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  • 20.04.2012 · IWW-Abrufnummer 121217

    Finanzgericht Münster: Urteil vom 23.02.2012 – 5 V 4511/11 U

    Nach Ansicht des EuGH ist die Abgabe frisch zubereiteter Speisen zum sofortigen Verzehr an Imbissständen oder -wagen dann als Lieferung zu qualifizieren, wenn eine qualitative Prüfung des gesamten Umsatzes ergibt, dass die Dienstleistungselemente, die der Lieferung der Nahrungsmittel voraus- und mit ihr einhergehen, nicht überwiegen. Nach diesem Grundsatz sind Umsätze aus dem Verkauf von Bratwürstchen, Pommes frites als Lieferung i.S.d. § 3 Abs. 1 UStG anzusehen, da es sich um einfach zubereitete Speisen im vorgenannten Sinne handelt.


    FG Münster v. 23.02.2012

    5 V 4511/11 U

    Tatbestand
    I.

    Die Antragstellerin (Ast.) begehrt im Wege der einstweiligen Anordnung die Auszahlung von Umsatzsteuererstattungsbeträgen und Zinsen für die Jahre 2006 bis 2008.

    Die Astin. ist Alleingesellschafterin und Geschäftsführerin der L GmbH (nachfolgend: „GmbH”). Es besteht eine umsatzsteuerliche Organschaft mit der Astin. als Organträgerin und der L GmbH als Organgesellschaft. Die GmbH betreibt mehrere Imbissstände auf Parkplätzen von Supermärkten und Einkaufszentren. An den Imbissständen werden Brat- und Currywürste, Krakauer, Frikadellen, Pommes und Getränke (Cola, Cola light, Fanta, Sprite, Wasser, Caprisonne) verkauft. Bei den Imbissständen handelt es sich um mobile Imbisswagen. Diese verfügen über eine Verkaufstheke bzw. Ablagebrett, an dem auf Wunsch auch Speisen verzehrt werden können. Weitere gesonderte Verzehrvorrichtungen werden nicht vorgehalten. In den Veranlagungsjahren 2006 bis 2008 erklärte die Astin. ihre Umsätze jeweils als Umsätze zum regulären Steuersatz von 19%. Die Umsatzsteuererklärungen stehen Steuerfestsetzungen unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gleich.

    Am 10.03.2011 erging das Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) in den Rechtssachen „Gob” u.a. Danach ist die Abgabe frisch zubereiteter Speisen zum sofortigen Verzehr an Imbissständen oder -wagen regelmäßig als Lieferung zu qualifizieren, wenn sich die Zubereitung dieser Speisen auf einfache standardisierte Handlungen beschränkt, die dem Umsatz nicht den Charakter einer Dienstleistung verleihen können (vgl. EuGH, Urteil vom 10.03.2011 , „Bog” u.a., C-497, 499, 501, 502/09, ABl EU 2011, Nr C 130, 6, DStR 2011, 515). Folgeurteile des Bundesfinanzhofs (BFH) ergingen am 08.06.2011 und am 30.06.2011 (BFH, Urteil vom 08.06.2011, XI R 33/08, Juris; Urteil vom 08.06.2011, XI R 37/08, DB 2011, 2129; Urteil vom 30.06.2011, V R 18/10, BFH/NV 2011, 1813; Urteil vom 30.06.2011, V R 35/08, BFH/NV 2011, 1811).

    Unter Bezugnahme auf diese Rechtsprechung beantragte die Astin. die Änderung der unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Umsatzsteuerfestsetzungen für 2006 bis 2008. Für das Jahr 2006 stellte die Ast. den Änderungsantrag am 05.09.2011, für das Jahr 2007 am 07.06.2011 und für das Jahr 2008 am 19.05.2011.

    Mit Bescheid vom 22.06.2011 lehnte der Antragsgegner (Ag.) die Änderungen der Umsatzsteuerfestsetzungen 2007 und 2008 ab. Zur Begründung führte der Ag. zum damaligen Zeitpunkt aus, dass das Urteil des EuGH weder vom BFH in seiner Rechtsprechung aufgegriffen noch durch den deutschen Gesetzgeber in nationales Recht umgesetzt worden sei. Die nationalen Regeln gälten daher auch weiterhin. Gegen den ablehnenden Bescheid legte die Astin. am 29.06.2011 Einspruch ein, über den bislang nicht entschieden ist. Über den Antrag auf Änderung der Umsatzsteuerfestsetzung 2006 hat der Ag. bislang nicht entschieden. Mit Schreiben vom 07.09.2011 teilte der Ag. der… Astin. sinngemäß mit, dass dem Antrag bezüglich der Umsatzsteuer für 2006 gegenwärtig nicht stattgegeben werden könne. Der Antrag bliebe jedoch bestehen. Die Änderung werde durchgeführt, sobald das Urteil des EuGH vom 10.03.2011 im Bundessteuerblatt veröffentlicht worden sei.

