Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww
  • 15.05.2012 · IWW-Abrufnummer 121497

    Finanzgericht Münster: Urteil vom 23.02.2012 – 9 K 4639/10 K,G

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    Finanzgericht Münster

    9 K 4639/10 K,G

    Tenor:

    Die Bescheide über Körperschaftsteuer und Solidaritätszuschlag für 2005 vom 31.07.2009 und über den Gewerbesteuermessbetrag für 2005 vom 25.09.2009, jeweils in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 18.11.2010, werden nach Maßgabe der Entscheidungsgründe geändert.

    Die Berechnung der geänderten Beträge wird dem Beklagten übertragen.

    Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.

    Die Revision wird zugelassen.

    Das Urteil ist wegen der Kosten ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs der Klägerin abwenden, soweit nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in derselben Höhe leistet.

    T a t b e s t a n d

    Streitig ist, ob die Verabreichung von Medikamenten zur Behandlung von Krebserkrankungen (sog. Zytostatika) an Patienten, die bei der Klägerin ambulant therapiert werden, Teil des Zweckbetriebes der Klägerin ist oder einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb begründet.

    Die Klägerin ist eine mit notariellem Vertrag vom 01.12.1992 gegründete GmbH, deren Unternehmensgegenstand seit dem Jahr 1998 im Betrieb des Klinikums X....... (mit den Standorten A-Stadt und B-Stadt) sowie des Klinikums Y...... besteht. In der zum Klinikum Y...... gehörenden Medizinischen Klinik II mit dem Schwerpunkt Hämatologie und Onkologie stehen für die stationäre Behandlung von Patienten mit Blut- und Krebserkrankungen 40 Planbetten zur Verfügung. Angeschlossen ist ihr die Onkologische Ambulanz, die über acht Therapieplätze verfügt. Hier werden von einem Team aus Fachärzten und –schwestern medikamentöse Krebstherapien ambulant durchgeführt und Patienten mit Blut- und Krebserkrankungen betreut.

    Das Klinikum Y...... – Onkologie - verfügte im Streitjahr (wie auch in den vorhergehenden und nachfolgenden Jahren) über eine sog. Institutsermächtigung gemäß § 31 Abs. 1 Buchst. a der Zulassungsverordnung für Vertragsärzte (Ärzte-ZV). Hierdurch wurde die Klägerin vom Zulassungsausschuss der Ärzte und Krankenkassen für den Regierungsbezirk A-Stadt zur Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung der Versicherten u.a. ermächtigt, auf Überweisung von niedergelassenen Vertragsärzten aktive onkologische Therapien (mit Ausnahme oraler Therapien bei Mamma-Ca, niedrig, malignen Non-Hodgkin-Lymphomen einschließlich CLL, myeloproliferativen Syndromen einschließlich CML und Plasmozytomen) einschließlich der im Verlauf der Behandlung erforderlichen Zusatzuntersuchungen (sofern deren Durchführung und Befundung noch am gleichen Tag erforderlich war), begrenzt auf 350 Fälle je Quartal, durchzuführen. Wegen der Einzelheiten wird auf die zu den Akten gereichten Bescheide des Zulassungsausschusses der Ärzte und Krankenkassen für den Regierungsbezirk E... vom 17.11.2003 und vom 26.08.2005 Bezug genommen.

    Die im Rahmen der ambulanten Behandlung durchgeführte aktive onkologische Therapie erfolgte in der Regel im Anschluss an eine vorhergehende stationäre Behandlung. Die Patienten hatten sich zum Zwecke der Behandlung zwischen 7.30 Uhr und 8.30 Uhr in der onkologischen Ambulanz einzufinden. Nach einer Blutuntersuchung und weiteren Untersuchungen durch den behandelnden Arzt wurde die jeweils durchzuführende Therapie festgelegt, die in der ganz überwiegenden Zahl der Fälle in der Verabreichung von Infusionslösungen mit Zytostatika bestand. Die Infusionslösungen wurden nach einem Rezept des behandelnden Arztes von der in der Klinik Y...... befindlichen Krankenhausapotheke zeitnah und individuell für den jeweiligen Patienten zubereitet und für die Behandlung zur Verfügung gestellt. Die Verabreichung der Infusionslösungen konnte einen Zeitraum von 1,5 bis zu 5 Stunden in Anspruch nehmen. Nach Beendigung der Therapie fand ein Abschlussgespräch zwischen dem behandelnden Arzt und dem Patienten, ggf. auch eine nochmalige Laborkontrolle statt. Zwischen 15.00 Uhr und 18.00 Uhr wurden die Patienten entlassen. Am Folgetag wurden die Patienten entweder stationär aufgenommen oder weiterhin ambulant behandelt.

