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  • 07.04.2006 · IWW-Abrufnummer 052965

    Arbeitsgericht Stuttgart: Urteil vom 17.01.2005 – 19 Ca 3152/04

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    19 Ca 3152/04

    Im Namen des Volkes

    Urteil

    In der Rechtssache XXX

    hat das Arbeitsgericht Stuttgart - 19. Kammer -
    durch XXX
    auf die mündliche Verhandlung vom 17.01.2005

    für Recht erkannt:

    1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.646,97 Euro nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz gemäß § 247 BGB p.a. zu bezahlen.

    2. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

    3. Streitwert: 1.646,97 Euro.

    Tatbestand

    Zwischen den Parteien hat ein Arbeitsverhältnis bestanden. Der Kläger macht nunmehr gegen die Beklagte einen Schadensersatzanspruch geltend.

    Der Kläger war bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten, der Firma yy seit dem 18.05.2001 beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis wurde durch Aufhebungsvertrag vom 31.03.2003 beendet. Der Kläger hat im Rahmen der yy eine Anwartschaft auf betriebliche Versorgungsleistungen erworben. Zur Finanzierung der Versorgungsleistungen hat die yy bei der yy Versicherung eine Kapitallebensversicherung nach Tarif ULV10 BR abgeschlossen. Dieser Tarif ist "gezillmert" bei reduzierten Abschlusskosten. Er sieht einen Stornoabschlag bei Kündigung oder Beitragsfreistellung in Höhe von 1 % der Differenz von Erlebensfallsumme und Deckungskapital vor. Der monatliche Beitrag an die Unterstützungskasse in Höhe von insgesamt 364,32 Euro setzte sich zusammen aus einer Arbeitgeberleistung in Höhe von 121,44 Euro und umgewandeltem Entgelt des Klägers in Höhe von 242,80 Euro.

    Im Zusammenhang mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 31.05.2003 hat die Beklagte dem Kläger zur Erledigung der betrieblichen Versorgungsansprüche die Abfindung durch Übertragung der Rückdeckungsversicherung angeboten, wobei das Deckungskapital mit 1.218,18 Euro beziffert ist.

    Der Kläger begehrt nun - über den angefundenen Abfindungsbetrag hinaus - den Ersatz des bei der Berechnung der Abfindungshöhe abgezogenen Stornos im Wege des Schadensersatzes.

    Der Kläger geht davon aus, dass ein Arbeitsgeber, der im Rahmen der Entgeltumwandlung gezillmerte Tarife wählt bzw. einen Stornoabschlag vereinbart, seine Fürsorgepflicht gegenüber dem Arbeitnehmer verletzt und sich deshalb schadensersatzpflichtig macht. Sowohl bei Pensionskassentarifen als auch im Falle der Unterstützungskassenversorgung werde die Flexibilität durch gezillmerte Tarife unzulässig eingeschränkt.

    Dasselbe gelte hinsichtlich eines Stornoabschlags, der bei häufigem Arbeitgeberwechsel gleichfalls dazu führe, dass das umgewandelte Entgelt und damit die Versorgungsleistung sowohl bei Vertragskündigung als auch bei Beitragsfreistellung durch den Abschlag wieder reduziert, unter Umständen sogar vollständig aufgebraucht wird. Da sich der Stornoabschlag in seinem Falle berechne als 1 % der Differenz von Erlebensfallsumme und Deckungskapital wirke sich der Abschlag umso gravierender aus, je "jünger" der Versicherungsvertrag ist.

    Bei Arbeitgeberwechsel in diesem Stadium, ohne die Möglichkeit der "Mitnahme" der Versorgungsleistungen, werde somit systematisch Vernichtung von Versorgungskapital betrieben. Hierauf hätte die Beklagte vor Abschluss der Entgeltumwandlungsvereinbarung hinweisen müssen. Andernfalls hätte der Arbeitgeber einen Versicherungstarif ohne die Möglichkeit der Zillmerung und ohne Stornoabschlag bei Vertragskündigung und Beitragsfreistellung wählen müssen.

    Der Kläger hat beantragt:

    die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.646,97 Euro nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

    Die Beklagte hat beantragt:

    Die Klage wird abgewiesen.

    Sie begründet ihren Antrag insbesondere wie folgt:

    Darin, dass sie von dem ihr eingeräumten Spielraum zur Schaffung einer betrieblichen Altersversorgung Gebrauch gemacht habe, könne eine Verletzung von Hinweis- und Fürsorgepflichten nicht gesehen werden, da die betriebliche Altersvorsorge der freien Entscheidung des Arbeitgebers obliege. Sie sei damit frei in ihrer Entscheidung gewesen, ob eine solche zugesagt wird, welcher Durchführungsweg gewählt wird, welche Personenkreise begünstigt werden sollen und welche Leistungen nach vorher aufgestellten Voraussetzungen erbracht werden.

