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  • 01.05.2006 | Kapitalanlagen

    So können Anleger von anhängigen Steuerverfahren anderer profitieren

    Die Besteuerung von Kapitalanlagen wird komplizierter. Immer mehr Streitpunkte landen vor den Finanzgerichten (FG). Anleger können davon profitieren, wenn sie vergleichbare Fälle mittels Einspruch offen halten, bis der Bundesfinanzhof (BFH) oder das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) ein Urteil gefällt hat. Bei einem positiven Ausgang profitieren auch sie dann davon. Wir haben die für Kapitalanleger wichtigen anhängigen Verfahren aufgelistet, zeigen Ihnen, um welche Fragen es hierbei geht, und geben Tipps für die Praxis.  

     

    Checkliste

    Der strittige Sachverhalt  

    Die aktuelle Verfahrenslage  

    Spekulationsgewinne ab dem Jahr 1999  

    Steuern auf Spekulationsgewinne dürfen für 1997/98 wegen struktureller Erhebungsdefizite nicht mehr erhoben werden (BVerfG, Urteil vom 9. März 2004, Az: 2 BvL 17/02).  

     

    Seit dem Jahr 1999 hat die Finanzverwaltung durch den Kontenabruf aber bessere Kontrollmöglichkeiten, so dass laut BFH kein Defizit mehr vorliegt (Az: IX R 49/04).  

    Steuerbescheide ergehen in Bezug auf Spekulationsgewinne ab 1999 nur vorläufig. Da gegen das BFH-Urteil Verfassungsbeschwerde eingelegt wurde (Az: 2 BvR 294/06), ändert sich daran vorerst nichts. Sofern Anleger Aussetzung der Vollziehung beantragt und daher noch keine Steuer entrichtet haben, sollte dies mit Blick auf anfallende Zinsen für zu spät entrichtete Steuern eventuell rückgängig gemacht werden. Der Fall an sich sollte aber offen gehalten werden.  

    Spekulationsgewinne für die Jahre 1996 und früher  

    Der BFH hat entschieden, dass die Besteuerung von Spekulationsgeschäften 1995 verfassungsgemäß war (Beschluss vom 29.11.2005, Az: IX B 80/05). Begründung: Das BVerfG hat dem Gesetzgeber die Mängel bei der Erhebung der Spekulationssteuer erst 1993 bzw. 1994 vorgehalten. Daher war die Übergangszeit zu kurz, als dass man für 1995 schon Gesetzesnachbesserungen hätte erwarten können. Damit dürfte definitiv auch die Besteuerung im Jahr 1994 aus BFH-Sicht verfassungskonform sein.  

    Praxistipp: Ob der Tenor des BFH-Beschlusses letztlich Bestand hat, bleibt abzuwarten. Das FG Münster ist nämlich anderer Meinung und hat für die Jahre 1994 bis 1996 das BVerfG angerufen (Az: 2 BvL 8/05 und 2 BvL 12/05), so dass Fälle weiterhin offen zu halten sind.  

    Spekulationsverluste für die Jahre 1997/98  

    Verluste aus 1997/98 sind laut BFH (Urteil vom 14.7.2004, Az: IX R 13/01) nicht mehr verrechenbar, weil das BVerfG für diesen Zeitraum Verfassungswidrigkeit festgestellt hat (s. oben).  

    Hierzu liegt dem BVerfG noch eine Beschwerde (Az: 2 BvR 1935/04) vor. Die Frage ist somit noch nicht endgültig entschieden.  

    Spekulationsverluste ab dem Jahr 1999 

    Seit 1999 können Spekulationsverluste zwar mit gleichen Gewinnen, aber nicht mit anderen Einkunftsarten verrechnet werden.  

    Dem BFH liegen zu der Frage noch zwei Revisionen vor (Az: IX R 45/04 und IX R 31/04).  

    Spekulationsverluste nach Bestandskraft geltend machen  

    Wird der Einkommensteuerbescheid bestandskräftig, können Anleger dennoch erstmals Veräußerungsverluste geltend machen. Denn es fehlt an der Rechtsbehelfsbelehrung, so dass die Einspruchsfrist ein Jahr beträgt.  

    Dem BFH liegen zu diesem Sachverhalt zwei Revisionen vor (Az: IX R 50/05, IX R 21/04). Anleger sollten ihr Wertpapierminus noch geltend machen, wenn der Bescheid noch kein Jahr alt ist.  

    Garantiezertifikate  

    Sagt der Emittent auch nur eine teilweise Rückzahlung zu, liegen Finanzinnovationen und somit Kapitaleinnahmen vor. Ist diese Garantie aber nur geringfügig, soll das nicht gelten.  

    Diese für Anleger günstige Auffassung muss nun vom BFH (Az: VIII R 53/05) bestätigt werden. Sparer plädieren daher bei Verkäufen außerhalb der Spekulationsfrist auf Steuerfreiheit.  