    Die im Zusammenhang mit der ambulanten Behandlung erbrachten ärztlichen Leistungen wurden von der Klägerin bei gesetzlich versicherten Patienten gem. § 120 des Fünften Buches des Sozialgesetzbuches (SGB V) mit der zuständigen kassenärztlichen Vereinigung abgerechnet; die auf Rezept gefertigten Zytostatika rechnete die Klägerin gem. § 129a SGB V mit der Krankenkasse ab, bei der der jeweilige Patient versichert war. Soweit im Rahmen einer stationär und teilstationär durchgeführten Tumortherapie ärztliche Leistungen erbracht und Medikamente verabreicht wurden, wurde die Behandlung als Gesamtleistung erfasst und vergütet.

    Am 14.05.2007 reichte die Klägerin die Körperschaftsteuer- und Gewerbesteuererklärung für 2005 nebst Jahresabschluss für 2005 beim Beklagten ein. In den Erklärungen wies sie für ihre wirtschaftlichen Geschäftsbetriebe ein zu versteuerndes Einkommen bzw. einen Gewerbeertrag von 90.768 € aus. In diesem Betrag ist weder ein Gewinn aus der Abgabe von Zytostatika an ambulant versorgte Patienten noch aus den damit im Zusammenhang stehenden ärztlichen Leistungen enthalten.

    Der Beklagte folgte zunächst den Angaben in den Steuererklärungen. Er erließ am 31.05.2007 einen entsprechenden Körperschaftsteuerbescheid. Zudem stellte er in einer Anlage zum Bescheid fest, dass die Klägerin im Übrigen gemeinnützigen Zwecken diente. Am 12.06.2007 erließ der Beklagte zudem einen erklärungsgemäßen Gewerbesteuermessbescheid für 2005. Beide Bescheide ergingen gemäß § 164 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO) unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.

    Im Jahre 2007 begann das Finanzamt für Groß- und Konzernbetriebsprüfung A-Stadt bei der Klägerin mit der Durchführung einer Betriebsprüfung für die Jahre 2001 bis 2005. Der Prüfer vertrat u.a. die Auffassung, bei der Versorgung der stationär aufgenommenen Patienten mit Zytostatika handele es sich um eine allgemeine Krankenhausleistung, die dem Zweckbetrieb (§ 67 AO) der Klägerin zuzuordnen sei. Demgegenüber vollziehe sich die Abgabe von Zytostatika an Patienten, die das Krankenhaus zu einer ambulanten Therapie aufsuchten, im Rahmen eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebes. Das zu versteuernde Einkommen und der Gewerbeertrag der Klägerin für 2005 sei daher um den aus dieser Tätigkeit resultierenden Reingewinn in Höhe von (unstreitig) 1.249.227 € zu erhöhen. Wegen der Einzelheiten wird auf Tz. 2.3 des Betriebsprüfungsberichtes vom 24.02.2009 Bezug genommen.

    Der Beklagte folgte den Vorschlägen des Prüfers und erließ am 31.07.2009 bzw. am 11.08.2009 entsprechende, gem. § 164 Abs. 2 AO geänderte Bescheide über Körperschaftsteuer und Solidaritätszuschlag für 2005 sowie über den Gewerbesteuermessbe-trag für 2005.

