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  • · Fachbeitrag · Beratung in der Apotheke

    Nicht nur eine Frage des Abstands: Diskretion in der Apotheke

    von Dr. Doortje Cramer-Scharnagl, Edewecht

    | „Guten Morgen, Frau Meier, das passt ja gut. Wollen Sie gleich auch das Medikament mitnehmen, das Ihr Mann gestern bestellt hat?“ So könnte der Beginn einer tragischen Ehekrise aussehen, falls die so freundlich begrüßte Ehefrau gar nichts von der Fettleber oder den Depressionen ihres Partners wusste. Wie man sieht, kann die Balance zwischen professioneller Verschwiegenheit und Service bzw. Kundenorientierung bisweilen schwierig sein. Damit Diskretion in der Offizin dennoch gelingt, können Sie gleich auf mehreren Ebenen ansetzen. |

    Ebene 1: persönlicher Abstand

    Die Coronapandemie hat gezeigt, dass es sich so gut wie in jedem Umfeld organisieren lässt, stets einen ausreichenden Abstand zwischen mehreren Personen einzuhalten. Wie eine aktuelle Studie der Universität Heidelberg belegt, haben inzwischen die meisten Kunden die neuen Abstandsregeln akzeptiert und verinnerlicht (www.iww.de/s3949). Das kommt auch dem Diskretionsanliegen sehr zugute. Als einfachste Abstandsmaßnahmen haben sich sogenannte Diskretionsstopper bewährt. So können Wartelinien leicht mit Klebeband auf dem Boden markiert oder auch in Form einer Leuchtschrift projiziert werden. Weitere Möglichkeiten sind Schmutzfangmatten mit eingewebter Schrift, Aufsteller auf den HV-Tischen oder Bodenständer mit der Bitte um Diskretion und Abstand. Die Distanz muss jedoch klug abgewogen werden: Wird die Entfernung zwischen Fachpersonal und Kunden zu groß, müssen alle Beteiligten lauter sprechen. Zwangsläufig können dann andere Menschen im Raum mithören.

    Ebene 2: räumliche Gestaltung

    Der bessere Weg um zu gewährleisten, dass jedes Beratungsgespräch vertraulich bleibt, sind daher innenarchitektonische Lösungen. So sieht auch die Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO) die räumliche Gestaltung der Offizin als wesentliche Grundlage an:

     

    • § 4 Abs. 2a ApBetrO

    „Die Offizin […] muss so gestaltet werden, dass […] für die in der Offizin ausgeübten wesentlichen Aufgaben, insbesondere die Beratung von Patienten und Kunden, genügend Raum bleibt. Die Offizin muss so eingerichtet sein, dass die Vertraulichkeit der Beratung, insbesondere an den Stellen, an denen Arzneimittel an Kunden abgegeben werden, so gewahrt wird, dass das Mithören des Beratungsgesprächs durch andere Kunden weitestgehend verhindert wird.“

     

    Diese Vertraulichkeit der Beratung ist schon seit fast einem Vierteljahrhundert in der ApBetrO festgeschrieben. Erstaunlicherweise gibt es in vielen Apotheken auch heute noch erheblichen Verbesserungsbedarf ‒ vielleicht, weil gerade in Bestandsapotheken bauliche Anpassungen schwierig erscheinen können. Dabei gibt es selbst für beengte Verhältnisse gute Lösungen.

     

    Richten Sie Beratungsbuchten ein

    Ein erster Schritt ist es, durchgehende HV-Tische in „Beratungsbuchten“ einzuteilen. Dazu können Sie ganz einfach Produktpräsenter aus dem Freiwahlbereich nutzen. Oft noch besser geeignet sind spezielle, platzsparende Trennwände, z. B. aus Acryl. Achten Sie bei Ihrer Auswahl darauf, was Ihnen das jeweilige Diskretionselement bietet: Ideal ist neben einem Sicht- auch ein Hörschutz, also die Fertigung aus schallabsorbierendem Material. Sogar Sondermodelle als farbig beleuchtete Wasserwände sind erhältlich.

     

    PRAXISTIPP | In manchen Apotheken leichter machbar ist ein separater „Beratungspunkt“ ‒ z. B. in Form eines Stehtischs, der deutlich abseits von den HV-Tischen aufgestellt wird und somit außer Hörweite steht.

     

    Prüfen Sie, ob ein Beratungsraum umsetzbar ist

    Neben frei stehenden Diskretionselementen bieten Beratungszimmer eine besonders komfortable Möglichkeit, Kunden unter vier Augen zu beraten. Wo die Räumlichkeiten kein gesondertes Zimmer ermöglichen, kommt eventuell eine im Jahr 2007 preisgekrönte Lösung infrage: der „Beratungszylinder“. Mit seinem gebogenen Grundriss benötigt er recht wenig Platz und ist so in vielen bestehenden Innenausstattungen einsetzbar. Im geschlossenen Zylinder ist ein schall- und sichtgeschütztes Gespräch möglich, bei geöffneten Schiebetüren wird die Konstruktion zum normalen HV-Platz.

