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  • · Fachbeitrag · Personal

    Internationale Personalsuche ‒ wie die Bundesagentur für Arbeit Apotheker im Ausland gewinnt

    von Dr. Marcel Schmutzler, Pressestelle der Zentralen Auslands- und Fachvermittlung (ZAV) der Bundesagentur für Arbeit

    | Bei der Personalsuche stehen immer mehr Apotheken vor großen Problemen, da die Zahl an Nachwuchspharmazeuten in Deutschland nicht ausreicht, um alle Stellen zu besetzen. Dagegen findet sich gerade in Südeuropa ein Überangebot an vor allem jungen Pharmazeuten, denn die dortigen Universitäten bilden über Bedarf aus und die wenigen freien Stellen sind oft prekär. Die Zentrale Auslands- und Fachvermittlung (ZAV) der Bundesagentur für Arbeit hilft, arbeitsuchende Pharmazeuten aus dem Ausland und Apotheken in Deutschland zusammenzuführen. |

    Der italienische Arbeitsmarkt für Pharmazeuten

    „2016 sprachen wir erstmals mit unseren Kollegen der italienischen Arbeitsverwaltung in Mailand über die Möglichkeit, Apotheker von dort für den deutschen Arbeitsmarkt zu gewinnen“, erinnert sich Friederike Meyer-Belitz. Die Berufsberaterin der ZAV ist auf Gesundheitsberufe spezialisiert. „Die Kollegen berichteten, dass in ihrer Region besonders viele Pharmazeuten auf der Suche nach Arbeit wären. Daher schien uns Mailand für eine Pilotveranstaltung zur Rekrutierung von Apothekern besonders geeignet.“

     

    Die Auftaktveranstaltung, für die die italienische Arbeitsverwaltung Werbung machte und arbeitsuchende Pharmazeuten einlud, bestätigte die Einschätzung: Das Interesse war enorm. Allerdings konnten die meisten Bewerber kein Deutsch. Einige hatten zwar bereits selbst angefangen, Deutsch zu lernen, doch um die für die Approbation notwendigen Sprachkenntnisse auf B2-Niveau bzw. Fachsprachkenntnisse auf C1-Niveau des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens nachzuweisen, war eine weitere sprachliche Vorbereitung notwendig. Geeignete Teilnehmer schlug die ZAV anschließend interessierten Apotheken in Deutschland vor.

     

    MERKE | Unabhängig von den Rekrutierungsreisen der ZAV in ausgewählte Länder, die immer in Kooperation mit den dortigen Arbeitsverwaltungen stattfinden, können sich Bewerber aus aller Welt auch initiativ an die ZAV wenden. Diese werden nach einer ausführlichen Beratung zum Thema Arbeiten, Leben und Bewerben in Deutschland bei entsprechender Eignung direkt mit suchenden Arbeitgebern in Deutschland zusammengeführt.

     

    Das Migasa-Projekt

    Ähnliche Erfahrungen wie die ZAV in Italien machte auch das Migasa-Projekt in Spanien. Migasa ist eine Apotheken-Kooperation, in der inhabergeführte Apotheken an über 189 Standorten in Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen, Bremen, Hessen und Rheinland-Pfalz zusammengeschlossen sind. Das Projekt hatte bereits 2014 begonnen, Nachwuchspharmazeuten in Spanien zu rekrutieren ‒ zunächst nur für an der Kooperation beteiligte Apotheken, mittlerweile bundesweit und für alle Arbeitgeber offen. An den Unkosten, vor allem für die Sprachkurse, werden die einstellenden Arbeitgeber mit insgesamt 5.000 Euro beteiligt. Die erste Hälfte wird bei der Einreise fällig, die zweite bei Erhalt der Approbation.

     

    Seit Anfang 2018 arbeitet die ZAV bei der Rekrutierung von Apothekern in Italien und Portugal auch mit dem Migasa-Projekt zusammen. Gemeinsam sind beide Partner inzwischen in mehrere Städte in Italien gereist. Im Juni 2018 begannen die ersten ausgewählten Bewerber die vier- bis fünfmonatigen vorbereitenden Sprachkurse. Eine Rekrutierungsreise nach Porto folgte im Herbst 2018. Auch in diesem Jahr sind mehrere Reisen nach Südeuropa geplant. Im ersten Quartal werden außerdem die nächsten Teilnehmer ihre Sprachkurse abschließen.

    Herausforderung: Vertrauen gewinnen

    Eine Herausforderung, auf die die ZAV und Migasa ‒ neben den fehlenden Deutschkenntnissen ‒ in Südeuropa immer wieder stoßen: Die Bewerber müssen zunächst von der Redlichkeit der deutschen Stellenangebote überzeugt werden. „Die Arbeitsbedingungen für Pharmazeuten in diesen Ländern sind sehr schlecht“, sagt Patrick Marx. Der Inhaber von insgesamt vier Apotheken in Mülheim und Oberhausen koordiniert ehrenamtlich die Rekrutierungsaktivitäten der Kooperation. Vor allem frischen Absolventen werden schlechte Bezahlung und befristete Arbeitsverträge bei hohem Stundenaufkommen geboten. Oft werden sie zunächst als Praktikanten beschäftigt ‒ falls sie überhaupt eine Stelle finden. „Da klingen die deutschen Arbeitsbedingungen für Pharmazeuten erst einmal wie aus einer anderen Weltb“, berichtet Marx weiter. „Viele sagten uns in den Gesprächen: ‚Das glauben wir euch nicht‘.“