    Am 19.12.2011 hat die Astin. Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung beim Finanzgericht Münster gestellt, mit welcher die Erstattung von Umsatzsteuern der Jahre bis 2008 in Höhe von insgesamt 110.617,14 EUR begehrt wird. Der Betrag setzt sich zusammen aus 26.282,25 EUR für das Jahr 2006, 38.185,19 EUR für das Jahr und 46.149,70 EUR für das Jahr 2008.

    Der für den Erlass einer einstweiligen Anordnung erforderliche Anordnungsanspruch sei unzweifelhaft gegeben. Der Ag. sei verpflichtet, die Änderungsanträge unter Beachtung der Rechtsprechung des EuGH und des BFH zu entscheiden. Die Verwaltung könne sich nicht auf eine Erlasslage berufen, die vom geltenden Recht abweicht. Weiterhin verweist die Astin. auf die vom Rat der Europäischen Union am 15.03.2011 erlassene Durchführungsverordnung Nr. 282/2011 zur Festlegung von Durchführungsvorschriften zur Richtlinie 2006/112/EG über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem. In Art. 6 Abs. 2 dieser Verordnung, die am 01.07.2011 in Kraft getreten sei, werde angeordnet, dass die Abgabe von zubereiteten oder nicht zubereiteten Speisen und/oder Getränken mit oder ohne Beförderung, jedoch ohne andere unterstützende Dienstleistungen nicht als Restaurant- oder Verpflegungsleistung gilt.

    Die Astin. ist der Ansicht, dass die begehrte einstweilige Anordnung unabhängig von dem Vorliegen eines Anordnungsanspruchs gewährt werden müsse, weil die Rechtslage klar und eindeutig und eine abweichende Beurteilung in einem etwaig durchzuführenden Hauptsacheverfahren zweifelsfrei auszuschließen sei. Davon unabhängig seien vorliegend auch die Voraussetzungen eines Anordnungsgrundes gegeben. Die Astin. und die GmbH befänden sich in erheblichen Liquiditätsproblemen; es drohe unmittelbar die Zahlungsunfähigkeit der Astin. und der GmbH. Zur Glaubhaftmachung hat die Astin. Unterlagen vorgelegt, auf die Bezug genommen wird. Auch der Gesichtspunkte einer Vorwegnahme der Entscheidung in der Hauptsache stehe der begehrten einstweiligen Anordnung nach Ansicht der Astin. nicht entgegen.

    Weiterhin trägt die Astin. vor, dass es ihr trotz intensiver Bemühungen nicht gelungen sei, den Ag. zu einer Entscheidung über die Änderungsanträge zu bewegen. Eine telefonische Anfrage beim Bundesminister für Finanzen habe ergeben, dass mit einer Veröffentlichung des BFH-Urteils vom 30.06.2011 in der nächsten Zeit nicht zu rechnen sei. Es sei eine weitere noch ausstehende Nachfolgeentscheidung des Bundesfinanzhofs abzuwarten; erst dann werde die Erlasslage überarbeitet werden.

    Wegen der weiteren Einzelheiten des Vortrags der Astin. wird auf die Schriftsätze vom 16.12.2011, vom 31.01.2012 und vom 14.02.2012 Bezug genommen.

    Die Astin. beantragt,

    1.den Ag. durch einstweilige Anordnung zu verpflichten, der Antragstellerin die von ihr für die Jahre 2006 bis 2008 zu viel gezahlte Umsatzsteuer in Höhe von insgesamt 110.617,14 EUR zzgl. der gesetzlichen Verzinsung gem. § 233a AO zu erstatten,

    2.im Unterliegensfalle die Beschwerde zuzulassen.

    Der Ag. beantragt,

    den Antrag abzulehnen.