    Hiergegen legte die Klägerin Einspruch ein. Nachdem der Gewerbesteuermessbescheid für 2005 während des Einspruchsverfahrens am 25.09.2009 aus hier nicht interessierenden Gründen nochmals geändert worden war, wies der Beklagte die Einsprüche mit Einspruchsentscheidung vom 18.11.2010 als unbegründet zurück. Zur Begründung führte er aus, als Teil des Zweckbetriebes "Krankenhaus" im Sinne von § 67 AO sei lediglich die Versorgung von stationär untergebrachten Patienten mit Medikamenten und Hilfsmitteln durch die Krankenhausapotheke anzusehen. Die entgeltliche Abgabe der Zytostatika an die Patienten anlässlich einer ambulanten Behandlung im Krankenhaus gehöre nicht dazu; hierdurch werde ein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb im Sinne von § 5 Abs. 1 Nr. 9 Satz 2 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) und § 3 Nr. 6 Satz 2 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) i.V.m. den §§ 14, 64 AO begründet. Die Verabreichung der Zytostatika im Rahmen der ambulanten Therapie könne auch nicht als eigenständiger Zweckbetrieb im Sinne von § 65 AO angesehen werden, da die Krankenhausapotheke der Klägerin insoweit in einen schädlichen Wettbewerb mit anderen Apotheken trete.

    Hiergegen hat die Klägerin die vorliegende Klage erhoben. Zur Begründung macht sie im Wesentlichen geltend, der Beklagte gehe zu Unrecht davon aus, dass sich die Abgabe der Zytostatika an ambulant versorgte Patienten im Rahmen eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebes vollziehe. Zum Krankenhausbetrieb der Klägerin, der unstreitig die Voraussetzungen des § 67 Abs. 1 AO erfülle, gehörten nicht nur die an stationär versorgte Krebspatienten erbrachten Leistungen, sondern auch die als Ergänzung des vollstationären Angebotes anzusehenden Leistungen, die die Klägerin in der ambulanten Onkologie erbringe. Nach den auch für das Steuerrecht maßgebenden Begriffsbestimmungen in § 107 Abs. 1 SGB V und in § 2 Abs. 1 des Gesetzes zur wirtschaftlichen Sicherung der Krankenhäuser und zur Regelung der Krankenhauspflegesätze (KHG) müsse eine als Krankenhaus im Sinne dieser Normen anzusehende Einrichtung lediglich über die Möglichkeit der Unterbringung und Verpflegung der Patienten verfügen; die Unterbringung und Verpflegung sei jedoch nicht in jedem Falle erforderlich. Der Begriff der Krankenhausleistung könne mithin nicht auf vollstationäre Leistungen eingeengt werden; er umfasse vielmehr seit jeher auch teilstationäre und ambulante Leistungen. Dies lasse sich auch den Regelungen in den §§ 115a, 115b und 116b SGB V entnehmen, wonach die Krankenhäuser ermächtigt seien, vor- und nachstationäre Behandlungen durchzuführen, ambulant zu operieren und hochspezialisierte Leistungen ambulant zu erbringen. Im Falle ambulanter Notfallbehandlungen seien die Krankenhäuser sogar zur Leistungserbringung verpflichtet. Auch der Bundesfinanzhof (BFH) gehe in seiner Rechtsprechung davon aus, dass zum Zweckbetrieb Krankenhaus alle Einnahmen und Ausgaben gehörten, die mit den ärztlichen und pflegerischen Leistungen an die Patienten als Benutzer des jeweiligen Krankenhauses zusammenhingen.

    Die von der Klägerin im Rahmen der medikamentösen onkologischen Therapien erbrachten Leistungen seien nur dann nicht dem Zweckbetrieb Krankenhaus zuzuordnen, wenn sie nicht als ärztliche oder pflegerische Leistungen zu qualifizieren seien oder es sich nicht um typische, von einem Krankenhaus gegenüber den Patienten erbrachte Leistungen handele. Davon könne in Bezug auf die hier zu beurteilende Leistung indes nicht ausgegangen werden, denn die medikamentöse Tumortherapie setze sowohl ärzt-liche Entscheidungen zu der im jeweiligen Fall zu ergreifenden Therapie wie auch zu etwaigen Maßnahmen bei Eintritt von Komplikationen voraus. In Anbetracht der erheblichen Nebenwirkungen, die mit der Verabreichung der höchst toxisch wirkenden Zytostatika einhergehen könnten, sei eine laufende ärztliche Überwachung und Kontrolle der Patienten während der Infusion zwingend erforderlich. Die Verabreichung der Zytostatika sei daher in tatsächlicher Hinsicht nicht mit der Verschreibung von Medikamenten vergleichbar, die nach dem Erwerb in einer Apotheke ohne ärztliche Aufsicht vom Patienten eingenommen werden könnten. Die Verabreichung der Infusionen sei der ärztlichen Leistung untergeordnet und stelle lediglich eine Nebenleistung zur ärztlichen Leistung dar. Insoweit sei die medikamentöse Therapie etwa vergleichbar mit der Strahlentherapie, bei der die Verwendung der Strahlenquelle ebenfalls nur als Nebenleistung zur ärztlichen Leistung angesehen werde.