     

    Auch Paula Navarro hatte das Problem, dass sie nach ihrem Studienabschluss 2014 an der Universität Sevilla in Spanien keine adäquate Stelle finden konnte. Schließlich jobbte sie in einem Geschäft, um sich über Wasser zu halten. Aber eine Perspektive war das für sie nicht. „Ich hatte ja Pharmazie studiert und wollte auch als Pharmazeutin arbeiten“, sagt sie. Im Internet fand sie dann den Hinweis auf eine Rekrutierungsveranstaltung des Migasa-Projekts. Deutsch konnte sie zu diesem Zeitpunkt noch nicht und war auch noch nie in Deutschland gewesen. „Aber ich sagte mir: Warum nicht?“ Wie viele ihrer Kollegen reagierte sie auf das Angebot aus Deutschland zunächst mit Skepsis. „Eine feste Stelle, ohne bisher die Sprache zu können und ein bezahlter Sprachkurs ‒ das klang zu schön um wahr zu sein“, erzählt sie in mittlerweile fließendem Deutsch. Seit August 2015 arbeitet sie nun schon in einer der Mülheimer Apotheken von Patrick Marx.

    Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt

    Bei der Rekrutierung von Apothekern konzentriert sich die ZAV auf die Länder der Europäischen Union, vor allem in Südeuropa. Außerhalb der EU bestehen gute Möglichkeiten für Pharmazeuten aus den sogenannten Westbalkan-Staaten. Denn Bürger aus Albanien, Bosnien-Herzegowina, Kosovo, Mazedonien, Montenegro und Serbien genießen durch die Westbalkan-Sonderregelung (§ 26 Abs. 2 Beschäftigungsverordnung) befristet bis Ende 2020 vereinfachten Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt. Pharmazeuten aus anderen Nicht-EU-Staaten können als Akademiker darüber hinaus die Blaue Karte EU in Anspruch nehmen, die es ihnen ermöglicht, für zunächst bis zu vier Jahre eine Beschäftigung in Deutschland aufzunehmen. Voraussetzung ist allerdings ein Jahresbruttogehalt von aktuell 53.600 Euro, das sie in Deutschland verdienen müssen. Dieses liegt bei Apothekern ‒ vor allem für Berufsanfänger ‒ über dem Tariflohn, was die Rekrutierung von Pharmazeuten in Nicht-EU-Staaten außerhalb des Westbalkans aktuell schwierig macht.

     

    MERKE | Unabhängig davon, ob sie aus einem EU- oder Nicht-EU-Staat stammen, müssen Apotheker, die ihren Hochschulabschluss im Ausland erworben haben, bei der örtlich zuständigen Bezirksregierung eine deutsche Approbation beantragen. Bei der Suche nach der richtigen Antragsstelle hilft der Anerkennungsfinder unter www.anerkennung-in-deutschland.de. Die Anträge können auch bereits aus dem Ausland gestellt werden.

     

    Nach der Ankunft

    Sind die neuen Apotheker einmal da, benötigen sie besondere Hilfe bei der Einarbeitung und Eingewöhnung ‒ sowohl beruflich als auch privat. Dazu kann Hilfe bei der Wohnungssuche und bei Behördengängen gehören oder als Ansprechpartner bei Fragen und Problemen zu fungieren. Damit die neuen Mitarbeiter sich schnell heimisch fühlen, hilft es ebenso, sich im Vorfeld über ihre Hobbys schlauzumachen und sie dann mit entsprechenden Vereinen in Kontakt zu bringen. Außerdem lohnt es sich, ihre sprachliche Entwicklung zu fördern, z. B. durch berufsbegleitende Sprachkurse. Denn Sprache ist der Schlüssel nicht nur zur beruflichen, sondern auch privaten Integration. Wie schwierig das sein kann, weiß Paula Navarro aus eigener Erfahrung: „Trotz meiner Sprachkurse in Spanien dachte ich als ich nach Deutschland kam: Ich kann nichts.“

     

    „Für die Bewerber ist es ein großer Schritt in eine komplett neue Welt ‒ mit schlechtem Wetter. Es ist etwas anderes, einen Bewerber aus dem Ausland einzustellen als einen aus Deutschland. Man muss sich mehr kümmern“, bestätigt Patrick Marx. Das kann Friederike Meyer-Belitz nur unterschreiben: „Arbeitgeber dürfen neben dem fachlichen Teil den sozialen Aspekt nicht vernachlässigen. Mitarbeiter, die sich nach Feierabend einsam fühlen, werden schnell weiter- oder zurückziehen.“ Hier hilft es, Anreize zu schaffen, um die neuen Mitarbeiter auch langfristig zum Bleiben zu motivieren.

     

    Weiterführende Hinweise

    • Weitere Informationen finden an Deutschland interessierte Fachkräfte im Ausland sowie deutsche Arbeitgeber auch im Fachkräfteportal der Bundesregierung: www.make-it-in-germany.com.
    Quelle: Ausgabe 02 / 2019 | Seite 3 | ID 45643626