    Nach Auffassung des Ag. ist der vorliegende Antrag auf einstweilige Anordnung dahingehend auszulegen, dass der Ag. verpflichtet werden solle, die Umsatzsteuerbescheide für die Jahre 2006 und 2008 antragsgemäß zu ändern. Der Antrag sei bereits unzulässig, da durch ihn eine endgültige Regelung getroffen und so das Ergebnis des Hauptsacheverfahrens vorweggenommen werde. Zwar könne im Einzelfall die Vorwegnahme der Hauptsache erforderlich sein, um unzumutbare Nachteile für den Antragsteller zu vermeiden und effektiven Rechtsschutz zu gewährleisten. Dabei seien an das Vorliegen von Anordnungsanspruch und -grund jedoch strenge Anforderungen zu stellen. Es sei zweifelhaft, ob im vorliegenden Fall diese Voraussetzungen erfüllt seien. Zwar habe auch der Bundesfinanzhof mittlerweile entschieden, dass die Abgabe einfach zubereiteter Speisen an Imbissständen mit nur behelfsmäßigen Verzehrvorrichtungen dem ermäßigten Steuersatz unterliege. Diese Entscheidung des Bundesfinanzhofs seien jedoch nur für die unmittelbar Beteiligten verbindlich. Die von der Astin. angeführte Verordnung Nr. 282/2011 gelte nicht für die hier streitbefangenen Veranlagungszeiträume 2006 bis 2008. Zudem habe die Astin. ihre Liquiditätslage nicht hinreichend glaubhaft gemacht. Der Ag. verweist darauf, dass die Grundstücke, die die Astin. im Privatvermögen hält, mit nicht valutierten EigentümerGrundschulden zu einem Betrag von 400.000 EUR belastet sind, die die Astin. ihren Gläubigern als Sicherheit zur Verfügung stellen könnte. Zudem beruhten die Zahlungsschwierigkeiten der Astin. auf wirtschaftlichem Fehlverhalten und nicht auf der Ablehnung der Auszahlung der Umsatzsteuererstattungen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Vortrags des Ag. wird auf die Schriftsätze vom 16.01.2012 und vom 07.02.2012 Bezug genommen.



    Gründe
    II.

    Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist zulässig und begründet.

    1.

    Der Senat legt den Antrag der Astin. dahingehend aus, dass Verpflichtung des Ag. zum vorläufigen Erlass geänderter Umsatzsteuerbescheide sowie die sofortige Auszahlung des sich daraus ergebenden USt-Guthabens und der Zinsen begehrt wird.

    2.

    Der zulässige Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist auch begründet. Die Voraussetzungen für den Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung sind erfüllt.

    Gemäß § 114 Abs. 1 Satz 2 FGO kann das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn die Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus anderen Gründen nötig erscheint (sog. Regelungsanordnung). Voraussetzung für einen erfolgreichen Antrag ist, dass der Antragsteller einen Grund für die zu treffende Regelung (sog. Anordnungsgrund) und den Anspruch, aus dem er sein Begehren herleitet (sog. Anordnungsanspruch), schlüssig dargelegt und deren tatsächliche Voraussetzungen glaubhaft gemacht hat (§ 114 Abs. 3 FGO i.V.m. § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung). Fehlt es an einer der beiden Voraussetzungen, kann die einstweilige Anordnung nicht ergehen (z.B. BFH-Beschluss vom 22. 12.2006 VII B 121/06, BStBl II 2009, 839).

    a.

    Der für den Erlass der einstweiligen Anordnung erforderliche Anordnungsanspruch ist gegeben. Die Astin. hat bei summarischer Prüfung Anspruch auf Änderung der unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Umsatzsteuerfestsetzungen 2006 bis 2008 gem. § 164 Abs. 2 Satz 2 AO. Diese Umsatzsteuerfestsetzungen sind rechtswidrig. Denn der Ag. hat die Umsätze der Astin. aus der Abgabe von Speisen bislang dem regulären Steuersatz von 16% bzw. 19% unterworfen (§ 12 Abs. 1 UStG), obwohl diese Umsätze tatsächlich als Lieferungen i.S.d. § 3 Abs. 1 UStG dem reduzierten Steuersatz von 7% unterliegen (§ 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG i.V.m. Anlage 2 zum UStG).

    Die bloße Lieferung von Speisen und Getränken i.S. des § 3 Abs. 1 UStG ist von der Abgabe von Speisen und Getränken zum Verzehr an Ort und Stelle abzugrenzen, die als sonstige Leistung i.S.d. § 3 Abs. 9 UStG zu qualifizieren ist. Während die Lieferung von Speisen i.S. des § 3 Abs. 1 UStG dem ermäßigten Steuersatz von 7% unterliegt (§ 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG i.V.m. Anlage 2 zum UStG), ist die als sonstige Leistung i.S. des § 3 Abs. 9 UStG zu qualifzierende Abgabe von Speisen zum regulären Steuersatz zu versteuern.

