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  • 11.08.2010 · IWW-Abrufnummer 102511

    Verwaltungsgericht Berlin: Urteil vom 19.05.2010 – 14 K 45.09

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    14 K 45.09

    Tenor

    Die Klage wird abgewiesen.

    Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

    Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

    Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu voll-streckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

    Tatbestand

    Der am ... 1945 geborene Kläger ist approbierter Apotheker; er betreibt auf der Grundlage einer ihm am 19. Dezember 1978 erteilten Apothekenbetriebserlaubnis die O...-Apotheke in der B... Berlin, als selbständiger Apotheker. Die Beteiligten streiten um die Frage der Rechtmäßigkeit des Widerrufs dieser Erlaubnis, den der Beklagte nach einer strafgerichtlichen Verurteilung des Klägers wegen der Abgabe verschreibungspflichtiger Medikamente (Hormonpräparate und Beruhigungsmittel) zur Verwendung in der Bodybuildingszene sowie der rezeptlosen Überlassung von Rohypnol und Diazepam an einen Drogenabhängigen ausgesprochen hat.

    Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

    Auf der Grundlage der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Berlin vom 3. Juli 2008, Aktenzeichen 68 Js 533/06, eröffnete der Beklagte gegen den Kläger das förmliche Verwaltungsverfahren mit dem Gegenstand des Widerrufs der Erlaubnis zum Betrieb der O...-Apotheke. Mit Urteil des Landgerichts Berlin vom 22. Januar 2009 (511) 68 Js 533/06 KLs (15/08) wurde der Kläger wegen unerlaubter Abgabe von Betäubungsmitteln in einer Apotheke im besonders schweren Fall und wegen unerlaubter Abgabe von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln in sechs Fällen, davon in vier Fällen in Tateinheit mit unerlaubter Abgabe von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln zu Dopingzwecken im Sport, zu einer (hinsichtlich ihrer Vollstreckung auf Bewährung ausgesetzten) Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt; ferner wurde ihm für die Dauer von drei Jahren die Ausübung des Berufs des Apothekers sowie jede berufliche Tätigkeit in Apotheken untersagt. Nachdem der Klägervertreter darauf hingewiesen hatte, dass das Strafverfahren nunmehr zwar in erster Instanz abgeschlossen sei, eine schriftliche Urteilsbegründung jedoch noch nicht vorliege und Rechtskraft nicht gegeben sei, da gegen die erstinstanzliche Verurteilung durch den Kläger Revision eingelegt worden sei, fand die mündliche Verhandlung im Rahmen des förmlichen Verwaltungsverfahrens am 31. März 2009 statt. Von der ihm bei dieser mündlichen Verhandlung eingeräumten Möglichkeit, bis zum 18. Mai 2009 den Verkauf seiner Apotheke nachzuweisen und von dem Käufer einen Antrag auf Erteilung einer Apothekenbetriebserlaubnis für die O...-Apotheke stellen zu lassen, machte der Kläger im Ergebnis keinen Gebrauch. Gestützt auf das dem Beklagten zwischenzeitlich zugegangene schriftliche Urteil erging daraufhin der Widerruf der Apothekenbetriebserlaubnis unter gleichzeitiger Anordnung der sofortigen Vollziehung. In dem Widerrufsbescheid vom 18. Mai 2009 heißt es, der Kläger habe als Apotheker seine Sorgfaltspflicht und gesetzliche Normen in erheblichem Maße missachtet. Er habe seine besondere Stellung als Leiter einer öffentlichen Apotheke zur Ausübung der gesetzwidrigen Handlungen missbraucht. Die glaubhaften Zeugenaussagen und die Menge der sichergestellten Beweismittel belegten eindrücklich, dass die Abgabe von Arzneimitteln ohne Vorliegen einer ärztlichen Verschreibung offensichtlich ein alltäglicher Vorgang für ihn gewesen sei. Gerichtlich sei ermittelt worden, dass ein pharmazeutischer Großhändler im Zeitraum von März 2006 bis zum 28. August 2006 über ein Drittel seiner im gesamten Stadtgebiet an Apotheken verkauften Rohypnol-Packungen allein in die O...-Apotheke geliefert habe. Diese Tatsache verdeutliche das enorm hohe Ausmaß der (illegalen) Abgabe allein dieses Arzneimittels und lasse die Gefahr erkennen, dass auch zukünftig ein erheblicher Teil des Apothekenumsatzes über gesetzeswidriges Handeln erzielt werde. Allen Fällen gemeinsam sei, dass er - der Kläger - ganz bewusst seine Pflicht als Apotheker missachtet habe, die Abgabe der verlangten Arzneimittel ohne Vorliegen einer ärztlichen Verschreibung abzulehnen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Bescheid vom 18. Mai 2009 Bezug genommen.