     

    PRAXISTIPP | Grenzen Sie Warte- und Bedienbereich klar voneinander ab. Das gelingt besonders gut, wenn Sie den Wartebereich attraktiv gestalten, z. B. mit Sitzgelegenheiten, Apothekenzeitschriften und/oder Informationsmaterialien.

     

    Besondere Lösungen dürfen beworben werden

    Da keine Pflicht besteht, seinen Kunden einen eigenen, architektonisch in sich abgeschlossenen Beratungsraum anzubieten, ist es erlaubt, mit einem solchen Raum zu werben. Das entschied im Oktober 2015 das Landgericht (LG) Wuppertal, nachdem die zuständige Wettbewerbszentrale zunächst gegen eine Apotheke vorgegangen war, die ihren „diskreten Beratungsbereich“ hervorgehoben hatte (Urteil vom 06.10.2015, Az. 11 O 51/15, Abruf-Nr. 146125). Da deren Lösung nach Ansicht des LG aber über den Mindeststandard hinausging, wurde die Klage der Wettbewerbszentrale abgewiesen.

    Ebene 3: taktvolle Kommunikation

    Was der eine Kunde als völlig unproblematisch empfindet, kann für den anderen schon eine peinliche Indiskretion bedeuten. Darum ist es im persönlichen Umgang vor allem wichtig, dass Sie auf das Verhalten Ihres Gegenübers achten und mit Fingerspitzengefühl darauf eingehen. Darüber hinaus gelten immer die folgenden Kommunikationsregeln:

     

    • Halten Sie den Abstand zum Kunden so gering wie möglich, damit Sie die Stimme nicht heben müssen. Selbstverständlich müssen dabei die Hygieneregeln beachtet werden!

     

    • Kommunizieren Sie nicht von der Schublade aus mit Ihren Kunden. Unterbrechen Sie stattdessen kurz das Gespräch.

     

    • Verzichten Sie möglichst darauf, Namen, Rezeptdaten, Indikationen etc. auszusprechen. Bleiben Sie absichtlich ungenau (z. B. „Hier ist Ihr Medikament.“). Ein absolutes No-Go ist es, versehentlich Daten anderer Kunden preiszugeben: „Ist das die Bestellung für Marianne Müller, Hauptstraße 35, Geburtsdatum 30.11.1998? Nein? Dann Sabine Müller, Moosbeerweg?“

     

    • Am Telefon ist es hingegen meist wichtig, bestimmte Daten zu wiederholen. Telefonieren Sie daher nicht in Hörweite des HV, sondern akustisch abgetrennt in einem Hinterzimmer.

     

    • Verlegen Sie die Beratung rechtzeitig in den Beratungsraum, wenn ein vertrauliches Gespräch nötig, aber gerade nicht möglich ist. Verwenden Sie dafür stets eine neutrale Begründung wie „Dazu gebe ich Ihnen gern mehr Informationen. Wollen wir uns kurz ins Beratungszimmer setzen?“

     

    • Besprechen Sie alle Themen so, dass Ihre Gesprächspartner spüren, wie selbstverständlich ihre Anliegen sind. Auch über Geschlechtskrankheiten und Blähungen kann man sich so sachlich austauschen, dass peinliche Gefühle auf Kundenseite auf ein Minimum reduziert werden. Positiver Nebeneffekt: Je offener Patienten über ihre Probleme sprechen, desto gezielter können Sie ihnen helfen ‒ das steigert die Qualität Ihrer Dienstleistung.

     

    • Scheuen Sie sich nicht, wartende Kunden um etwas mehr Abstand zu bitten, falls diese sich einmal zu nah anstellen.

    Ebene 4: bewusstes Handeln

    Die letzte Ebene bilden Ihre eigenen Handlungsweisen. Selbstverständlich lassen Sie keine Dokumente wie Rezeptkopien, Faxe oder Notizen so liegen, dass nicht betroffene Kollegen, andere Kunden oder externe Dienstleister sie einsehen könnten. Ebenso wenig nutzen Sie die Mithör- oder Freisprechfunktion des Anrufbeantworters oder Telefons, wenn jemand in Hörweite sein könnte. E-Mails dürfen nur mit Kundenerlaubnis an gesichert dem Kunden gehörende Mailadressen geschickt werden. Und dass Sie zu Hause nichts aus der Offizin berichten, ist ohnehin klar ‒ selbst wenn Ihr Tag noch so belastend und anstrengend gewesen ist.

     

    PRAXISTIPP | Organisieren Sie für Ihre Kunden eine unauffällige Möglichkeit, um besondere Vertraulichkeit zu bitten. Das kann telefonisch oder mit Online-Terminvereinbarungen geschehen, mit der Bitte um Bedienung durch eine bestimmte Mitarbeiterin oder mit einem „Diskretionskärtchen“, das am Eingang ausliegt und zu Beginn der Beratung einfach vom Kunden auf den HV-Tisch gelegt wird.

     
    Quelle: Ausgabe 02 / 2021 | Seite 7 | ID 46754941