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  • 02.11.2010

    Finanzgericht Düsseldorf: Urteil vom 31.08.2009 – 11 K 242/08 E

    Aufgrund der extrem hohen Verkehrsbelastung auf der Autobahn A 40 ist für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte zwischen dem Duisburger Norden und der Umgebung von Düsseldorf eine 5 km längere Strecke (49 statt 44 km) unter Einbeziehung der A 42 als verkehrsgünstigere Fahrroute i. S. d. § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 Satz 4 EStG anzusehen.


    Tatbestand

    Streitig ist die Höhe der Fahrtkosten für Fahrten des Klägers zwischen Wohnung und Arbeitsstätte.

    Im Streitjahr wohnte der Kläger in E-Stadt und arbeitete in N-Stadt. In seiner Steuererklärung machte der im Streitjahr nicht selbständig beschäftigte Kläger für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte mit dem PKW für 229 Tage eine einfache Fahrtstrecke von 56 km geltend. Das Finanzamt berücksichtigte in der Einspruchsentscheidung nur Fahrtkosten, die auf Grund einer einfachen Entfernung zwischen Wohnung und Arbeitsstätte von 44 km beruhen. Das Finanzamt stützte sich hierbei auf einen Ausdruck des Routenplaners „Viamichelin.de, Reiseroute: schnell”. Der Routenplaner endet mit dem Ziel N-Stadt, Stadtmitte. Aus einem weiteren Auszug des Routenplaners „Viamichelin.de Reiseroute: kurz” des Beklagten ergibt sich eine einfache Entfernung von 38 km bei einer Fahrtdauer von 58 Minuten. Die schnelle Reiseroute erfordert laut Routenplaner eine Fahrtdauer von 36 Minuten (Fahrtroute über B8, A59, A40, A57 bis Ausfahrt 16 (Bovert), B9, L476).

    Im Klageverfahren tragen die Kläger vor, für jeden halbwegs mit den tatsächlichen Gegebenheiten vertrauten ortskundigen Autofahrer, der täglich die immer hoffnungslos überfüllten Autobahnen und innerstädtischen Straßen zwischen dem Duisburger Norden und der Umgebung von Düsseldorf herum benutze, biete sich als einzige gangbare und benutzbare Fahrroute die von den Klägern benutzte an, weil bei der zwar etwas längeren Fahrroute eine fast überwiegend auf außerstädtischen Straßen (Autobahnen und Landstraßen) beruhende Strecke vorliege, welche zu einer über 30 minütigen Zeitersparnis bei den Klägern pro Fahrt, also arbeitstäglich bis zu einer Stunde Ersparnis führe. Bei der vom Finanzamt zugrunde gelegten Fahrtstrecke durch Nutzung der Autobahn A 40 wäre eine Fahrtstrecke zu wählen, die im Streitjahr durch Brückenbauarbeiten im Verkehrsfluss erheblich belastet gewesen sei mit erheblichen, mehreren Kilometer langen Staus des morgens und am Abend. Bei der von den Klägern gewählten Route sei ein praktisch staufreies Befahren der A 59, A 42, A 57 und der A 52 möglich, weshalb die Kläger auch diesen Weg gewählt hätten. Für vorgenannten Sachvortrag in Bezug auf die Stauanfälligkeit werde Beweis angeboten durch Einholung eines Sachverständigengutachtens sowie von Auskünften bei den entsprechenden Verkehrsbehörden und der zuständigen Autobahnpolizeidirektion.

    Wie sich aus der von ihnen mit Schriftsatz vom 28.11.2008 eingereichten Routenplanung des Routenplaners Map24.com ergäbe, sei die vom Kläger gewählte Fahrtroute rund 55 km lang (genau: 54,91 km) bei einer Fahrtdauer von 49 Minuten (Fahrroute über A 42, A 57, A 52, Ausfahrt 14 – Büderich – , B 9, L 137). Lege man die Fahrtstrecke des Finanzamtes zugrunde, so ergäbe sich laut dem beigefügten Routenplaner Viamichelin.de bei einer einfachen Entfernung von 46 km eine Fahrtzeit von 37 Minuten.

    Die Kläger beantragen,

    den Einkommensteuerbescheid 2006 vom 03.07.2007 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 03.01.2008 dahin abzuändern, dass Werbungskosten für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte des Klägers mit dem eigenen PKW auf Grund einer einfachen Fahrtstrecke von 55 km berücksichtigt werden.

    Der Beklagte beantragt,

    Klageabweisung.

    Es könne nur – wie geschehen – eine Fahrstrecke von 44 km berücksichtigt werden.

    Gründe

    Die Klage ist teilweise begründet.

    Der angefochtene Einkommensteuerbescheid ist rechtswidrig und verletzt die Kläger insoweit in ihren Rechten, als die Werbungskosten in Gestalt von Fahrtkosten beim Kläger aufgrund eine Fahrstrecke von nur 44 km anstelle der gebotenen 49 km berücksichtigt wurden ( § 100 Abs. 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung – FGO – ).

    a) Nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG gehören zu den Werbungskosten eines Arbeitnehmers auch Aufwendungen für die Wege zwischen Wohnung und Arbeitsstätte. Zur Abgeltung dieser Aufwendungen ist für jeden Arbeitstag, an dem der Arbeitnehmer die Arbeitsstätte aufsucht, je vollen Kilometer der Entfernung zwischen Wohnung und Arbeitsstätte eine Entfernungspauschale (Streitjahr 2006: 0,30 Euro) anzusetzen.