    Sonstige Einkünfte aus Stillhaltergeschäften  

    Optionsprämien sind Einkünfte nach § 22 Nr. 3 Einkommensteuergesetz (EStG). Die Erfassung dieser Einnahmen könnte ähnlich den Spekulationsgewinnen verfassungswidrig sein.  

    Hier muss das BVerfG (Az: BvL 8/05) noch urteilen. Praxistipp: Bescheide ergehen bislang nicht vorläufig. Anleger müssen somit für alle offenen Jahre Einspruch einlegen.  

    Zulässigkeit einer gesetzlichen Rückwirkung bei GmbH-Anteilen  

    Die rückwirkende Absenkung der Wesentlichkeitsgrenzen Ende 1998 und 2001 ist laut BFH nicht verfassungswidrig (Urteile vom 1.3.2005, Az: VIII R 92/03; Az: VIII R 25/02). Dies führt dazu, dass auch eingetretene Wertsteigerungen steuerlich belastet werden, die nach bis dahin geltendem Recht nicht als wesentlich galten.  

    Gegen beide Urteile ist Verfassungsbeschwerde eingelegt (Az: 2 BvR 753/05, 2 BvR 748/05).  

    Praxistipp: GmbH-Gesellschafter und Aktionäre, die ihre Anteile ab 1999 veräußert haben und hierbei jeweils unter den alten gesetzlichen Beteiligungsgrenzen von 25 oder 10 Prozent lagen, sollten ihre Bescheide weiter offen halten.  

    Ansatz von Verlusten bei einer wesentlichen Beteiligung  

    Verluste aus einer GmbH-Beteiligung können steuerlich nur berücksichtigt werden, sofern der Besitzer fünf Jahre lang wesentlich beteiligt war. Schuldzinsen sind nur dann als Werbungskosten absetzbar, wenn die Einkunftsquelle auch weiter noch besteht.  

    Der BFH muss klären, ob  

    • Verluste zu berücksichtigen sind, wenn der Besitzer zwar fünf Jahre, aber nur kürzer wesentlich beteiligt war (Az: VIII R 20/04) und
    • Finanzierungskosten absetzbar sind, wenn die GmbH in eine andere eingebracht (Az: VIII R 28/04)/verkauft wird (Az: VIII R 38/04).

    Ist die Besteuerung von Kapitaleinnahmen verfassungswidrig?  

    Das BVerfG hatte 1991 Erhebungsdefizite bei der Erfassung von Kapitaleinnahmen beanstandet und dem Gesetzgeber eine gleichmäßige Belastung aller Bürger auferlegt. Sollte er nicht nachbessern, wäre die gesamte Rechtsnorm nichtig und die Steuer dürfte nicht mehr erhoben werden. Zwar wurde 1993 der Zinsabschlag eingeführt, doch führte dies zu massiven Geldbewegungen über die Grenze. Zudem erklären Anleger, deren Progression über den 30 Prozent des Zinsabschlags liegt, nicht immer ihre Einnahmen. Zusätzlich könnte § 20 EStG mit dem Grundgesetz insoweit unvereinbar sein, weil steuerunehrliche Sparer im Rahmen der Amnestie deutlich weniger Abgaben leisten mussten als redliche.  

    Dem BVerfG liegen zu diesem Thema drei Verfahren (Az: 2 BVR 620/03, 2 BvL 14/05 und 2 BvR 2077/05) vor. So lange die Finanzverwaltung diesen Sachverhalt nicht vorläufig festsetzt, ist gegen alle noch offenen Steuerbescheide Einspruch einzulegen, sofern die Einnahmen über dem Sparerfreibetrag liegen.  

    Das BVerfG könnte in dieser Frage zu einer ähnlichen Entscheidung wie bei den Spekulationsgewinnen kommen. Zwar wurden in der Zwischenzeit vom Gesetzgeber einige Maßnahmen ergriffen. Aber die Kontrollmöglichkeiten des Finanzamts bei inländischen Banken waren ab 1993 durch die Beschränkungen in § 30a der Abgabenordnung weiterhin eingeschränkt. Der BFH hält die Kontrollmaßnahmen allerdings für ausreichend (Az: VIII R 90/04).  

    Folgen bei nacherklärten Schwarzgeldern aus einer Stiftung  

    Bei der Steueramnestie mussten nur die bisher verschwiegenen Einnahmen aus einer Auslandsstiftung nachgemeldet werden. Das FG Rheinland-Pfalz (Urteil vom 14.3.2005, Az: 4 K 1590/03) sieht im Einbringen der Gelder einen schenkungsteuerpflichtigen Vorgang.  