    Hiergegen richtet sich die am selben Tage erhobene Anfechtungsklage. Parallel dazu hatte der Kläger in dem Verfahren VG 14 L 44.09 die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage beantragt, woraufhin die Beklagte entsprechend der gerichtlichen Bitte zusicherte, vor einer Entscheidung der Kammer im Eilverfahren keine Vollstreckungsmaßnahmen gegen den Kläger einzuleiten. Mit Beschluss vom 5. August 2009 entschied der Bundesgerichtshof unter dem Aktenzeichen 5 StR 248/09 über die vom Kläger gegen das Strafurteil eingelegte Revision. In den Gründen heißt es: „Der Verteidiger ist nach Beratung des Senats informiert worden, dass die Revision zum Schuld- und Strafausspruch absehbar nur in verhältnismäßig geringem Umfang, zudem voraussichtlich nur vorläufig Erfolg verspreche. Daraufhin hat der Verteidiger das Rechtsmittel wirksam auf den Maßregelausspruch beschränkt. Insoweit hat die Revision des Angeklagten mit der Sachrüge Erfolg.“ Mit der Entscheidung des Bundesgerichtshofs wurde das Urteil des Landgerichts Berlin vom 22. Januar 2009 im Maßregelausspruch, das heißt der Verhängung des dreijährigen Berufsverbots, aufgehoben und zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. Der Bundesgerichtshof befand es als widersprüchlich, dass das Landgericht einerseits die Strafaussetzung zur Bewährung damit begründet hatte, der Angeklagte sei in der Hauptverhandlung von dem Verfahren sichtlich so beeindruckt gewesen, dass er sich nach Überzeugung der Strafkammer schon die Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe zur Warnung dienen lassen und zukünftig keine Straftaten mehr begehen werde, während andererseits die Gefahrenprognose bei der Festsetzung des Berufsverbots damit begründet worden sei, dass aufgrund der Anzahl allein der noch verfahrensgegenständlichen Taten und der sich stetig steigernden Mengen illegal abgegebener Arzneimittel in den einzelnen Taten davon ausgegangen werde, der Angeklagte werde auch zukünftig gleiche oder ähnliche Taten begehen. Die Sache wurde zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. Diese gelangte aufgrund der Hauptverhandlung vom 5. Januar 2010 zu der Auffassung, dass ein Berufsverbot nicht verhängt werden könne. Abschließend heißt es hierzu in dem Urteil (533) 68 Js 533/06 KLs (27/09): „Die Taten liegen bereits 3 ½ Jahre zurück. Der Angeklagte hat in dieser Zeit seine Apotheke weiter betrieben, ohne erneut straffällig zu werden oder gegen andere Berufspflichten zu verstoßen. Er hat die Taten erst am Ende seines Berufslebens begangen, zuvor ist er nie straf- oder berufsrechtlich aufgefallen. Für den familiär eingebundenen Angeklagten sind die drohende Vollstreckung der zweijährigen Freiheitsstrafe und das anhängige Verwaltungsgerichtsverfahren ausreichend, um ihn von weiteren erheblichen Straftaten abzuhalten, zumal das Ende seiner Berufsausübung im Hinblick auf sein Alter ohnehin absehbar ist.“

    Der Beklagte hat daraufhin die Anordnung der sofortigen Vollziehung auf gerichtlichen Vorschlag hin aufgehoben, hält aber im Übrigen an seinem Bescheid fest.

    Der Kläger, der ursprünglich seine Klage auf das Fehlen der Rechtskraft seiner strafgerichtlichen Verurteilung gestützt hatte, trägt nunmehr vor, der Beklagte sei infolge der Entscheidung des Landgerichts Berlin vom 5. Januar 2010 gehindert, eine negative Zukunftsprognose zu treffen. Er bezieht sich insoweit auf § 35 Abs. 3 der Gewerbeordnung. Das Landgericht Berlin habe den zugrundeliegenden Sachverhalt umfassend behandelt und unter Berücksichtigung aller Gesichtspunkte eine Legalprognose getroffen, nach der weitere Verstöße durch ihn nicht zu befürchten seien und er seit August 2006 nicht mehr auffällig geworden sei. Die Verwaltungsbehörde sei aufgrund des Urteils nach dem in dem Grundsatz „ne bis in idem“ enthaltenen Prinzip der Rechtskraft an weiteren Maßnahmen gehindert. Nachdem die strafgerichtliche Entscheidung erst während der verwaltungsgerichtlichen Nachprüfung der Untersagung ergangen sei, sei auch das Verwaltungsgericht an sie gebunden.

    Der Kläger beantragt,

    den Bescheid des Landesamtes für Gesundheit und Soziales Berlin vom 18. Mai 2009 aufzuheben.

    Der Beklagte beantragt,

    die Klage abzuweisen.

    Er verweist auf den angefochtenen Bescheid. Die Ausführungen des strafgerichtlichen Revisionsgerichts und der erneut mit der Sache befassten Strafkammer beim Landgericht Berlin führten für die Beurteilung des hier im anhängigen Rechtsstreit angefochtenen Widerrufsbescheides zu keiner anderweitigen Einschätzung. Bereits die Tatbestandsvoraussetzungen zur Anordnung eines strafrechtlichen Berufsverbots einerseits und für den ordnungsrechtlichen Widerruf einer Apothekenbetriebserlaubnis andererseits seien nicht miteinander vergleichbar. Mit dem angefochtenen Bescheid werde die selbständige Tätigkeit als Apotheker, nicht aber die Berufsausübung als solche eingeschränkt. Dagegen verbiete das strafrechtlich verhängte Berufsverbot jede Berufstätigkeit des Klägers als Apotheker sowie auch die Betätigung in den Hilfsberufen in Apotheken für den Zeitraum des Ausspruches vollständig. Es sei davon auszugehen, dass der Kläger die massiven Rechtsverletzungen in seiner Eigenschaft als selbständiger Apotheker unter enormem wirtschaftlichem Druck begangen habe. Da sich die wirtschaftliche Gesamtsituation der Apotheke für die Zukunft nicht ändern werde, bleibe dieser Druck bei weiterer selbständiger Tätigkeit bestehen bzw. werde ggf. noch zunehmen. Eine positive Gefahrenprognose könne daher aus der Sicht des Beklagten nicht getroffen werden. In der mündlichen Verhandlung vor der Strafkammer am 5. Januar 2010, an der Mitarbeiter des Landesamtes für Gesundheit und Soziales teilgenommen hätten, habe der Kläger gezeigt, dass ihm jegliche Einsicht bezüglich seines persönlichen strafbaren Handelns fehle. So habe er auf die Frage des Gerichts, warum er ausschließen könne, zukünftig verschreibungspflichtige Arzneimittel an die Drogenszene abzugeben, erklärt, dass sich „die Szene“ von einem vor seiner Apotheke befindlichen U-Bahnhof verlagert habe und nun nicht mehr in seine Apotheke komme.

    Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die beigezogenen Akten des Strafverfahrens (5 Bände Kopien der Akten der Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht Berlin) und den Verwaltungsvorgang des Beklagten (1 Leitzordner), die vorgelegen haben und, soweit wesentlich, Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, sowie auf die Gerichtsakten einschließlich der Akten des Verfahrens des vorläufigen Rechtsschutzes VG 14 L 44.09 verwiesen.

    Entscheidungsgründe

    Die Klage hat keinen Erfolg.

    Die Anfechtungsklage ist zwar zulässig, da der angegriffene Bescheid im Wege des förmlichen Verwaltungsverfahrens erlassen worden ist. Insofern ist § 70 des Verwaltungsverfahrensgesetzes des Bundes - VwVfG -, das in seiner jeweiligen Fassung gemäß § 1 des Gesetzes über das Verfahren der Berliner Verwaltung für Verfahrenshandlungen des Beklagten Anwendung findet, maßgeblich, wonach es in solchen Fällen keiner Nachprüfung in einem Vorverfahren bedarf. Die Klage ist jedoch unbegründet, weil der angefochtene Bescheid rechtmäßig ist und den Kläger nicht in seinen Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

    I.

    Der Widerrufsbescheid ist zu Recht auf § 4 Abs. 2 des Gesetzes über das Apothekenwesen (Apothekengesetz - ApoG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 15. Oktober 1980 (BGBl. I S. 1993), zuletzt geändert durch Art. 16 a des Gesetzes vom 28. Mai 2008 (BGBl. I S. 874), gestützt. Hinsichtlich des Verwaltungsverfahrens unterlag der Beklagte damit gemäß § 1 der Verordnung über das Förmliche Verwaltungsverfahren (FörmVfVO) i. V. m. Nr. 17 der Anlage zu § 1 dieser Verordnung den Vorschriften über das förmliche Verwaltungsverfahren in §§ 63 ff. VwVfG. Dies hat der Beklagte auch beim Vorgehen gegen den Kläger beachtet, insbesondere hat er die gemäß § 67 VwVfG vorgesehene mündliche Verhandlung durchgeführt und dem Kläger Gelegenheit gegeben, sich zu den gegen ihn erhobenen Vorwürfen zu äußern.

    § 4 Abs. 2 ApoG zwingt die Behörde zu einem Widerruf der Apothekenbetriebserlaubnis, wenn nachträglich eine der Voraussetzungen nach § 2 Abs. 1 Nr. 1, 2, 4, 6 oder 7 ApoG weggefallen ist. Der Beklagte hat sich insoweit zutreffend auf § 2 Abs. 1 Nr. 4 ApoG bezogen, wonach die Erteilung der Apothekenbetriebserlaubnis voraussetzt, dass der Antragsteller die für den Betrieb einer Apotheke erforderliche Zuverlässigkeit besitzt. Dies ist nach derselben Bestimmung „nicht der Fall, wenn Tatsachen vorliegen, welche die Unzuverlässigkeit des Antragstellers in Bezug auf das Betreiben einer Apotheke dartun, insbesondere wenn strafrechtliche oder schwere sittliche Verfehlungen vorliegen, die ihn für die Leitung einer Apotheke ungeeignet erscheinen lassen, oder wenn er sich durch gröbliche oder beharrliche Zuwiderhandlung gegen dieses Gesetz, die aufgrund dieses Gesetzes erlassene Apothekenbetriebsordnung oder die für die Herstellung von Arzneimitteln und den Verkehr mit diesen erlassenen Rechtsvorschriften als unzuverlässig erwiesen hat.“ Vorliegend ist der Beispielsfall der strafrechtlichen Verfehlungen, die den Kläger für die Leitung einer Apotheke ungeeignet erscheinen lassen und seine Unzuverlässigkeit dartun, einschlägig.

