Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww
  • · Fachbeitrag · Umsatzsteuer


    Versandhandel nach Deutschland: Wegfall der Vereinfachungsregelung zum 1. April 2013


    | Durch Erlass des Bundesministeriums für Finanzen vom 21. November 2012 dürfen ausländischen Versandapotheken die Vereinfachungsregelung des Abschnitts 1a 2 Abs. 14 („Innergemeinschaftliches Verbringen“) des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses (UStAE) ab dem 1. April 2013 nicht mehr anwenden, da dies dann nur noch bei Beförderungsfällen und nicht länger bei Versendungsfällen möglich ist. Folglich besteht für diese Arzneimittelabgaben dann die Steuerpflicht des Kostenträgers. Welche praktischen Konsequenzen damit verbunden sind, erfahren Sie in diesem Beitrag. |

    Wer erhebt die Umsatzsteuer?


    Ausländische Apotheken dürfen mit gesetzlichen Krankenkassen nur abrechnen, wenn sie dem Rahmenvertrag nach § 129 Abs. 2 Sozialgesetzbuch (SGB) V zwischen dem GKV-Spitzenverband und dem Deutschen Apothekerverband e.V. beigetreten sind. Gemäß § 2b Abs. 2 S. 2 des Rahmenvertrags gelten für die Abrechnung der Fertigarzneimittel die Preisvorschriften des § 78 Arzneimittelgesetz (AMG). Dort wird bestimmt, dass die Preisbildung nach der Arzneimittelpreisverordnung (AMPreisV) vorzunehmen ist. 


    • § 3 Abs. 1 AMPreisVO Apothekenzuschläge für Fertigarzneimittel

    Bei der Abgabe von Fertigarzneimitteln, die zur Anwendung bei Menschen bestimmt sind, durch die Apotheken sind zur Berechnung des Apothekenabgabepreises ein Festzuschlag von 3 Prozent zuzüglich 8,35 Euro sowie die Umsatzsteuer zu erheben.

    Dies ist für den Arzneimittelversand nach Deutschland unzutreffend: Nach § 1 Abs. 1 Nr. 5 Umsatzsteuergesetz (UStG) unterliegen die Umsätze mit ausländischen Versandapotheken als „innergemeinschaftlicher Erwerb“ grundsätzlich der deutschen Umsatzsteuer, sofern die Erwerbsschwelle von 12.500 Euro überschritten ist (§ 1a Abs. 3 Nr. 2 UStG). Steuerschuldner ist gemäß § 13a Abs. 1 Nr. 2 UStG die deutsche Krankenkasse als Erwerberin der Arzneimittel (Sachleistungsprinzip). Die AMPreisV ist daher in Bezug auf den Versandhandel nach Deutschland entsprechend anzupassen. Der Rahmenvertrag nach § 129 Abs. 2 SGB V enthielt bisher ebenfalls keine klarstellenden Regelungen bezüglich der Umsatzsteuer bei einem innergemeinschaftlichen Erwerb. 


    Sonderfall: Versicherte im Grenzgebiet


    Der Fall der Montanus Apotheke („Vorteil 24“) hat gezeigt, dass eine große Unsicherheit über den anzuwendenden Steuersatz besteht. Hier lag allerdings die Besonderheit vor, dass durch die Anbieter dieses mittlerweile eingestellten Modells ein Abholkonstrukt in Holland konstruiert wurde: Der Versicherte holte die Arzneimittel durch ein von ihm beauftragtes Unternehmen selbst vor Ort ab. Diese Tatsache führte nach Ansicht der Montanus Apotheke (Rechtsstreit vor dem Finanzgericht Düsseldorf) zur Anwendbarkeit des niederländischen Steuersatzes von nur sechs Prozent. Denn dies ist kein Fall eines innergemeinschaftlichen Erwerbs, wenn ein Arzneimittel vor Ort in einem Mitgliedstaat abgeholt wird - zum Beispiel bei Versicherten im Grenzgebiet. Üblicherweise wird hier ein Kostenerstattungsverfahren mit der Krankenkasse praktiziert.


    Bisherige Regelung für ausländische Versandhandelsapotheken


    Die Abrechnung der anderen ausländischen Versandhandelsapotheken (zum Beispiel DocMorris, Europa Apotheke Venlo, Vitalsana) war für die Kostenträger bisher unauffällig, da diese aufgrund der Vereinfachungsregelung des Abschnitts 1a 2 Abs. 14 UStAE abrechneten. Hiernach konnte die Umsatzsteuer für die Krankenkasse als Steuerschuldner des innergemeinschaftlichen Erwerbs seitens der Versandhandelsapotheke direkt an das zuständige Finanzamt abgeführt werden. Insoweit wurde den Kostenträgern wie auch den inländischen Apotheken die Umsatzsteuer in Rechnung gestellt, dann aber für diese an das zuständige Finanzamt abgeführt. Für die Kostenträger war dies eine komfortable Lösung.


