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  • · Fachbeitrag · Versandhandel

    Neues Widerrufsrecht: Auswirkungen auf Versandapotheken

    von RA Andreas Frohn, Köln, www.kanzlei-am-aerztehaus.de 

    | Am 13. Juni 2014 ist das neue Widerrufsrecht zum Schutz der Verbraucher in Kraft getreten. Die mediale Diskussion um die damit eingeführten Neuerungen rankte sich fast ausnahmslos um den Aspekt, dass der Verbraucher in Zukunft die Kosten der Rücksendung eines per Fernabsatzvertrag bestellten Produkts zu tragen hat. Dieser Beitrag soll auf weitere Neuerungen und das grundsätzliche Problem des Widerrufs bei Arzneimitteln aufmerksam machen. Bei Verstößen drohen nicht nur Streitigkeiten mit Kunden, sondern auch Abmahnungen durch Mitbewerber und Verbraucherschutzvereine. |

    Unterliegen Arzneimittel überhaupt dem Widerrufsrecht?

    Bislang bestand in der Rechtsprechung Streit über die Frage, ob Arzneimittel als „besonderes Gut“ überhaupt dem Widerrufsrecht unterfallen. Ausgangspunkt der Diskussion war § 312d Abs. 4 Nr. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) a.F., wonach dieses nicht für solche Waren bestehen sollte, die „nach Kundenspezifikation angefertigt werden oder eindeutig auf die persönlichen Bedürfnisse zugeschnitten sind oder die aufgrund ihrer Beschaffenheit nicht für eine Rücksendung geeignet sind oder schnell verderben können oder deren Verfallsdatum überschritten würde“. Während für Rezepturen demgemäß ein Widerrufsrecht nach einhelliger Ansicht ausscheiden sollte, hielt man Arzneimittel teilweise für zur Rücksendung ungeeignet und teilweise wurde die dafür notwendige besondere Beschaffenheit verneint.

    Keine eindeutigen Vorgaben bei Fertigarzneimitteln

    Abhilfe für den Fall des nicht in der Apotheke angemischten Fertigarzneimittels verspricht der neue § 312g Abs. 2 Nr. 3 BGB. Danach sind auch Verträge zur Lieferung versiegelter Waren, die aus Gründen des Gesundheitsschutzes oder der Hygiene nicht zur Rückgabe geeignet sind, wenn ihre Versiegelung nach der Lieferung entfernt wurde, vom Widerrufsrecht ausgeschlossen. Wendet man diese neue Vorschrift auf Arzneimittel an, so scheint maßgebliches Kriterium das Vorhandensein eines Siegels zu sein, dessen Entfernung bzw. Beschädigung gesundheits- oder hygienebezogene Auswirkungen haben muss.

     

    Problematisch daran ist zum einen, dass aktuell kaum eines der das Gros des Umsatzes ausmachenden OTC-Arzneimittel überhaupt über ein Siegel verfügt. Bei der Anbringung würde sich die Frage stellen, ob eine Versiegelung bestimmte Voraussetzungen erfüllen muss - zum Beispiel ob das aus der Unterhaltungsindustrie bekannte Einschweißen der Packungen ein solches Siegel darstellt. Ebenso fraglich ist, wie mit derartig versiegelten Arzneimittelpackungen umzugehen ist, wenn sie zum Zweck der Illustration in der Apotheke geöffnet werden. Ein solches Arzneimittel könnte nur dann in den Versand gelangen, wenn der Apotheker die Möglichkeit besäße, nachträglich ein eigenes Siegel aufzubringen. Außerdem ist offen, wie der Zusammenhang zwischen Siegelbruch und der damit einhergehenden Einschränkung des Gesundheitsschutzes bzw. der Hygiene durch die Rechtsprechung interpretiert wird. Bei in Blistern verpackten Darreichungsformen liegt ein solcher Zusammenhang bei einer bloßen Öffnung der Packung nicht eben nahe. Andererseits würde auch ein unbeschädigtes Siegel nicht davor schützen, dass die Arzneimittelpackung zum Beispiel über längere Zeit extremen Temperaturen ausgesetzt wäre, was eine unerkannte Beeinträchtigung des Gesundheitsschutzes bedeuten würde.

     

    MERKE | Die Widerrufsmöglichkeit im Falle des Versandhandels mit Arzneimitteln ist weder durch die neue Gesetzeslage noch durch die Gesetzesbegründung eindeutig geklärt. Die angesprochenen Fragen dürften demnach alsbald wieder die Gerichte beschäftigen und zunächst unterinstanzliche Einzelfallrechtsprechung hervorbringen.

     

    Wichtige Neuerungen

    Bei der Bestellung von anderen Produkten als Arzneimitteln ergeben sich durch die Novellierung weitere praxisrelevante Neuerungen:

     

    • Ausdrücklicher Widerruf:Der Verbraucher muss den Widerruf nunmehr ausdrücklich erklären. Ein konkludenter Widerruf durch das bloße Zurücksenden der Ware reicht nicht mehr aus.

     

    • Keine Textform: Der Widerruf muss nicht mehr in Textform - also in der Regel durch Brief, Fax oder Mail - erfolgen, sondern kann auch (fern-)mündlich erklärt werden. In diesem Zusammenhang ist künftig an die Angabe einer Telefonnummer zu denken.

     

    • Rücksende- und Zahlungsfristen:Ab Erhalt der Ware kann der Käufer den Widerruf innerhalb von 14 Tagen erklären, innerhalb weiterer 14 Tage muss er den Gegenstand an den Unternehmer zurücksenden. Die Rückzahlungsfrist für den bereits gezahlten Kaufpreis beträgt ebenfalls 14 Tage und beginnt mit dem Zugang der Widerrufserklärung. Möglich ist es nun allerdings, die Zahlung zurückzuhalten, bis die Ware tatsächlich beim Unternehmer eingegangen ist oder der Kunde die Absendung zumindest nachweist.

     

    • Neue Formulare: Der Gesetzgeber hat sowohl für die Belehrung über das Widerrufsrecht als auch für die Erklärung des Widerrufs selbst neue Musterformulare veröffentlicht. Diese können vom Unternehmer verwendet werden und müssen an die jeweiligen Gegebenheiten angepasst werden. Verfügbar sind die Formulare unter www.iww.de/sl451 (Seiten 3663 bis 3665).

     

    • Kostentragungspflicht: Nach der neuen Rechtslage hat der Kunde die Kosten für den Rückversand nach erfolgtem Widerruf unabhängig vom Wert des Artikels selbst zu tragen - wenn er zuvor wirksam über diesen Umstand aufgeklärt wurde. Bezüglich der Kosten des Hinversands bestimmt das Gesetz nunmehr, dass der Unternehmer diese in Höhe des Standardversands erstatten muss.
    Quelle: Ausgabe 08 / 2014 | Seite 14 | ID 42774101