    Letztlich gehe der Beklagte zu Unrecht davon aus, dass es sich bei der Abgabe der Zytostatika an die Patienten im Rahmen der ambulanten Therapie um eine selbstständige, von der Krankenhausapotheke der Klägerin an die Patienten erbrachte Leistung handele. Zutreffenderweise sei der Sachverhalt jedoch in der Weise zu würdigen, dass die Klägerin unter Verwendung der von der Krankenhausapotheke gefertigten Medikamente und unter Einsatz ihrer ärztlichen und pflegerischen Kräfte eine einheitliche Behandlungsleistung gegenüber den Patienten erbringe. Angesichts dessen könne es für die Frage, ob die Verabreichung der Zytostatika im Rahmen der ambulanten Therapie dem Zweckbetrieb Krankenhaus zuzuordnen sei, auch nicht darauf ankommen, dass die rein ärztlichen Leistungen der Klägerin mit der Kassenärztlichen Vereinigung und die verabreichten Zytostatika separat mit den Krankenkassen abgerechnet würden. Dies gelte umso mehr, als andernfalls im Rahmen einer ambulanten Therapie erbrachte Leistungen steuerlich anders behandelt würden als die inhaltlich nahezu identischen Leistungen, die im Rahmen einer teilstationären Therapie erbracht werden.

    Die Klägerin habe ihre Leistungen auch nicht an Dritte, sondern unmittelbar gegenüber ihren Patienten erbracht. Denn aus der ihr vom Zulassungsausschuss der Ärzte und Krankenkassen für den Regierungsbezirk A-Stadt erteilten Institutsermächtigung nach § 31 Abs. 1 Buchst. a Ärzte-ZV ergebe sich, dass es sich bei den im Rahmen der ambulanten Tumortherapien erbrachten Leistungen um eigene Krankenhausleistungen der Klägerin gehandelt habe.

    Für den Fall, dass die Abgabe der Zytostatika im Rahmen der ambulanten Tumortherapie nicht als Teil des Zweckbetriebes Krankenhaus angesehen werden sollte, sei zu berücksichtigen, dass insoweit jedenfalls ein selbständiger Zweckbetrieb im Sinne von § 65 AO vorliege. Dies folge daraus, dass die Herstellung und die Abgabe der Zytostatika den in der Förderung des öffentlichen Gesundheitswesens bestehenden satzungsmäßigen Zwecken der Klägerin diene und nur durch den Betrieb der Krankenhausapotheke erreicht werden könne. Die Klägerin trete mit der Herstellung und Abgabe der Zytostatika auch nicht in größerem Umfang in Konkurrenz zu vergleichbaren, nicht begünstigten Betrieben, als dies für die Erfüllung der steuerbegünstigten Zwecke unvermeidbar sei. Denn es liege schon deshalb weder eine tatsächliche noch eine potentielle Konkurrenzsituation zu anderen Apotheken vor, weil es diesen regelmäßig an der für die Erstellung von Zytostatika erforderlichen technischen Einrichtung und Ausstattung fehle.

    Die Klägerin beantragt,

    den Bescheid über Körperschaftsteuer und Solidaritätszuschlag für 2005 vom 31.07.2009 und den Gewerbesteuermessbescheid für 2005 vom 25.09.2009, jeweils in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 18.11.2010, in der Weise zu ändern, dass das zu versteuernde Einkommen bzw. der Gewerbeertrag – unter Anpassung der Gewerbesteuerrückstellung – um 1.249.227 € herabgesetzt wird, hilfsweise, die Revision zuzulassen.

    Der Beklagte beantragt,

    die Klage abzuweisen,

    hilfsweise, die Revision zuzulassen.