    Rechtslage ab dem 1. April 2013


    Mit dem Wegfall der Vereinfachungsregelung zum 1. April 2013 besteht nun jedoch die Steuerpflicht des Kostenträgers. Diese Regelung gilt für die deutschen Krankenkassen ebenso wie für die deutschen Unfallversicherungsträger. Als Konsequenz aus dem Wegfall der Vereinfachungsregelung ist nach dem 31. März 2013 eine Nettorechnung mit dem Hinweis „Steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung“ an den Kostenträger auszustellen (vergleiche die Pflichtangaben nach § 14 Abs. 4 UStG). Damit die ausländischen Apotheken ihre Lieferungen umsatzsteuerfrei berechnen können, müssen auf der Rechnung zusätzlich die Umsatzsteuer-Identifikationsnummern der Apotheke und des Kostenträgers angegeben sein. Wenn die Angaben fehlen, wird die ausländische Versandapotheke möglicherweise zusätzlich Umsatzsteuer entrichten müssen. 


    Hinweis | In der Vergangenheit war zu beobachten, dass die deutschen Apothekenrechenzentren den Umsatzsteuerausweis nicht immer einwandfrei durchgeführt haben. Diese sollten - soweit sie inländische und ausländische Versandapotheken abrechnen - die Umsätze separat aufführen.


    Praktische Umsetzungsprobleme


    Daneben bestehen durch den Wegfall der Vereinfachungsregelung noch einige Problemgestaltungen, die einer abschließenden Klärung bedürfen.


    Stichtagsregelung 


    Es ist unklar, ab wann die Vereinfachungsregelung nicht mehr greift und der Kostenträger selbst die Versteuerung vornehmen muss: Ist insoweit erst das Erlangen der Verfügungsmacht über das Arzneimittel durch den Versicherten maßgeblich oder schon der Zeitpunkt des Versands?


    Fristgerechte Abführung der Umsatzsteuer


    Die Apothekenrechenzentren rechnen üblicherweise in den ersten Tagen des Folgemonats ab. Für die Arzneimittellieferungen der ausländischen Versandhandelsapotheken sind ab dem 1. April 2013 monatlich Umsatzsteuer-Vorauszahlungen an das Finanzamt zum 10. des Folgemonats zu entrichten (vgl. § 18 Abs. 2 S. 2 UStG, die meisten Kostenträger dürften über einer jährlichen Steuerlast von 7.500 Euro liegen). Damit haben die Kostenträger in diesen Fällen nur wenige Tage Zeit zur Prüfung und zur Zusammenführung der Ergebnisse.


    Fehlender elektronischer Datenaustausch für die Unfallversicherung


    Die Apothekenrechenzentren übermitteln für den Unfallversicherungsträger keine elektronischen Rechnungsdaten, sondern rechnen auf Basis von Papierrechnungen ab. Die Kontrolle der PZN-genauen Berechnung der anzusetzenden Bemessungsgrundlage (zum Beispiel 19 oder 7 Prozent) und eine eventuelle spätere Korrektur bedeuten daher sehr viel Verwaltungsaufwand. Zu diesem Problemkreis finden bereits klärende Gespräche statt. 


    Richtige Bemessungsgrundlage der Umsatzsteuer


    Bei der Bemessungsgrundlage, deren Änderung nach § 17 UStG zur Steuerberichtigung führt, handelt es sich um das Entgelt im Sinne von § 10 Abs. 1 S. 1 UStG. Der Umsatz wird laut dieser Vorschrift bei Lieferungen und sonstigen Leistungen nach dem Entgelt „bemessen“. Zum Entgelt gehört gemäß § 10 Abs. 1 S. 2 UStG alles, was der Leistungsempfänger aufwendet, um die Leistung zu erhalten, jedoch abzüglich der Umsatzsteuer. Nach dem sogenannten Sach- und Dienstleistungsprinzip nach § 2 Abs. 2 SGB V gilt die gesetzliche Krankenversicherung als umsatzsteuerrechtlicher Endabnehmer in der Leistungskette. Für die Ermittlung der Bemessungsgrundlage spielt die gesetzliche Zuzahlung des Versicherten keine Rolle, sodass diese nur von dem Zahlbetrag an den Kostenträger abzusetzen ist (keine Veränderung der steuerrechtlichen Bemessungsgrundlage). 


    Auch bezüglich der gesetzlichen Abschläge und Rabatte bestehen zahlreiche rechtliche Unsicherheiten. Der Apothekenabschlag ist im Gegensatz zum Herstellerrabatt (Generika, Preismoratorium und Anbieterrabatt) ein Fixbetrag (bis 31. Dezember 2012: 2,05 Euro, 2013: Verhandlung). Bei der Bewertung der Abschläge gibt das Urteil des Bundesfinanzhofs vom 28. Mai 2009 (Az: V R 2/08, Abruf-Nr. 092810) weitere Hinweise.


