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  • · Fachbeitrag · Betriebsprüfung

    Selbstanzeige trotz Prüfungsanordnung möglich

    von Dipl.-Finanzwirt (FH) Christian Freischlader, Steuerberater, Dr. Schmidt und Partner, Koblenz/Dresden/München/Oberhausen

    | Mit dem Gesetz zur Verbesserung der Bekämpfung von Geldwäsche und Steuerhinterziehung (Schwarzgeldbekämpfungsgesetz [SchwGBG]) aus Mai 2011 hat der Gesetzgeber unter anderem die Vorschrift des § 371 Abgabenordnung (AO) - Selbstanzeige bei Steuerhinterziehung - geändert und verschärft. Trotzdem besteht weiterhin die Möglichkeit, durch eine Selbstanzeige selbst bei Vorliegen einer Prüfungsanordnung noch Straffreiheit zu erlangen. |

    Inhalte des § 371 Abs. 2 AO vor Änderung

    Die frühere Vorschrift zur Selbstanzeige (§ 371 Abs. 2 AO a.F.) sah vor, dass Straffreiheit dann nicht eintritt, wenn

     

    • 1.vor der Berichtigung, Ergänzung oder Nachholung der unvollständigen Angaben gegenüber den Finanzbehörden
      • a)ein Amtsträger der Finanzbehörde zur steuerlichen Prüfung oder zur Ermittlung einer Steuerstraftat oder einer Steuerordnungswidrigkeit erschienen ist oder
      • b)dem Täter oder seinem Vertreter die Einleitung des Straf- oder Bußgeldverfahrens wegen der Tat bekanntgegeben worden ist oder

     

    • 2.die Tat im Zeitpunkt der Berichtigung, Ergänzung oder Nachholung ganz oder zum Teil bereits entdeckt war und der Täter dies wusste oder bei verständiger Würdigung der Sachlage damit rechnen musste.

     

    Daraus ergab sich, dass betroffene Steuerpflichtige eine Selbstanzeige üblicherweise erst in dem Zeitpunkt bei den Finanzbehörden eingereicht haben, wenn eine Prüfungsanordnung vorlag. Gängige Praxis war, dass zwischen dem Vorliegen der Prüfungsanordnung und Prüfungsbeginn in der Regel ein Zeitraum von ca. vier Wochen lag. Genug Zeit also, um eine Selbstanzeige rechtssicher in Zusammenarbeit mit dem Steuerberater vorzubereiten. Diese Zeit hat der Selbstanzeigende heute nicht mehr, denn das Gesetz ist insofern verschärft worden.

    Verschärfung durch Neufassung des § 371 Abs. 2 AO

    Straffreiheit tritt nach § 371 Abs. 2 AO n.F. schon dann nicht ein, wenn

     

    • 1.bei einer der zur Selbstanzeige gebrachten unverjährten Steuerstraftaten vor der Berichtigung, Ergänzung oder Nachholung
      • a)dem Täter oder seinem Vertreter eine Prüfungsanordnung nach § 196 AO bekanntgegeben worden ist oder
      • b)dem Täter oder seinem Vertreter die Einleitung des Straf- oder Bußgeldverfahrens bekanntgegeben worden ist oder
      • c)ein Amtsträger der Finanzbehörde zur steuerlichen Prüfung, zur Ermittlung einer Steuerstraftat oder einer Steuerordnungswidrigkeit erschienen ist oder

     

    • 2.eine der Steuerstraftaten im Zeitpunkt der Berichtigung, Ergänzung oder Nachholung ganz oder zum Teil bereits entdeckt war und der Täter dies wusste oder bei verständiger Würdigung der Sachlage damit rechnen musste oder

     

    • 3.die nach § 370 Abs. 1 AO verkürzte Steuer oder der für sich oder einen anderen erlangte nicht gerechtfertigte Steuervorteil einen Betrag von 50.000 Euro je Tat übersteigt.

     

    MERKE |  Gerade § 371 Abs. 2 Nr. 1a AO hebelt die bis zur Gesetzesänderung gängige Praxis aus, indem die Selbstanzeige unter anderem nur dann Wirksamkeit entfaltet, wenn sie vor dem Vorliegen einer Prüfungsanordnung zu einer Außenprüfung bei den Finanzbehörden eingereicht wird.

     

    Rettungswege zur Erlangung der Straffreiheit

    Für betroffene Steuerpflichtige bestehen noch zwei Rettungswege zur Erlangung der Straffreiheit.

     

    Abstimmung des Prüfungsbeginns mit dem Steuerberater

    In der heutigen Verwaltungspraxis ist es üblich, dass sich der Betriebsprüfer bei dem Steuerberater des Apothekers meldet, um im Vorfeld einen Prüfungsbeginn abzustimmen. Dieser Prüfungsbeginn fließt dann in die noch zu erlassende Prüfungsanordnung ein. Hier erlangt der Steuerberater also noch vor dem Ergehen der Prüfungsanordnung Kenntnis über eine anstehende Außenprüfung, sodass - wenn auch nur eine kurze - Reaktionszeit zur Erstellung einer eventuellen Selbstanzeige besteht. In der Regel ergeht die Prüfungsanordnung ca. eine Woche nach Terminabstimmung. Trotzdem muss hier sehr schnell gehandelt werden.