    Die vom Gesetzgeber gewollte Anreizwirkung für den Arbeitgeber, betriebliche Altersversorgung durch Entgeltumwandlung im Wege der Unterstützungskasse zu betreiben, würde völlig karikiert, wenn man über die Konstruktion von weiterführenden Hinweis- und Mitteilungspflichten letztlich im Ergebnis die sich aus der Tarifierung der hinter der Unterstützungskasse stehenden Rückdeckungsversicherung ergebenden Abschläge doch zur Belastung des Arbeitgebers mache. Dies hätte gerade beim Ausscheiden des Arbeitsnehmers zur Folge, dass dem Arbeitgeber nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses für ihn nicht kalkulierbare finanzielle Risiken verblieben. Es müsse daher dabei bleiben, dass die Sorgfalts- und Fürsorgepflicht des Arbeitgebers sich darauf beschränken muss, die Lohnbestandteile wertgleich abzuführen und dem Arbeitnehmer im Falle des Ausscheidens zu ermöglichen, die sich jeweils ergebenden Versicherungsleistungen zu übernehmen. Unabhängig davon habe sie bei ihrer Versorgungszusage zum einen einen besonders günstigen Tarif für die Versorgungsanwärter ausgewählt und dadurch die Kosten der Vorbelastung für diese erheblich reduziert, indem sie die Abschlusskosten im Rahmen einer Provisionszahlung an den Versicherungsmakler getragen hat. Darüber hinaus habe sie die Kosten weiter reduziert, indem sie für die Versorgungsanwärter in Vorleistung getreten sei und die Beitragszahlung in einem jährlichen Einmalbetrag erfolgt ist.

    Ihre Belehrungspflicht könne nur im Hinblick auf die bestehenden Versorgungsmöglichkeiten gegeben sein, nicht auf die Zweckmäßigkeit der Versorgungsauswahl. Dieser Pflicht sei sie nachgekommen. Der von ihrer Rechtsvorgängerin eingeschaltete Versicherungsmakler habe hierzu am 26.04. und 16.08.2001 Präsentationen durchgeführt, an welchen der Kläger als ehemaliger Personalleiter sicherlich teilgenommen habe. In diesem Zusammenhang bestreite die Beklagte, dass der Kläger nicht informiert oder nicht ausreichend informiert war. Er sei in der Funktion des Personalleiters tätig gewesen und von Beginn an vollumfänglich bei der Auswahl der Tarife involviert worden.

    Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend
    auf die von den Parteien bei Gericht eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, Bezug genommen.

    Entscheidungsgründe

    Die zulässige Klage ist begründet. Der Kläger kann von der Beklagten verlangen, dass er so gestellt wird, wie er stünde, wenn die Beklagte im Hinblick auf die zum Zwecke der Rückdeckung seiner Versorgungsansprüche abgeschlossene Kapitallebensversicherung einen Tarif ohne Stornoabschlag abgeschlossen hätte. Mit dem Abschluss eines "gezillmerten" Tarifs mit Stornoabschlag ohne vorherige Information des Klägers hierüber, hat die Beklagte die sich aus dem Arbeitsvertrag der Parteien ergebende Fürsorgepflicht verletzt. Sie schuldet dem Kläger mithin Schadensersatz in der begehrten und rechnerisch unstreitigen Höhe.

    Der Beklagten ist ohne Weiteres darin zuzustimmen, dass der Arbeitgeber, der seinen Beschäftigten eine betriebliche Altersversorgung gewähren will, einen weiten Entscheidungsspielraum im Hinblick auf die Ausgestaltung der Versorgungsleistung besitzt. Im Rahmen der den Arbeitsvertragsparteien zukommenden arbeitsvertraglichen Fürsorgepflicht ist er jedoch gehalten, auf die berechtigten Interessen des Arbeitnehmers Rücksicht zu nehmen und die von diesem in den Betrieb eingebrachten Rechtsgüter wie Leben, Gesundheit, Vermögen und Eigentum zu schützen.

    Es bedarf keiner näheren Begründung, dass die Wahl eines "gezillmerten" Tarifs ebenso wie die Vereinbarung eines Stornoabschlags dem Arbeitnehmer finanzielle Nachteile mit sich bringen kann. Insbesondere im Falle eines relativ frühen Arbeitgeberwechsels kann die vom Arbeitgeber gewählte Tarifform dazu führen, dass der vom Arbeitnehmer eingebrachte Prämienanteil nur noch zu einem geringen Teil oder überhaupt nicht mehr zur Auszahlung kommt, wenn die zur Rückdeckung abgeschlossene Kapitallebensversicherung nicht fortgeführt wird.

    Im Hinblick auf den dem Arbeitnehmer insoweit möglicherweise entstehenden Schaden, gebietet es die arbeitsvertragliche Fürsorgepflicht des Arbeitgebers, den Arbeitnehmer jedenfalls im Falle der Entgeltumwandlung vor Abschluss der Entgeltumwandlungsvereinbarung über das Risiko, das mit dem von ihm gewählten Versicherungstarif verbunden ist, zu informieren, damit dieser den möglicherweise entstehenden Schaden kalkulieren und ggf. von einer Entgeltumwandlung Abstand nehmen kann.

    Dieser ihr zukommenden Hinweispflicht ist die Beklagte nicht nachgekommen. Die von ihr vorgebrachte Behauptung, der Kläger sei als ihr ehemaliger Personalleiter von Anfang an über die gewählten Tarife informiert gewesen, erscheint angesichts des Umstandes, dass über die Art und den Zeitpunkt der Information des Klägers vor Abschluss der Entgeltumwandlungsvereinbarung kein substanziierter Vortrag gehalten wurde, bloße Spekulation.

    Nach alledem war der Klage zu entsprechen.

    Der geltend gemachte Zinsanspruch rechtfertigt sich aus den §§ 288, 291 BGB.

    Infolge ihres Unterliegens hat die Beklagte gemäß § 91 Abs. 1 ZPO i.V.m. § 46 Abs. 2 ArbGG die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

    Der Wert des Streitgegenstandes ergibt sich aus der Höhe des geltend gemachten Zahlungsanspruchs.

    R E C H T S M I T T E L B E L E H R U N G

    XXX

    RechtsgebietBGBVorschriften§ 611 BGB