    1. Aufgrund des rechtskräftigen Urteils des Landgerichts Berlin vom 22. Januar 2009 steht fest, dass der Kläger sich in gravierendem Umfang wiederholt und über einen längeren Zeitraum hinweg durch die Abgabe von Hormonpräparaten, Beruhigungsmitteln und Mitteln zur Potenzsteigerung („Viagra“) wegen unerlaubter Abgabe von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln gemäß § 96 Nr. 13 i. V. m. § 48 Abs. 1 Nr. 1, § 4 Abs. 17 des Arzneimittelgesetzes in der hier noch maßgeblichen Fassung der Bekanntmachung vom 12. Dezember 2005 (BGBl. I S. 3394) - AMG - strafbar gemacht hat.

    a) In dem erwähnten Urteil heißt es hierzu (Urteilsumdruck S. 4): „Vor den einzelnen Verkäufen bestellte die gesondert Verfolgte H... jeweils telefonisch die gewünschten verschreibungspflichtigen Präparate bei dem Angeklagten. Dieser stellte die Ware in seiner Apotheke zusammen und stellte sie separat hinter dem Verkaufstresen auf einen kleinen Tisch. Bei ihrem Erscheinen in der O...-Apotheke erhielt die gesondert Verfolgte H... dann von dem Angeklagten die bereitgestellte Ware ohne die jeweils hierfür erforderlichen Rezepte vorzulegen. Als Bezahlung erhielt der Angeklagte neben Bargeld Rezepte von der gesondert Verfolgten H..., die auf ihren Namen oder den Namen von Verwandten und Bekannten ausgestellt waren, aber völlig andere Arzneimittel betrafen. Diese Rezepte konnte der Angeklagte mit den jeweiligen Krankenkassen abrechnen, ohne die darin verordneten Medikamente tatsächlich herausgegeben zu haben... Sodann verkaufte die gesondert Verfolgte H... die Präparate gewinnbringend an den gesondert Verfolgten N... weiter, der Endabnehmer aus der Bodybuilderszene damit versorgte“ (Urteilsumdruck S. 5). Weiter heißt es zu den Fällen 2 bis 5 der insgesamt sieben zur Verurteilung gelangten Fälle: „In diesem sowie in den folgenden drei Fällen erkannte der Angeklagte aufgrund der Erzählungen der gesondert Verfolgten H... und aufgrund der Zusammenstellung der Medikamente, dass diese Dopingzwecken dienen könnten. Dies billigend in Kauf nehmend gab er die gewünschten Präparate trotzdem an die gesondert Verfolgte H... ab.“ Zu den gesundheitlichen Folgen der Einnahme der Arzneimittel zu Dopingzwecken hat die 11. Große Strafkammer des Landgerichts Berlin in ihrer Hauptverhandlung ein Gutachten des medizinischen Sachverständigen Privatdozent Dr. med. A...B... - Facharzt für gerichtliche und soziale Medizin am Institut für Rechtsmedizin der Universität München - eingeholt. Wegen des Ergebnisses im Einzelnen wird auf die Wiedergabe des Gutachtens auf den Seiten 9 bis 11 des Umdrucks des Urteils vom 22. Januar 2009 verwiesen. Ergänzend heißt es in dem Urteil zu den Ausführungen des Sachverständigen: „Konkret auf die hier verfahrensgegenständlichen Taten bezogen ist der medizinische Sachverständige zu dem Ergebnis gelangt, dass die in den hiesigen Fällen 2 bis 5 gehandelten Zusammenstellungen von Medikamenten Dopingzwecken gedient haben. Es sei keine andere Anwendung der entsprechenden Medikamente jenseits der üblichen Verschreibungswege denkbar. Dies sei auch für jeden Mediziner oder Apotheker sofort an den Wirkstoffen der einzelnen Medikamente erkennbar gewesen. Es sei keine andere - auch nicht ärztlich verordnete - Anwendung der Kombination aus Wachstumshormonen und anabolen Steroiden bekannt, als das Doping im Sport. Die Abgabe von Diazepam und vergleichbaren Mitteln runde das Bild ebenso wie die Abgabe von Viagra ab. Denn die letztgenannten Medikamente dienen der Unterdrückung der sofort einsetzenden Nebenwirkungen von Wachstumshormonen und anabolen Steroiden, die insbesondere aus Schlaf- und Potenzstörungen bestünden. Als besonders gefährlich hat der medizinische Sachverständige die Kombination von Wachstumshormonen und Anabolika eingeschätzt. Im Tierversuch sei bereits nachgewiesen, dass das 20-fache der therapeutisch vertretbaren Dosis bei 52 % der Versuchstiere zum vorzeitigen Tod durch Herzinfarkt infolge krankhafter Herzvergrößerung oder Leber- und Nierenzellkarzinomen geführt habe. In der Bodybuildingszene würde zu Dopingzwecken teilweise sogar das 100-fache der therapeutisch vertretbaren Dosis angewendet. Es verwundere daher auch nicht, dass alle 20 in den letzten Jahren von ihm obduzierten Toten mit nachgewiesenem Anabolikamissbrauch an den gleichen Erkrankungen gestorben seien wie die Tiere im genannten Versuch. Diesen Ergebnissen des Sachverständigen hat sich die Kammer nach eigenständiger Prüfung angeschlossen.“ Das Landgericht ist deshalb für die Fälle 2 bis 5 zu einer (zugleich in Tateinheit) vorliegenden Strafbarkeit wegen unerlaubter Abgabe von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln zu Dopingzwecken im Sport gemäß §§ 95 Abs. 1 Nr. 2 a i. V. m. 6 a, 4 Abs. 17 AMG gelangt.

    b) Bereits die geschilderte aktive Teilnahme am Anabolikahandel offenbart ein Maß an Verantwortungslosigkeit betreffend den Kernbereich apothekenrechtlicher Verpflichtungen, das das Vertrauen in die apothekenrechtliche Zuverlässigkeit des Klägers grundlegend und nachhaltig erschüttert hat. Der Kläger hat überdies die verschreibungspflichtigen Arzneimittel einer Mittelsperson überlassen und sich dabei nicht einmal ansatzweise die Frage gestellt, in welcher gesundheitlichen Verfassung sich die mutmaßlichen Endabnehmer befanden und welchen konkreten Risiken sie sich jeweils aussetzten.

