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  • · Fachbeitrag · Interview

    „Die Vorfinanzierung von Hochpreisern wird für Apotheken zunehmend zum Risiko“

    | Liegt der Apothekeneinkaufspreis über 1.238,53 Euro, gilt ein Arzneimittel als Hochpreiser. Apotheken mit einem großen Anteil an hochpreisigen Arzneimitteln tragen ein hohes wirtschaftliches Risiko, denn sie müssen die Arzneimittel vorfinanzieren und mit Ausfällen durch Retaxationen rechnen. Die Gewinnmarge ist im Verhältnis zum Umsatz gering. Was müsste geschehen, um diese Situation zu verbessern? Antworten auf diese Frage hat Melanie Dolfen. Sie ist Referentin für das Geschäft mit Hochpreisern. Ursula Katthöfer ( www.textwiese.com ) fragte sie nach Auswegen. |

     

    Frage: Der Umsatzanteil hochpreisiger Arzneimittel steigt rasant und liegt dem Bundesverband des pharmazeutischen Großhandels (PHAGRO) zufolge bei mehr als 40 Prozent des Gesamtumsatzes. Was ist daran problematisch?

     

    Antwort: Das Gesundheitssystem setzt falsche Anreize, denn es unterstützt das Geschäft mit den Hochpreisern. Für die Pharmaindustrie sind die Erträge bei diesen Produkten am höchsten. Für die Apotheken theoretisch auch, aber praktisch wird es immer schwieriger, mit Hochpreisern wenigstens auskömmlich zu verdienen. Selten wird thematisiert, dass auch die Kassen am Umsatz hängen. Sie propagieren Kostendämpfung, unternehmen aber wenig gegen die systematische Preistreiberei der großen Player in der Pharmaindustrie.

     

    Frage: Warum verdienen die Apotheken nicht auskömmlich?

     

    Antwort: Für mich gelten Medikamente ab 500 Euro aufwärts als Hochpreiser. Wenn ein Rezept eingeht, gehen die Apotheken für mindestens vier Wochen in Vorleistung. Wenn es ganz schlecht läuft, kommt jemand am ersten Tag des Monats mit einem Rezept über 1.000 Euro. Das Rezept liegt dann einen ganzen Monat in der Apotheke, bevor es in die Abrechnung geht, sodass es zwei Monate dauert, bis die Apotheke ihr Geld erhält. Deshalb müssen Kreditlinien erhöht werden, was zu weiteren Kosten führt.

     

    Die Bedingungen haben sich für uns verschlechtert, die realen Kosten sind deutlich gestiegen. Die gesetzlich festgeschriebene Marge von 3 Prozent plus einem Fixzuschlag von 8,35 Euro pro Packung hat sich seit zwölf Jahren nicht verändert. Um Kostenexplosionen bei sehr teuren Therapien über 15.000 Euro zu vermeiden, ist der variable Aufschlag auf 500 Euro gedeckelt. Die Vorfinanzierung wird immer mehr zum Risiko. Viele Apotheken erleben mit Hochpreisern finanzielle Schwankungen und Schwierigkeiten, die sie früher nicht kannten. Der Ertragseinbruch bei den Hochpreisern ist ein wesentlicher Grund für das Apothekensterben, das Deutschland gerade erlebt.

     

    Frage: Was können Apotheken tun, um wirtschaftliche Risiken abzufedern?

     

    Antwort: Sie müssen ihr Einkaufsmanagement optimieren. Wir haben bei Patienten, die hochpreisige Medikamente benötigen, ein Bestellschema hinterlegt. Das Medikament wird erst kurz bevor der Kunde kommt bestellt. Das setzt einen engen Kundenkontakt voraus. Manche Kunden bitten wir, uns Bescheid zu geben, bevor sie zum Arzt gehen oder wenn sich an der Therapie etwas ändert. Außerdem ist ein gutes Liquiditätsmanagement wichtig, um zu wissen, wann das Abrechnungszentrum den Apothekenabschlag auszahlt. Diese effiziente Struktur hat jedoch den Effekt, dass Beratung und Rezeptur immer unattraktiver werden.

     

    Frage: Welche Rahmenbedingungen sollte ein Apotheken-Reformgesetz (ApoRG) für die Vergütung von hochpreisigen Medikamenten festlegen?

     

    Antwort: Nach Jahren ohne Erhöhungen brauchen wir endlich eine realistische Vergütung und eine Politik, die sich von Vorurteilen aus dem letzten Jahrhundert verabschiedet. Apotheken verdienen sich keine goldene Nase. Und wir brauchen dringend mehr Fachkompetenz in der Politik. Sie muss verstehen, dass wir uns zu einer patientenindividuellen Pharmazie entwickeln. Im Moment ist es so, dass es für immer mehr Apotheken zum Risiko wird, die Rezeptur zu öffnen oder Hochpreiser zu bestellen. So kommt es vor, dass sie trotz Kontrahierungszwang Patienten abweisen, indem sie beispielsweise sagen, das Medikament sei nicht lieferbar.

     

    Frage: Was halten Sie von der Idee, dass die Krankenkassen Abschlagszahlungen an die Apotheken leisten und es dadurch mehrere Abrechnungszyklen gibt?

     

    Antwort: Das ist am Ende auch nur eine bessere Liquiditätsplanung. Die Kassen müssten ihre Haltung gegenüber den Apotheken grundsätzlich ändern. Wir erleben so oft, dass sie das ungleiche Kräfteverhältnis ausnutzen. Wir brauchen Sicherheiten, dass die Zahlungen kommen. Retaxationen sind ein Riesenproblem, dem wir relativ ohnmächtig gegenüberstehen.

     

    Frage: Wie sollte gegenüber den Kunden mit den finanziellen Risiken umgegangen werden?

     

    Antwort: Obwohl die Kunden möglichst wenig von den finanziellen Hintergründen mitbekommen sollten, ist es mir ein Anliegen, gerade gesetzlich Versicherten zu erklären, wie hoch die Therapiekosten sind. Es sollte Anreize geben, die Therapietreue zu fördern. Wenn ein HIV-Patient sich nicht an das Einnahmeschema hält, kann die teure Therapie verloren sein. Auch könnten hochpreisige Therapien vermieden werden. Als Alternativtherapie können cannabinoide Mittel etwa bei MS-Patienten Kosten sparen, weil weniger Schübe auftreten. Ich sehe die neue Rolle der Apotheken darin, darüber zu informieren, wo Einsparungen im Gesundheitswesen möglich sind.

     

    Weiterführender Hinweis

    Quelle: Ausgabe 06 / 2025 | Seite 9 | ID 50364389