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  • 01.09.2006 | Apothekenrecht

    Verlängerte Rezeptur-Arzneimittel sind nicht zulassungspflichtig

    von RA Dr. Tobias Eickmann, Kanzlei am Ärztehaus, Münster, www.kanzlei-am-aerztehaus.de

    Das Oberlandesgericht (OLG) München legt die Voraussetzungen des § 21 Abs. 2 Nr. 1 Arzneimittelgesetz (AMG) weit aus (Urteil vom 23.2.2006, Az: 6 U 3721/05, Abruf-Nr: 062359). Nach dieser Vorschrift bedürfen in so genannter „verlängerter Rezeptur“ hergestellte Arzneimittel unter bestimmten Voraussetzungen keiner arzneimittelrechtlichen Zulassung. Außerdem komme den in der Apothekenbetriebsordnung (ApoBetrO) normierten Qualitätsprüfungen bei der Herstellung von Arzneimitteln in der Apotheke keine wettbewerbsrechtliche Bedeutung zu, weil sie ausschließlich Interessen der Allgemeinheit und nicht Individualinteressen von Wettbewerbern schützen.  

    Sachverhalt

    Das klagende Pharmaunternehmen vertrieb ein apothekenpflichtiges Medikament mit dem Wirkstoff Glucosaminsulfat, das für die Indikation „Funktionsverbesserung und Schmerzlinderung bei leichter bis mittelschwerer Gonarthrose“ zugelassen ist. Die beklagten Apothekenbetreiber boten das arzneimittelrechtlich nicht zugelassene Präparat A an, das eine Kombination glucosaminhaltiger Substanzen mit Chondroitinsulfat enthält. Die Beklagten stellten dieses Präparat her, indem sie die von einem Zulieferer bezogenen Ausgangsstoffe zunächst einer Identitäts-, jedoch keiner Qualitätsprüfung unterzogen. Sodann mischten sie die Stoffe und füllten das so gewonnene Präparat in Kapseln, die sie wiederum in etikettierte Schraubdosen gaben. Bei diesem Arbeitsvorgang wurden stets weniger als 100 abgabefertige Schraubdosen pro Tag hergestellt. Das Präparat A wurde sowohl ohne Rezept als auch auf ärztliche Verschreibung abgegeben, wobei monatlich durchschnittlich 20 Verordnungen erfolgten. Die Kläger begehrten u.a. die Untersagung dieses Vertriebs.  

    Entscheidungsgründe

    Die Münchner Richter führten aus, dass ein in verlängerter Rezeptur hergestelltes Arzneimittel keiner arzneimittelrechtlichen Zulassung bedarf. Dies ist der Fall, wenn das Arzneimittel  

    • auf Grund nachweislich häufiger ärztlicher Verschreibung
    • in den wesentlichen Herstellungsschritten in einer Apotheke
    • in einer Menge bis zu 100 abgabefertigen Packungen am Tag
    • im Rahmen des üblichen Apothekenbetriebs hergestellt wird und
    • zur Abgabe im Rahmen der bestehenden Apothekenbetriebs-erlaubnis bestimmt ist.

     

    Für die nachweislich häufigen ärztlichen Verschreibungen genüge es, wenn sie so oft erfolgen, dass die Herstellung des Mittels auf Vorrat gerechtfertigt erscheint. Höhere Anforderungen ließen sich aus dem Gesetzeszweck nicht begründen. Bei den hier dokumentierten durchschnittlichen 20 Rezeptvorlagen pro Monat sei diese Schwelle auf jeden Fall überschritten. Unbeachtlich sei insoweit, dass das Präparat A auch ohne ärztliche Verschreibung abgegeben wurde.