    Er verweist zur Begründung auf die Ausführungen in der Einspruchsentscheidung vom 18.11.2010.

    Der Senat hat in der Sache am 23.02.2012 mündlich verhandelt. Wegen der Einzelheiten wird auf die Sitzungsniederschrift Bezug genommen.

    E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

    Die Klage ist zulässig und begründet.

    Die Bescheide über Körperschaftsteuer und Solidaritätszuschlag für 2005 vom 31.07.2009 sowie über den Gewerbesteuermessbetrag für 2005 vom 25.09.2009, jeweils in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 18.11.2010, sind insoweit rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO), als der Beklagte den Gewinn aus der Verabreichung von Zytostatika an ambulant versorgte Patienten in Höhe von 1.249.227 € nicht dem Zweckbetrieb der Klägerin, sondern einem wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb zugeordnet und dementsprechend das zu versteuernde Einkommen bzw. den Gewerbeertrag der Klägerin – unter Anpassung der Gewerbesteuerrückstellung – um diesen Betrag erhöht hat.

    I. Nach § 5 Abs. 1 Nr. 9 Satz 1 KStG, § 3 Nr. 6 Satz 1 GewStG ist eine Körperschaft von der Körperschaftsteuer bzw. von der Gewerbesteuer befreit, wenn sie nach ihrer Satzung und ihrer tatsächlichen Geschäftsführung ausschließlich und unmittelbar gemeinnützigen, mildtätigen und kirchlichen Zwecken dient (§§ 51 bis 68 AO). Die Steuerbefreiung ist gem. § 5 Abs. 1 Nr. 9 Satz 2 KStG, § 3 Nr. 6 Satz 2 GewStG jedoch ausgeschlossen, soweit ein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb (§ 14 AO) unterhalten wird; in diesem Fall verliert die Körperschaft gem. § 64 Abs. 1 AO die Steuervergünstigung für die dem Geschäftsbetrieb zuzuordnenden Einkünfte, soweit der wirtschaftliche Geschäftsbetrieb kein Zweckbetrieb (§§ 65 bis 68 AO) ist.

    1. Die Klägerin dient nach ihrem Gesellschaftsvertrag vom 01.12.1992 und ihrer tatsächlichen Geschäftsführung ausschließlich und unmittelbar gemeinnützigen Zwecken, denn sie fördert mit den von ihr unterhaltenen Krankenhäusern das öffentliche Gesundheitswesen (§ 52 Abs. 2 Nr. 2 AO in der für das Streitjahr geltenden Fassung). Dementsprechend ist sie vom Beklagten auch als gemeinnützig anerkannt worden.

    2. Mit der Abgabe von Zytostatika an ambulant behandelte Patienten unterhält die Klägerin einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb im Sinne von § 14 Satz 1 AO, denn es handelt sich hierbei um eine selbständige nachhaltige Tätigkeit, durch die Einnahmen oder sonstige wirtschaftliche Vorteile erzielt werden.

    3. Der wirtschaftliche Geschäftsbetrieb unterliegt jedoch nicht der Steuerpflicht, weil die Abgabe der Zytostatika an ambulant behandelte Patienten dem Zweckbetrieb Krankenhaus (§ 67 Abs. 1 AO) zuzuordnen ist.

    a. Nach § 67 Abs. 1 AO ist ein Krankenhaus, das in den Anwendungsbereich der Bundespflegesatzverordnung (BPflV) fällt, ein Zweckbetrieb, wenn mindestens 40 v.H. der jährlichen Pflegetage auf Patienten entfallen, bei denen nur Entgelte für allgemeine Krankenhausleistungen (§§ 11, 13 und 26 BPflV) berechnet werden. Die Vorschrift enthält keine Definition des Krankenhauses. Sie knüpft jedoch an das Sozialrecht an, so dass § 2 Nr. 1 KHG und § 107 SGB V zur Begriffsbestimmung erläuternd heranzuziehen sind (BFH-Urteile vom 22.10.2003 I R 65/02, Bundessteuerblatt –BStBl- II 2004, 300; vom 02.10.2003 IV R 48/01, BStBl II 2004, 363, jeweils m.w.N.). Nach § 2 Nr. 1 KHG sind Krankenhäuser Einrichtungen, in denen durch ärztliche und pflegerische Hilfeleistung Krankheiten, Leiden oder Körperschäden festgestellt, geheilt oder gelindert werden sollen oder Geburtshilfe geleistet wird und in denen die zu versorgenden Personen untergebracht und verpflegt werden können. § 107 Abs. 1 SGB V enthält eine ähnliche Definition: Danach sind Krankenhäuser Einrichtungen, die mit Hilfe von jederzeit verfügbarem ärztlichem Pflege-, Funktions- und medizinisch-technischem Personal darauf ausgerichtet sind, vorwiegend durch ärztliche und pflegerische Hilfeleistung Krankheiten der Patienten zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten, Krankheitsbeschwerden zu lindern oder Geburtshilfe zu leisten, und in denen die zu versorgenden Personen untergebracht und verpflegt werden können.

