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  • · Fachbeitrag · Apothekenrecht

    Retaxation wegen unerkannter Rezeptfälschungen:Erhöhte Sorgfaltspflicht des Apothekers erforderlich

    | Bestehen aufgrund der Gesamtumstände Anzeichen für einen Missbrauch einer Arzneimittelverordnung, ist es dem Apotheker zuzumuten, das Rezept auch auf formale Mängel hin zu überprüfen (Sozialgericht [SG] Karlsruhe, Urteil vom 15. Januar 2013, Az. S 14 KR 562/12, Urteil unter www.dejure.org ). |

    Sachverhalt

    Der klagende Apotheker aus Baden-Württemberg und die Krankenkasse stritten um die Rechtmäßigkeit einer Vollabsetzung über 18.000 Euro. Die entsprechende - im Nachhinein als Fälschung entlarvte - Verordnung war dem Apotheker an einem Freitagnachmittag mit einer ungewöhnlich hohen Menge vorgelegt worden: 20 Fertigspritzen Norditropin Nordiflex 15 mg/1,5 ml N1. Das Arzneimittel des pharmazeutischen Unternehmers Novo Nordisk enthält als Wirkstoff das Wachstumshormon Somatropin, das unter anderem zur Behandlung von Kleinwuchs bei Kindern und Jugendlichen indiziert ist, dessen Missbrauch in der Bodybuilderszene aber auch bekannt ist. Das Arzneimittel war beim Apotheker nicht vorrätig, weshalb er es für die Kundin bestellte. Sein Personal gab es am folgenden Montag ab.

     

    Die Krankenkasse retaxierte das Arzneimittel mit dem Verweis auf die Fälschung der Verordnung. Der Apotheker argumentierte, dass er die Fälschung nach dem äußeren Erscheinungsbild der Verordnung nicht habe erkennen können: Sie enthalte die wesentlichen Angaben zur Versicherten, Krankenversicherung, verordnetem Arzneimittel und verordnendem Arzt. Das Arzneimittel sei exakt bezeichnet gewesen. Die Verordnung trage zudem einen Vertragsarztstempel und sei unterschrieben.

    Entscheidungsgründe

    Das SG Karlsruhe bestätigte jedoch die Vollabsetzung nach § 3 Abs. 8 des Arzneilieferungsvertrags Baden-Württemberg, da die Fälschung bei Wahrung der erforderlichen Sorgfalt erkennbar gewesen sei. Hier reiche bereits eine einfache Fahrlässigkeit i.S. des § 276 Abs. 1 S. 2 BGB: Danach handelt fahrlässig, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt. Hierfür ist ein objektiver Sorgfaltsmaßstab heranzuziehen. Bereits der hohe Wert des verordneten Medikaments hätte beim Kläger zu besonderen Sorgfaltsanstrengungen führen müssen, da diese nicht zum Alltagsgeschäft gehören.

     

    Auffällig war nach Ansicht des SG weiterhin, dass der verordnende Arzt 60 km vom Wohnort der Patientin entfernt lag. Über das hohe Missbrauchspotenzial des Wirkstoffs hatte der Landesapothekerverband bereits informiert, weshalb der Apotheker davon hätte Kenntnis haben müssen. Die ungewöhnlich hohe Menge des Medikaments steigerte die Sorgfaltspflichten des Apothekers zusätzlich.

     

    Ausschlaggebend für die Entscheidung war dann, dass der Apotheker selbst Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Verordnung hatte, aber nur einen erfolglos gebliebenen Anruf unternahm und das Arzneimittel am Montag ohne weitere Erkundigungen abgab.

    Verhaltensregeln bei mutmaßlichen Rezeptfälschungen

    Rezeptfälschungen sind heute nicht mehr ohne Weiteres zu erkennen. Bei Rezepten mit Wirkstoffen, die für Arzneimittelmissbräuche bekannt sind, sollten Sie aber auf Formfehler auf der Verordnung oder außergewöhnlich unregelmäßige Bedruckung achten:

     

    • Felder getroffen?
    • Schriftgröße?
    • Richtige Codierungen?

     

    Vorsicht ist geboten bei:

     

    • Größeren Mengen oder hochpreisigen Arzneimitteln
    • Unbekannten Patienten oder Ärzten
    • Verordnungen weit entfernt liegender Arztpraxen
    • Rezepteinlösung zu Zeitpunkten, die die Erreichbarkeit des Arztes erschweren (Mittwoch- oder Freitagnachmittag, Samstags)

     

    Zudem sollten Sie sich beim Patienten über die Umstände des Einlösens rückversichern:

     

    • Machen Sie Urlaub hier?
    • Ist das Rezept für Sie?

     

    Bei bleibenden Zweifeln ist unbedingt der verordnende Arzt zu kontaktieren. Möglich ist auch eine Rückfrage bei der Krankenkasse mit der Bitte um Vorgabe einer Verfahrensweise.

     

    Hinweis | Eine Checkliste „Missbrauchsindizien und Prüfungspflicht manipulierter Rezepte“ können Sie auf ah.iww.de unter „Downloads“ in der Rubrik „Checklisten“ kostenfrei herunterladen.

     

    PRAXISHINWEIS |  Es besteht die Möglichkeit, nur eine Teilmenge abzugeben und dann am nächsten Werktag die Recherchen fortzuführen. Die Gefahr, auf den Kosten des hochpreisigen Arzneimittels sitzen zu blieben, sollte den Aufwand rechtfertigen. Nach § 17 Abs. 8 Apothekenbetriebsordnung können Sie bei begründetem Missbrauchsverdacht auch die Abgabe verweigern. Der Apothekenleiter sollte das gesamte Personal über diese Vorgehensweise informieren.

     

    Weiterführende Hinweise

    • „Formfehler bei T-Rezepten begründen Strafbarkeitsrisiken für Apotheker“ in AH 08/2013, Seite 8
    Quelle: Ausgabe 10 / 2013 | Seite 14 | ID 39854650