    Dieses Verhalten des Klägers rechtfertigt ohne Weiteres den Rückschluss auf seine offenbare Ignoranz gegenüber den Verschreibungspflichtregeln und gegenüber den gesundheitlichen Gefahren, denen mit der Anbindung an eine ärztliche Verschreibung Rechnung getragen werden soll, und damit auf seine Nichteignung als Apotheker.

    2. In besonderem Maße wird die apothekenrechtliche Unzuverlässigkeit des Klägers dadurch bestätigt, dass er sich im Rahmen eines weiteren, von dem Anabolikahandel völlig unabhängigen Tatkomplexes strafbar gemacht hat.

    a) Bei den zur Verurteilung gelangten Fällen 6 und 7 handelte es sich jeweils um die Aushändigung verschreibungspflichtiger Arzneimittel (Diazepam Stada 10 mg mit insgesamt 100 Tabletten im Fall 6 und mindestens 21 Packungen des Medikaments „Rohypnol 1 mg“ der Firma Roche mit jeweils einem Wirkstoffgehalt von 1 mg Flunitrazepam pro Tablette sowie 240 Tabletten Diazepam Stada 10 mg im Fall 7) an eine schwer von Heroin und von diazepam- oder flunitrazepamhaltigen Tabletten abhängige Person. Zu der Aufdeckung dieses Tatgeschehens war es durch bloßen Zufall gekommen, weil die Polizeibeamten im Rahmen einer Razzia der Ermittlungsgruppe „Anabolika“ der Berliner Kriminalpolizei am 29. August 2006 in der Apotheke des Klägers auf den späteren Zeugen T..., einen aufgrund seines äußeren Erscheinungsbildes sofort erkennbar der Drogenszene zuzurechnenden Heroinabhängigen gestoßen waren, der - in einem hinteren Apothekenraum - gerade dabei war, die Blisterstreifen mit den einzelnen Tabletten „Rohypnol 1 mg“ bzw. „Diazepam Stada 10 mg“ in seinem Rucksack zu verstauen und die leeren Packungen in einen neben dem Tisch stehenden Papierkorb zu werfen. Bei der Durchsuchung seines Rucksackes konnte dann die betreffend Fall 7 bereits erwähnte Menge von Arzneimitteln sichergestellt werden.

    b) Insoweit hat der Kläger zwar, wie schon im Strafverfahren, geltend gemacht, er habe die Medikamente auf der Basis eines ihm von Dr. S... vorgelegten Arztausweises ausgehändigt. Zu Recht hat indes das Landgericht Berlin die - offenbar zugunsten des Klägers für wahr gehaltene, wenn auch von dem Zeugen Dr. S... selbst in Abrede gestellte - Anwesenheit des Arztes in der Apotheke und die Präsentation des Arztausweises nicht ausreichen lassen, den Verzicht auf eine schriftliche ärztliche Verschreibung für zulässig oder zumindest nicht schuldhaft zu halten. Zu Fall 6 hat es ausgeführt: „Der Angeklagte hat zu keinem Zeitpunkt gegenüber dem Zeugen Dr. S... gefragt, ob er das Medikament zum Eigenbedarf oder zur Behandlung eines Notfalls braucht. Die Mengen des abgegebenen Medikaments sprechen schon gegen die Behandlung eines Notfalls. Auch ist die Menge von 100 Tabletten nicht mit dem Eigenbedarf eines Arztes vereinbar, wenn man bedenkt, dass schon die Einnahme von Benzodiazepinen über einen längeren Zeitraum als zwei Wochen abhängig machen kann. Bedenkt man weiterhin das Erscheinen des Zeugen T... mit in der Apotheke, so besteht für die Kammer kein Zweifel, dass die Angabe des Angeklagten, er habe die Medikamente nur wegen des Arztausweises herausgegeben, eine reine Schutzbehauptung ist. Der Angeklagte wusste bei der Abgabe der 100 Diazepam-Tabletten, dass eine solche Menge nicht nur aufgrund eines vorgelegten Arztausweises ohne Verschreibung abgegeben werden darf, und erkannte auch aufgrund des Erscheinungsbildes des Zeugen T..., dass es hier um Menschen mit Kontakten zur Drogenszene ging (Urteilsumdruck S. 14/15). Diese Ausführungen der Strafkammer beziehen sich auf § 4 der Verordnung über die Verschreibungspflicht von Arzneimitteln (AMVV) in der Fassung vom 27. Juni 2006, in Kraft seit dem 1. Juli 2006. In § 4 Abs. 1 AMVV heißt es: „Erlaubt die Anwendung eines verschreibungspflichtigen Arzneimittels keinen Aufschub, kann die verschreibende Person den Apotheker in geeigneter Weise, insbesondere fernmündlich, über die Verschreibung und deren Inhalt unterrichten. Der Apotheker hat sich über die Identität der verschreibenden Person Gewissheit zu verschaffen. Die verschreibende Person hat dem Apotheker die Verschreibung in schriftlicher oder elektronischer Form unverzüglich nachzureichen.“ Das Vorliegen eines Notfalls in diesem Sinne, das heißt des Umstandes, dass die Anwendung eines verschreibungspflichtigen Arzneimittels keinen Aufschub erlaubt, hat das Landgericht verneint. Ferner hat es sich mit § 4 Abs. 2 AMVV zutreffend auseinandergesetzt: „Für den Eigenbedarf einer verschreibenden Person bedarf die Verschreibung nicht der schriftlichen oder elektronischen Form. Absatz 1 Satz 2 gilt entsprechend.“ Hinsichtlich der Abgabe von „Rohypnol 1 mg“ an den drogenabhängigen T... hätte im Übrigen das Präsentieren eines Arztausweises ohnehin nicht genügt: Insoweit war das Betäubungsmittelrecht maßgeblich, das nach § 81 AMG von den Vorgaben des Arzneimittelrechts unberührt gelassen wird. Nach § 13 Abs. 1 BtmG i. V. m. Anlage III in deren zum Tatzeitpunkt maßgeblicher Fassung vom 10. März 2005 heißt es zum Stichwort „Flunitrazepam“: „Ausgenommen in Zubereitungen, die ohne einen weiteren Stoff der Anlagen I bis III je abgeteilte Form bis zu 1 mg Flunitrazepam enthalten. Für ausgenommene Zubereitungen, die für betäubungsmittelabhängige Personen verschrieben werden, gelten jedoch die Vorschriften über das Verschreiben und die Abgabe von Betäubungsmitteln.“ Nach § 13 Abs. 2 Satz 1 BtmG hätte deshalb „Rohypnol 1 mg“ an den offensichtlich der Drogenszene zuzurechnenden T... „nur im Rahmen des Betriebes einer Apotheke und gegen Vorlage der Verschreibung“ abgegeben werden dürfen. Konsequenterweise lässt auch § 17 Abs. 5, letzter Satz der Apothekenbetriebsordnung der Betäubungsmittelverschreibungsverordnung den Vorrang gegenüber sonstigen Verschreibungsregularien. Mit anderen Worten: Für die Abgabe des Rohypnol hätte sogar ein spezifisches Betäubungsmittelrezept vorgelegt werden müssen, dessen Teil I der Apotheker drei Jahre lang hätte aufbewahren müssen (vgl. § 12 Abs. 3 und 4 der Betäubungsmittelverschreibungsverordnung in der seinerzeit maßgeblichen Fassung vom 19. Juni 2001).