    Für die Bestimmung der Entfernung ist die kürzeste Straßenverbindung zwischen Wohnung und Arbeitsstätte maßgebend; eine andere als die kürzeste Straßenverbindung kann zugrunde gelegt werden, wenn diese offensichtlich verkehrsgünstiger ist und vom Arbeitnehmer regelmäßig für die Wege zwischen Wohnung und Arbeitsstätte benutzt wird (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 Satz 4 EStG).

    Mit dieser Regelung sollte klargestellt werden, dass die bis zum Jahr 2000 geltende Rechtslage unter Berücksichtigung des BFH- Urteils vom 10. Oktober 1975 VI R 33/74 (BFHE 117,70, Bundessteuerblatt – BStBl – II 1975, 852) fortbesteht.

    Der BFH hat dort ausgeführt, nach dem Sinn und Zweck des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG sei darauf abzustellen, welche Straßenverbindung im Rahmen des Zumutbaren für den Steuerpflichtigen benutzbar sei. Es seien die allgemeinen Verkehrsverhältnisse und die städtebaulichen Planungen zur Vermeidung von innerstädtischen Verkehrsstauungen mit zu berücksichtigen.

    Dem hat sich auch die Finanzverwaltung angeschlossen, nach der eine von der kürzesten Straßenverbindung abweichende Strecke verkehrsgünstiger ist, wenn der Arbeitnehmer die regelmäßige Arbeitsstätte trotz gelegentlicher Verkehrsstörungen in der Regel schneller und pünktlicher erreicht (Erlass der Bundesministeriums der Finanzen vom 1. Dezember 2006 IV C 5 –S 2351-60/06, BStBl I 2006, 778 unter Nr. 1.4).

    b) Bei Anwendung obiger Grundsätze sind die Voraussetzungen für die Anerkennung der vom Kläger gefahrenen Route bis zu einer Entfernung von 49 km erfüllt. Die Strecke unter Einbeziehung der A 42 ist offensichtlich verkehrsgünstiger als die vom Beklagten zugrundegelegte Route über die A 40. Der Kläger erreicht auf diesem Wege im Streitjahr seine regelmäßige Arbeitsstätte trotz gelegentlicher Verkehrsstörungen in der Regel schneller und pünktlicher. Die Autobahn A 40 ist eine der Hauptverkehrswege im Ruhrgebiet mit einem der höchsten Verkehrsaufkommen in Deutschland. Aufgrund der extrem hohen Verkehrsbelastung in Verbindung mit den vielen Auf- und Abfahrten kommt es regelmäßig zu Verkehrsstaus in den Stoßzeiten, was die Fahrzeiten deutlich in die Länge zieht (vgl. das Internet zu „Stau A40”). Das Gericht schätzt die durchschnittliche tägliche Zeitersparnis des Klägers bei der von ihm gewählten Route gegenüber der vom Beklagten angesetzten Strecke im Streitjahr auf insgesamt etwa 30 Minuten täglich. Dies reicht für die steuerliche Anerkennung aus, zumal weder der BFH in der obigen Entscheidung noch die Finanzverwaltung in dem obigen Erlass konkrete zeitliche Mindesterfordernisse aufstellen.

    Allerdings erscheint die vom Kläger gewählte Fahrroute nur „offensichtlich verkehrsgünstiger” bis zur Abfahrt 16 (Bovert) auf der A 57. Nach den von ihm im Klageverfahren mit Schriftsatz vom 28. November 2008 eingereichten vergleichenden Fahrtstrecken beträgt die restliche Strecke bis zur Arbeitsstätte bei Verlassen der A 57 schon an der Ausfahrt 16 (Bovert) nur 5,1 km bei einer Fahrdauer von ca. 6 Minuten, während die stattdessen vom Kläger tatsächlich gefahrene Route an der Ausfahrt 16 vorbei weiter auf der A 57 und dann über die A 52 10,1 km lang ist und in ca. 7 Minuten zu bewältigen ist.

    Vor diesem Hintergrund ist nicht ersichtlich, dass die vom Kläger genutzte 5 km längere Fahrtroute, welche sogar ca. eine Minute mehr an Zeit kostet, „offensichtlich” verkehrsgünstiger ist als die direkte Route von der Abfahrt 16 über die B 9.

    Damit sind nur insgesamt (54,91 km -5 km=) 49,91 km als Fahrstrecke im Sinne von § 9 EStG zu berücksichtigen. Da das Gesetz die Entfernungspauschale nur für jeden „vollen” Kilometer gewährt, sind bei der Berechnung nur 49 km, also 5 km mehr als bislang, zu berücksichtigen. Angefangene km zählen nicht, es ist auf volle Kilometer abzurunden (Drenseck in Schmidt, EStG-Kommentar, 25. Auflage 2006, § 9 Rz. 124).

    c) Das Mehr an Werbungskosten beim Kläger ist nicht zu saldieren mit zu hohen Werbungskosten der Klägerin im Zusammenhang mit deren Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte, so wie vom Beklagten in der mündlichen Verhandlung vertreten.

    Für die Fahrten der Klägerin zwischen der ehelichen Wohnung in E-Stadt und ihrer Arbeitsstätte in F-Stadt gelten sinngemäß die gleichen Ausführungen wie oben zum Kläger. Es spricht nichts dafür, der mit 54 km anerkannten Fahrtroute der Klägerin ausweislich der im Vorverfahren eingereichten „map&guide Karte” nebst „map&guide Wegliste” vom 20. Juli 2007 die Eigenschaft als „offensichtlich verkehrsgünstiger” abzusprechen.

    d) Die Übertragung der Steuerberechnung auf den Beklagten folgt aus § 100 Abs. 2 Satz 2 FGO.

    Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 FGO.

    Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung.

    VorschriftenEStG § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 Satz 4