    Schließlich stellt sich die Frage, wie die in Deutschland erbrachte Dienstleistung der Datenaufbereitung für die Arzneimittellieferungen ausländischer Versandapotheken durch die Apothekenrechenzentren zu versteuern ist. 


    Kurzfristige Anpassung der elektronischen Rechnungsdaten


    Nach der geltenden Rechtslage und dem derzeitigen Format des Datensatzes nach § 300 SGB V ist für die Krankenkassen nicht erkennbar, ob Umsatzsteuer geltend gemacht wird und wenn ja, in welcher Höhe oder - bestmöglich - aufgrund welcher Rechtsgrundlage. Zwar weist der Datensatz nach § 300 SGB V als Kennzeichen „V“ für Versand oder „A“ für niedergelassene Apotheke aus. Ob allerdings die geltend gemachte Summe Umsatzsteuer enthält, ist nicht ersichtlich. Diese Problematik erkennend wird der GKV-Spitzenverband den Rahmenvertrag nach § 129 Abs. 3 SGB V überarbeiten. 


    e


    Richtiger Steuerausweis


    Das UStG regelt die Konsequenzen eines nicht zutreffenden Umsatzsteuerausweises im Verhältnis leistender Unternehmer und Finanzamt in § 14c UStG detailliert: § 14c UStG beruht auf den gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben des Artikel 203 Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie. Danach wird die Umsatzsteuer von jeder Person geschuldet, die diese Steuer in einer Rechnung ausweist. Insofern könnte eine Apotheke schon allein deshalb umsatzsteuerpflichtig gegenüber dem Finanzamt werden, weil sie die Umsatzsteuer in Ansatz bringt. Die Fallkonstellation, dass eine Rechnung mit Umsatzsteuer angesetzt wird, obwohl eigentlich der Leistungsempfänger zur Versteuerung verpflichtet wäre, fällt unter § 14c Abs. 1 UStG. Der UStAE regelt hierzu eindeutig: 


    • Abschnitt 13b.14. UStAE Rechnungserteilung

    „Führt der Unternehmer Umsätze im Sinne des § 13b Abs. 1 und 2 UStG aus, für die der Leistungsempfänger nach § 13b Abs. 5 UStG die Steuer schuldet, ist er zur Ausstellung von Rechnungen verpflichtet (§ 14a Abs. 5 S. 1 UStG), in denen die Steuer nicht gesondert ausgewiesen ist (§ 14a Abs. 5 S. 3 UStG). ... Neben den übrigen Angaben nach § 14 Abs. 4 UStG ist in den Rechnungen auf die Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers hinzuweisen (§ 14a Abs. 5 S. 2 UStG). Fehlt dieser Hinweis in der Rechnung, wird der Leistungsempfänger von der Steuerschuldnerschaft nicht entbunden. Weist der leistende Unternehmer die Steuer in der Rechnung gesondert aus, wird diese Steuer von ihm nach § 14c Abs. 1 UStG geschuldet.“

    PRAXISHINWEIS |  Dem Problem eines zum 1. April 2013 nicht zu vereinheitlichenden Ausweises der Umsatzsteuer im elektronischen Datensatz nach § 300 SGB V und in der Papierrechnung (Sammelrechnung) kann man nur entgehen, indem auf den elektronischen Abrechnungen ein Hinweis auf die Papierrechnung enthalten ist. Ansonsten könnten die Apotheken in die Gefahr des doppelten Steuerausweises geraten.

    Änderung der Bemessungsgrundlage in Folge von Retaxierungen


    Retaxierungen und Kürzungen im Rahmen der Importquotenregelung werden zu einem Kürzen der Bemessungsgrundlage führen, soweit diese aufgrund von Rechnungen erfolgen, die unter die Neuregelung zum 1. April 2013 fallen. So stellt die Krankenkasse dem Apotheker bei einer Vollabsetzung den Nettobetrag in Rechnung und holt sich den entsprechenden Umsatzsteueranteil vom Finanzamt wieder. Ohne eine entsprechende Anpassung des Datensatzes nach § 300 SGB V (kein Feld für die Umsatzsteuer) dürfte dies allerdings sehr aufwendig werden, da bezüglich einiger Produkte auch der ermäßigte Umsatzsteuersatz von sieben Prozent angesetzt wird.


    Ausblick


    Die Zielsetzung aller Kostenträger ist derzeit die Bewirkung einer Verlängerung der Vereinfachungsregelung nach Abschnitt 1a 2 Abs. 14 UStAE. Dadurch könnte die überwiegende Zahl der aufgezeigten Problemstellungen gelöst werden.

    Quelle: Ausgabe 04 / 2013 | Seite 15 | ID 38348800