    Die Klägerin unterhält – wie zwischen den Beteiligten unstreitig ist – mit dem Klinikum X....... und dem Klinikum Y...... Einrichtungen, die die Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 KHG und des § 107 Abs. 1 SGB V erfüllen und von deren jährlich erbrachten Pflegetagen mindestens 40 v.H. auf Patienten entfallen, bei denen nur Entgelte für allgemeine Krankenhausleistungen (§§ 11, 13 und 26 BPflV) berechnet werden.

    b. Die Abgabe der Zytostatika an ambulant behandelte Patienten ist Teil der vom Zweckbetrieb Krankenhaus im Rahmen der ambulanten Behandlungen erbrachten ärzt-lichen Leistungen.

    aa. Zum Zweckbetrieb Krankenhaus gehört auch das Erbringen ambulanter Leistungen. Dies folgt bereits aus der Definition des Krankenhausbegriffs in § 2 Abs. 1 KHG bzw. in § 107 Abs. 1 SGB V, woraus sich jeweils ergibt, dass die Unterbringung von Patienten in der Einrichtung nicht in jedem Falle erfolgen, sondern nur möglich sein muss. Bestätigt wird dies durch die gesetzlichen Regelungen in § 39 Abs. 1 Satz 1 SGB V und in den §§ 116a, 116b SGB V, die voraussetzen, dass Krankenhausleistungen auch ambulant erbracht werden können. In Rechtsprechung und Literatur wird – soweit ersichtlich – ebenfalls nicht in Zweifel gezogen, dass das Erbringen ambulanter Leistungen unter den Krankenhausbegriff in § 67 Abs. 1 AO fallen kann (vgl. BFH-Urteil vom 02.03.1989 IV R 83/86, BStBl II 1989, 506 unter 1.c.; Klähn/Baumann, Die steuerliche Betriebsprüfung 2010, 350; Karsten, GesundheitsRecht 2007, 397). Darüber hinaus spricht für die Zuordnung der ambulant erbrachten onkologischen Therapien zum Zweckbetrieb Krankenhaus im vorliegenden Fall , dass die Ermächtigung zum Erbringen ambulanter onkologischer Therapien vom Zulassungsausschuss der Ärzte und Krankenkassen für den Regierungsbezirk A-Stadt nicht einzelnen in den Krankenhäusern der Klägerin tätigen Ärzten, sondern der Klägerin selbst als sogenannte Institutsermächtigung erteilt worden ist. Letztlich geht offenbar der Beklagte selbst davon aus, dass auch ambulant erbrachte Krankenhausleistungen dem Zweckbetrieb Krankenhaus zuzuordnen sind, denn andernfalls hätte er nicht nur die Abgabe von Zytostatika an ambulant behandelte Patienten, sondern gleichermaßen die damit zusammenhängenden ärztlichen und pflegerischen Leistungen und sämtliche sonstigen ambulanten Leistungen einem wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb zuweisen müssen.