    c) Bezüglich der Auswirkungen der Vergabe von Diazepam und Rohypnol an Benzodiazepin-abhängige und an Betäubungsmittel-Konsumenten hatte die 11. Große Strafkammer des Landgerichts im Rahmen ihrer Hauptverhandlung als weiteren medizinischen Sachverständigen C...W... - Facharzt für Nervenheilkunde, Schwerpunkt forensische Psychiatrie - angehört. Insoweit wird auf den Urteilsumdruck S. 12 und 13 Bezug genommen.

    Die Annahme des Landgerichts, es handele sich bei Fall 7 um einen besonders schweren Fall unerlaubter Abgabe von Betäubungsmitteln in einer Apotheke gemäß §§ 29 Abs. 1 Nr. 7 und Abs. 3, 13 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. Anlage III des Betäubungsmittelgesetzes, hat der Bundesgerichtshof (für die dem Landgericht aufgegebene erneute Entscheidung über die Frage eines Berufsverbots) zwar dahingehend korrigiert, dass allein die Möglichkeit einer durch die Aufnahme des Rauschmittels verursachten Intoxikationspsychose und die Befürchtung eines durch den Konsum mitbedingten Verharrens in der Sucht bei einem bereits schwer von Heroin und Benzodiazepin Abhängigen für die Anwendung des Regelbeispiels im Sinne von § 29 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 BtmG nicht ausreichen würden. Daneben heißt es jedoch in dieser Revisionsentscheidung, es handele sich um eine gewichtige Tat, die die verhängte Einzelfreiheitsstrafe (1 Jahr und 10 Monate) ohne Weiteres rechtfertige.

    3. Das Nebeneinander dieser beiden Tatkomplexe - des Anabolikahandels einerseits und der willfährigen Abgabe von Diazepam sowie Rohypnol für die Verwendung in der Drogenszene andererseits - offenbaren eine tiefgreifende „Entfremdung“ des Klägers von den grundlegenden Verpflichtungen eines Apothekers. Dabei bedarf es nicht einmal eines zusätzlichen Eingehens darauf, dass mit der Einreichung diverser zur „Bezahlung“ der Anabolika überlassener anderweitiger Rezepte bei den Krankenkassen auch vermögensrechtliche Delikte einhergehen. Es ist nachvollziehbar, dass der Beklagte unter diesen Umständen zu der Einschätzung gelangte, die Abgabe von Arzneimitteln ohne Vorliegen einer ärztlichen Verschreibung sei für den Kläger offensichtlich ein alltäglicher Vorgang gewesen, wenn der Kläger es noch nicht einmal für nötig befunden hat, wenigstens die Vorgaben des Betäubungsmittelrechts zu beachten.