    Unabhängig vom Ausgang des Verfahrens beim BFH (Az: II R 21/05) gewährt die Finanzverwaltung ehemaligen Steuersündern Vertrauensschutz, so dass sich keine negativen Folgen ergeben werden (OFD Karlsruhe, Verfügung vom 1.8.2005, Az: S 1928 A – St 333).  

    Kursverluste bei Finanzinnovationen durch Not leidende Schuldner  

    Werden Finanzinnovationen Not leidend, weil der Schuldner die Tilgung aussetzt oder insolvent wird, akzeptiert die Verwaltung keine Kursverluste als negative Kapitaleinnahmen.  

    Nach dem Gesetzeswortlaut müsste ein Minus auch nach dem Eintritt negativer Ereignisse als negative Kapitaleinnahme gelten (Revisionen beim BFH, Az: VIII R 48/04 und VIII R 62/04).  

    Müssen Kursgewinne bei Finanzinnovationen als Kapitaleinnahmen versteuert werden?  

    Bei Finanzinnovationen entstehen Kursgewinne bei Rating-Anleihen, deren Zinskupon ansteigt, wenn die Bonität des Emittenten schlechter eingestuft wird. Ähnliches geschieht bei Floatern, wenn der Referenzzins steigt. Dies könnte einen verfassungsrechtlich bedenklichen Systembruch darstellen, weil auch Wertänderungen ohne den Charakter eines Nutzungsentgelts als Kapitalertrag erfasst werden. Dies führt im Vergleich zu anderen Kapitalanlagen zu einer Ungleichbehandlung.  

    Praxistipp: Die Auswirkung können Anleger zwar grundsätzlich durch den Ansatz der Emissionsrendite umgehen, aber nur bei Produkten wie Zerobonds, bei denen eine solche Messzahl berechnet werden kann. Ansonsten sollten Anleger auf die Revisionen beim BFH zu den Down-Rating-Anleihen (Az: VIII R 6/05) und Reverse-Floatern (Az: VIII R 97/02) verweisen.  

    Wichtig: Der BFH hatte bereits in früheren Urteilen Bedenken geäußert, was dann zu einer Gesetzesänderung führte.  

    Wie ist der Spin Off bei Aktien steuerlich zu behandeln?  

    Der „Spin-Off“, durch den die Anteilseigner der Muttergesellschaft die Aktien der Tochtergesellschaft unentgeltlich erhalten, ist bei inländischen Firmen kein steuerpflichtiger Vorgang. Bei ausländischen Firmen liegen aber nach derzeit gängiger Verwaltungspraxis Kapitaleinnahmen in Höhe des Börsenkurses vor (FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 8.6.2004, Az: 2 K 2223/02). In jedem Fall gilt für alle erhaltenen Aktien eine neue Spekulationsfrist. Der Verkauf innerhalb der nächsten zwölf Monate ist steuerpflichtig, selbst wenn die Aktien der Mutter bereits seit Jahren im Depot liegen.  

    Ob diese Verwaltungspraxis zutreffend ist, muss der BFH noch entscheiden (Az: I R 24/05):  

    • Es könnte gegen das Diskriminierungsverbot verstoßen, wenn Spin-Offs nur bei Auslandsfirmen als Kapitaleinnahmen gelten.
    • Die neuen Aktien könnten Aktionären auch wie bei einer verdeckten Gewinnausschüttung zufließen. Dann wäre der Kaufzeitpunkt der Altaktien weiter für alle Werte entscheidend.

    Dürfen ausländische Investmentfonds mit einer Pauschalsteuer bestraft werden?  

    Erfüllen Investmentfonds ihre Veröffentlichungspflichten nicht, erfolgt eine pauschale und zumeist deutlich überhöhte Besteuerung der Erträge. Dies galt bis Ende 2003 für schwarze oder graue Auslandsfonds. Mit dieser gesetzlichen Regelung wurden Auslandsfonds eindeutig schlechter behandelt als inländische. Ab 2004 herrscht zwar Chancengleichheit. Allerdings müssen ausländische Gesellschaften immer noch extra für den deutschen Fiskus einen Zwischengewinn ermitteln, um der Pauschalsteuer zu entgehen (FG Berlin, Urteil vom 8.2.2005, Az: 7 K 7396/02).  

    Die Regel könnte EU-rechtswidrig sein, weil sie Auslandsfonds benachteiligt und damit gegen das Gebot des freien Kapitalverkehrs verstößt. Ob der Gesetzgeber dies darf oder ob diese Diskriminierung gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstößt, hat der BFH zu entscheiden (Az: VIII R 20/05). Immerhin hatte die EU-Kommission die Mitgliedstaaten zu einer Gleichbehandlung aufgefordert, was Deutschland 2004 dann befolgt hat. Bescheide sind auch hinsichtlich Fonds offen zu halten, die aus Drittländern stammen.  

    Quelle: Ausgabe 05 / 2006 | Seite 18 | ID 85045