    bb. Die von der Klägerin im Bereich der ambulanten onkologischen Therapie erbrachten Krankenhausbehandlungen umfassen auch die Abgabe von Zytostatika durch die Krankenhausapotheke. Dies entnimmt der Senat zum einen daraus, dass sich der (gemäß § 39 Abs. 1 Satz 1 SGB V gleichermaßen ambulante Leistungen umfassende) Begriff der Krankenhausbehandlung gemäß § 39 Abs. 1 Satz 3 SGB V nicht nur auf die ärztlichen und pflegerischen Leistungen erstreckt, sondern ausdrücklich die Versorgung mit Arznei-, Heil- und Hilfsmitteln einschließt. Dementsprechend ist unter den Beteiligten zu Recht unstreitig, dass die Abgabe von Zytostatika an stationär behandelte Patienten dem Zweckbetrieb Krankenhaus zuzuordnen ist. Von einer einheitlichen Krankenhausleistung ist jedoch nicht nur bei der stationären Anwendung von Zytostatika, sondern gleichermaßen bei deren ambulanter Verabreichung auszugehen. In beiden Fällen war die Versorgung der Patienten mit Zytostatika durch die Krankenhausapotheke eng in das therapeutische Behandlungskonzept eingebunden. Die für die ambulante Behandlung der Patienten erforderlichen Zytostatika wurden nämlich ebenfalls in Abhängigkeit von dem Ergebnis der ärztlichen Untersuchung täglich zeitnah und individuell hergestellt und den Patienten anschließend unter ärztlicher Aufsicht verabreicht. Die ambulante Behandlung war auch eng mit der stationären Behandlung verzahnt, denn es wurde täglich entschieden, ob – was vom Behandlungserfolg und von der Konstitution des Patienten abhing - der Patient weiterhin ambulant oder aber stationär behandelt werden sollte. Da wegen der toxischen Wirkung der Zytostatika eine ärztliche und pflegerische Überwachung der Patienten während der Infusion zwingend erforderlich war, kann die Verabreichung der Zytostatika insbesondere nicht mit der Abgabe von Medikamenten an Patienten gleichgestellt werden, die von den Patienten ohne ärztliche Aufsicht eingenommen werden können.

    Demgegenüber ist nicht ersichtlich, worauf der Beklagte die von ihm vertretene Auffassung stützen will, es handele sich bei der Abgabe von Zytostatika im Rahmen einer ambulanten onkologischen Therapie um eine von der ärztlichen bzw. pflegerischen Leistung zu trennende selbstständige Leistung. Er hat hierfür weder eine gesetzliche Grundlage noch eine Verwaltungsanweisung benannt. Zwar geht die Finanzverwaltung auch für den Bereich der Umsatzsteuer davon aus, dass bei der Abgabe von Zytostatika im Rahmen einer ambulanten onkologischen Therapie – anders als im Rahmen eines stationären Therapie – keine eng mit dem Betrieb eines Krankenhauses verbundenen Umsätze i.S.v. § 4 Nr. 16b des Umsatzsteuergesetzes (UStG) vorliegen (vgl. Abschnitt 100 Abs. 3 Nr. 4 Umsatzsteuer-Richtlinien 2005 sowie Verfügung des Bayerischen Landesamtes für Steuern vom 09.11.2009 S 0186.2.1-2/2 St 31, juris); auch insoweit ist jedoch nicht ersichtlich, worauf diese Differenzierung gestützt wird (die Verwaltungsauffassung ablehnend FG Münster, Urteil vom 12.05.2011 5 K 435/09, EFG 2011, 1470, Rev. V R 19/11).

    Der Beklagte kann sich für die von ihm vorgenommene Differenzierung insbesondere nicht auf die Rechtsprechung des BFH zum Vorliegen von Krankenhausleistungen stützen, die ebenfalls nicht danach unterscheidet, ob eine Krankenhausleistung ambulant oder stationär erbracht wird. Auch kommt es für die Zuordnung von Leistungen zum Zweckbetrieb Krankenhaus oder zu einem wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb nicht darauf an, ob die Abrechnung der Leistungen durch Erhebung eines Gesamtentgeltes oder einzeln gegenüber den Krankenkassen erfolgt. Maßgebend ist vielmehr, ob ärztliche und pflegerische Leistungen an die Patienten als Benutzer des jeweiligen Krankenhauses erbracht werden oder solche, die (wie z.B. bei der Lieferung von Medikamenten an andere Krankenhaus- oder an öffentliche Apotheken, an Krankenhausbedienstete oder an zur eigenen Abrechnung berechtigte Chefarztambulanzen) Dritten zugute kommen (vgl. BFH-Urteile vom 06.04.2005 I R 85/04, BStBl II 2005, 545; vom 18.10.1990 V R 35/85, BStBl II 1991, 157; so auch Krüger in Schwarz, AO, § 67 AO Rz. 8; Jachmann in Beermann/Gosch, AO/FGO, § 67 AO Rz. 7 und Wallenhorst in Wallenhorst/Halaczinsky, Die Besteuerung gemeinnütziger Vereine, Stiftungen und der juristischen Personen des öffentlichen Rechts, 6. Aufl., Teil L Rn. 178). Letzteres ist bei der Abgabe der Zytostatika im Rahmen der ambulanten onkologischen Therapie jedoch gerade nicht der Fall, denn die Klägerin verwendet die Zytostatika unmittelbar dazu, eine onkologische Behandlungsleistung an ihre Patienten zu erbringen.