    Der nachhaltige Wegfall der apothekenrechtlichen Zuverlässigkeit des Klägers zwingt den Beklagten, wie eingangs dargelegt, gemäß § 4 Abs. 2 i. V. m. § 2 Abs. 1 Nr. 4 ApoG zu der hier ausgesprochenen Maßnahme des Widerrufs der Apothekenbetriebserlaubnis. Wegen des Gewichts der festgestellten Verstöße - addiert man die jeweiligen Einsatzstrafen des landgerichtlichen Urteils, aus denen eine Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren gebildet worden ist, so gelangt man auf eine Summe von fünf Jahren und vier Monaten, wozu noch Einzelgeldstrafen von insgesamt 210 Tagessätzen hinzutreten - steht die Vereinbarkeit des Widerrufs der Apothekenbetriebserlaubnis mit der grundrechtlich geschützten Berufsausübungsfreiheit, deren Bedeutung bei der Auslegung von §§ 4 Abs. 2, 2 Abs. 1 Nr. 4 ApoG zu beachten ist, außer Frage: Die Maßnahme entspricht dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit auch mit Rücksicht auf den hohen Schutz des Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG. Dies gilt selbst dann, wenn sich die faktische Situation des Klägers bei Wegfall der Apothekenbetriebserlaubnis wegen seines Alters nicht wesentlich von derjenigen unterscheiden mag, in der er sich bei einem Widerruf seiner Approbation befinden würde. Denn ein milderes geeignetes Mittel, den mit der Fortführung der Apothekenleitung durch den Kläger verbundenen Gefahren für die Gesundheit der Bevölkerung entgegenzuwirken, als die Entziehung dieser Kompetenz steht nicht zur Verfügung. Im Übrigen wäre sogar der Widerruf der Approbation selbst gemäß §§ 6 Abs. 2, 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 der Bundes-Apothekerordnung unter den gegebenen Umständen verhältnismäßig gewesen, da eine - wenn auch geringere - Gefahr der Abgabe von Arzneimitteln ohne Berücksichtigung ihrer Verschreibungspflicht sich auch bei einer Apothekertätigkeit in unselbständiger Position stellt.

    II.

    Die Rechtmäßigkeit des Widerrufsbescheides vom 18. Mai 2009 steht nicht etwa deswegen infrage, weil die nach der Zurückweisung der Sache durch den Bundesgerichtshof erneut mit der Angelegenheit befasste andere Strafkammer des Landgerichts Berlin mit Urteil vom 5. Januar 2010 die Verhängung eines Berufsverbots abgelehnt hat.

    1. Zu Unrecht verweist der Kläger insoweit auf § 35 Abs. 3 der Gewerbeordnung (GewO), eine Regelung, die die Gewerbeuntersagung wegen Unzuverlässigkeit betrifft. Zwar kann danach eine Verwaltungsbehörde, die in einem Gewerbeuntersagungsverfahren einen Sachverhalt berücksichtigen will, „der Gegenstand der Urteilsfindung in einem Strafverfahren gegen einen Gewerbetreibenden gewesen ist, … zu dessen Nachteil von dem Inhalt des Urteils insoweit nicht abweichen, als es sich bezieht auf … 3. die Beurteilung der Frage, ob er bei weiterer Ausübung des Gewerbes erhebliche rechtswidrige Taten im Sinne des § 70 des Strafgesetzbuches begehen wird und ob zur Abwehr dieser Gefahren die Untersagung des Gewerbes angebracht ist.“ Der Kläger übersieht aber dabei, dass die Gewerbeordnung nach § 6 Abs. 1 Satz 1 GewO auf die Errichtung und Verlegung von Apotheken - mithin auch auf die Erteilung bzw. den Widerruf der Apothekenbetriebserlaubnis - von vornherein keine Anwendung findet. Zudem bestimmt § 6 Abs. 1 Satz 2, 2. Halbs. GewO, dass das Gesetz unter anderem für die Ausübung der ärztlichen und anderen Heilberufe und den Verkauf von Arzneimitteln nur insoweit Anwendung findet, als es ausdrückliche Bestimmungen enthält. Eine derartige ausdrückliche Bestimmung findet sich zwar in § 35 Abs. 9 GewO für den „Handel mit Arzneimitteln“ - insoweit werden die Absätze 1 bis 8 für anwendbar erklärt -, nicht aber für die Ausübung von Heilberufen. Überdies bestimmt die gemäß § 35 Abs. 9 GewO für den Arzneimittelhandel anwendbare Regelung des § 35 Abs. 8 GewO, dass die Absätze 1 bis 7 a nicht anzuwenden sind, soweit für einzelne Gewerbe besondere Untersagungs- oder Betriebsschließungsvorschriften bestehen, die auf die Unzuverlässigkeit des Gewerbetreibenden abstellen, oder eine für das Gewerbe erteilte Zulassung wegen Unzuverlässigkeit des Gewerbetreibenden zurückgenommen oder widerrufen werden kann.

    Mangels einer unbeabsichtigten gesetzlichen Lücke ist auch eine entsprechende Anwendung von § 35 Abs. 3 GewO auf das Recht der Heilberufe nicht zulässig (vgl. BVerwG, Urteil vom 14. Februar 1963 - I C 98/62, juris).