    Zur Abgrenzung von Lieferung und sonstiger Leistung im Falle von Imbissständen hat der EuGH in seinem Urteil vom 10.03.2011 Stellung genommen (Rechtssachen „Bog” u.a., C-497, 499, 501, 502/09, ABl EU 2011, Nr C 130, 6, DStR 2011, 515). Danach ist die Abgabe frisch zubereiteter Speisen oder Nahrungsmittel zum sofortigen Verzehr an Imbissständen oder -wagen dann als Lieferung zu qualifizieren, wenn eine qualitative Prüfung des gesamten Umsatzes ergibt, dass die Dienstleistungselemente, die der Lieferung der Nahrungsmittel voraus- und mit ihr einhergehen, nicht überwiegen ( EuGH-Urteil vom 10.03.2011, aaO., erster Spiegelstrich des ersten Leitsatzes). Der Verkauf von Bratwürstchen und Pommes frites an einem Imbissstand beinhaltet aufgrund der notwendigen Zubereitungshandlungen zwar stets auch ein Dienstleistungselement. Diese Zubereitung beschränkt sich jedoch auf einfache standardisierte Handlungen, die dem Umsatz insgesamt nicht den Charakter einer Dienstleistung verleihen können (vgl. EuGH, EuGH, Urteil vom 10.03.2011 , aaO., Rn. 67 und 68). Die Annahme einer bloßen Lieferung liegt nach einer beispielhaften Aufzählung des EuGH insb. dann nahe, wenn kein Kellnerservice, keine geschlossenen und temperierten Räume, keine Garderobe und keine Toiletten und kein Mobiliar und Gedeck vorgehalten werden (vgl. EuGH-Urteil vom 10.03.2011, aaO., Rn. 69).

    Nach den vorstehend dargestellten Grundsätzen sind die Umsätze der Astin. aus dem Verkauf von Bratwürstchen, Pommes frites als Lieferung i.S.d. § 3 Abs. 1 UStG zu qualifizieren, da es sich um einfach zubereitete Speisen im Sinne der Rechtsprechung des EuGH und des BFH handelt. Die Astin. hält auch keine höherwertigen Verzehrvorrichtungen (Tische, Bänke etc.) vor, die ggf. zu einer Qualifizierung der Umsätze als sonstige Leistung i.S. des § 3 Abs. 9 UStG führen können.

    Durch Vorlage der korrigierten Umsatzsteuererklärungen nebst Anlagen hat die Astin. die Höhe der Umsätze aus der Abgabe von Speisen und die Höhe der hieraus resultierenden Erstattungsbeträge hinreichend glaubhaft gemacht. Der Ag. hat die Richtigkeit dieser Angaben nicht bestritten.

    Der Anordnungsanspruch im Hinblick auf die Zinsen ergibt sich aus § 233a AO.

    b.

    Der Senat bejaht auch den Anordnungsgrund. Die Astin. hat schlüssig dargelegt und glaubhaft gemacht, dass ihr ohne die begehrte einstweilige Anordnung wesentliche Nachteile drohen. Die Astin. und die von ihr beherrschte Organgesellschaft sind unmittelbar von der Zahlungsunfähigkeit bedroht.

    Ein Anordnungsgrund ist nach § 114 Abs. 1 Satz 2 FGO gegeben, wenn die einstweilige Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Notwendig ist die Anordnung nur, wenn das private Interesse des Antragstellers an der einstweiligen Regelung das öffentliche Interesse an der Aufrechterhaltung des gegenwärtigen Zustandes überwiegt und die vorläufige Maßnahme unumgänglich ist, um wesentliche Beeinträchtigungen der Rechtsposition des Antragstellers zu verhindern. Die für den Erlass einer Anordnung geltend gemachten Gründe müssen so schwerwiegend sein, dass sie eine einstweilige Anordnung unabweisbar machen; das ist dann der Fall, wenn ohne eine vorläufige Regelung die wirtschaftliche und persönliche Existenz des Antragstellers bedroht wäre. Geringere Beeinträchtigungen des Antragstellers reichen grundsätzlich nicht aus (vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 08.06.2011 III B 210/10, BFH/NV 2011, 1692; BFH-Beschluss vom 23.09.1998 I B 82/98, BStBl II 2000, 320; jeweils m.w.N.). Da eine einstweilige Anordnung nur einem vorläufigen Rechtsschutz dient, muss sich die Regelungsanordnung auf eine vorläufige Regelung beschränken. Sie ist grundsätzlich unzulässig, wenn sie das Ergebnis der Entscheidung in der Hauptsache praktisch vorwegnehmen und damit dieser endgültig vorgreifen würde (BFH-Beschluss vom 23.09.1998, I B 82/98, BStBl II BStBl 1998 II S. 2000, BStBl 1998 II S. 320; BFH-Beschluss vom 09.12.1969, VII B 127/69, BStBl II 1970, 222). Ausnahmsweise ist eine dem Ergebnis des Hauptsacheverfahrens endgültig vorgreifende Regelungsanordnung allerdings zulässig, wenn sie zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes unumgänglich ist, der Erfolg des Antragstellers im Hauptsacheverfahren wahrscheinlich ist und der Anordnungsgrund eine besondere Intensität aufweist (BFH-Beschluss vom 20.09.1988 VII B 129/88, BStBl II 1988, 956; BFHBeschluss vom 22.08.1995, VII B 153, 154, 167, 172/95, BStBl 1995 II S. 1995 645).

