschaft strukturell eingegliedert sein müsste. Das würde zu widersinnigen Ergebnissen führen, die dem gesetzgeberischen Willen offenkundig zuwiderlaufen.

        dd) Auch der Gesetzeswortlaut des § 15 Abs. 3 Nr. 2 Satz 2 EStG streitet dafür, dass bei Überwindung des fehlenden Negativ-Merkmals dennoch die beiden Positiv-Merkmale vorliegen müssen. Denn die Vorschrift ermöglicht ausdrücklich nur den Austausch der Gesellschaftsform, von Kapital- zu Personengesellschaft, ohne Merkmale des § 15 Abs. 3 Nr. 2 Satz 1 EStG für entbehrlich zu erklären.

        Behandelt man die Worte „gewerblich geprägte (Personengesellschaft)“ nach den Grundsätzen des BFH-Urteils vom 08. Juni 2000 als Redaktionsversehen, welches dahingehend zu korrigieren sei, dass auch originär gewerblich tätige Personengesellschaft einer Kapitalgesellschaft gleichstehen, folgt daraus, dass auch dann die Merkmale des § 15 Abs. 3 Nr. 2 Satz 1 EStG vorliegen müssen.

        Dieser Auffassung scheint im Übrigen auch die Verwaltung grundsätzlich zu folgen, wenn in den Einkommensteuerrichtlinien ausgeführt wird, dass eine gewerbliche Prägung nicht vorliegt, wenn ein nicht persönlich haftender Gesellschafter auf gesetzlicher oder gesellschaftsrechtlicher Grundlage im Innenverhältnis der Gesellschafter zueinander zur Geschäftsführung befugt ist (R 15.8 Abs. 6 EStR, „Gewerblich geprägte Personengesellschaft“).

        2. Da der Beklagte unterliegt, hat er die Kosten des Verfahrens gem. § 135 Abs. 1 FGO zu tragen.

        3. Die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren war notwendig gem. § 139 Abs. 3 Satz 3 FGO. Der Klägerin war es im Hinblick auf die aufgeworfenen rechtlichen Fragestellungen nicht zumutbar, das Vorverfahren selbst zu führen.

        4. Die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 151 Abs. 1 Satz 1; Abs. 3 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO, weil die Norm für alle Finanzrechtsstreitigkeiten Anwendung findet.

        5. Die Revision war nicht zuzulassen, da der Rechtsstreit, trotz des BFH-Urteils vom 08. Juni 2000, aufgrund entscheidender Abweichungen im Sachverhalt, keine grundsätzliche Bedeutung hat, § 115 Abs. 2 FGO.

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