    2. In Betracht kommt für den Bereich der Heilberufe eine Bindung an strafgerichtliche Entscheidungen nur im Einzelfall, wenn der Grundsatz des „ne bis in idem“ (Art. 103 Abs. 3 GG) dies verlangt (vgl. BVerwG, a. a. O.). Das setzt voraus, dass der Betroffene ein schutzwürdiges Vertrauen darauf entwickeln konnte, mit einer rechtskräftig verhängten strafgerichtlichen Maßregelung bzw. einer diesbezüglichen rechtskräftigen strafgerichtlichen Urteilsfindung sei dem Interesse der Öffentlichkeit in vollem Umfang Genüge getan worden.

    a) Eine solche Situation ist vorliegend schon deswegen nicht zu konstatieren, weil es für die Frage der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Widerrufsbescheides auf den Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung, mithin den 18. Mai 2009, ankommt. Denn bei dem Widerruf der Apothekenbetriebserlaubnis handelt es sich um einen rechtsgestaltenden Verwaltungsakt und nicht etwa um einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung, weil der Widerruf der Erlaubnis den Rechtszustand beendet, den die Erteilung der Erlaubnis erst begründet hatte (vgl. BVerwG, Beschluss vom 22. Juli 1982 - 3 B 36/82, Rdnr. 7, juris). Eine rechtskräftige negative Entscheidung über die Maßregel „Berufsverbot“ liegt indes erst seit der Rechtskraft des Urteils des Landgerichts Berlin vom 5. Januar 2010 vor. Im Übrigen stehen das strafrechtliche und das berufsrechtliche Verfahren ohnehin nebeneinander, da das strafrechtliche Berufsverbot nach § 70 StGB sich nach anderen Kriterien richtet als die berufsrechtliche Beurteilung des Verhaltens einer Person am Maßstab der Zuverlässigkeit. Das - grundsätzlich befristete - Berufsverbot des § 70 StGB ist eine tat- und täterbezogene Maßregel der Besserung und Sicherung zur Verhinderung einer Wiederholung einer der abgeurteilten Tat vergleichbaren Straftat und soll die Allgemeinheit vor weiterer entsprechender Gefährdung schützen. Die berufsrechtliche Einschätzung einer Person als zuverlässig oder unzuverlässig ist hingegen auch auf die Einhaltung der beruflichen Pflichten, soweit ein Verstoß noch keine Straftat darstellt, gerichtet. Zudem bedeutet der hier streitige Widerruf der Apothekenbetriebserlaubnis keinen Ausschluss aus der Apothekerschaft - anders als das ursprünglich verhängte Berufsverbot -, sondern verhindert nur die Tätigkeit als Apothekenleiter (vgl. zur „Kollisionslage“ im Zusammenhang mit § 70 StGB OVG Münster, Beschluss vom 29. Juni 2009 - 13 A 596/09, juris, Rdnr. 12; siehe auch VG des Saarlands, Urteil vom 14. Januar 2010 - 1 K 659/08, juris Rdnr. 168; siehe auch OVG Berlin, Urteil vom 27. Januar 1965 - OVG I B 11/64 in: OVG E BE 8, S. 82 ff. zur Vorgängervorschrift § 42 l StGB).

    b) Eine Bindung an die negative Entscheidung des Landgerichts Berlin betreffend die Verhängung eines Berufsverbots scheidet schließlich hier auch deswegen aus, weil das Strafgericht selbst die aufgeworfenen berufsrechtlichen Fragen nicht abschließend beantworten wollte. In dem Urteil vom 5. Januar 2010 heißt es: „Für den familiär eingebundenen Angeklagten sind die drohende Vollstreckung der zweijährigen Freiheitsstrafe und das anhängige Verwaltungsgerichtsverfahren ausreichend, um ihn von weiteren erheblichen Straftaten abzuhalten, zumal das Ende seiner Berufsausübung im Hinblick auf sein Alter ohnehin absehbar ist.“ Das Strafgericht hat deshalb die Möglichkeit eines negativen Ausgangs des vorliegenden Verwaltungsgerichtsverfahrens in seine Entscheidungsfindung mit einbezogen und nicht etwa umgekehrt den Rechtsstreit um den Widerruf der Apothekenbetriebserlaubnis durch seine eigene Entscheidung mitgestalten wollen. Dies belegt, dass es die hier maßgeblichen Fragen nicht vollständig ausloten wollte, so dass für eine Bindungswirkung im Sinne des Grundsatzes des „ne bis in idem“ keinerlei Veranlassung besteht.

    3. Neben einer formellen Bindung an die landgerichtliche Entscheidung vom 5. Januar 2010 scheidet auch eine „materielle“ Orientierung an der dortigen positiven Prognose aus. Die Straftaten des Klägers betreffen den Kernbereich seiner apothekenrechtlichen Verpflichtungen und stellen sich als verantwortungsloser Missbrauch des ihm eingeräumten Zugangs zu Arzneimitteln dar. Wie vorstehend unter I dargelegt, ist das Vertrauen in die apothekenrechtliche Zuverlässigkeit des Klägers grundlegend erschüttert. Der Hinweis des Landgerichts Berlin darauf, dass das Ende seiner Berufsausübung im Hinblick auf sein Alter ohnehin absehbar sei, ist hinsichtlich der Position des Klägers als selbständiger Apotheker nicht überzeugend. Zum einen hat der Kläger ausweislich seiner Angaben in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer keineswegs die Absicht, mit Beginn seiner berufsrechtlichen Altersversorgung am Ende dieses Jahres seine Berufstätigkeit einzustellen, zum anderen fehlt es nicht nur in rechtlicher, sondern für die Funktion als Apothekenleiter auch in faktischer Hinsicht an einer Altersgrenze.

    Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

    RechtsgebieteApothekenrecht, ApothekenbetriebserlaubnisVorschriften§ 4 Abs. 1, Abs. 2 ApoG, § 35 Abs. 3 GewO, § 6 Abs. 1 S. 1 GewO, § 70 StGB, § 96 Nr. 13 i. V. m. § 48 Abs. 1 Nr. 1, § 4 Abs. 17 AMG