    Im vorliegenden Fall besteht ein Anordnungsgrund, weil die wirtschaftliche Existenz der Astin. und der GmbH wegen drohender Zahlungsunfähigkeit unmittelbar bedroht ist. Es bestehen offene Verbindlichkeiten der GmbH in beträchtlicher Höhe, die von dieser jedenfalls gegenwärtig nicht beglichen werden können. Die Hausbanken der GmbH sind nicht bereit, eine Erweiterung des bereits ausgeschöpften Kreditrahmens zu gewähren. Diese Umstände hat die Astin. durch Vorlage zahlreicher Unterlagen glaubhaft gemacht, insb. durch Bestätigungen der Hausbanken der GmbH sowie durch Mahnungen und geschäftliche Korrespondenz. Auch die Astin. ist nicht in der Lage, der GmbH kurzfristig Liquidität aus ihrem Privatvermögen zur Verfügung zu stellen. Zwar stehen der Astin. offenbar nicht valutierte Eigentümergrundschulden zur Verfügung, die sie ihren Gläubigern als Sicherheit anbieten könnte. Der Senat sieht jedoch als glaubhaft an, dass die Banken angesichts des akuten Liquiditätsmangels der Astin. trotz möglicher Sicherheitengestellung nicht zur Erhöhung der vorhandenen Kreditrahmen bereit sind. Das vorhandene Immobilienvermögen der Astin. lässt sich nicht kurzfristig liquidieren.

    Durch die einstweilige Anordnung wird zwar die Entscheidung in der Hauptsache vorweggenommen, da die Astin. nach Vollziehung der einstweiligen Anordnung uneingeschränkt über den Erstattungsbetrag verfügen kann. Auch der Umstand der Vorwegnahme der Hauptsache lässt den Anordnungsgrund im vorliegenden Fall jedoch ausnahmsweise nicht entfallen. Die Gewährung der einstweiligen Anordnung ist vorliegend zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes unumgänglich, da durch den drohenden Eintritt der Insolvenz der Astin. ggf. unumkehrbarer Schaden droht. Weiterhin ist ein öffentliches Interesse an der Aufrechterhaltung des gegenwärtigen Zustandes nicht ersichtlich. Nach der gebotenen summarischen Prüfung ist frei von jeglichen Zweifeln, dass die von der Astin. erzielten Umsätze aus der Abgabe von Speisen als Lieferung i.S.d. § 3 Abs. 1 UStG zu qualifizieren sind und dem ermäßigten Steuersatz gem. § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG i.V.m. Anlage 2 des UStG unterliegen. Materiell-rechtliche Argumente, die gegen diese rechtliche Beurteilung sprechen, konnte der Ag. nicht vortragen.

    Der Ag. kann sich nicht mit Erfolg darauf berufen, dass die Entscheidung des EuGH vom 10.03.2011 und die Folgeentscheidungen des BFH vom 08.06.2011 und vom 30.06.2011 noch nicht im Bundessteuerblatt veröffentlicht sind. Die Verpflichtung des Ag. zur Anwendung der geltenden Gesetze kann durch verwaltungsinterne Anweisungen übergeordneter Behörden weder sachlich beschränkt noch in zeitlicher Hinsicht ausgesetzt werden.

    3.

    Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Dieser Beschluss ist im Hinblick auf die Zahlungsverpflichtung des Ag. gemäß § 114 Abs. 3 FGO i.V.m. § 929 ZPO sofort vollziehbar.

    RechtsgebietUStGVorschriftenUStG § 3 Abs 9 UStG § 3 Abs 1