    Schließlich ist die vom Beklagten vertretene Auffassung in sich nicht schlüssig. Denn zum einen führt sie, ohne dass hierfür ein Rechtfertigungsgrund ersichtlich ist, zu einer Ungleichbehandlung der im Zusammenhang mit der Verabreichung der Zytostatika erzielten Gewinne; dies erscheint umso bedenklicher, als die Grenzen zwischen ambulanter und stationärer bzw. teilstationärer Behandlungsform fließend und die Behandlungsformen – wie oben ausgeführt – eng miteinander verzahnt sind. Zum anderen erscheint die vom Beklagten vertretene Rechtsauffassung auch deshalb inkonsequent, weil sie nur die Gewinne aus der ambulanten Verabreichung von Zytostatika einem wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb zuweisen will. Sollte die vom Beklagten vertretene Rechtsauffassung zutreffend sein, so müssten diesem Geschäftsbetrieb jedoch nicht nur diese, sondern sämtliche Gewinne zugewiesen werden, die im Zusammenhang mit der ambulanten Versorgung von Patienten mit Arznei-, Heil- und Hilfsmitteln anfallen.

    cc. Entgegen der Ansicht des Beklagten ist es im Streitfall nicht von Bedeutung, ob die Klägerin mit der Verabreichung von Zytostatika im Rahmen der ambulanten Behandlung in Wettbewerb zu anderen Anbietern von Zytostatika tritt. Dies folgt bereits daraus, dass die §§ 66 ff. AO gegenüber der Generalklausel in § 65 AO rechtssystematisch vorrangig sind und aufgrund dessen bei Eingreifen einer der Spezialregelungen – wie vorliegend § 67 Abs. 1 AO - eine Prüfung der Wettbewerbsklausel in § 65 Nr. 3 AO zu unterbleiben hat (vgl. BFH-Urteil vom 04.06.2003 I R 25/02, BStBl II 2004, 660; Fischer in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 65 AO Rz. 13; Eversberg/Baldauf, Deutsche Steuerzeitung 2011, 597, 600). Auch wenn es unter Wettbewerbsgesichtspunkten möglicherweise wünschenswert wäre, die Abgabe von Zytostatika im Rahmen einer ambulanten Behandlung nicht dem Zweckbetrieb Krankenhaus, sondern einem wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb zuzuordnen, so fehlt es hierfür derzeit an einer gesetzlichen Grundlage; es wäre insoweit Aufgabe des Gesetzgebers, entsprechende Regelungen zu treffen.

    4. Da die Verabreichung der Zytostatika – als Zweckbetrieb i. S. des § 67 Abs. 1 AO – bereits von der Steuerbefreiung des § 3 Nr. 6 GewStG umfasst wird, kommt es nicht mehr darauf an, ob in Bezug auf die Gewerbesteuer auch eine Steuerbefreiung der Klägerin nach § 3 Nr. 20 GewStG in Betracht kommt.

    II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i.V.m. den §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung.

    III. Die Berechnung der geänderten Körperschaftsteuer und des Solidaritätszuschlags für 2005 sowie des geänderten Gewerbesteuermessbetrages für 2005 wird dem Beklagten übertragen (§ 100 Abs. 2 Satz 2 AO); bei der Berechnung ist die gegenläufige Anpassung der Gewerbesteuer-Rückstellung zu berücksichtigen.
    IV. Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache zugelassen (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO).

    RechtsgebietFinanz- und Abgabenrecht