     

    PRAXISHINWEIS |  Insbesondere der kenntnishabende Steuerberater muss seinen Mandanten umgehend informieren und über die Möglichkeit der Selbstanzeige aufklären. Die mündliche oder telefonische Mitteilung des Betriebsprüfers entfaltet keine Sperrwirkung zur Selbstanzeige, da die Vorschrift zur Prüfungsanordnung (§ 196 AO) ausdrücklich Schriftformerfordernis vorsieht.

     

     

    Allgemeine Bekanntgaberegelungen für Verwaltungsakte

    Ergeht eine Prüfungsanordnung ohne vorherige Terminabstimmung, erscheint nach den geänderten Vorschriften zur Selbstanzeige die Sperrwirkung eingetreten und eine Strafffreiheit durch Selbstanzeige nicht mehr möglich. Dem ist aber nicht unbedingt so. Es kann noch ein sehr kurzes Zeitfenster zur Abgabe einer Selbstanzeige bestehen. Das ergibt sich aus den allgemeinen Bekanntgaberegelungen für Verwaltungsakte. Ein solcher ist die Prüfungsanordnung.

     

    Nach § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO greift die sogenannte Bekanntgabefiktion. Demnach gilt ein schriftlicher Verwaltungsakt bei Übermittlung durch die Post am dritten Tage nach Aufgabe zur Post als bekanntgegeben. Geht die Prüfungsanordnung bereits am ersten oder zweiten Tag nach der Aufgabe ein, ist daher nach herrschender Meinung die Möglichkeit zur Selbstanzeige noch gegeben.

     

    • Beispiel

    Die Finanzverwaltung datiert die Prüfungsanordnung auf Montag, den 1. Februar und gibt sie am gleichen Tag noch zur Post. Sie gilt am Donnerstag, den 4. Februar als bekanntgegeben, selbst wenn der tatsächliche Zugang bereits am Dienstag, 2. Februar erfolgt ist. Eine Selbstanzeige wäre also bis Mittwoch, 3. Februar, 24:00 Uhr Eingang bei dem zuständigen Finanzamt möglich.

     

    Ebenfalls beachtenswert in diesem Fristen-Dickicht ist die Vorschrift des § 108 Abs. 3 AO: Fällt das Ende einer Frist auf einen Sonntag, einen gesetzlichen Feiertag oder einen Sonnabend, so endet die Frist mit dem Ablauf des nächstfolgenden Werktags. Dies gilt gemäß einem Urteil des Bundesfinanzhofs vom 14. Oktober 2003 (Az. IX R 68/98, Abruf-Nr. 032527) auch bei der vermuteten Bekanntgabe nach § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO.

     

    • Beispiel

    Die Finanzverwaltung datiert die Prüfungsanordnung auf Mittwoch, den 3. Februar und gibt sie am gleichen Tag noch zur Post. Tatsächlicher Zugang ist Donnerstag, 4. Februar. Nach der Bekanntgabefiktion gilt sie Samstag, den 6. Februar als bekanntgegeben. § 108 Abs. 3 AO verschiebt diesen Zeitpunkt jedoch auf Montag, 8. Februar. Die Frist zur Einreichung der Selbstanzeige endet mithin am Sonntag, 7. Februar, 24:00 Uhr. Bis dahin muss ein Eingang bei dem zuständigen Finanzamt erfolgt sein, um die Sperrwirkung nicht auszulösen.

     

    Hinweis | Aushebeln kann die Finanzverwaltung dies allerdings, wenn sie auf die förmliche Zustellung zum Beispiel nach § 3 Verwaltungszustellungsgesetz - Zustellung durch die Post mit Zustellungsurkunde - zurückgreift. Die Bekanntgabefiktion gilt dann nicht. Soll durch die Post mit Zustellungsurkunde zugestellt werden, übergibt die Behörde der Post den Zustellungsauftrag, das zuzustellende Dokument in einem verschlossenen Umschlag und den vorbereiteten Vordruck einer Zustellungsurkunde. Der Empfänger hat ein mit dem Datum der Aushändigung versehenes Empfangsbekenntnis zu unterschreiben. Zusätzlich vermerkt der Bedienstete das Datum der Zustellung auf dem Umschlag des auszuhändigenden Dokuments oder bei offener Aushändigung auf dem Dokument selbst. Da diese Vorgehensweise mit erhöhten Kosten verbunden ist, wird die Zustellung mit Zustellungsurkunde in der Praxis aber eher den Ausnahme- als den Regelfall darstellen.

     

    Weiterführender Hinweis

    Quelle: Ausgabe 09 / 2013 | Seite 17 | ID 42245536